Konfession, Antisemitismus und NS

Ich tue nicht nur so, Dion behauptet das in einer Tour.

Wirklich? Für das "in einer Tour" möchte ich gern ein Zitat aus den letzten 10-14 Tagen sehen. Vielleicht habe ich ja etwas übersehen...

Ich habe nie behauptet, dass man damit ein Wahlergebnis hätte vorhersagen können.

Dann bleibt mir allerdings der Satz "Auch dieses Ergebnis hätte es so nicht geben dürfen, wenn der Protestantismus ein entscheidender Faktor gewesen wäre", mit dem Du konkrete Wahlergebnisse kommentierst, komplett unverständlich.

Das es so einfach nicht, das ist mir auch klar, aber letztendlich ist dieser versimpelte Modell die Antwort auf versimpelte Thesen.
Ja, vielleicht wirkt es auf mich daher so eindimensional. Allerdings hattest Du nicht auf einen Beitrag von @Dion geantwortet, sondern auf einen Beitrag von @Nikias, und der argumentiert eigentlich nicht eindimensional.
 
Zuletzt bearbeitet:
Was fällt dir ein, @Shinigami, KPD, SPD und NSDAP in einen Topf zu werfen!

Sicher ist nur: Die Wirtschaftskrise hat Menschen aller Konfessionen getroffen, aber sie haben 1932 nicht alle mit ihrem Wahlverhalten gleich reagiert. KPD, SPD, Zentrum und BVP blieben im Vergleich zu 1930 weitgehend stabil, nur die NSDAP hat mehr als doppelt so viele Stimmen bekommen, alle anderen Parteien haben entsprechend Stimmen verloren.

Man kann also sagen, die laizistischen Parteien im linken Spektrum und die Parteien im katholischen Milieu haben nicht dazu beigetragen, dass die Nazis so viele Stimmen bekamen.

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Reichstagswahlen_in_Deutschland#Ergebnisse_1919_bis_1933
 
Dann bleibt mir allerdings der Satz "Auch dieses Ergebnis hätte es so nicht geben dürfen, wenn der Protestantismus ein entscheidender Faktor gewesen wäre", mit dem Du konkrete Wahlergebnisse kommentierst, komplett unverständlich.

Ich denke ein Ergebnis zu kommentieren und einzuordnen ob es zu einer bestimmten Annahme passt und sich dazu zu versteigen Ergebnisse vorherzusagen, wie du es mit unterstellt hast sind zwei verschiedene paar Schuhe.

So viel Feingefühl für Unterscheidung sollte schon sein, wenn man sich auf der anderen Seite nun an dem Unterschied hochzieht ob ein User den Protestantismus nun für den oder nur für einen entscheidenden Faktor hält, bzw. die Konfession (ohne hierbei in Protestanten und Katholiken zu unterscheiden).

Ja, vielleicht wirkt es auf mich daher so eindimensional.
Das wirkt nicht nur eindimensional, das ist natürlich eindimensional.

Wirklich? Für das "in einer Tour" möchte ich gern ein Zitat aus den letzten 10-14 Tagen sehen. Vielleicht habe ich ja etwas übersehen...

Z.B. hier, vergangener Donnerstag:

Die gleiche Aufwertung erfuhren auch die Bauern in Bayern, die aber das - insofern sie katholisch waren - nicht mit Stimmen für die NSDAP "belohnten". Dieser Unterschied ist mMn auf unterschiedliche Konfessionen dort und hier zurückzuführen, zumal auch die mehrheitlich protestantischen Bauern in Franken überdurchschnittlich häufig NSDAP wählten

Reines Abstellen auf Konfession (einmal mehr) andere Faktoren werden überhaupt nicht in Betracht gezogen.
Das Modell ist so eindimensional wie das Gegenmodell.

Wäre ja in der Tat schön, wenn man mal zu einer konplexeren Diskussion käme, die vor allem auch regionale Besonderheiten berücksichtigt, scheint aber nicht zu gehen, so lange mit eindimensionalen Vorstellungen um sich geworfen und immer wieder auf solche bestanden wird.
 
Was fällt dir ein, @Shinigami, KPD, SPD und NSDAP in einen Topf zu werfen!

Was mir einfällt? Der Umstand, dass es zwichen diesen drei Parteien eine Gemeinsamkeit gibt, nämlich diejenige, dass sie mit dem Christentum nichts am Hut hatten.

Und wenn 3 Parteien, die es ablehnen sich für konfssionelle Belange einzusetzen über 70% der Wählerstimmen auf sich vereinigen, fällt es mir schwer der Vorstellung die Konfession wäre für die Wahlentscheidung ein bestimmender Faktor gewesen zu folgen.
Vielleicht für eine Minderheit, nämlich einen Teil der Wähler von Zentrum, BVP und DNVP aber ganz offensichtlich nicht für die Masse der Wähler.

Die 62% Protestanten hatten keine Partei, an die sie sich aus religiösen Überzeugungen hängen konnten, es sei denn vielleicht mit Abstrichen die DNVP, die ja noch am Ehesten für das alte Preußen stand, konnten sich also gar nicht auf Grund ihrer Religion von irgendwem binden lassen, weil es keine Partei in diesem Maße anbot und von den Katholiken, für die es solche Parteien gab, taten es weniger als die Hälfte, aus Gründen über die wir nur mutmaßen können.

Unter diesen Umständen halte ich meine Zweifel am Postulat für so berechtigt, wie den Umstand die obeen genannten Parteien mit einander in Beziehung zu setzen.

KPD, SPD, Zentrum und BVP blieben im Vergleich zu 1930 weitgehend stabil
Die SPD hatte allerdings bereits vorher einiges an Verlusten hinnehmen müssen.

Zentrum und KPD blieben weitgehend stabil, allerdings waren beides Parteien, die auch in den stabileren Zeiten der Weimarer Republik kaum Wähler über ihre Kernklientel hinaus binden konnten.
Diese Parteien waren auf niedrigem Niveau stabil.


Man kann also sagen, die laizistischen Parteien im linken Spektrum und die Parteien im katholischen Milieu haben nicht dazu beigetragen, dass die Nazis so viele Stimmen bekamen.
Beigetragen, dass die Nazis das Maß an Stimmen bekamen, dass sie bekamen haben ohnehin nur die Personen die sie tatsächlich gewählt haben.
 
Ich denke ein Ergebnis zu kommentieren und einzuordnen ob es zu einer bestimmten Annahme passt
Das machst Du ja gerade nicht. Die Annahme, die Konfession sei ein entscheidender Faktor gewesen, ist ja gut begründet, unter allen statistisch nachweisbaren Faktoren ist das mit Abstand der gewichtigste. Wenn Du "der einzige entscheidender Faktor" geschrieben hättest, wäre der Rest für mich nachvollziehbar. So aber schüttest Du das Kind mit dem Bade aus.
 
Die Annahme, die Konfession sei ein entscheidender Faktor gewesen, ist ja gut begründet
Nein, ist sie nicht.

Wie bereits angemerkt bei den beiden Wahlen 1932 wählten über 70% der Wähler die drei großen Parteien, die keiner der Konfessionen zuneigten.

Lediglich 15% der Wähler wählten bei diesen beiden Wahlen Parteien, die sich ganz dezidiert programmatisch einem Bekenntnis verschreiben hatten.

Für eine erdrückende Mehrheit der Wähler spielte die eigene Konfession offensichtlich keine Rolle bei der Entscheidung dafür, wo sie ihr Kreuz machen.

Selbst bei den 15% Wählern die sich an die dezidiert katholischen Parteien hielten ist nicht nachgewiesen, dass die Konfession der entscheidende Faktor gewesen wäre, auch wenn es bei einem Großteil der Wähler sicherlich naheliegt.

Die positive Bindung von vielleicht 15% oder 20% der Wähler führte weder politische Umstürze herbei, noch stabilisierte sie im entscheidenden Maße das System.

Ob die Mahnungen der katholischen Geistlichen beestimmte Parteien nicht zu wählen über die 15% die die katholischen Parteien binden konnten irgendeinen Effekt darauf hatten, dass Katholiken, wenn sie nicht Zentrum oder BVP wählten andere Parteien als die Nazi wählten, wissen wir nicht.
Insofern ja mit Marx auch die theoretische Grundlage von Sozialdemokratie und Kommunisten in der katholischen Kirche auf dem Index Librorum Prohibitorum stand und die meisten Geistlichen auch nicht besonders begeistert über Schäfchen gewesen sein dürften, die sich für diese beiden Parteien entschieden, scheinen jedenfalls auch Machtworte der Geistlichkeit was nicht zu wählen sei ihre Grenzen gehabt zu haben.

Man kann es drehen und wenden wie man will, aktiv nach ihrer Konfession wählten wenn es hoch kommt 15-20% der Wahlberechtigten, die anderen interessierte das offensichtlich nicht.

Was genau haben diese 15% entschieden? Nichts, sie konnten nicht mehr für stabile demokratische Mehrheiten sorgen, dafür waren sie bei weitem zu wenige.

Man könnte jeetzt darüber spekulieren wie das ganze ausgesehen hätte, wenn es bei den Protestanten eine dem Zentrum vergleichbare Partei gegben hätte oder wenn es das Zentrum und seine begrenzte religiöse Bindewirkung nicht gegeben hätte.
Das allerdings wäre hypothetisches Vorhersagen von potentiellen Wahlergebnissen, wogegen du dich oben ja verwahrt hattest, weil unseriös.

Also, womit wäre der entscheidende Charakter der Konfession bei den Wahlen zu begründen und was belegt es?
 
Nein, ist sie nicht.

Dann habe ich Dich tatsächlich missverstanden, und wir schreiben aneinander vorbei.

Was ich unter Faktoren verstehe, sind demographische Faktoren, die sich statistisch erfassen lassen:
Alter, Geschlecht, Konfession, soziale Schicht, Beruf, regionale wirtschaftliche Gegebenheiten etc.

Wenn es Dir aber nicht um demographische Faktoren geht, sondern lediglich um die individuelle Wahlentscheidung, dann haben wir keinen Dissens. Über alle möglichen in Frage kommenden Faktoren für die individuelle Wahlentscheidung mag spekulieren, wer will, für mich ist das kein Thema.
 
Für eine erdrückende Mehrheit der Wähler spielte die eigene Konfession offensichtlich keine Rolle bei der Entscheidung dafür, wo sie ihr Kreuz machen.
Blödsinn. Zu dem Zeitpunkt bekannten sich Menschen in Deutschland zu 95 Prozent zum Christentum. Glauben legt man nicht ab, wenn man zur Wahlurne geht, aber du unterstellst hier, dass diejenigen, die DKP und SPD wählten, keiner Konfession mehr angehörten, nur um das auch den NSDAP-Wählern unterstellen zu können. Warum du das tust, ist allzu durchsichtig.
 
Zu dem Zeitpunkt bekannten sich Menschen in Deutschland zu 95 Prozent zum Christentum.
könnte hinkommen, wobei wir allerdings nicht wissen, wie hoch der Prozentsatz der derjenigen ist, deren Christentum sich auf leckere Ostereier und schmackhafte Weihnachtsgänse reduzierte (z.B. Maler, Literaten, Musiker der 20er Jahre waren großenteils nur quasi nominell "Christen", salopp gesagt ein pünktlicher Kirchgänger war selbst so ein Traditionalist wie Thomas Mann nicht)
Glauben legt man nicht ab, wenn man zur Wahlurne geht
die Wahlerfolge der SPD in den 20er Jahren lassen sich nicht mit christlichem Glauben oder kirchlichem Einfluss erklären.
aber du unterstellst hier, dass diejenigen, die DKP und SPD wählten, keiner Konfession mehr angehörten, nur um das auch den NSDAP-Wählern unterstellen zu können.
das kann ich nicht im Beitrag von @Shinigami lesen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Blödsinn. Zu dem Zeitpunkt bekannten sich Menschen in Deutschland zu 95 Prozent zum Christentum. Glauben legt man nicht ab, wenn man zur Wahlurne geht, aber du unterstellst hier, dass diejenigen, die DKP und SPD wählten, keiner Konfession mehr angehörten, nur um das auch den NSDAP-Wählern unterstellen zu können. Warum du das tust, ist allzu durchsichtig.
Nein, das steht bei Shinigami nicht. Da steht, dass die Konfession keine Rolle bei der Wahlentscheidung spielte - worüber man sicher geteilter Auffassung sein kann -, nicht, dass Wähler bestimmter Parteien konfessionslos gewesen seien (was allerdings bei Wählern der marxistisch orientierten Parteien durchaus in höherem Grad erwartbar wäre).
 
Unverändert empfiehlt es sich, Kausalitäten von Korrelationen zu trennen, und Störvariablen zu beachten, die ihrerseits auch nach Konfessionen unterschieden werden könnten.
 
Noch ein anderer Gedanke zum Thema Konfession-Wahlen: es ist oft die Rede von der scharfen Trennlinie zwischen den Konfessionen (zeigt sich u.a. an der geringen Zahl gemischter Eheschließungen) - das katholische Zentrum als unwählbar zu betrachten aus protestantischer Sicht (clio Essay) soll daraus resultieren. Ist das dann auch Einfluss der Kirchen oder mehr Tradition?

Zumindest wurde das Zentrum in der liberalen, sozialistischen oder deutschnationalen Presse ganz allgemein als rein katholische Interessensvertretung wahrgenommen und in seinen Motiven auch auf diese Weise gedeutet. In vielen Ländern war in den 20er-Jahren beispielsweise das Konkordatsthema sehr lebendig, und man ging offenbar ganz allgemein davon aus, dass andere Parteien dem Zentrum in dieser Frage entgegenkämen, um eine Koalition zu erleichtern. Die deutschnationale Presse griff um 1929 herum beispielsweise SPD und DDP in Preußen wegen der Verhandlungen mit Nuntius Pacelli an, während die eher liberale Presse (etwa auch die Frankfurter Zeitung) auf das viel weitergehende bayrische Konkordat verwies, das mit Hilfe rechtsgerichteter bürgerlicher Kräfte durchgesetzt worden war.

Natürlich ist es sehr gut möglich, dass einzelne Protestanten mal das Zentrum wählten. Das dürfte aber wirklich die Ausnahme geblieben sein, und Wahlergebnisse in rein protestantischen Dörfern zeigen das auch recht deutlich.
 
Blödsinn. Zu dem Zeitpunkt bekannten sich Menschen in Deutschland zu 95 Prozent zum Christentum. Glauben legt man nicht ab, wenn man zur Wahlurne geht, aber du unterstellst hier, dass diejenigen, die DKP und SPD wählten, keiner Konfession mehr angehörten, nur um das auch den NSDAP-Wählern unterstellen zu können. Warum du das tust, ist allzu durchsichtig.

Du tust ja gerade so, als wären in den Kirchen nur Tiefgläubige versammelt. Wie wird man denn Katholik oder Protestant, von mir aus auch Moslem oder Jude? Das wird man doch nicht freiwillig, da wird man hinein geboren, man wird getauft und konfirmiert. Man übernimmt das wie eine Vereinsmitgliedschaft, und in diesen "Vereinen" dominierten eigentlich immer schon die passiven Mitglieder und Karteileichen. Die Konfirmation war ein wichtiges Ritual: Für die überwiegende Mehrheit der deutschen Protestanten markierte sie den Eintritt ins Erwerbsleben.

Nach der Konfirmation geht man in der Regel nur noch zu Taufen, Konfirmationen, Hochzeiten und Beerdigungen in die Kirche. Man praktiziert die Religion nur sporadisch, lässt sich vielleicht mal Heiligabend in der Kirche blicken. Man bleibt dabei dabei aus Bequemlichkeit, aus Opportunismus, weil alle protestantisch/katholisch sind, weil es leichter ist, ohne Gott zu leben, als ohne Religion, weil man eine "schöne Leiche" haben oder eine Patenschaft übernehmen will, sicher auch aus Nostalgie, weil der ganze Hokuspokus, der mit einer Religion verbunden ist, einen gewissen Charme hat. Nicht zuletzt aber auch, weil man die Kirche als Reibungspunkt nicht missen will, weil man sie als passives Mitglied viel glaubwürdiger kritisieren kann, als aus der Distanz als Nichtmitglied.

Der Kirchenaustritt war dann aber ein radikaler Schritt, den nur wenige machten. Die Mehrheit der nordhessischen Sozialdemokraten blieb Mitglied der EK. Mein Urgroßvater war Agnostiker, er hielt von den Kirchen gar nichts und von Pastoren und Missionaren noch weniger, seit er in den Kolonien war. Niemals durfte ein Familienmitglied für kirchliche Institutionen spenden. Er sprach immer nur abschätzig davon, nannte die Kirche nur "die Synagoge". Als meine Oma allerdings 1938 aus der "Synagoge" austrat, passte ihm das auch nicht. Er selbst, Parteimitglied schon vor 1923, brachte es allerdings fertig, 1938 nach den Novemberpogromen aus der NSDAP auszutreten.
In Kurhessen und im Sauerland, die ländlichen Regionen kann man durchaus als "Stockprotestantisch" bezeichnen, häuften sich nach 1933 die Kirchenaustritte. Kirchenaustritte waren bis dahin durchaus ungewöhnlich.

Protestant ist auch kein Beruf, von dem man leben kann. Protestant ist man in der Regel auch nur am Sonntag, in der Woche ist man Arbeiter, Angestellter, Selbständiger oder Kaufmann. Seinen Lebensunterhalt verdient man nicht als Protestant, sondern als Landwirt, Arbeiter, Angestellter, Beamter oder Freiberufler, und es ist doch vor allem das soziale Sein, das das Bewusstsein bestimmt, und das ist es doch vor allem, was die Wahlentscheidung beeinflusst.

Der Einfluss der Konfession auf das Wahlverhalten lässt sich, meiner Meinung nach nicht bestreiten. @Sepiola hat schon darauf hingewiesen, dass das Zentrum in katholischen Regionen bis zu 50% Prozent der katholischen Wähler mobilisieren konnte. In protestantischen Regionen dümpelte das Zentrum dagegen in der Bedeutungslosigkeit dahin, und es hatte so gut wie keine protestantischen Parteimitglieder und Wähler. Natürlich spielte dabei Konfession eine Rolle! Im Falle des Zentrums sogar die Hauptrolle. Außer der gemeinsamen Konfession gab es wenig bis nichts, das katholische Arbeiter und katholische Unternehmer verband. In der Rheinprovinz konnte das Zentrum aber diese unterschiedlichen Wähler gewinnen, und die Sozialdemokraten kamen dort nie über 20-25% hinaus.

Konfession ist aber mitnichten der einzige Faktor, der Einfluss auf das Wahlverhalten hatte. Es gab keine "protestantischen Parteien", es gab keine Partei des politischen Protestantismus, und Wahlprognosen und Analysen für katholische Regionen lassen sich nicht ohne weiteres auf protestantische Regionen übertragen.
Es gab auch in Süddeutschland katholische Wahlbezirke, in denen die NSDAP Wahlergebnisse einfuhr, die weit über dem reichsweiten Durchschnitt lagen, und es gab protestantische Regionen, selbst NSDAP-Hochburgen, in denen einzelne Dörfer oder Wahlbezirke Wahlergebnisse zeigten, die sich aus der konfessionellen Zusammensetzung jedenfalls nicht erklären lassen.

Was mir auch ein bisschen zu kurz kommt in dieser Diskussion ist der Einfluss von Erstwählern, von Wechsel- und Protestwählern und bisherigen Nichtwählern.
 
Zu dem Zeitpunkt bekannten sich Menschen in Deutschland zu 95 Prozent zum Christentum. Glauben legt man nicht ab, wenn man zur Wahlurne geht, aber du unterstellst hier, dass diejenigen, die DKP und SPD wählten, keiner Konfession mehr angehörten, nur um das auch den NSDAP-Wählern unterstellen zu können. Warum du das tust, ist allzu durchsichtig.

Zeig mir mal, wo ich behauptet haben sollte, dass KPD und SPD wähleer keiner Konfession angehörten? Das wäre ganz unsinnig.

Demografie / Länder – Weimarer Republik

Folgt man den Angaben hier, machten Konfessionslose um 1933 lediglich 4,6% der Bevölkerung aus, Juden und angehörige anderer nicht christlicher Religionen lediglich 0,8%.

Der Mehrheit der SPD und KPD-Wähler zu attestiren wahrscheinlich konfessionslos gewesen zu sein, ginge bei konstant 30-40% für diese beiden Parteien zusammen kaum auf.
Offensichtlich war die Mehrheit der Wähler von SPD und KPD konfessionell gebunden und offensichtlich hinderte sie ihre Konfession so überhaupt nicht daran, sich für Parteien zu entscheiden, die keine Konfession bevorzugten und sich dafür einsetzten, die Religion zumindest aus der staatlichen Sphäre so weit wie möglich zu verdrängen, die gegen konfessionsgebundene Schulen eintraten etc.

Welche Punkte hatten SPD und KPD in ihren Parteiprogrammen, die ganz gzielt eine bestimmte Konfession ansprachen?
Eigentlich keine.

Und darüber, dass die NSDAP mit Christentum insgesamt nicht viel am Hut hatte, geschweigedenn eine bestimmte konfessionelle Bindung in ihrem Programm, brauchen wir, denke ich nicht zu verhandeln?
 
Wenn man die Ergebnisse der Wahlen von 1932 und 1930 miteinander vergleicht, dann erkennt man, dass jene Parteien, die aus ideologischen Gründen Gegner der Nazis waren, ihre Stimmenanteile von einer Wahl zu anderen weitgehend behielten. Diese Parteien waren KPD, SPD, Zentrum und BVP. Das bedeutet, dass die enormen Stimmengewinne der Nazis im Jahr 1932 von Wählern kamen, die früher andere Parteien gewählt haben und sich nun ideologisch bei den Nazis besser aufgehoben fühlten.

Zitat aus Konfession und Wahlverhalten in Deutschland | Themenportal Europäische Geschichte
(…)
Die Zentrumswählerschaft zeigte ein außerordentlich hohes Maß an Resistenz gegenüber dem Nationalsozialismus. Jürgen Falter hat in seiner gründlichen Untersuchung über „Hitlers Wähler“ nachgewiesen, dass die Protestanten doppelt so anfällig für den Nationalsozialismus waren wie die Katholiken. Die NSDAP war, bezogen auf ihre Wähler, eine protestantische Partei, namentlich der kirchenfernen Protestanten.[11] Ein Blick auf die Wahlkarte zeigt eine verblüffende Entsprechung zwischen der Konfessionsverteilung einerseits und den Wahlergebnissen des Zentrums und der NSDAP andererseits: Je höher der Katholikenanteil und je höher der Grad der Kirchenbindung, desto besser die Zentrums- und desto schlechter die NSDAP-Ergebnisse.[12] Auf dem Land erwies sich die Immunität der Katholiken als besonders groß, da hier Beeinflussung und soziale Kontrolle durch das Milieu deutlich stärker waren als in der Stadt.[13]Kein anderes Sozialmerkmal [hat] die nationalsozialistischen Wahlerfolge so stark beeinflusst wie die Konfession.“[14] Mit Falter kann man hypothetisch formulieren, dass die NSDAP schon im Juli 1932 die absolute Mehrheit der Reichstagsmandate gewonnen hätte, wenn in Deutschland nur Protestanten gelebt hätten. Hätte es nur katholische Wähler gegeben, wäre es wohl nie zu einer (legalen) Machtübernahme Hitlers gekommen.[15]


Bei dieser Schrift lohnt auch ein Blick auf die Fußnoten:

[11] Bei den Juliwahlen 1932 bestand die Wählerschaft der NSDAP nur zu 17 Prozent aus Katholiken. Die 83 Prozent Nichtkatholiken waren fast alle Protestanten. Selbst 1933 war nur ein knappes Viertel der NSDAP-Wähler katholisch. Falter, Hitlers Wähler, S. 178f.

[12] Vgl. die Karten bei Milatz, Alfred, Wähler und Wahlen in der Weimarer Republik, Bonn 1965. Mit Bezug auf Schauff schätzt Ulrich von Hehl, dass selbst 1933 noch etwa zwei Drittel der bekenntnistreuen Katholiken Zentrum oder BVP wählten. Zit. n Falter, Hitlers Wähler, S. 397, Anm. 202.

[13] Ebd., S. 186.

[14] Ebd., S. 177.

[15] Ebd., S. 179.

Angesichts dieser Zahlen und der Analyse, auf die übrigens gestern schon @dekumatland ohne Resonanz hingewiesen hat, kann ich – und hoffentlich nicht nur ich – Einwände wie

Politisch gab es "die protestantischen Wähler" eigentlich gar nicht.“,
„Das viele Protestanten auf Grund des Umstands, dass sie Protestanten waren die NSDAP gewählt hätten, ist durch nichts belegt.“,

ebenso vergessen wie die diversen Störvariablen, denn die von mir oben fettgeschriebenen Sätze lassen andere Erklärungen nicht oder nur zu einem sehr geringeren Prozentsatz zu.
 
Kein anderes Sozialmerkmal [hat] die nationalsozialistischen Wahlerfolge so stark beeinflusst wie die Konfession.

Allenfalls im negativen Sinne. Nämlich in dem Sinne, dass ein Großteil der Katholiken für die NSDAP nicht zu mobilisieren war, indess ein wie großer Anteil der Katholiken sich wirklich durch den katholischen Glauben und nicht einfach durch Interessenübereinstimmung mit annderen Parteien von den Nazis fern hielt, dass wäre zu hinterfragen.

Denn wie gesagt, von der Kirche ausgesprochene Ermahnungen bestimmte Parteien nicht zu wählen hielt einen beträchtlichen Teil der Katholiken in den Industriegebieten offenbar nicht davon ab SPD oder KPD zu wählen, obwohl allein die Lektüre von deren theoretisch-marxistischen Grundlagen ihnen, wie du ja sicherlich weißt, von kirchlicher Seite verboten war.

Mit Falter kann man hypothetisch formulieren, dass die NSDAP schon im Juli 1932 die absolute Mehrheit der Reichstagsmandate gewonnen hätte, wenn in Deutschland nur Protestanten gelebt hätten. [...]
Sowas kann man hypothetisch formulieren, ist aber wenig sinnvoll.

Wenn es in Deutschland nur Katholiken oder nur Protestanten gegeben hätte, hätte sich zunächst mal die NSDAP völlig anders aufgestellt, weil dann eine bewusste überkonfessionelle Ausrichtung überhaupt keinen Sinn ergeben hätte.
Ob sie wenn sie sich in einem rein katholischen oder rein protestantischen Land, wenn sie sich zu der jeweiligen Konfession erklärt hätte besser oder schlechter abgeschnitten hätte, da kann man jetzt hin und her imaginieren.

Wahrscheinlich wäre wenn es keine Spaltung Deutschlands in Katholiken und Protestanten, keine Reformation, keine Religionskriege darum, keine Gegenreformation und keinen Kulturkampf gegeben hätte die religiöse Frage für die Bevölkerung auch vollkommen unbedeutend gewesen.
Jedenfalls hätte es dann keine katholische Millieubildung in dem Sinne gegeben, wie es sie gab, die auf die Katholiken in besonderem Maße integrierend und disziplinierennd hätte wirken können.


Insofern auf solchen Mutmaßungen einen entscheidenden Charakter der Konfession für die Wahlergebnisse zu konstruieren, sehe ich nicht als sinnvoll an.
Das würde voraussetzen, eine einzige Variable im Geschichtlichen Verlauf zu an einem bestimmten Punkt zu ändern und dabei nicht zu berücksichtigen, dass diese Variable wahrscheinlich notwendig war um überhaupt an diesen Punkt der Geschichte zu kommen.

Davon abgesehen kann man solche Logiken auch beliebig umdrehen.
Man könnte genau so gut behaupten, wenn nicht der Marxismus, bzw. die aus dem Marxismus abgeleiteten Sozialdemokratischen und Kommunistischen Modelle die Arbeiterschaft integriert und das Arbeitermillieu weitgehend gegen den Einfluss der Nazis abgeschirmt hätte, hätten die Nazis wahrscheinlich mehr Zustimmung gehabt.

Und genau so wie man mit dem Artikel postulieren kann, dass ein rein protestantisches Deutschland fürher zu Hitler geführt und ein rein katholisches Deutschland Hitler verhindert hätte, könnte man postulieren dass ein größerer Anteil von Marxisten in der Bevölkerung Hitler verhindert und ein kleinerer Anteil von Marxisten ihn herbeigeführt hätte, vollkommen unabhängig davon, welche Konfession diese Marxisten gehabt hätten.

Das ist dann doch alles etwas sehr beliebig und in meinen Augenzu beliebig um aus der Konfession in diesem Sinne einen entscheidenden Faktor zu machen, bzw. zu stark durch eine entsprechende Brille gesehen.



Was man de facto festhalten kann, ist dass der Katholizismus als Konfession mit dafür verantwortlich war, dass 15% der Wähler ihr Kreuz bei Zentrum und BVP machten und diese somit von der NSDAP ferngehalte wurden.

Ob Hitler früher an die Macht gekommen wäre, wenn es keine Zentrumspartei gegeben hätte, die die Katholiken hätte integrieren können, wäre reine Mutmaßung.
Selbst bei dem Rekordergebnis das die NSDAP im Juli 1932 erzielte hätten fast alle Zentrum/BVP-Wähler zur NSDAP überlaufen müssen, was angesichts der Tatsache, dass diese beiden Parteien auch katholische Arbeiter organisierten, die der SPD ideologisch wahrscheinlich wesentlich näher standen, als der NSDAP, schonmal sehr fraglich wäre.
Ohne eigene Mehrheit hätte Hitler dann vielleicht eine Koalitionsregierung mit der DNVP bilden können, aber das hätte Hitlers bereitschaft zum Verzicht auf Alleinherrschaft und Hugenbergs Bereitschaft zur Unterordnung vorausgesetzt, was beides nicht selbstverständlich war.

Und wenn man in die andere Richtung geht und postuliert, ein höherer Katholikenanteil hätte Hitler verhindert unterstellt man, damit, dass das Zentrum geschlossen gegen jede Kooperation mit den Nationalsozialisten gewesen wäre.
Das war es aber nicht, Teile des rechten Flügels des Zentrums waren zu so etwas ja durchaus bereit sofern sich die Nazis auf annehmbare Bedingungen eingelassen hätten.
Insofern ob ein ein höherer Katholikenanteil, korrespondierend mit einer schwächeren NSDAP und einem stärkeren Zentrum Hitler verhindert oder es in the long run doch zu einer Regierung Hitler, möglicherweise unter Einbeziehung des Zentrums gekommen wäre, hätte womöglich von den Machtverhältnissen innerhalb des Zentrums und von der Kompromissbereitschaft Hitlers abgehaben, letztere wäre, wenn eine eigene Mehrheit unerreichbar erschinen wäre, wahrscheinlich größer gewesen.
 
Angesichts dieser Zahlen und der Analyse, auf die übrigens gestern schon @dekumatland ohne Resonanz hingewiesen hat, kann ich – und hoffentlich nicht nur ich – Einwände wie

Politisch gab es "die protestantischen Wähler" eigentlich gar nicht.“,
„Das viele Protestanten auf Grund des Umstands, dass sie Protestanten waren die NSDAP gewählt hätten, ist durch nichts belegt.“,

ebenso vergessen wie die diversen Störvariablen, denn die von mir oben fettgeschriebenen Sätze lassen andere Erklärungen nicht oder nur zu einem sehr geringeren Prozentsatz zu.

Der verlinkte Text ist sehr informativ, danke dafür!

Ich habe allerdings den Eindruck, dass du ihn vielleicht ein bisschen selektiv gelesen und nur das begierig rezipiert hast, was zu deiner These passt oder zu passen scheint.

Das es "protestantische Wähler" und "das protestantische Milieu" in dem Sinne wie es ein "katholisches Milieu" gab eben nicht gab,
genau zu diesem Schluss kommt aber auch der Autor des verlinkten Textes:
. Der Protestantismus bildete kein vergleichbares Milieu. Da er, wie erwähnt, in der Politik und in vielen gesellschaftlichen Bereichen dominant war, ihm auch die Kulturkampferfahrung fehlte, bestand für ihn nicht in gleicher Weise Veranlassung für politische Organisation und Mobilisierung. Selbstverständnis und Verfasstheit des Protestantismus standen dem auch entgegen. Als Pendant zum Zentrum gab es keine protestantische Partei. Das protestantische Elektorat verteilte sich auf mehrere Parteien. Politisch geeint war der Protestantismus nur negativ: Das Zentrum als katholische Partei war nicht wählbar.


...Nach den Berechnungen von Johannes Schauff stimmten mehr als 3/4 aller bekenntnistreuen Katholiken für das Zentrum. Die protestantischen Wähler hatten weder Veranlassung, noch Gelegenheit, ihre Stimmen in ähnlicher Weise auf eine Partei zu konzentrieren. Sie verteilten sich auf konservative, liberale Parteien und auf die SPD, wobei ihre Konfession oder Kirchlichkeit meist keineswegs der Faktor war, der ihr Wahlverhalten im Vergleich zu anderen Faktoren bestimmte, jedenfalls nicht so ausschlaggebend wie bei den Katholiken.


....
Die Konfession war für das Wahlverhalten wichtiger, als soziokulturelle Faktoren. Allerdings muss -dies die zweite Bemerkung-hinzugefügt werden, dass diese soziale Heterogenität auf die katholische Minderheit eingeschränkt ist.

Interessant fand ich auch, dass es anscheinend vor allem kirchenferne Protestanten und Katholiken waren, die NSDAP wählten.

Hochinteressant fand ich, dass in der Analyse die Wahlentscheidung keine der höheren demokratischen Reife war: .
Die katholischen Wähler wollten von der NSDAP nicht deshalb so wenig wissen, weil sie politisch so gut informiert waren, weil sie vernünftig waren oder eine besonders feste demokratische Gesinnung hatten, sondern weil man als guter Katholik eben das Zentrum wählte, und das tat man, weil man zum katholischen Milieu gehörte.[Man war in das Milieu hineingeboren und befolgte mehr oder weniger unkritisch die von der kirchlichen Obrigkeit empfohlene Wahlnorm. Die sehr geringe Anfälligkeit von kirchengebundenen Katholiken beruht auf einem geringen Maß an demokratischer Reife. /QUOTE]
 
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