Kein anderes Sozialmerkmal [hat] die nationalsozialistischen Wahlerfolge so stark beeinflusst wie die Konfession.
Allenfalls im negativen Sinne. Nämlich in dem Sinne, dass ein Großteil der Katholiken für die NSDAP nicht zu mobilisieren war, indess ein wie großer Anteil der Katholiken sich wirklich durch den katholischen Glauben und nicht einfach durch Interessenübereinstimmung mit annderen Parteien von den Nazis fern hielt, dass wäre zu hinterfragen.
Denn wie gesagt, von der Kirche ausgesprochene Ermahnungen bestimmte Parteien nicht zu wählen hielt einen beträchtlichen Teil der Katholiken in den Industriegebieten offenbar nicht davon ab SPD oder KPD zu wählen, obwohl allein die Lektüre von deren theoretisch-marxistischen Grundlagen ihnen, wie du ja sicherlich weißt, von kirchlicher Seite verboten war.
Mit Falter kann man hypothetisch formulieren, dass die NSDAP schon im Juli 1932 die absolute Mehrheit der Reichstagsmandate gewonnen hätte, wenn in Deutschland nur Protestanten gelebt hätten. [...]
Sowas kann man hypothetisch formulieren, ist aber wenig sinnvoll.
Wenn es in Deutschland nur Katholiken oder nur Protestanten gegeben hätte, hätte sich zunächst mal die NSDAP völlig anders aufgestellt, weil dann eine bewusste überkonfessionelle Ausrichtung überhaupt keinen Sinn ergeben hätte.
Ob sie wenn sie sich in einem rein katholischen oder rein protestantischen Land, wenn sie sich zu der jeweiligen Konfession erklärt hätte besser oder schlechter abgeschnitten hätte, da kann man jetzt hin und her imaginieren.
Wahrscheinlich wäre wenn es keine Spaltung Deutschlands in Katholiken und Protestanten, keine Reformation, keine Religionskriege darum, keine Gegenreformation und keinen Kulturkampf gegeben hätte die religiöse Frage für die Bevölkerung auch vollkommen unbedeutend gewesen.
Jedenfalls hätte es dann keine katholische Millieubildung in dem Sinne gegeben, wie es sie gab, die auf die Katholiken in besonderem Maße integrierend und disziplinierennd hätte wirken können.
Insofern auf solchen Mutmaßungen einen entscheidenden Charakter der Konfession für die Wahlergebnisse zu konstruieren, sehe ich nicht als sinnvoll an.
Das würde voraussetzen, eine einzige Variable im Geschichtlichen Verlauf zu an einem bestimmten Punkt zu ändern und dabei nicht zu berücksichtigen, dass diese Variable wahrscheinlich notwendig war um überhaupt an diesen Punkt der Geschichte zu kommen.
Davon abgesehen kann man solche Logiken auch beliebig umdrehen.
Man könnte genau so gut behaupten, wenn nicht der Marxismus, bzw. die aus dem Marxismus abgeleiteten Sozialdemokratischen und Kommunistischen Modelle die Arbeiterschaft integriert und das Arbeitermillieu weitgehend gegen den Einfluss der Nazis abgeschirmt hätte, hätten die Nazis wahrscheinlich mehr Zustimmung gehabt.
Und genau so wie man mit dem Artikel postulieren kann, dass ein rein protestantisches Deutschland fürher zu Hitler geführt und ein rein katholisches Deutschland Hitler verhindert hätte, könnte man postulieren dass ein größerer Anteil von Marxisten in der Bevölkerung Hitler verhindert und ein kleinerer Anteil von Marxisten ihn herbeigeführt hätte, vollkommen unabhängig davon, welche Konfession diese Marxisten gehabt hätten.
Das ist dann doch alles etwas sehr beliebig und in meinen Augenzu beliebig um aus der Konfession in diesem Sinne einen entscheidenden Faktor zu machen, bzw. zu stark durch eine entsprechende Brille gesehen.
Was man de facto festhalten kann, ist dass der Katholizismus als Konfession mit dafür verantwortlich war, dass 15% der Wähler ihr Kreuz bei Zentrum und BVP machten und diese somit von der NSDAP ferngehalte wurden.
Ob Hitler früher an die Macht gekommen wäre, wenn es keine Zentrumspartei gegeben hätte, die die Katholiken hätte integrieren können, wäre reine Mutmaßung.
Selbst bei dem Rekordergebnis das die NSDAP im Juli 1932 erzielte hätten fast alle Zentrum/BVP-Wähler zur NSDAP überlaufen müssen, was angesichts der Tatsache, dass diese beiden Parteien auch katholische Arbeiter organisierten, die der SPD ideologisch wahrscheinlich wesentlich näher standen, als der NSDAP, schonmal sehr fraglich wäre.
Ohne eigene Mehrheit hätte Hitler dann vielleicht eine Koalitionsregierung mit der DNVP bilden können, aber das hätte Hitlers bereitschaft zum Verzicht auf Alleinherrschaft und Hugenbergs Bereitschaft zur Unterordnung vorausgesetzt, was beides nicht selbstverständlich war.
Und wenn man in die andere Richtung geht und postuliert, ein höherer Katholikenanteil hätte Hitler verhindert unterstellt man, damit, dass das Zentrum geschlossen gegen jede Kooperation mit den Nationalsozialisten gewesen wäre.
Das war es aber nicht, Teile des rechten Flügels des Zentrums waren zu so etwas ja durchaus bereit sofern sich die Nazis auf annehmbare Bedingungen eingelassen hätten.
Insofern ob ein ein höherer Katholikenanteil, korrespondierend mit einer schwächeren NSDAP und einem stärkeren Zentrum Hitler verhindert oder es in the long run doch zu einer Regierung Hitler, möglicherweise unter Einbeziehung des Zentrums gekommen wäre, hätte womöglich von den Machtverhältnissen innerhalb des Zentrums und von der Kompromissbereitschaft Hitlers abgehaben, letztere wäre, wenn eine eigene Mehrheit unerreichbar erschinen wäre, wahrscheinlich größer gewesen.