Konfession, Antisemitismus und NS

Welchen denn? Worin zeigt sich das Faktum?

Ist das ein Versuch Deinerseits, Dich noch faktenresistenter zu stellen als @Dion? Oder hast Du wirklich noch nie etwas davon gehört, dass etwa die Hälfte der katholischen Wähler regelmäßig das Zentrum wählte, während in der protestantischen Wählerschaft die Bereitschaft, für das Zentrum zu stimmen, gegen Null tendierte? Und auch den Verlautbarungen der katholischen Bischöfe anno 1931 ("Es kann deshalb dem Katholiken nicht erlaubt sein, diese [nationalsozialistischen] Anschauungen als wahr anzunehmen und sie in Wort und Tat zu bekennen") schreibst Du keinerlei Einfluss auf das Wahlverhalten zumindest der praktizierenden Katholiken zu?

(Fun fact, kein Argument: Bei der letzten Reichstagswahl 1933 erreichten die Nazis in Tübingen 49,2%, während im nahegelegenen Rottenburg das Zentrum noch auf satte 56,8% kam.)

Vor 1918 und gar vor 1871 gab es kaum Wahlmöglichkeiten
Von "vor 1871" war nicht die Rede. 1871 gab es die erste Reichstagswahl, da konnten die Wähler (Wählerinnen gab es noch nicht) sich entscheiden zwischen Parteien wie z. B. den Nationalliberalen, dem Zentrum oder den Sozialdemokraten. Letztere waren nur mit kläglichen zwei Abgeordneten vertreten, ab der Reichstagswahl 1890 war die SPD jeweils stärkste Partei.

Richtig: in diesem Kontext waren seit mehreren Seiten die verschiedenen Wahlergebnisse der Weimarer Zeit diskutiert worden.
Der einzige, der Positionen in diesem Sinne vertritt, ist @Dion. Du polemisierst gerade gegen die Beiträge von @Nikias (und vielleicht demnächst auch noch meine), meinst aber gar nicht Nikias oder mich, sondern Dion.
 
Ich sehe auch nicht, wo behauptet worden sein soll, die Konfession habe sich
a) "plötzlich ab 1918" auf das Wahlverhalten ausgewirkt
b) sich ausschließlich auf das Wahlverhalten ausgewirkt

Das Zentrum gab es bekanntlich schon vor 1918, und seine Wähler rekrutierten sich schon vor 1918 fast ausschließlich aus dem katholischen Bevölkerungsanteil.

Ich denke, da schließt du aber etwas vom Kaiserreich auf die Verhältnisse der Weimarer Republik.

Das im Kaiserreich die Konfession eine große Rolle spielte und das Zentrum zur katholischen Interessnpartei wurde, hängt ja nun auch mit dem "Kulturkampf" und dem juristischen Erbe (Jesutiengesetz, Kenzelparagraph) zusammen, die bis zum Ende des Kaiserreiches in Kraft blieben.
Das ein Großteil der Katholiken, nachdem sie politisch in als Katholiken angefeindet und angegriffen wurden sich an explizit katholische Interessenparteien hängten, verwundert nicht.

Aber dieser Umstand entfiel ja mit der Gründung der Republik und dem Abbau der politischen Diskriminierung des Katholizismus, bzw. der Konflikt setzte sich allenfalls noch stellenweise auf niedrigschwelliger Ebene gegen die laizistischen Tendenzen der Arbeiterparteien fort, dann aber nicht mehr gegen die Protestanten, sondern mit den Protestanten.

Ob sich die politische Einstellung der Bevölkerung und vor allem die Haltung der Katholiken beim Übergang von Kaiserreich auf Republik änderten, ist leider auch schwierig zu prüfen, da es im Kaiserreich im Gegensatz zur Republik kein Frauenwahlrecht gab und natürlich die territorialen Verluste Deutschlands nach dem ersten Weltkrieg, den Bevölkerungszuschnitt änderten.
Auch konnten natürlich die kleinteiligen Wahlkreise des Kaiserreichs und das Mehrheitswahlrecht zu ganz anderen Wahlentscheidungen führen, als unter den Verhältnissen in der Republik.

Somit wird sich leider nicht feststellen lassen, wie weit das Ende der politischen Diskriminierung der Katholiken die politische Meinung der katholischen Bevölkerung beeinflusste.

In Zahlen erreichte das Zentrum im Kaiserreich seit 1900 ähnliche Werte wie in der Weimarer Republik , irgendwo zwischen 15 und 20%.
Allerdings war mit Elass-Lothringen, Westpreußen, vor allen Dingen Posen und Oberschlesien auch ein deutlich größerer Anteil der Bevölkerung katholisch, wobei dort mehrheitlich die Minderheitenparten ("Polen" und "Elsass-Lothringer") gewählt wurden, nicht unbedingt das Zentrum, wobei einzelne Zustimmungswerte durch das Mehrheitswahlrecht nicht so einfach nachvollziehbar sind.
Und wie gesagt, es fehlten die Frauen in der Rechnung.

Insofern schwierig zu ermitteln, wie stabil sich die Zentrums-Klientel beim Übergang vom Kaiserreich in die Weimarer Republik erhielt.
 
Das protestantische Lager n Deutschland ist sehr heterogen. Die EK war in gut zwei Dutzend Landeskirchen zersplittert, und daneben gab es noch mal ein gutes Dutzend Freikirchen. Es gab Reformierte, Lutheraner, Pietisten, Methodisten, Presbyterianer, Stundenbrüder, dies sich sowohl theologisch wie auch nach ihrem soziologischen Profil sehr stark voneinander unterschieden.
Obwohl sie sich sowohl theologisch wie auch nach ihrem soziologischen Profil sehr stark voneinander unterschieden haben, haben sie trotzdem mehrheitlich NSDAP gewählt.

Es gab in der politischen Parteienlandschaft der Weimarer Republik eben keine protestantische Volkspartei wie das Zentrum oder die BVP katholische Volksparteien waren.
Diesen Einwand wird immer wieder gebracht, aber wenn das stimmt – Zitat: Katholiken unterstützten vor allem die konservative Bayerische Volkspartei, während Evangelische in höherem Maß liberale Parteien wählten. –, dann hätten sie weiter ihre liberalen Parteien wählen können. Aber sie haben das nicht getan, sondern in höherem Maß NSDAP gewählt – weiteres Zitat: Es fällt allerdings auch auf, dass Katholiken in Bayern proportional stärker als die Katholiken in Preußen linke Parteien wählten. Die Nationalsozialisten erfuhren überproportionale Unterstützung in den evangelischen Regionen Bayerns.

Ansonsten zeigt sich hier das übliche Bild, dass die protestantischen oder überkonfessionellen bürgerlichen demokratischen Parteien völlig marginalisiert waren.
Ja, diese Parteien (darunter CSVD, DVP (beide vorwiegend protestantisch)) wurden marginalisiert, weil deren Wähler sie schon seit 1930 immer weniger gewählt haben. Nur: Welche Partei haben sie dann gewählt?

Insgesamt ist es aber nun mal eine Tatsache, die sich nicht weg diskutieren lässt, dass die Konfession einen großen Einfluss auf die Wahlentscheidungen hatte und es lässt sich auch nicht wegdiskutieren, dass die protestantischen bzw. überkonfessionellen bürgerlichen demokratischen Parteien gegen Ende der Weimarer Republik nur noch Splittergruppen waren.
Das lässt sich in der Tat nicht wegdiskutieren.

Da hat dann entweder der naziaffine Protestantismus nach 45 eine deutliche Kehrtwende hingelegt, oder die vermeintliche Schlussfolgerung aus den Wahlstatistiken ist nicht stichhaltig (siehe Beitrag von @silesia )
Die erste Annahme ist richtig: Der Protestantismus in Deutschland hat sich nach dem Krieg zu den Fehlern bekannt und nach und nach eine Kehrtwende hingelegt – siehe dazu auch Stuttgarter Schuldbekenntnis.

Auch bei Statistiken muss man manchmal bis zum Ende lesen.
Stimmt. In der Tat habe ich das mit der Pfalz übersehen. Sorry.

Zumindest die evangelischen Landeskirchen neigen nach meinem Eindruck heute tendenziell eher linken Positionen zu. Das war in der Weimarer Republik noch ganz anders.
Das stimmt.

So weit ich sehe, hat Nikias gar nicht behauptet, dass die protestantische Bevölkerung zu völkisch-antisemitischem Wahlverhalten geneigt hat, sondern schlicht auf das unbestreitbare Faktum hingewiesen, dass die Konfession einen großen Einfluss auf die Wahlentscheidungen hatte.
Auch das stimmt.
 
Ist das ein Versuch Deinerseits, Dich noch faktenresistenter zu stellen als @Dion?
Wenn endlich mal nachprüfbare Fakten für den Einfluss der Konfessionen auf das Wahlverhalten vorgelegt werden, fällt meine mir von dir wohlwollend attestierte "Faktenrestistenz" wie ein Kartenhaus zusammen. Wenn obendrein Fakten für die anklägerischen Thesen von @Dion vorgelegt werden, dann übrigens auch (aber da habe große Zweifel)

Letztere waren nur mit kläglichen zwei Abgeordneten vertreten, ab der Reichstagswahl 1890 war die SPD jeweils stärkste Partei.
Hierfür dürften konfessionelle Gründe wohl nicht vorliegen ;) Aber bon, das betrifft die Zeit vor der Weimarer Republik.

Du erwähnst die Verlautbarungen der katholischen Bischöfe: manifestiert sich der konfessionelle katholische Einfluss auf das Wahlverhalten in den quasi Direktiven dieser oberen Hirten? Das kann durchaus sein. Die Wahl"freiheit" ist mancherorts ein fragiles Pflänzchen...

meinst aber gar nicht Nikias oder mich, sondern Dion.
Sollten dessen Thesen zwischenzeitlich ad acta gelegt worden sein? Mir recht.

Aber ich frage weiter: konfessioneller Einfluss auf Wahlverhalten - sind die Bischofsdirektiven die einzigen? Welchen nachweisbaren Einfluss übte die protestantische Konfession aus?

Zum fun fact: das "schwarze Rottenburg" war dem Tucholski ein Dorn im Auge.
 
Diesen Einwand wird immer wieder gebracht, aber wenn das stimmt – Zitat: Katholiken unterstützten vor allem die konservative Bayerische Volkspartei, während Evangelische in höherem Maß liberale Parteien wählten. –, dann hätten sie weiter ihre liberalen Parteien wählen können. Aber sie haben das nicht getan, sondern in höherem Maß NSDAP gewählt – weiteres Zitat: Es fällt allerdings auch auf, dass Katholiken in Bayern proportional stärker als die Katholiken in Preußen linke Parteien wählten. Die Nationalsozialisten erfuhren überproportionale Unterstützung in den evangelischen Regionen Bayerns.

Ne Dion.
Ein ganz kleines Bisschen müsste man schon die Notwendigkeiten der Zeit berücksichtigen.

Die Wirtschaftskrise hatte für Millionen von Arbeitslosen gesorgt, die irgendwie unterstützt werden mussten und zunehmende Unruhe und politischer Terror stellten auch in steigendem Maße ein Problem dar.

Das in einer solchen Situation liberale Parteien deren credo in nahezu allen Dingen lauten "laissez faire und so wenig Staat als möglich" politisch bankrott sind, ist ein vollkommen natürlicher Umstand.
Diese Situation bedurfte für jeden ganz offensichtlich der ordnenden Hand des Staates, sowohl bei der Linderung der ärgsten Not der von der Wirtschaftskrise Betroffenen, als auch in Ordnungspolitischer Hinsicht. Um in dieser Situation am Liberalismus festzuhalten, hätte es schon extrem starker Scheuklappen bedurft.

Anders ausgedrückt, den Protestanten hier vorzuhalten, dass sie doch bitteschön einfach an den liberalen parteien hätten festhalten sollen, hat in etwa den Gehalt des geflügelten Wortes "sollen sie doch Kuchen essen".

Die Wirtschaftskrise und die politisch unsicheren Zeiten sind keine hinnehmbare Rechtfertigung für das Wählen von Extremisten, sehr wohl aber ein guter Grund für die mindestens zeitweilige Abkehr von den liberalen Parteien.
 
Bei der Wahl im Juli 32 holte die NSDAP in Mecklenburg 44,8% und in der Pfalz 43,7%.

Auch dieses Ergebnis hätte es so nicht geben dürfen, wenn der Protestantismus ein entscheidender Faktor gewesen wäre.

Du tust so, als habe jemand behauptet, der Protestantismus sei der einzige entscheidende Faktor gewesen und man könne aus der Anzahl protestantischer Wahlberechtigter mit einer simplen Multiplikation das Wahlergebnis vorhersagen. Mit dieser Scheinargumentation setze ich mich nicht auseinander.

Es gibt eine ganze Reihe von Faktoren, die sich statistisch untersuchen lassen, ich weiß nicht, ob ich sie aufzählen soll oder ob das genauso ignoriert wird wie meine bisherigen Hinweise. Manchmal liefert die Statistik unklare Ergebnisse (etwa beim Wahlalter, aber auch hier gibt es zumindest Hinweise darauf, dass die Nazis im Gegensatz zum eigenen Image eher bei älteren als bei jüngeren Wählern punkten konnten), manchmal liefert sie klare Ergebnisse, aber im niedrigstelligen Bereich (z. B. hatten es die Nazis in Regionen mit exportorientierter Industrie signifikant schwerer), und manchmal liefert sie überwältigend klare Ergebnisse, das betrifft namentlich die Konfession.

In Zahlen erreichte das Zentrum im Kaiserreich seit 1900 ähnliche Werte wie in der Weimarer Republik , irgendwo zwischen 15 und 20%.
Allerdings war mit Elass-Lothringen, Westpreußen, vor allen Dingen Posen und Oberschlesien auch ein deutlich größerer Anteil der Bevölkerung katholisch, wobei dort mehrheitlich die Minderheitenparten ("Polen" und "Elsass-Lothringer") gewählt wurden, nicht unbedingt das Zentrum, wobei einzelne Zustimmungswerte durch das Mehrheitswahlrecht nicht so einfach nachvollziehbar sind.
Und wie gesagt, es fehlten die Frauen in der Rechnung.

Insofern schwierig zu ermitteln, wie stabil sich die Zentrums-Klientel beim Übergang vom Kaiserreich in die Weimarer Republik erhielt.

Wir können Elass-Lothringen, Westpreußen usw. ja außen vor lassen. Kleine Stichprobe aus Gegenden mit beträchtlichem Katholikenanteil, jeweils , 1919 und 1920:
Baden: 1912 31,1% - 1919 36,2% - 1920 36,4%
Württemberg: 1912 17,0% - 1919 21,5% - 1920 22,5%
Bayern: 1912 38,7% -1919 (BVP) 34,6% - 1920 (BVP) 38,9%
Preußische Rheinprovinz: 1912 49,1% - 1919 48,1% - 1920 41,3%

Nun könnte man natürlich die Hypothese aufstellen, dass die 49,1% der rheinischen Zentrumswähler von 1912 komplett in andere Parteien abgewandert seien und dafür 1919 nach der Einführung des Frauenwahlrechts die Neuwählerinnen nahezu geschlossen für das Zentrum gestimmt hätten und so für die 48,1% von 1919 gesorgt hätten. Mit Hypothesen dieser Art würde ich mich auch nicht auseinandersetzen wollen und stattdessen auf die Auszählungen nach Geschlechtern verweisen, die es in der Zeit der Weimarer Republik punktuell gegeben hat (und die immerhin einen Frauenüberschuss beim Zentrum belegen.)
 
Wenn endlich mal nachprüfbare Fakten für den Einfluss der Konfessionen auf das Wahlverhalten vorgelegt werden

Welchen Teil meines gewiss überschaubaren Beitrags hast Du denn nicht gelesen?
Bzw. was hältst Du denn für "nicht nachprüfbare Fakten"?

Dass die katholischen Bischöfe ihre Schäfchen vor dem Nationalsozialismus warnten? Nicht nachprüfbar?
Dass das Zentrum in (fast ausschließlich) katholischen Gegenden regelmäßig stärkste Partei wurde? Nicht nachprüfbar?
Dass das Zentrum in (fast ausschließlich) protestantischen Gegenden regelmäßig auf Splitterparteienniveau landete? Nicht nachprüfbar?
 
Welchen Teil meines gewiss überschaubaren Beitrags hast Du denn nicht gelesen?
...meines Geistes dürrer Acker, ach, vermag deinen so überschaubaren wie hochwissenschaftlichen Beitrag, wiewohl mühsam mehrfach gelesen, natürlich nicht zu kapieren. Und das setzt sich fort: ich kann in meinem eigenen, typischerweise ungenügenden Gelaber nirgendwo perspicaque Bemerkungen über
"nicht nachprüfbare Fakten"
finden. Entweder Euer Gnaden erleuchten mich, oder ich muss unerleuchtet in die Gruft fahren.

Die katholischen Bischöfe warnten vor dem Nationalsozialismus: das ist ehrbar von ihnen, ganz ohne Ironie gesagt! Die Warnung vermochte aber offenbar keine umfängliche Wirkung zu erzielen, sodass dieser anständige (!) Versuch der Einflussnahme auf die Wahlentscheidungen der katholischen Bevölkerungsteile relativ gering blieb.
Bzgl Zentrumspartei: deren Gedeihen hing vermutlich nicht nur von Wohlwollen oder Ablehnung der beiden Konfessionen ab, aber möglicherweise anteilig. An dieser Stelle brauchen wir uns nicht darüber streiten, was nachprüfbar ist und was nicht.
Ich wiederhole noch mal, dass die Mehrheit der Wahlbevölkerung der Weimarer Republik im Kaiserreich sozialisiert war. Mir scheint, dass die zunehmenden Erfolge der SPD, wie du sie erwähnt hattest, nicht durch konfessionellen Einfluss bestärkt waren. Da stellt sich mir die Frage, ob hier den Kirchen die Wahlen gleichgültig waren (obwohl ich kaum glauben mag, dass ein strammer Bischof es gerne sah, wenn seine Schäflein die Sozen bevorzugte) - kann es sein, dass die beiden Kirchen in Sachen Einfluss auf das Wahlverhalten mal tätig und mal untätig waren? Oder kann es sein, dass der Einfluss der Konfessionen doch nicht besonders groß war?
 
Du zeigst hier die Verhältnisse im Jahr 1939, aber nicht die im Jahr 1925 oder 1933, die für unsere Diskussion wichtiger sind.

Ich hätte auch die Verhältnisse von 1961 nehmen können, denn zwischen 1840 und 1970 hat sich nur wenig geändert, wie auf derselben Seite zu lesen ist:

Nach den statistischen Angaben über die bayerische Bevölkerung für das Jahr 1840, welche erstmals die Konfessionszugehörigkeit ausweisen, waren rund 71,09 % der Bayern Katholiken, 27,46 % evangelische Christen (Lutheraner und Reformierte) und 1,36 % Juden. "Sonstige", d.h. Angehörige anderer religiöser Bekenntnisse und Konfessionslose, waren mit einem Anteil von 0,1 % zu vernachlässigen.

Der Anteil der Katholiken und der Evangelischen an der bayerischen Bevölkerung blieb bis 1970 recht stabil bei ungefähr 70 bis 72 % (kath.) bzw. 26 bis 28 % (ev.; vgl. die Tabelle).


Ja, diese Parteien (darunter CSVD, DVP (beide vorwiegend protestantisch)) wurden marginalisiert, weil deren Wähler sie schon seit 1930 immer weniger gewählt haben.
Hier muss man schon klar unterscheiden:
Die DVP war sicher vorwiegend protestantisch, verstand sich aber wohl kaum als Partei des Protestantismus (und hatte auch prominente katholische bzw. jüdische Mitglieder). Sie hatte unter Stresemann politisches Gewicht und reichsweit zeitweise zweistellige Wahlergebnisse, dann stürzte sie in die Bedeutungslosigkeit ab.

Der CSVD trat erstmals 1930 zu einer Reichstagswahl an und erreichte mit kläglichen 2,5% sein bestes Ergebnis aller Zeiten. Zu spät, um mit den Nazis ernsthaft konkurrieren zu können. Mäßigen Erfolg hatte der CSVD immerhin im pietistischen Württemberg (6,7%), der Pietismus ist innerhalb des Protestantismus der fraglichen Zeit eher als Randerscheinung zu werten.

Wie schon gesagt, gab es keinen parteipolitisch organisierten Protestantismus. Es gab nicht einmal ein "protestantisches Milieu", das man dem katholischen Milieu gegenüberstellen könnte.
 
Wie schon gesagt, gab es keinen parteipolitisch organisierten Protestantismus. Es gab nicht einmal ein "protestantisches Milieu", das man dem katholischen Milieu gegenüberstellen könnte.

Möglicherweise liegt hier auch einer der wichtigsten Gründe für das unterschiedliche Wahlverhalten von Wählern (und Wählerinnen) beider Konfessionen. Das Zentrum und die BVP waren natürlich für kirchlich gebundene Katholiken die naheliegende Wahlentscheidung. Für andere Wähler gab es hingegen Parteien, die eher schichtspezifisch ausgerichtet waren und ihren Interessen eher entgegenkamen. Weshalb hätten sie eine Partei stärken sollen, die vorwiegend "katholische" Politik machte? Das galt natürlich auch für getaufte Katholiken, die nicht an das Milieu angebunden waren. Das dürfte fürs Kaiserreich wie für die Republik gelten, auch wenn 1932/33 angeblich einige jüdische Wähler von der DStP zum Zentrum wechselten, da die Liberalen sich zeitweilig mit dem antisemitischen Jungdeutschen Orden zusammengetan hatten.

Ein soziales Milieu lebt ja einerseits von der Integration verschiedener Interessen, andererseits aber auch von der Abgrenzung gegenüber der Außenwelt. Da der national orientierte Protestantismus im Kaiserreich und - was die gesellschaftlichen Eliten angeht - auch in der Weimarer Republik den Ton angab, wäre ein protestantisch ausgerichtetes Milieu wohl ohne Funktion geblieben. Weshalb sollte man eine eigene Schul- und Vereinsstruktur aufbauen, wenn die staatlichen oder öffentlich zugänglichen Einrichtungen ohnehin dieselben Werte vertraten? Religiöse Minderheiten innerhalb des Protestantismus wie die württembergischen Pietisten schufen dann wiederum gelegentlich milieuähnliche Strukturen, und Sepiola hat ja schon darauf verwiesen, dass der CSVD in Württemberg gewisse Erfolge feiern konnte.

Diese Unterschiede erklären das Wahlverhalten von Menschen beider Konfessionen meiner Ansicht nach etwas plausibler als eine besondere Nähe protestantischer Wähler zum Antisemitismus.
 
Du tust so, als habe jemand behauptet, der Protestantismus sei der einzige entscheidende Faktor gewesen
Ich tue nicht nur so, Dion behauptet das in einer Tour.

und man könne aus der Anzahl protestantischer Wahlberechtigter mit einer simplen Multiplikation das Wahlergebnis vorhersagen.
Ich habe nie behauptet, dass man damit ein Wahlergebnis hätte vorhersagen können.

Was ich behaupte ist, dass wenn man annimmt, dass die Konfession ein jedenfalls sehr starker Faktor bei der Wahlentscheidung gewesen ist, und dass Protestanten auf Grund der Konfession grundsätzlich deutlich anfälliger dafür gewesen wären NSDAP zu wählen, das statistisch bei einer überdurchschnittlichen Anzahl von Protestanten zu einer deutlich überdurchschnittlichen Tendenz von NSDAP-Stimmen kommen musste.

Das es so einfach nicht, das ist mir auch klar, aber letztendlich ist dieser versimpelte Modell die Antwort auf versimpelte Thesen.

Natürlich sind andere Faktoren, wie Stadt-Land-Gefälle, Regionalpartein mit Bindewirkung und so weiter realiter mit im Spiel und man wird sie berücksichtigen müssen.
Nur wenn man sie berücksichtigt, kann man eben keine Thesen à la "das liegt am Protestantismus" oder à la "die Konfession hatte entscheidenden Einfluss bei der Wahl" aufstellen.

Sondern dann könnte man allenfalls noch Dinge postulieren, wie "Die Konfession konnte Einfluss haben und in gewissem Maße Bindewirkungen entwickeln" oder "Protestanten zeigten sich für den Nationalsozialismus anfälliger als Katholiken, sofern sie nicht von den Arbeitermillieus und ihren Organisationen aufgefangen wurden.

Mit dieser Scheinargumentation setze ich mich nicht auseinander.
Musst du auch gar nicht. Diese Argumentation ist einfach die Antwort auf die Vorstellung, man könnte daraus, dass Protestanten überdurchschnittlich die NSDAP wählen schließen, dass dies am Protestantismus liegen würde und religiöse Gesichtspunkte hier die Wahlen entschieden hätten.
Da du solche Modelle nicht vertrittst, musst du dich davon auch nicht angesprochen fühlen.


Was das weitere angeht, jetzt müssen wir etwas differenzieren:

Mir ist natürlich klar, dass weder du und Nikias keine so extremen Postulate vertretet, wie Dion, im Hinblick auf die Vorstellung eines sehr starken Einflusses der Konfession, setzt ihr beide à priori etwas voraus, dass so wie ich das sehe nicht belegt ist und wofür ich gerne Belege sehen würde.

Fangen wir mit den Protestanten an:

- Welchen Beleg gibt es dafür, dass die Protestanten ihre Wahlentscheidungen nach konfessionellen Gesichtspunkten trafen? Vielleicht bedingte die Konfession eine negative Wahlentscheidung, dahingehend die Zentrumspartei als Wahloption auszuschließen, aber welche Partei ging mit einem dezidiert protestantsichen Programm auf Stimmenfang?
Eigentlich keine, außer in Ansätzen vielleicht die DNVP, deren eigentlicher Markenkern aber nicht der Protestantismus war, sondern der Umstand die Rechtsaußen-Partei zu sein und die in dem Moment abgewirtschaftet hatte, als sie das zwischen 1928 und 1930 verlor.
Ab 1932 war die DNVP eine völlig zu vernachlässigende Größe, die keine größeren Wählergruppen mehr band.
Selbst wenn für einige der 5-8% die 1932 noch DNVP wählten der Protestantismus dafür eine Rolle gespielt hätte, wäre das eine völlig zu vernachlässigende Größe, zumal die DNVP ja auch für andere Dinge, allen vorran für die Agrarlobby und Restaurationsphantasien stand, wahrscheinlich auch am Ehesten noch die Partei der Reichswehr war.
Andere Parteien, die irgendwas protestantsiches und die 1932 noch irgndeine nennenswerte Bedeutung hatten, gab es nicht mehr.

Katholiken:

- Zentrum und BVP erreichten Konstant um die 15%. Der Anteil der Katholiken in Deutschland betrug 32, irgendwas Prozent heißt, selbst wenn wir annehmen dass beide Parteien im Grunde kaum protestantische Wähler hatten hat weniger als jeder zweite Katholik die Zentrumspartei gewählt.
Wie viele Katholiken die Zentrumspartei gewählt haben, weil ihnen die katholischen Interessen wichtig waren oder sie den Wahlempfehlungen ihrer Geistlichen folgen und wie viele dass aus ganz anderen Gründen, wie Bayerischen Regionalinteressen oder dem Wunsch nach einer konservativen Politik, die sich im Rahmen der Republik bewegte, wissen wir nicht, da kann man nur mutmaßen.
Selbst wenn wir mal annehmen, dass alle Zentrumswähler durch ihre Konfession positiv an das Zentrum gebunden gewesen wären, hätte die Religion als wirkmächtiger Faktor für die positive Wahlentscheidung für eine bestimmte Partei für 15% eine bedeutende Rolle gespielt, wenn wir großzügig sind und den 1932 bei der DNVP verbliebenen Stammwählern attestiert, dass für sie das Luthertum vielleicht ein Faktor war um bei der DNVP zu verbleiben, wären es vielleicht 20% gewesen, aber auch das wird schon stark übertrieben sein, für viele Wähler wird das Gesamtpaket der Parteien oder anderen Interessen, wie z.B. bayerische Regionalinteressen bei der BVP einen Teil der Wahlmotivation ausgemacht haben.
Aber selbst wenn wir bei diesen deutlich überoptimistischen 20% mal bleiben wollen, hätte auch dann für die ganz überwiegende Mehrheit und im Übrigen auch für die Mehrheit der Katholiken die Konfession keine positive Wahltendenz intendiert, sondern allenfalls negativ den Ausschluss verschiedener Wahloptionen.
Der war für die leetztendliche Wahlentscheidung zwischen den verbliebenen Optionen aber nicht unbedingt entscheindend.

Was man Zentrum und BVP attestieren kann, ist dass sie wohl den stabilsten Anhang hatten, heißt dass sie eine sehr starke Bindewirkung im Hinblick auf ihre Kernklietel hatten.
Inwiefern dieser einzig aus der Konfssion herrührte ist wieder spekulativ, gerade bei der BVP wird auch bayrischer Regionalpatriotismus eine Rolle gespielt haben.
Selbst wenn wir die Religion hier aber als den entscheidenden Bindefaktor betrachten, bei den beiden Arbeiterparteien und auch bei der NSDAP waren offenbar wirkmächtigere pull-faktoren am Werk, denn sie mobilisierten ziemlich konstant einen größeren Anhang.

Die Wahlergebnisse von KPD, SPD und NSDAP seit 1928 bis 1932


KPD SPD NSDAP

1928 10,6% 29,8% 2,6% = 43%
1930 13,1% 24,5% 18,3% = 55,9%
1932 (1) 14,6% 21,6% 37,4% = 73,6%
1932 (2) 16,9% 20,4% 33,1% = 70,4%

Das sind die Wahlergebnisse der größeren Parteien die damit warben entweder einen laizistischen Kurs zu fahren und der Begünstigung einer Religion eine Absage zu erteilen (KPD und SPD) oder die alles Christliche von Grund auf verachteten und deren Ersatzreligion nationailistische Großmanssucht und Rassismus waren (NSDAP).
Kleinere Parteien die eher säkular/laizistsich eingestellt waren, wie die DDP habe ich jetzt mal außen vor gelassen.

Angesichts des Umstands, dass sich seit 1930 die Mehrheit der Bevölkerung konsequent für Parteien entschied die keine konfessionelle Interessenpolitik betrieben und seit 1932 über 70% der Wähler, wie kann man da zu dem Schluss kommen, dass die Konfession für die Wahlentscheidung ein besonders gewichtiger faktor gewesen wäre?
Ich kann ehrlich gesagt nicht folgen.

Das sich die Katholiken letztendlich möglicherweise durch ihre Konfession stärker gebunden fühlten, als die Protestanten nicht zu den Nazis zu gehen, ist möglich, sehe ich aber nicht als erwiesen an, schließlich haben uns die Wähler keine personalisierten Wahlscheine mit Begründung ihres Wahlenschlusses hinterlassen.

Eine positive Bindewirkung der Konfessionen war aber bei weitem kein besonders gewichtiger Faktor. Dadurch ließen sich vileicht 10-20% der Wähler (wenn es hoch kommt) auf Zentrum, BVP und DNVP festlegen, die weit überwiegende Mehrheit hat sich davon nicht angesprochen gefühlt und was die Masse betrifft, scheint etwas die Zugehörigkeit zur Arbeiterschicht ein wesentlich wirksameres Bindemittel gewesen zu sein, als die Konfession, ebenso die nationalistische und rassistische Weltdeutung.
 
Diese Unterschiede erklären das Wahlverhalten von Menschen beider Konfessionen meiner Ansicht nach etwas plausibler als eine besondere Nähe protestantischer Wähler zum Antisemitismus.
Das erscheint mir auch plausibel.

Abweichend davon und horribile dictu in Richtung @Dion verweisend allerdings:
Jürgen Falter hat in seiner gründlichen Untersuchung über „Hitlers Wähler“ nachgewiesen, dass die Protestanten doppelt so anfällig für den Nationalsozialismus waren wie die Katholiken. Die NSDAP war, bezogen auf ihre Wähler, eine protestantische Partei, namentlich der kirchenfernen Protestanten.[11]
und
Kirchenbindung, desto besser die Zentrums- und desto schlechter die NSDAP-Ergebnisse.[12] Auf dem Land erwies sich die Immunität der Katholiken als besonders groß, da hier Beeinflussung und soziale Kontrolle durch das Milieu deutlich stärker waren als in der Stadt.[13] „Kein anderes Sozialmerkmal [hat] die nationalsozialistischen Wahlerfolge so stark beeinflusst wie die Konfession.“[14] Mit Falter kann man hypothetisch formulieren, dass die NSDAP schon im Juli 1932 die absolute Mehrheit der Reichstagsmandate gewonnen hätte, wenn in Deutschland nur Protestanten gelebt hätten. Hätte es nur katholische Wähler gegeben, wäre es wohl nie zu einer (legalen) Machtübernahme Hitlers gekommen.[15]
Aus Konfession und Wahlverhalten in Deutschland | Themenportal Europäische Geschichte
 
Bereits Ende des 19. Jahrhunderts entstand im deutschen Protestantismus eine völkisch-nationalistische und antisemitische Strömung. Die "Judenfrage" wurde hier bereits gestellt, bevor es überhaupt die Nazis gab. 1921 wurde der "Bund für Deutsche Kirche" unter Beteiligung des bekannten Rassisten Houston Stewart Chamberlain gegründet. 1932 wurden als Konkurrenz die "Deutschen Christen" gegründet. Hier zeigt sich schon wieder die Tendenz zur Spaltung in Kleingruppen, die für die völkische Szene genau wie für den Protestantismus irgendwie typisch ist.

Was wäre wohl passiert, wenn ein katholischer Priester mal eben fordert, dass das Alte Testament nicht mehr gepredigt werden solle? In der katholischen Kirche herrschte eine strengere Hierarchie und eine größere Dogmatik als in den protestantischen Kirchen. Ein selbstbewusst auftretender völkischer Flügel, der ungeniert irgendwelche Forderungen stellte, war dort schlicht undenkbar.
 
]Die katholischen Bischöfe warnten vor dem Nationalsozialismus: das ist ehrbar von ihnen, ganz ohne Ironie gesagt! Die Warnung vermochte aber offenbar keine umfängliche Wirkung zu erzielen

Was genau wurde Dir offenbart?
1930 gelang den Nazis der erste Erdrutscherfolg.
Daraufhin sahen sich die Bischöfe veranlasst, ihre Schäfchen zu warnen.
1932 gelang es den Nazis, ihre Stimmenanteile mehr als zu verdoppeln. Die bürgerlichen Parteien wurden quasi weggespült. Mit einer Ausnahme: Das katholische Zentrum konnte noch fast eine halbe Million Stimmen dazugewinnen.

Daraus würde ich die Schlussfolgerung ziehen, das die praktizierenden Katholiken sich ziemlich geschlossen dem Trend widersetzten und nicht die NSDAP wählten. Das war doch das, was die Bischöfe mit ihrer Warnung intendierten.

(obwohl ich kaum glauben mag, dass ein strammer Bischof es gerne sah, wenn seine Schäflein die Sozen bevorzugte)
Nein, auch das wurde von Klerus ganz und gar nicht gern gesehen. Ein braver Katholik hatte die Sozen zu meiden. Und was soll ich sagen? In der preußischen Rheinprovinz kam die SPD auch in Glanzzeiten kaum über 25%.

Bzgl Zentrumspartei: deren Gedeihen hing vermutlich nicht nur von Wohlwollen oder Ablehnung der beiden Konfessionen ab, aber möglicherweise anteilig. An dieser Stelle brauchen wir uns nicht darüber streiten, was nachprüfbar ist und was nicht.

Die Wahlerfolge der Zentrumspartei hingen nicht nur "möglicherweise anteilig" von der Wählerschaft katholischer Konfession ab, sondern statistisch nachweisbar, und zwar zu einem entscheidenden Anteil.

Das ist der Punkt.
 
Bereits Ende des 19. Jahrhunderts entstand im deutschen Protestantismus eine völkisch-nationalistische und antisemitische Strömung. 1921 wurde der "Bund für Deutsche Kirche" unter Beteiligung des bekannten Rassisten Houston Stewart Chamberlain gegründet. 1932 wurden als Konkurrenz die "Deutschen Christen" gegründet.
Bund für Deutsche Kirche – Wikipedia
@Maglor waren die irgendwie überregional wirksam? Der Wikipedia Artikel ist sehr spärlich.
 
Die Wahlerfolge der Zentrumspartei hingen nicht nur "möglicherweise anteilig" von der Wählerschaft katholischer Konfession ab, sondern statistisch nachweisbar, und zwar zu einem entscheidenden Anteil.
Was laut clio (im Beitrag zuvor verlinkt) interessanterweise so dargestellt wird:
Die katholischen Wähler wollten von der NSDAP nicht deshalb so wenig wissen, weil sie politisch besonders gut informiert, weil sie besonders vernünftig waren oder weil sie eine besonders feste demokratische Gesinnung hatten, sondern weil man als guter Katholik eben Zentrum wählte und das tat man, weil man zum katholischen Milieu gehörte. Zum Milieu gehörte man nicht durch eine frei getroffene Entscheidung. Man war in das Milieu hineingeboren und befolgte mehr oder minder unkritisch die von der kirchlichen Obrigkeit ausgegebene Wahlnorm. Zugespitzt gesagt: Die sehr geringe Anfälligkeit der kirchengebundenen Katholiken beruht auf einem geringen Maß an demokratischer Reife. Natürlich gilt nicht der Umkehrschluss, dass die Hinwendung der Protestanten zur NSDAP das Ergebnis besonderer demokratischer Reife war.

Der hervorstechende Zug des Wahlverhaltens der Protestanten war im Übrigen derselbe wie im Kaiserreich: Sie verteilen sich auf alle Parteien, außer auf das Zentrum, das weiterhin unwählbar bleibt. Konfession und Kirchenbindung – die im Übrigen, gemessen am regelmäßigen Gottesdienstbesuch, für die Protestanten nicht die gleiche Bedeutung hat wie für die Katholiken – wirkten sich gewissermaßen nur negativ aus. Es gehörte nicht zur Tradition der protestantischen Kirche, für das politische Verhalten ähnlich feste Regeln und Anweisungen zu geben, wie es die katholische Kirche tat.
 
Die Rädelsführer des Bundes für Deutsche Kirche war über ganz Deutschland verstreut. Der Pfarrer Friedrich Andersen war in Flensburg tätig. Joachim Kurd Niedlich war Lehrer in Berlin.
Das ist also durchaus überregional. Fraglich ist da eher die Breitenwirkung dieser Sekte.
 
Das Zentrum und die BVP waren natürlich für kirchlich gebundene Katholiken die naheliegende Wahlentscheidung.

Bei der BVP wäre hier eine Einschränkung zu machen und das ist die Pfalz.
Die zeigte in der Weimarer Zeit ein gesteigertes separatistisches Interesse, nicht unbeedingt im Sinne einer Trennung von Deutschland, sondern im Sinne einer Trennung von Bayern, was deen Ergebnissen der BVP als selbsterklärter Bayerischer Interessenpartei in der Pfalz nicht guttat, allerdings ergab sich in der Pfalz dadurch die Situation, dass BVP und Zentrum seit 1924 nebeneinander existierten, sich um das katholische Millieu stritten und es sich zu mehr oder weniger ähnlich großen Teilen aufteilten.

Möglicherweise, um hier @Nikias mal etwas entgegenn zu kommen, hat die Spaltung des katholischen Millieus zwischen den beiden Parteien in der Pfalz den Nazis genutzt, weil die Katholiken dadurch sicherlich ein Stück weit gegeneiannder ausgespielt werden konnten.

Reichstagswahlen 1919-1933 - Pfalz
 
Noch ein anderer Gedanke zum Thema Konfession-Wahlen: es ist oft die Rede von der scharfen Trennlinie zwischen den Konfessionen (zeigt sich u.a. an der geringen Zahl gemischter Eheschließungen) - das katholische Zentrum als unwählbar zu betrachten aus protestantischer Sicht (clio Essay) soll daraus resultieren. Ist das dann auch Einfluss der Kirchen oder mehr Tradition?
 
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