Partisanenkrieg im Ersten Weltkrieg?

Diese Information stammt aus diversen deutschen Quellen; beispielsweise Regimentsgeschichten oder beeidete Zeugenaussagen. Und sie sind nicht per se, weil es deutsche Quellen sind, unglaubwürdig.

Naja, die Einschätzung, dass sie nicht per se unglaubwürdig sind, weil es sich um deutsche Quellen handelt, teile ich, nur sehe da ein anderes massives Problem mit der Glaubwürdigkeit, dass einfach aus den Umständen und ständigen Gelegenheiten zu Reibereien mit der Bevölkerung herrührt.

Wenn wir mal davon ausgehen, dass es beim Überfall des deutschen Millionenheeres auf Belgien sicherlich zu reichlich befehlswidrigen Plünderungen und Übergriffen auf die Zivilbevölkerung kam, und dazu musste sich bei der Größe dieses Heeres wirklich nur ein Prommill-Anteil der Soldaten wirklich massiv daneben benehmen, um tausende von Fällen zu produzieren, gab es sicherlich reichlich Verletzungen, die in Folge der Auseinandersetzung wegen sowas enstanden sind.
Natürlich mussten Truppen, wenn sie Ausfälle hatte aber den Sannis und ihren Vorgesetzten irgendwas erzählen, wie es denn dazu gekommen war und da liegt es wahrscheinlich näher Zusammenstöße mit Freischärlern zu erfinden, zumal in dem Wissen, dass im deutschen Heer der Glaube an deren weite Verbreitung ohnehin vorherrschte, als eizuräumen halt dabei erwischt worden zu sein, befehlswidriger Weise geplündert oder die Zivilbevölkerung irgendwie misshandelt zu haben.

Insofern würde ich auf Regimentsgeschichte und beeidete Zeugenaussagen in diesem Zusammenhang nicht zu viel geben.
Nicht weil es sich um deutsche Quellen handelt, sondern weil sowohl die Verfasser von Regimentsgeschichten, als auch die vereidigten Zeugen, möglicherweise selbst in regelwidriges Verhaltenn involviert waren und ein Interesse hatten das nicht publik werden zu lassen.

Demgegenüber würde entsprechende Krankenblätter, sofern sie Verletzungen ausweisen, die für Partisanenkampf tatsächlich typisch und zu erwarten wären (sofern vorhandenn ebenfalls deutsche Quellen) durchaus ernster nehmen.
Kriegstagebücher einzelner Soldaten, die ohne die Absicht der Veröffentlichung geschrieben wurden und später eher zufällig auf irgendwelchen Dachböden auftauchen, würde ich da auch ernster nehmen.
 
am 10.05.2023 erfolgt eine zweite Reanimation durch @Turgot in #41 wo es um die Haager Landkriegsordnung geht.
Ja, aber der letzte Beitrag dazu war am 24.5.2023, dann nichts mehr bis zum Beitrag am 7.10.2023 von @Turgot. Drei Mal also wurde der Faden wiederbelebt, immer vom gleichen User. Dagegen ist an sich nicht zu sagen, aber die 2 letzte Wiederbelebungsversuche deuten auf Unwillen des Forums, über Vermutungen Kellers zu diskutieren.

Gut, der letzte Versuch war ein voller Erfolg – in den letzten Tagen war es schwierig, mit dem Lesen nachzukommen. :D

Und, was wollen wir jetzt tun? Uns weiter im Kreise drehen? Ich sehe Null Fortschritt, denn egal, was einer an Aussagen bringt, sie werden entweder nicht zu Kenntnis genommen oder mit immer gleichen Floskeln zurückgewiesen.

Die einen sagen, Spraul und Keller seien Revisionisten, der andere sagt, nein, sie seien keine, außerdem gebe es da Krumeich, der schon länger ähnlich über das Thema dachte wie Keller, sich aber nicht traute, das öffentlich zu sagen. :rolleyes:
 
Wo finde ich diesen Schütze-Bauer-letzte-Sau Vorfall? Oder ist der fiktiv?
Welchen Unterschied macht das? Wie würdest du einen solchen beispielhaften Vorgang einordnen? Als ein Fall der unter die "massiven irregulären Freischärler-Aktivitäten" fällt, wie sie Krumeich und Keller erwähnen?

Insofern würde ich auf Regimentsgeschichte und beeidete Zeugenaussagen in diesem Zusammenhang nicht zu viel geben.
Nicht weil es sich um deutsche Quellen handelt, sondern weil sowohl die Verfasser von Regimentsgeschichten, als auch die vereidigten Zeugen, möglicherweise selbst in regelwidriges Verhaltenn involviert waren und ein Interesse hatten das nicht publik werden zu lassen.
Das ist ja ungefähr der Stand, der als Konsens nach der deutsch-belgischen Historikerkommission vereinbart wurde - ein Konsens, den Keller aufkündigte.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Welchen Unterschied macht das?
Den Unterschied zwischen fiktiven Geschichten und realen Vorkommnissen.
Wie würdest du einen solchen beispielhaften Vorgang einordnen?
Als fiktive Geschichte würde ich es nicht sonderlich ernst nehmen, weil plump konstruiert und durchschaubar (gut möglich, dass ich mit nicht nettiqeuttekonformen Adjektiven darauf bestehen würde, mit dergleichen nicht beherzigt zu werden)

Als realer Vorfall würde ich die Quelle gerne wissen wollen und ich würde besonders gerne nachlesen, ob und wo Krumeich genau das als "massive irreguläre Freischärler-Aktivität" bezeichnet.
 
Als fiktive Geschichte würde ich es nicht sonderlich ernst nehmen, weil plump konstruiert und durchschaubar (gut möglich, dass ich mit nicht nettiqeuttekonformen Adjektiven darauf bestehen würde, mit dergleichen nicht beherzigt zu werden)

Der wiederholte Versuch, mit unorignellem Geplänkel eine Aussage zu vermeiden.
 
Plünderungen und Massenbesäufnisse aus den vorgefundenen Beständen waren keine Seltenheit, nur ein Beispiel:

Die Tagebücher des Obersten von Ebbinghaus und des Leutnants Roth bestätigen den französischen Bericht über Longuyon. Von Ebbinghaus, Kommandeur des 125. I.R., berichtete, das Regiment sei von den Häusern aus sowie durch französische Artillerie beschossen worden. Während es über schwere Kämpfe mit Franktireurs nur Berichte aus zweiter und dritter Hand gab, lieferten Ebbinghaus und Roth den unmittelbaren Beweis für Plünderungen, Weindiebstahl und Trunkenheit unter den Soldaten. Die blankliegenden Nerven der Männer und ein Zusammenbruch der Disziplin führten zu einer panischen Schießerei, bei der ein Soldat getötet wurde; Ebbinghaus gelang es nur mit großer Mühe, die Schießerei zu beenden. Leutnant Roth bestätigte, daß zwei Abbés unter dem Verdacht festgenommen wurden, die Franktireurs zu unterstützen, obwohl sie sich bei der Verwundetenpflege hervorgetan hatten. Sie wurden am 27. August erschossen, nachdem bei einer Durchsuchung ihrer Wohnung ein falscher Bart und Pistolen gefunden worden waren, die in einem Sofa versteckt waren. Am selben Tag wurden drei angebliche Franktireurs und eine Gruppe von zehn französischen Soldaten, die sich in einem Wald östlich von Longuyon ergeben hatten, am Bahndamm erschossen. Es gab keinerlei Beweise für einen echten zivilen Widerstand, wie etwa Zivilisten, die beim Schießen festgenommen wurden. Vielmehr hatten die städtischen Behörden offenbar mit allen Kräften versucht, einen solchen Widerstand zu verhindern. Am 28. August wurde der stellvertretende Bürgermeister verhaftet, weil im Rathaus Waffen und Munition gefunden wurden.

Horne/Kramer, 2018, 131.
 
Übernimmst du jetzt schon die alliierte Gräuelpropaganda des Ersten Weltkrieges?, sieht ganz danach aus.

Zur übernommenen alliierten Gräuelpropaganda Dinant von erschossenen Säuglingen gibt es interessante Passagen:

Manche Zeugenaussagen wurden auch ganz unterschlagen, weil sie zuviel Wahres enthüllten. Hauptmann Hans Hauth berichtete den Ermittlern des Kriegsgerichts, er wisse nichts von Frauen oder Kindern, die sich an den Kämpfen in und um Dinant beteiligt hätten, genausowenig über deutsche Verwundete, die von belgischen Frauen oder Kindern verstümmelt worden seien. Er erinnerte sich, daß Major Schlick an Bourdons Gartenmauer den Befehl gegeben habe, zwei Gruppen von Zivilisten zu erschießen, um zu unterbinden, daß aus den Häusern weiterhin geschossen würde. Unter den Opfern waren Frauen und Kinder, darunter ein Baby. Hauth selbst gab zwei Frauen, »die noch etwas Leben zeigten«, den Gnadenschuß.

Bundesarchiv Berlin, R 3003/ORA/RG bJ 307/20, Bd. 1, Bl. 89–90. Hauth fiel elf Tage später im Gefecht. Ebenda, R 3003/ORA/RG bJ 307/20, Bd. 2,Bl. 27 Rückseite, Liste der Offiziere des 101. I.R.
 
Wo finde ich diesen Schütze-Bauer-letzte-Sau Vorfall? Oder ist der fiktiv?
Zum Beispiel schön zusammengefasst für eine Vielzahl von „Vorfällen bei fast allen“ in Kriegstagebüchern:


In einem Tagesbefehl vom 26. August 1914 an die 40. Division, die sich südlich von Dinant befand, äußerte deren Kommandeur General Götz von Olenhusen eine deutliche Mißbilligung des Verhaltens seiner Soldaten. Zunächst gratulierte er seiner Division zu ihren Erfolgen, die zeigten, daß der kriegerische Geist noch am Leben sei, doch dann fuhr er fort:
»Um so schmerzlicher berührt es mich, beobachten zu müssen, daß die Manneszucht der Truppe in bedrohlichem Maße abhanden gekommen ist. Plünderungen und Mißachtung des Privateigentums ist nicht nur in einzelnen Fällen festgestellt worden, sondern fast alle Truppenteile der Division haben sich in der Gesamtheit dieses verwerflichen Gebarens schuldig gemacht.
Unter dem Vorwand der Beitreibung und Durchsuchung nach Waffen hat die Truppe Haus und Hof der Landeseinwohner in geradezu barbarischer Weise verwüstet und beschmutzt, so daß die Häuser sogar zur Quartierbelegung völlig ungeeignet geworden sind.
Willkürlich von Unberufenen angeordnete und von den Mannschaften ohne jeden Befehl vorgenommene Brandstiftungen sind an der Tagesordnung. Der gute Ruf der deutschen Armee ist schon heute durch Zuchtlosigkeiten vor der Welt schwer gefährdet und das Vaterland wird mit Entrüstung und Beschämung durch die Presse der ganzen Welt Kenntnis davon erhalten. Diese unerhörten Zustände sind unverzüglich zu beseitigen!«

Olenhusen erteilte sodann den Befehl, Offiziere sollten die Ordnung am Ort wiederherstellen und die Requirierung überwachen, und das Niederbrennen von Häusern als Strafmaßnahme könne nur vom dienstältesten anwesenden Offizier befohlen werden. Gegen erneute Disziplinlosigkeiten werde er »unnachsichtlich einschreiten«.


HStA Dresden, 26882, Divisions-Tagesbefehl, Stabsquartier, Hargnies, 26. August 1914.
 
Ich lese grundsätzlich keine revisionistische Literatur oder Literatur, die unter starkem Revisionismusverdacht steht. Durch Kauf oder Ausleihe würde ich sonst die Autoren unterstützen.
Das ist eine seltsame Argumentation.
Durch die Ausleihe kannst Du höchstens verhindern, dass jemand anderes das Buch liest, während Du es ausgeliehen hast. Der Autor merkt nichts davon.
Und in dem Fall würde er auch beim Kauf des Buchs nichts merken; das Buch gehört wohl kaum zu den Rennern, bei denen Verlage Tantiemen ausschütten. Mit dem Kauf würdest Du also den Verlag unterstützen, einen Verlag, den zu boykottieren mir nicht im Traum einfallen würde.

Demnach müsste man erst mal Hitlers "Mein Kampf" gelesen haben, damit man es bewerten kann und schlußfolgert: Das ist Mumpitz.
Ich halte es für keinen Fehler, sich auch mal in Hitlers "Mein Kampf" einzulesen, um zu erfahren, wie der Mann tickte. (Und man entdeckt da einige Denkmuster, die man auch bei Leuten findet, die sich selber ganz sicher nicht als rechts einordnen würden.)
 
Durch die Ausleihe kannst Du höchstens verhindern, dass jemand anderes das Buch liest, während Du es ausgeliehen hast. Der Autor merkt nichts davon.
Je öfter ein Buch ausgeliehen wird, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass die Bibliothek sich auch ein zweites oder drittes Exemplar zulegt.
Und in dem Fall würde er auch beim Kauf des Buchs nichts merken; das Buch gehört wohl kaum zu den Rennern, bei denen Verlage Tantiemen ausschütten.
Bin ich da jetzt falsch informiert oder erhalten Autoren nicht grundsätzlich einen Teil des Verkaufserlöses eines Buches? Dass das Werk nicht zu den "Rennern" gehört, wage ich zu bezweifeln. Für welches Buch wurde in den letzten Jahren schon ein extra Symposium von Historikern abgehalten. Es wird von prominenter Stelle (Krumeich) unterstützt und ist auch in der Presse in aller Munde.
 
Bin ich da jetzt falsch informiert oder erhalten Autoren nicht grundsätzlich einen Teil des Verkaufserlöses eines Buches?
Da machst Du Dir ganz falsche Vorstellungen. Bei Büchern, die sich nicht an ein breites Lesepublikum wenden, muss der Autor froh sein, wenn er überhaupt ein (einmaliges) Honorar vom Verlag bekommt und sich nicht noch darum kümmern muss, von verschiedenen Stellen Druckkostenzuschüsse zusammenzukratzen.

Ich mache jede Wette, dass meine Bibliothek bei dem hier in Frage stehenden Buch nicht auf die Idee kommt, sich ein zweites oder gar drittes Exemplar anzuschaffen. Das Interesse für die Ereignisse in Belgien im August 1914 ist überschaubar, und ein Christopher Clark ist der Ulrich Keller sicher nicht.
 
Bei Büchern, die sich nicht an ein breites Lesepublikum wenden, muss der Autor froh sein, wenn er überhaupt ein (einmaliges) Honorar vom Verlag bekommt/QUOTE]
Dennoch ist ein fester Satz pro Exemplar üblich, auch wenn es am Jahresende dann nu 19,50€ sind.
Das trägt allerdings wenig zum Thema bei.
 
Ich rege an dieser Stelle an, das hier doch einmal Wortmeldungen kommen sollten, die sich zu der Einseitigkeit der Quellenauswahl von Horne und Kramer äußern. Bekanntermaßen haben die beiden irischen Historiker weitestgehend deutsche Quellen nicht berücksichtigt. Als Begründung wurde ausgeführt, dieses seien tendenziös bzw. apologetisch.

Das Lesen von Horne/Kramer ergibt dazu interessante Passagen, nur illustrativ + eine kleine Kostprobe:

Ähnlich verhält es sich mit den Aussagen über Andenne: Aus vielen Häusern, aus denen angeblich gefeuert wurde, wurden Männer und Frauen herausgeholt, die aber nicht bewaffnet waren; Waffen wurden meist nicht gefunden. 24 Die Analyse eines Bandes in der Akte Bronsart von Schellendorf ergibt, dass eine signifikante Minderheit von Soldaten die offizielle These trotz der Suggestivfragen nicht bestätigen mochte: Mindestens 13 (einschließlich Offiziere) sagten eindeutig aus, dass sie die feindlichen Schützen nicht als Zivilisten identifizieren konnten; im Kriegstagebuch des I. Pionier-Bataillons 28 vom 20. August 1914 war es ähnlich verzeichnet und es wurde offen auf Panik hingewiesen. 25 Zahlreiche ähnliche Aussagen finden sich in der Akte Scheunemann.26

Sogar armeeinterne Berichte, die die »Franktireur«-These nicht infrage stellten, konnten nicht umhin, die Tatsache anzuerkennen, »daß die deutschen Truppen dauernd vom linken Maasufer unter Infanterie- und Maschinengewehrfeuer genommen wurden, während die beiden feindlichen Artillerien sich bekämpften und daß auch für manches Geschoß, das von dort kam, die Zivilbevölkerung von Dinant verantwortlich gemacht wurde«.27
Selbstverständlich waren viele Soldaten nach wie vor von der Existenz von »Franktireurs« überzeugt. Hauptmann Charles von Montbé etwa hatte eine bestimmte Erinnerung an Zivilisten, die aus den Häusern schossen, sowie an einen »Mann im Strohhut, der im Schornstein stand und aus ihm herausschoß.« 28
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24 Preußisches Kriegsministerium, Ergänzende Darstellung der Franktireurkämpfe in Andenne in Belgien (Provinz Namur), Berlin 1916 (Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz – Abteilung Historische Drucke, 4" Krieg 1914/24662), z. B. Anlage 65, S. 39.

25 Bundesarchiv Berlin, R 3003, bJ 594/20, Bronsart von Schellendorf, Bd. 1.

26 Bundesarchiv Berlin, R 3003, aJ 19/21, Scheunemann, Bd. 3.

27 Bundesarchiv Berlin, R 3003, bJ 181/20, Karl D’Elsa, Bd. 1, Bl. 122 , Oberst von Skopnik, Kaiserlicher Kreischef, Dinant, 17. Januar 1915. Keller räumt ein, dass französische Truppen vom westlichen Ufer der Maas auf die Deutschen in Dinant feuerten, und interpretiert diese für seine These gefährliche Tatsache in einen zwischen Franzosen und belgischen Einwohnern »gut koordinierten Widerstand« um (S. 170), für den er keinen Beweis anführt. Ein deutscher Beleg für das Kämpfen französischer Truppen noch bis 19 Uhr am 23. August in Dinant selbst: Bundesarchiv Berlin, R 3003, bJ 304/20 Kielmansegg, Bd. 1, Bl. 10 – 14 Gefechtsbericht des Leib-Grenadier-Regiments 100. Am Westufer der Maas hatten sich die französischen Truppen »so vorzüglich eingenistet, daß nicht das Mindeste von ihm [dem Feind] zu sehen war.« Ebd., Bl. 18 – 19, Gefechtsbericht des III . Batl. Leib-Grenadier-Regiments 100.

28 Bundesarchiv Berlin, R 3003, bJ 304/20 Kielmansegg, Bd. 2, Bl. 7– 8, Hauptmann Charles von Montbé (Chef der 8. Komp. I.R. 100), Aussage 19. April 1920.

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So schrieb im März 1920 das Abwicklungsamt XII , zuständig für das XII. (sächsische) Korps, an seine Veteranen:

»Das Abwicklungsamt XII ist mit der Bereitstellung des Entlastungsmaterials für die nach § 228 des Friedensvertrages […] gefährdeten Angehörigen des ehemaligen XII Armeekorps beauftragt.

Um die Verantwortlichkeit der angeschuldigten Führer für die Vorgänge in Dinant am 23. 8. 1914 zu klären, werden Sie gebeten, sich nach Ihrer Erinnerung zu folgenden Fragen zu äußern.

[…] Wie haben sich die Einwohner gegen die Truppe verhalten? Haben sie sich am Kampfe gegen unsere Truppen beteiligt? Sind Ihnen besondere Fälle, die geeignet sind den Verdacht, daß die Einwohner sich am Kampfe beteiligt haben, zu erhärten, bekannt? […]
Was wissen Sie über die Erschießung der Einwohner? Wer hat den Befehl zum Erschießen gegeben?
[…]
Das Abwicklungsamt betont, daß diese Auskünfte lediglich zum Zwecke der Entlastung beschuldigter Persönlichkeiten benötigt werden [...].«29

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29 Bundesarchiv Berlin, R 3003, bJ 304/20, Kielmansegg, Bd. 2 , Bl. 20, Abschrift Abwicklungsamt XII AK Dresden, 27. März 1920. Hervorhebungen im Original.


 
schön zusammengefasst für eine Vielzahl von „Vorfällen bei fast allen“ in Kriegstagebüchern:
HStA Dresden, 26882, Divisions-Tagesbefehl, Stabsquartier, Hargnies, 26. August 1914.
@silesia besten Dank für diese Quelle (Tagesbefehl) !
Was General von Olenhusen allgemein und völlig zurecht als unzivilisiert und barbarisch mißbilligt, findet sich in nahezu allen Zeiten: schon die Merowingerkönige mussten ihre Truppen disziplinieren, weil diese beim Aufmarsch im eigenen Territorium schon zu plündern begannen... Schiller: "(Isolani) Der Krieg ernährt den Krieg. (...)" Und von Olenhusen ist offensichtlich kein großer Anhänger des Gewaltmarkts (Elwert) - aber in von Olenhusens Missbilligung kommt noch eine weitere Scheußlichkeit (sic!) hinzu:
Unter dem Vorwand der Beitreibung und Durchsuchung nach Waffen hat die Truppe Haus und Hof der Landeseinwohner in geradezu barbarischer Weise verwüstet und beschmutzt, so daß die Häuser sogar zur Quartierbelegung völlig ungeeignet geworden sind.
und das geht weit über das "übliche" Maß der Drangsalierung der annektierten Zivilbevölkerung (Einquartierung, Teilrequirierungen etc) in Kriegszeiten hinaus. General von Olenhusen attestiert eindeutig seiner Truppe, vorsätzlich zu plündern/schikanieren/bestehlen/niederbrennen und sehr wohl zu wissen, was sie tun und mit einem fadenscheinigen Vorwand zu kaschieren versuchen. (Obendrein ärgert es den General, dass seine Truppe mit ihrem schändlichen Verhalten die in seinen Augen "normale" Einquartierung unmöglich macht)

Ob und welches Licht diese erschreckende (!) Quelle auf die Diskussion in diesem Faden wirft, kann ich nicht beurteilen. Isoliert betrachtet wirft diese Quelle ein eindeutig negatives Licht auf die 40. Division am Ende des August 1914, daran kann gar kein Zweifel bestehen.

Aber du @silesia hast diese Quelle in folgenden Zusammenhang gepostet:
Wenn der Schütze Schulze dem Bauern Gaston die letzte Sau wegrequiriert und er dann aus Wut zur Schrotflinte greift, würdest du das unter "massive irreguläre Freischärler-Aktivität" im Sinne von Keller und Krumeich subsumieren?
Und rechtfertigt es irgendwie die Ermordung von Gastons Frau und Kindern?
Wo finde ich diesen Schütze-Bauer-letzte-Sau Vorfall? Oder ist der fiktiv?
Zum Beispiel schön zusammengefasst für eine Vielzahl von „Vorfällen bei fast allen“ in Kriegstagebüchern:
Welchen Unterschied macht das? Wie würdest du einen solchen beispielhaften Vorgang einordnen? Als ein Fall der unter die "massiven irregulären Freischärler-Aktivitäten" fällt, wie sie Krumeich und Keller erwähnen?
Den Unterschied zwischen fiktiven Geschichten und realen Vorkommnissen.
Als fiktive Geschichte würde ich es nicht sonderlich ernst nehmen, weil plump konstruiert und durchschaubar (gut möglich, dass ich mit nicht nettiqeuttekonformen Adjektiven darauf bestehen würde, mit dergleichen nicht beherzigt zu werden)
Als realer Vorfall würde ich die Quelle gerne wissen wollen und ich würde besonders gerne nachlesen, ob und wo Krumeich genau das als "massive irreguläre Freischärler-Aktivität" bezeichnet.

Ich würde jetzt doch sehr gerne wissen, ob und wo Gerd Krumeich und Ulrich Keller genau so einen "beispielhaften Vorgang", wie er in den Zitaten ausformuliert wurde, als massive irreguläre Freischärleraktivität bezeichnen oder einordnen.
denn wenn man das nachweisen kann, sind die gründlich unten durch!

Zu meinem Erstaunen sind Gerd Krumeich und Sönke Neitzel von mehreren Teilnehmern unserer Diskussion hier teils als Geschichtsrevisionisten verdächtigt, teils als solche bezeichnet worden. Leider wurden diese Verdächtigungen/Behauptungen nicht belegt. Weniger erstaunt hat mich, dass Ulrich Keller ebenfalls als Geschichtsrevisionist bezeichnet wurde, denn seine aggressiv und übertrieben vorgetragene Kritik am Standardwerk von Horne/Kramer verleitet dazu.

...sehr bedauerlich an der Diskussion hier, die eine erfreuliche Beitragsdichte zeitigt, finde ich es, dass in der Hitzigkeit (oder aus Stänkerei?) mittlerweile Teilnehmer einander als Revisionisten beschimpfen - das ist so nötig wie ein Kropf!

Ich selber halte Horne/Kramer für ein exzellentes Buch und speziell das neue Vorwort, worin die Autoren Stellung zu Kellers Kritik beziehen und ein paar Irrtümer in Details einräumen, hat mich beeindruckt. Insbesondere ihr Argument, dass innerhalb einer riesigen Materialmasse ein Dutzend / eine Handvoll Fehler die Grundaussage eher nicht tangieren, halte ich für sehr bedenkens-, aber auch für überprüfenswert. Dass dieses Standardwerk teilweise hinterfragt, überprüft wird, halte ich nicht für eine Sünde: das widerfährt allen Standardwerken, die allmählich in die Jahre kommen. Herwig Wolframs Gotenbuch beispielsweise ist ein Standardwerk und bleibt das auch, wiewohl die Fachwelt mittlerweile ein paar Details anders deutet.

Mich selber interessiert dieses Thema hier*) weil ich bei meinem Interesse am Festungsbau bislang zum Kriegsalltag bei den Belagerungen der belgischen Festungen wenig wusste - eine Manko, das zu ändern mir u.a. diese Diskussion hier hilft - und weil ich erstaunt war, dass mit so viel Grimm und Zorn renommierte aktuelle Historiker wie Krumeich und Neitzel schwer verdächtigt wenn nicht diskreditiert werden.

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*) ich wäre sogar dafür, den Titel dieses Fadens zu ändern in "belgische Franctireus im Ersten Weltkrieg???"
 
Zuletzt bearbeitet:
Herwig Wolframs Gotenbuch beispielsweise ist ein Standardwerk und bleibt das auch, wiewohl die Fachwelt mittlerweile ein paar Details anders deutet.
Ein paar Details anders zu deuten, das kann immer vorkommen, aber ein ganzes Standardwerk in Frage zu stellen, wie Keller und Krumeich es tun, ist etwas anderes.
 
Ein paar Details anders zu deuten, das kann immer vorkommen, aber ein ganzes Standardwerk in Frage zu stellen, wie Keller und Krumeich es tun, ist etwas anderes.
Keller tut das, Krumeich nicht - lies doch einfach nach, es war oft genug zitiert worden. (es ist langweilig, immer wieder dieselben Zitate hervorkramen zu müssen...)
 
Dekumatland:

ich bin immer noch nicht richtig verstanden worden: es käme auf die „massive Freischärlertätigkeit“ NUR an, wenn dieses in irgendeiner Art und Weise exkulpierend für die unbestrittenen deutschen Kriegsverbrechen wirken könnte.

Das kann es nicht. Für die Wertung der deutschen Kriegsverbrechen in Belgien ist das völlig unerheblich.

Die kriegsrechtliche Annahme von Repressalien scheidet schon aus formalen Gründen komplett aus.
Die strikte Beweislast für den Aggressor für Tötungen von Zivilisten tangiert das nicht.
Deutsche Kriegsverbrechen sind massenhaft bewiesen.
Für einen orchestrierten, organisierten, staatlich lancierten Widerstand von Zivilisten in deutsch besetzten …
(hier bitte ich jeden Diskutanten im Übrigen, die korrekte Anwendung des Okkupationsbegriffs in der HLKO zu beachten, da fehlt offenbar verschiedentlich die Kenntnis, welche Sachverhalte unter diesen Rechtsbegriff überhaupt zu subsumieren sind, und das Teile davon höchst umstritten sind)
… Gebieten fehlt jeder Nachweis.

Die Frage, in welchem Ausmaß selbst wesentliche örtliche Kampfhandlungen von Zivilisten die Franktireurpsychose einer durch Land gemäß Operationsplanung hetzenden Armee getriggert haben könnte (dem Phantom jagen offenbar einige nach), ist für die kriegsrechtliche Verantwortung = Verschuldensfrage von Kriegsverbrechen völlig unerheblich.
Der Aggressor muss dafür Sorge tragen, dass selbst seine besoffenen/oder randalierenden/oder marschmäßig ausgezehrten/ oder unter Kampfstress stehenden/oder unter Partisanenpsychosen leidenden Truppenmassen nicht massakrieren oder plündern, auch im unterstellten Ausnahmezustand nicht.

Daher keine Exkulpation für massenweise Erschießungen.

Die Dimension des Kriegsverbrechens bleibt dieselbe, wenn man darunter zufällig einzelne Personen erwischt haben könnte, die sich nachgewiesenermaßen (für solche „Hinrichtungen“ reicht allerdings nicht: mi-mi-mi, es wurde aber irgendwie vom Schornstein geschossen, und mi-mi-mi: es waren leider die Invasoren etwas gestresst vom Marschieren und den Franktireurwarnungen) Schusswechsel geliefert hätten.
 
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