Wie weit in den Alltagleben reichte die Macht der Kirche(n)?

Sicher aber auch für noch nicht getaufte Kinder* im Schulalter. Es wird ja berichtet, dass mitunter die ganzen Familien gemeinsam getauft wurden - inkl. Sklaven.

Sicher ist, dass Deine Behauptungen substanzlos sind, wenn Du keine Quellen beisteuern kannst.

"Manches deutet darauf hin, dass im frühen Christentum ganze Hausgemeinschaften getauft wurden. Die Wendung 'Ich und mein Haus' (z. B. Jos 24,15) ist biblisch und auch in der heidnischen Umwelt mehrfach bezeugt, Apg. 16,15 mit Bezug auf die Taufe. 1. Kor 1,16 schreibt Paulus: 'Ich taufte aber auch das Haus des Stephanas'. Durch die Hinwendung des Hausvorstehers zum Glauben wurde das ganze Haus samt Kindern und Sklaven mit einbezogen. Eine solche Taufe geschah nicht ohne vorausgehende Verkündigung. Von einer eigentlichen Taufunterweisung der Hausgemeinde ist aber noch nirgends die Rede."

 
Durch die Hinwendung des Hausvorstehers zum Glauben wurde das ganze Haus samt Kindern und Sklaven mit einbezogen. Eine solche Taufe geschah nicht ohne vorausgehende Verkündigung. Von einer eigentlichen Taufunterweisung der Hausgemeinde ist aber noch nirgends die Rede."
Das widerspricht deiner Aussage
Weithin üblich war aber nach wie vor das Katechumenat, bei dem Erwachsene vor der Taufe systematischen Unterricht erhielten, …
 
Um mal weg von (frühchristlicher) Taufe zu kommen, möchte ich hier aus Michel Foucaults "Was ist Kritik?" zitieren:

»Die christliche Pastoral bzw. die christliche Kirche, insofern sie eben eine spezifisch pastorale Aktivität entfaltete, hat die einzigartige und der antiken Kultur gänzlich fremde Idee entwickelt, daß jedes Individuum, unabhängig von seinem Alter oder seiner Stellung, sein ganzes Leben hindurch und bis in die Einzelheiten seiner Handlungen hinein regiert werden müsse und sich regieren lassen müsse, daß es sich zu seinem Heil lenken lassen müsse und zwar von jemandem, mit dem es ein zugleich umfassendes und penibles Gehorsamsverhältnis verbindet.«

Foucault bezog sich hier u.a. auf Lewis Bayly "Praxis Pietatis"* aus dem Jahr 1703 – Zitat (Fettschreibung von mir):

»Nicht besser kann ein Mensch seine Unwürdigkeit erkennen/ als auß den Zehen Geboten GOttes. Derowegen thue eins/ und erforsche wol bey dir selbst/ was du in solchen underlassen/ und wie du wider eines oder das andere mißhandelt habest. Gedencke/ wann die wahre Reue und Buße/ und die Barmherzigkeit GOttes in Christo nit thäte/ daß die Vermaledeyung/ welche alle Straffen in disem Leben/ und hernach die ewige Marter und Pein auff dich trägt/ auff dir läge: und daß du durch Ubertretung auch deß geringsten aus solchen Gebotten dich aller Straffen theilhafftig gemacht habest.«

»Darnach wann du ein solch Examen und Register über deine Sünden gehalten: so gehe in dein Kämmerlein/ oder sonst einen absonderlichen und verschlossenen Ort: stelle dich vor GOtt/ dem gerechten Richter dar/ als einen armen Missethäter/ der vor Gericht stehet/ und seines Sentenzes erwartet. Knye nider auff die Erde/ schlage mit deinen Händen an deine Brust/ lasse die Thränen auß deinen Augen fliessen/ bekenn GOtt alle deine Sünden/ und bitte ihn um Verzeyhung derselbigen/ mit folgenden oder dergleichen Worten.«

Da ist keine Spur von einem liebenden Gott zu bemerken, wie ihn die Christen – im Unterschied zu dem alttestamentarischen Gott – gern sehen wollen, sondern die tägliche Furcht vor diesem Gott.

Gut, das ist Calvinismus, aber trotzdem ein Leben im Terror.

Nicht viel anders ist das Urteil Luthers über die Beichte der Katholiken. In "Vermahnung an die Geistlichen, versammelt auf dem Reichstag zu Augsburg" sagt er über die Beichte u.a. (Fettschreibung durch mich):

»Da sind eure Bücher noch vorhanden, worin ihr die Beichte festgesetzt und gelehrt habt. Diese halte ich für eine der größten Plagen auf Erden, womit ihr jedermanns Gewissen verwirrt, so viele Seelen verzweifelt gemacht und aller Menschen Glauben an Christus zuschanden und zunichte gemacht habt. Denn ihr habt uns gar nichts vom Trost der Absolution gesagt, welche das Hauptstück und das Beste in der Beichte ist, die auch den Glauben und das Vertrauen in Christus stärkt. Sondern ein Werk habt ihr daraus gemacht, von widerwilligen Herzen mit Geboten durch Gewalt erzwungen, um eure Tyrannei zu stärken«
Quelle: Ausgewählte Schriften, Bd. III, Leipzig 1982, Seite 247

Ich finde, Luther hat hier klar gesehen, welche Macht die Kirche auf den Alltag der Gläubigen hatte.

* Vollständiger Titel lautet: Praxis Pietatis. Das ist Uebung der Gottseligkeit/ Darinnen begriffen/ Wie ein Christ/ dem seine Seligkeit angelegen/ sein Leben alle Tag in wahrer Gottesforcht anstellen/ wol zubringen/ und zuletzt seliglich beschließen
 
...schändlich, doch unbeanstandet wegen des Hangs zur Faulheit, zeigt sich die destruktive hirnwaschende Macht der Kirche nicht nur in den Alltag sondern auch in die Gewinnmaximierung hinein durch ihre der merkantilen Arbeitswelt aufoktroyierten "Feier"tage: da ruht die Arbeit, alle Fließbänder stehen still, reglos geschlossen Ämter und Gerichte. Zwar gelang es, zum Beispiel den heutigen "Feier"tag auf einen Sonntag zu legen, doch horribile dictu: morgen - "Ostermontag" - ist was? Arbeitet man morgen und mehrt das Bruttosozialprodukt? nein??
;)

schöne Ostern allerseits!
 
Unbeachtlich ihrer ursprünglichen Herkunft sind das gesetzliche Feiertage, die der Gesetzgeber festlegt, nicht die Kirche. Also (Un-) Ehre, wem (Un-) Ehre gebührt. Und gibt ja auch welche, die keinen religiösen Hintergrund haben (1. Mai, 3. Oktober, mancherorts 8. März).
 
Unbeachtlich ihrer ursprünglichen Herkunft sind das gesetzliche Feiertage, die der Gesetzgeber festlegt, nicht die Kirche.
Die Herkunft ist durchaus nicht unerheblich. Laut Art 140 GG i.V.m. Art 139 WRV haben die christlichen Kirchen tatsächlich einen grundgesetzlichen Anspruch auf Schutz der staatlich anerkannten Feiertage. (Gemeint sind hier die Feiertage, die bei Inkrafttreten der Weimarer Verfassung anerkannt waren.) Die Formulierung "anerkannten" impliziert bereits, was auch das Grundrecht der Religionsfreiheit vorgibt: Dass die Kirche den Feiertag bestimmt und der Staat diesen Feiertag nur anerkennt (oder auch nicht, wobei freilich zumindest diejenigen Feiertage anerkannt werden müssen, die den Kirchen als für das Christentum wesentlich gelten, andernfalls würde das Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet).

@Dion hat schon insofern Recht, dass die Trennung zwischen Staat und Kirche (richtiger wäre: zwischen Staat und Religion) in Deutschland nur unvollständig gegeben ist.
 
Die Formulierung "anerkannten" impliziert bereits, was auch das Grundrecht der Religionsfreiheit vorgibt: Dass die Kirche den Feiertag bestimmt und der Staat diesen Feiertag nur anerkennt (oder auch nicht, wobei freilich zumindest diejenigen Feiertage anerkannt werden müssen, die den Kirchen als für das Christentum wesentlich gelten, andernfalls würde das Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet).
Was für das Christentum wesentlich ist, entscheiden nicht allein die Kirchen: In Italien wurden z.B. - Zitat aus Wikipedia -

mit einem Gesetz vom 5. März 1977 die kirchlichen Feiertage Heilige Drei Könige, Josefstag (19. März), Fronleichnam, Christi Himmelfahrt und Peter und Paul (29. Juni) abgeschafft, um im Rahmen der Sparpolitik wegen der schlechten Wirtschaftslage die Arbeitsproduktivität zu erhöhen. :)

Irgendwo habe ich gelesen, dass es im Mittelalter generell sehr viele kirchliche Feiertage gab, die inkl. Sonntag alle zusammengenommen so viele Tage ausmachten, dass (fast oder mehr als) ein halbes Jahr nicht gearbeitet werden durfte. Selbst die offizielle Zählung der Tage orientierte sich an diesen Feiertagen, so dass es in Dokumenten oft hieß – z.B.: Gegeben am 5. Tag nach Johannis in Anno Domini 1525. Wenn da anstelle Johannis Ostern stand, musste man schauen, an welchen Tag das genau war. Irgendwie umständlich, oder?

Ketzerische Frage dazu: Waren die vielen Feiertage vielleicht mit ein Grund, für die schnelle Ausbreitung des Christentums?
 
Ketzerische Frage dazu: Waren die vielen Feiertage vielleicht mit ein Grund, für die schnelle Ausbreitung des Christentums?
Vermutung meinerseits: Das mit den vielen Feiertagen dürfte in erster Linie ein städtisches Phänomen gewesen sein, zumindest was die Arbteitsfreitheit. Bauern können nicht einfach frei machen. Tiere müssen gefüttert, Kühe müssen gemolken werden, und wenn es ein guter Tag zum Sähen, Ernten, Heumachen etc ist wird das gemacht, bevor Regen oä die Chance dazu versaut. Die Ausbreitung des Christentums in Europa betraf va Gesellschaften, die wenige städtische Zentren besaßen, und in denen die meisten Menschen von Agrar-Subsistenzwirtschaft lebten. Ich seh da also wenig Vorteile von zahlreichen religiösen Feiertagen. Mag mich aber irren.
 
Bauern können nicht einfach frei machen. Tiere müssen gefüttert, Kühe müssen gemolken werden, ...
Ja, aber an Sonntagen und Feiertagen wir nur das Allernötigste getan, alles andere muss warten.

Wir hatten vor Jahren eine Putzfrau aus Polen, eine Informatikstudentin an der TU München, Einser Abiturientin, stammte aber von einem Bauernhof in der Nähe von Krakau. Einmal haben wir ihr vorgeschlagen, ausnahmsweise an einem Sonntag statt Samstag zu kommen, aber sie lehnte ab, weil: Sonntags darf sie nicht arbeiten. Sie ging auch jeden Sonntag in die Kirche Münchens (am Josephsplatz), in die viele Polen gehen. Will sagen: Sie war tiefgläubig wie die ganze Familie.

Aber sie war auch abergläubisch: Einmal, ich habe gerade ein Brot gebacken, habe ihr gesagt, das Brot, das noch heiß war, ruhig woanders zu stellen, wenn es sie stören sollte. Was soll ich sagen – sie hat es nicht getan. Weil sie ihre Tage hatte, durfte sie das Brot nicht berühren. Das gab sie ein Jahr später zu. Das heißt, erst nachdem sie von Kommilitoninnen davon überzeugt wurde, dass das ein Aberglaube sei.

Auch sonst hat sie sich im Laufe der Zeit verändert. Nicht nur äußerlich, auch innerlich. Endlich hat sie sich gegen ihre Mutter gestellt, die sie immer nur ausnutzte – weil sie Vaters Liebling war und tüchtig wie er. Anfangs weinte sie nach jedem Telefonat mit der Mutter, und als sie uns erklärte warum, sagte sie z.B., Mutter will mehr Geld, weil man ihr ohne Grund die Witwenrente gekürzt hätte. Darauf wir: Das gibt es nicht, sag der Mutter, dass du nächste Woche nach Polen fahren und auf dem Amt das klären wirst. Plötzlich war das nicht mehr notwendig – es hätte sich erledigt, sagte die Mutter. Aber das war nur ein Beispiel von vielen.

Hier wurde wieder sichtbar: Stadtluft macht frei.
 
Man lernt nie aus. Welche Feiertage waren den von der Weimarer Verfassung anerkannt?
Laut Tante Wiki war der Feiertagskalender mit dem heutigen bayerischen fast identisch, ausgenommen, dass auch Buß- und Bettag ein Feiertag war.
Was für das Christentum wesentlich ist, entscheiden nicht allein die Kirchen: In Italien wurden z.B. - Zitat aus Wikipedia -
Da hast Du mich falsch verstanden, ganz abgesehen davon, dass meine Ausführungen sich auf Deutschland bezogen (wobei meiner Ansicht nach in allen EMRK-Unterzeichnerstaaten dieselben Anforderungen gälten).

Was für eine Religion wichtig ist und was nicht, darf der Staat nicht entscheiden und tut es in Deutschland auch nicht. Der Staat hat freilich konkurrierende Grundrechte zu garantieren und Staatsziele (z.B. Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht, Gleichberechtigung von Mann und Frau) zu erfüllen.

Wo die freie Religionsausübung damit in Konflikt gerät, muss das mildestmögliche Mittel gewählt werden, um Abhilfe zu schaffen.

Um die wirtschaftliche Produktivität zu erhöhen und damit den Sozialstaat zu stärken, könnte also (wie in Deutschland auch schon geschehen) ein nachrangiger christlicher Feiertag zum Werktag gemacht werden. Würde aber der Bundestag zentrale christliche Feiertage wie z.B. Karfreitag streichen wollen, wäre dies ohne jeden Zweifel unzulässig.
Ja, aber an Sonntagen und Feiertagen wir nur das Allernötigste getan, alles andere muss warten.
Das "Allernötigste" ist immer noch verdammt viel … Was mit ein Grund ist, warum niemand mehr Landwirt werden will.
 
Laut Tante Wiki war der Feiertagskalender mit dem heutigen bayerischen fast identisch, ausgenommen, dass auch Buß- und Bettag ein Feiertag war.
Warum hat Berlin dann so viel weniger Feiertage als Bayern? War dass auch damals schon nach Einzelstaate geregelt, und stand Preußen damals schon so viel schlechter da als Bayern?
 
Ja, auch in der Weimarer Zeit besaßen die Länder die Kulturhoheit. Ohne mich jetzt im Detail eingelesen zu haben, würde ich annehmen, dass der Unterschied in der Zahl der Feiertage auf den Kirchenkonkordaten mit Preußen und Bayern beruht.
 
Ja, aber an Sonntagen und Feiertagen wir nur das Allernötigste getan, alles andere muss warten.

Wir hatten vor Jahren eine Putzfrau aus Polen, eine Informatikstudentin an der TU München, Einser Abiturientin, stammte aber von einem Bauernhof in der Nähe von Krakau. Einmal haben wir ihr vorgeschlagen, ausnahmsweise an einem Sonntag statt Samstag zu kommen, aber sie lehnte ab, weil: Sonntags darf sie nicht arbeiten. Sie ging auch jeden Sonntag in die Kirche Münchens (am Josephsplatz), in die viele Polen gehen. Will sagen: Sie war tiefgläubig wie die ganze Familie. [...]

Den Vergleich halte ich in dieser Form nicht für sinnvoll, einfach, weil sich die Arbeitswelt doch sehr geändert hat und in der jüngeren Vergangenheit auch ein völlig anders Zeitmanagement erlaubt, als das früher der Fall war.

Wenn es z.B. Tage dauerte die Ernte einzubringen und das aber in einer Phase passieren musste, in der dass Wetter konstant brauchbar dafür war, damit nicht Hälfte im Regen liegen bleibt und zu faulen anfängt, musste das passieren und zwar völlig unbeachtlich dessen, ob da irgendwelche Sonn- und Feiertage dazwischen lagen.

Wenn Werkzeuge gerichtet, kranke/verletzte oder neugeborene Tiere versorgt werden mussten u.ä. musste auch das erledigt werden usw.

Sofern wir von der Zeit vor dem 19 Jahrhundert reden kommen dann noch andere Faktoren ins Spiel:

Das ist ja durchaus eine Zeit, in der damit gerechnet werden musste, dass nach einem strengen Winter immer eine Missernte anstehen konnte, Krankheiten den Viehbestand dezimieren konnten etc. und dann der Bauer möglicherweise über Mittel verfügen musste, auch zu höheren Preisen ersatzweise Vieh, Saatgetreide etc. zuzukaufen, wenn es irgendwo zu bekommen war.

Zwar waren die Bauern als Selbstversorger in der Regel die Letzten, die tatsächlich von Hunger betroffen waren, allerdings konnten, wenn neben Missernten noch die üblichen Abgaben fällig wurden natürlich defizite in den bäuerlichen Betrieben entstehen, wenn durch die Abgaben dem Hof zu viel Saatgetreide entzogen wurde und keine Möglichkeit bestand die Abgänge durch Zukäufe zu ersetzen.

Will heißen: Ein Bauer der verhindern wollte durch Zusammenwirken von absehbaren, immer wieder auftretenden Ernteausfällen und Abgaben massiv wirtschaftlich unter Druck zu kommen, tat gut daran entsprechend Geld oder Tauschmittel zurück zu legen um dem begegnen zu können.

Vor allem in mageren Jahren musste das bedeuten, dass es vernünftig war in der nicht unmittelbar für die Landwirtschaft nutzbaren Zeit möglichst viel Arbeit in die bäuerlichen Nebengewerbe zu investieren um Rücklagen bilden zu können.
Natürlich setzte dass dann auch regelmäßigen Verkehr mit den lokalen Marktflecken und - Städten vorraus, was angesichts schlecht ausgebauter Wegen (vor allem, wenn größeres Gewicht transorrtiert werden musste) und damit verbundener limitierter Reichweite durchaus schonmal Tage dauern konnte (in denen auf dem Hof möglicherweise andere Arbeiten liegenblieben, die nachgeholt werden mussten).

Und dann sollte natürlich auch nicht vergessen werden, dass bis weit ins 19. Jahrhundert hinein der Großteil der in der Landwirtschaft tätigen Bevölkerung nicht aus freien Vollbauern bestand, die wirtschaften konnten, wie ihnen das gerade passte, sondern ein Großteil eben aus unfreien/hörigen/grunduntertänigen Bauern bestand, die nicht nur ihre Betriebe in Eigenwirtschaft zu bearbeiten hatten, sondern regelmäßig bei ihren Herren aufkreuzen mussten um dort die geschuldeten Hand- und Spanndienste/Scharrwerkspflichten zu verrichten und die konnten je nach konkreter Zeit und Region durchaus recht umfangreich sein (hinzu kommen noch die dabei zurückgelegten unproduktiven, aber in Summa zeitraubenden Wegstrecken).
Wenn Bauern nicht wohlhabend genug waren, Personal einzustellen, für den Gutsherren Ersatzleute zu stellen um selbst von den Hand- und Spanndiensten suspendiert zu werden oder sich durch Geldabgaben von diesen Tätigkeiten anderweitig freikaufen zu können, bedeutet das, dass weite Teile der landwirtschaftlich tätigen Bevölkerung z.T. mehrere Tage in der Woche auf den Höfen ihrer Gutsherren zu arbeiten hatte, während bei ihnen selbst die Arbeit mmindestens teilweise liegenblieb und irgendwann nachgeholt werden musste.
Diese Leute dürften wenig Zeit gehabt haben sich den Luxus zu leisten, an Sonn- und Feiertagen konsequent nicht zu arbeiten.

Hinzu kommt bevor in der Neuzeit massiv Flurbereinigung und Neueinteilung der bäuerlichen Parzellen betrieben wurde, dass es durchaus vorkam, dass die von einem Bauern bewirtschafteten Flächen teilweise verstreut lagen, was dannn auch wieder zu unproduktiven, zeitraubenden Wegstrecken führen konnte, im Besonderen dann, wenn auch noch der Flurzwang griff, und für verschiedene von einander abseits liegende Flurstücke die gleichen Feldfrüchte vorschrieb, so dass es nicht möglich war diese Problematik durch den Anbau unterschiedlicher Sorten, die nicht gleichzeitig bearbeitet werden mussten, sondern zeitversetzt beackert hätten werden können, zu entschärfen.


Die Möglichkeit auf dem Land die Zeit so einzuteilen, dass es möglich wurde an Sonn- und Feiertagen einigermaßen konsequent frei zu machen, dürfte mit der Umstellung der Arbeitsorganisation, der Rationalisierung der Parzellen und der Veränderung der Anbaumethoden etc. irgendwann im 19., frühestens am Ende des 18. Jahrhunderts entstanden sein.
Oder aber es handelte sich um sehr wohlhabende Bauern, die in diesem Fall Tagelöhner heranziehen konnten, damit die Arbeit trotzdem nicht liegen blieb, auch wenn sie selbst aus religiösen Gründen frei machten.
 
Wer hier gern die Macht der Kirche negiert oder relativiert so nach dem Motto, die anderen (Muslime) waren auch nicht besser oder die weltlichen Herrscher hätten nicht immer den Forderungen der Kirche gefolgt (also wäre das alles halb so schlimm gewesen), sollte sich das mal durchlesen.

Aus Gelber Ring – Wikipedia

Christentum
  • 12. Jahrhundert: Der konische Judenhut wird in Deutschland üblich.
  • 1215: Das Vierte Laterankonzil verlangt Unterscheidungskennzeichen für Juden und Muslime.
  • 1219: Papst Honorius III. erlässt den Juden von Kastilien eine besondere Kleidungsordnung.
  • 1222: Der Erzbischof von Canterbury, Stephen Langton, ordnet an, dass englische Juden ein weißes, später ein gelbes Band zu tragen haben.
  • 1228: König Jakob I. befiehlt den Juden von Aragon den gelben Gürtel zu tragen.
  • 1267: Das Provinzialkonzil von Wien fordert, dass Juden einen besonders geformten „gehörnten“ Hut (pileum cornutum) zu tragen hätten.
  • 1269: Ludwig IX. von Frankreich erlässt mit Bezug auf das 4. Laterankonzil eine Kleiderordnung für Juden seines Landes. Jüdische Männer mussten eine kreisförmige Scheibe, die Rouelle, auf der Brust tragen, jüdische Frauen eine besondere Haube. Die Kennzeichnung diente der Umsetzung eines Edikts von 1252, das alle Juden aus Frankreich auswies, die sich nicht zu Christen taufen ließen oder sich nicht für einen bestimmten Betrag davon freikauften. Juden, die öffentlich ohne ihre Kleidungskennzeichen angetroffen wurden, mussten ein Bußgeld von zehn Silberstücken zahlen.
  • 1274: Eduard I. von England verschärft das Dekret. Der Gelbe Fleck in Form der Gesetzestafeln des Mose muss von jedem Juden ab dem siebten Lebensjahr über dem Herzen getragen werden.
  • 1279: Im Kirchenkonzil von Buda wird das Tragen des Judenrings vorgeschrieben. Infolge des Einspruchs des ungarischen Königs wird diese Bestimmung jedoch nicht konsequent angewandt.
  • 1294: In Erfurt wird der Gelbe Fleck erstmal in Deutschland erwähnt.
  • 1321: Heinrich II. von Kastilien zwingt Juden zum Tragen des Gelben Flecks.
  • 1415: Der Gegenpapst Benedikt XIII. verhängt die Bulle von Avignon. Juden müssen einen gelben oder roten Fleck tragen, die Männer auf ihrer Brust, die Frauen auf dem Schleier.
  • 1434: Kaiser Sigismund führt auf Wunsch der Stadt und nach entsprechenden Forderungen des Basler Konzils vom selben Jahr den Gelben Fleck in Augsburg wieder ein.
  • 1528: Der Senat von Venedig erlaubt dem berühmten Arzt Jakob Mantino ben Samuel für zwei Monate, den regulären Doktorhut statt des gelben Judenhuts zu tragen. Später wurde die Frist auf Empfehlung des englischen und französischen Botschafters sowie des päpstlichen Legaten und anderer prominenter Patienten des Arztes verlängert.
  • 1555: Papst Paul IV. verfügt, dass im Kirchenstaat ansässige Juden blaue (!) Hüte tragen müssen.
  • 1566: Papst Pius V. bestätigt die Kennzeichnungspflicht für Juden durch ein gelbes Zeichen an der Außenkleidung. König Sigismund II. August unterzeichnet ein Gesetz, das den Juden Litauens gelbe Hüte und Kopfbedeckungen auferlegt. Zwanzig Jahre später wurde das Gesetz aufgehoben.
  • 1775: Papst Pius VI. ordnet im Edikt für die Juden (Paragrafen 17 und 18) mit Bezug auf den Papsterlass von 1566 eine besondere und detaillierte Kleiderordnung für Juden des Kirchenstaates an. Das Edikt wurde 1797 als Folge der Französischen Revolution aufgehoben.
PS: Ich bin zufällig auf diesen Artikel in Wikipedia gestoßen, sprich nicht danach gesucht, bin aber gleichwohl der Meinung, dass dieses Zitat in diesen Faden gehört.
 
Ja, das habe ich auch gesehen, aber nicht kommentieren wollen, weil ich dann schon gerechtigkeitshalber auch was zu den darauffolgenden Fällen sagen müsste: Von 1269 bis 1294, also innerhalb von 25 Jahren, erfolgten in Europa 4 Anordnungen; als ob man die zuvor 50 verlorene Jahre* wettmachen wollte. :D

Allerdings blieb die Kirche bei diesem Thema 5 Jahrhunderte lang, versuchte und bekräftigte die Ausgrenzung der Juden immer wieder, obwohl die nun wirklich eine verschwinden kleine Minderheit im Meer der Christen darstellten. Eigentlich erstaunlich für eine Kirche, die die Nächstenliebe predigte. Oder predigte sie die in diesem 5 Jahrhunderten nicht?

* Die 50 Jahre waren nicht wirklich verloren, denn zwischen dem Jahr 1215 (4. Laterankonzil) und dem 1269 (Erlass des Ludwig IX. von Frankreich) waren halt andere aktiv.
 
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