Hofsprache Französisch.

Lieselotte von der Pfalz schrieb ihre Briefe nach Hause an den Pfälzer Hof in Deutsch ,obwohl sie als Gattin des Bruders von Louis XIV des Französischen durchaus mächtig war.
Umgekehrt verfasste Friedrich II sein Elaborat über die deutsche Literatur in Französisch. vermutlich,weil nicht nur seine Kenntnisse der deutschen Literatur sondern auch die der deutschen Sprache eher mangelhaft waren.(vermutete zumindest tucholsky)
 
Offensichtlich war bis ins 16. Jahrhundert noch Latein die Sprache, mit der sich vielleicht noch die meisten Verständigungsmöglichkeiten ergaben, auch wenn sie nicht jeder gekonnt haben dürfte.

Französisch scheint sich erst danach als "Weltsprache" durchgesetzt zu haben.

Sprache der Diplomatie wurde Französisch erst Ende des 17. Jahrhundert, Der Westfälische Frieden wurde noch in lateinischer Sprache abgefasst, und Lateinisch schrieben auch Thomas Hobbes (Leviathan) Christian Thomasius und Carl von Linnee. Bis ins 18. Jahrhundert hatte Latein als Wissenschaftssprache immer noch eine große Bedeutung. In manchen Fakultäten mussten noch im 18. Jhd Dissertationen in Latein verfasst sein.

Dass ein Magister oder Doktor der Medizin, der Jurisprudenz, der Philosophie und der Theologie anlässlich seiner Graduierung eine kurze freie Laudatio in Latein halten konnte, galt in vielen Universitäten als selbstverständlich, wurde aber im Laufe des 19. Jhds immer mehr persifliert und parodiert. Als Ludwig XVI. das College Louis Le Grand in Paris besuchte, musste er sich eine lateinische Laudatio des Primus, eines gewissen Maximillian Robesspiere anhören. Bei vielen Autoren aus dem 18. Jahrhundert fällt auf, wie sicher die sich auf dem Gebiet der klassischen lateinischen) Literatur bewegten.

Die ganze Symbolik der Amerikanischen- und der Französischen Revolution ist unverständlich ohne Kenntnis der Klassiker der Antike.
 
Aus einem anderen Thread:

Wie weit diese Zweisprachigkeit ging, wird leider auch bei Polenz nur unzulänglich belegt. Das Bonmot Voltaires, der 1750 aus Potsdam schrieb: "Ich befinde mich hier in Frankreich. Man spricht nur unsere Sprache, das Deutsche ist nur für die Soldaten und die Pferde." dürfte satirisch überzeichnet sein bzw. allenfalls auf den äußerst frankophilen Friedrich II. zutreffen.

Es gab eine Menge deutscher Fürsten und Bildungsbürger, die sicherlich Wert auf die Fähigkeit gepflegter Konversation in französischer Sprache legten.
Allerdings halte ich es nach wie vor für übertrieben, zu unterstellen, dass es sich dabei um das Mittel der Wahl für alltagskommunikation handelte.


Johann Gottfried Herder schreibt 1797:

"Wenn sich nun, wie offenbar ist, durch diese thörichte Gallicomanie in Deutschland seit einem Jahrhunderte her ganze Stände und Volksclassen von einander getrennt haben; mit wem man Deutsch sprach, der war Domestique (nur mit denen von gleichem Stande sprach man Französisch und forderte von ihnen diesen jargon als ein Zeichen des Eintritts in die Gesellschaft von guter Erziehung, als ein Standes-, Ranges- und Ehrenzeichen); zur Dienerschaft sprach man, wie man zu Knechten und Mägden sprechen muß, ein Knecht- und Mägdedeutsch, weil man ein edleres, ein besseres Deutsch nicht verstand und über sie in dieser Denkart dachte; wenn dies ein ganzes reines Jahrhundert ungestört, mit wenigen Ausnahmen, so fortging: dürfen wir uns wol wundern, warum die deutsche Nation so nachgeblieben, so zurückgekommen und ganzen Ständen nach so leer und verächtlich worden ist, als wir sie leider nach dem Gesammturtheil andrer Nationen im Angesicht Europa's finden?"​

Wie verbreitet war die Kommunikation auf Französisch in den entsprechend gebildeten Kreisen wirklich? Man sollte annehmen, dass Menschen, die untereinander im Alltag französisch kommunizierten, dies in schriftlicher Form erst recht getan haben. Was mir an Briefwechseln bekannt ist, ist jedoch größtenteils auf Deutsch. Briefe auf Französisch scheinen mir eher eine untergeordnete Rolle zu spielen, aber ich habe da keinen Überblick. Weiß jemand mehr?
 
ich weiß nicht, wie wissenschaftlich seriös dieser Text ist, aber die Formulierung von den radebrechenden Gebildeten, die mit ein paar französischen Vokabeln angaben, hat mir sehr gefallen :)
Wenn ich mich richtig erinnere, so sind ein paar Briefe von Tschaikowski französisch geschrieben - gut möglich, dass in Russland im 19. Jh. französische Konversation in den gehobenen Kreisen verbreiteter als bei den Buddenbrooks war (der a la Mode Kavalier sowie die Konsulin Buddenbrooks scheinen nur Wert auf das einflechten von vereinzelten französischen Vokabeln zu legen - nebenbei köstlich ist der Romananfang mit seinem nebeneinander von französisch und platt)
 
[…] gut möglich, dass in Russland im 19. Jh. französische Konversation in den gehobenen Kreisen verbreiteter als bei den Buddenbrooks war […]
Bestimmt, zumindest in vielen Künstlerkreisen auch im 20. Jh. Habe zwei alte Schwestern, ehemalige Ballerinas aus Russland gekannt, die neben Russisch auch Englisch und Französisch perfekt beherrschten. Dennoch weigerten sie sich, Russisch zu sprechen, und zwar nicht aus politischen Gründen, sondern weil sie es für unfein hielten. Unter sich redeten sie ausschließlich français.

Siehe übrigens auch Tolstoi: Sophie Barwich, Lew Tolstois »Krieg und Frieden« als Spiegel der Frankophonie in Russland […], 2021 (Zusammenfassung @ Grin)
 
Aus einem anderen Thread:






Johann Gottfried Herder schreibt 1797:

"Wenn sich nun, wie offenbar ist, durch diese thörichte Gallicomanie in Deutschland seit einem Jahrhunderte her ganze Stände und Volksclassen von einander getrennt haben; mit wem man Deutsch sprach, der war Domestique (nur mit denen von gleichem Stande sprach man Französisch und forderte von ihnen diesen jargon als ein Zeichen des Eintritts in die Gesellschaft von guter Erziehung, als ein Standes-, Ranges- und Ehrenzeichen); zur Dienerschaft sprach man, wie man zu Knechten und Mägden sprechen muß, ein Knecht- und Mägdedeutsch, weil man ein edleres, ein besseres Deutsch nicht verstand und über sie in dieser Denkart dachte; wenn dies ein ganzes reines Jahrhundert ungestört, mit wenigen Ausnahmen, so fortging: dürfen wir uns wol wundern, warum die deutsche Nation so nachgeblieben, so zurückgekommen und ganzen Ständen nach so leer und verächtlich worden ist, als wir sie leider nach dem Gesammturtheil andrer Nationen im Angesicht Europa's finden?"​

Wie verbreitet war die Kommunikation auf Französisch in den entsprechend gebildeten Kreisen wirklich? Man sollte annehmen, dass Menschen, die untereinander im Alltag französisch kommunizierten, dies in schriftlicher Form erst recht getan haben. Was mir an Briefwechseln bekannt ist, ist jedoch größtenteils auf Deutsch. Briefe auf Französisch scheinen mir eher eine untergeordnete Rolle zu spielen, aber ich habe da keinen Überblick. Weiß jemand mehr?

Im 18. und frühen 19. Jahrhundert würde ich in Residenzstädten wie Kassel oder Berlin mit einer recht hohen Zahl von Hugenottenfamilien, durchaus auch schon von einer relativ hohen französischen Sprachkompetenz ausgehen. Fontane erinnert sich in Meine Kinderjahre daran, dass in der Familie bis zu dem Debakel von Jena und Auerstedt Französisch in der Familie gesprochen wurde. Sozusagen "nach dem Sturm" fanden die Fontanes, die inzwischen Preußen und Patrioten geworden waren das unpassend.

Bei einer Reihe von deutschen Intellektuellen merkt man schon an, dass sie sich sehr sicher in der französischen Sprache und Kultur bewegten. Ich würde allerdings ebenfalls ganz entschieden in Frage stellen, dass das auch auf die große Mehrheit der Offizieren, Beamten, Höflinge auch Intellektuellen zutraf. Da dürfte sich die Sprachkompetenz auf zum Teil sehr oberflächliche Kenntnisse beschränkt haben.

Ein braunschweigischer Offizier ließ einen britischen Kollegen wissen: "Le courier porte le lettre avec".
 
Wie verbreitet war die Kommunikation auf Französisch in den entsprechend gebildeten Kreisen wirklich? Man sollte annehmen, dass Menschen, die untereinander im Alltag französisch kommunizierten, dies in schriftlicher Form erst recht getan haben. Was mir an Briefwechseln bekannt ist, ist jedoch größtenteils auf Deutsch. Briefe auf Französisch scheinen mir eher eine untergeordnete Rolle zu spielen, aber ich habe da keinen Überblick.
Herder übertrieb halt ein wenig, denn auch ein Kind des Adels sprach deutsch, wenn er von einer deutschen Mutter geboren und/oder von einer deutschen Amme gesäugt und zumindest bis zu einem Alter von 6 oder 7 Jahren mit anderen Kindern zusammen in "Deutschland" aufwuchs.

Danach änderte sich die Situation, klar, denn der Adel sprach Französisch. Aber das nicht wirklich, sondern nur als Unterscheidungsmerkmal zu anderen gesellschaftlichen Schichten. Wer dazu gehören wollte, musste Französisch können, klar, aber das allein genügte nicht – Zitat aus Peter von Polenz: "Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart. Band II, 17. und 18. Jahrhundert, Seite 22f":

„Für die B i l d u n g s p o l i t i k des absolutistischen Staates war eine hochentwickelte besondere Sprachfähigkeit derjenigen Gruppen kennzeichnend, die Machtausübung praktisch realisierten oder an ihr dienend teilhatten, also Sprachbildung zum Zweck der S o z i a l d i s z i p l i n i e r u n g und der S o z i a l d i s t a n z i e r u n g gegenüber den ungebildeten und politisch einflußlosen unteren Schichten (Gessinger 1980,5).
(…)
Die Epoche des Absolutismus war in der Geschichte des mündlichen öffentlichen Sprachverhaltens die Epoche der höfischen Conversation, die damals keineswegs als „konventionelles, oberflächliches und unverbindliches Geplauder [...] nur um der Unterhaltung willen" (DGW 4, 1549) verstanden wurde, sondern als ein strenges, gesellschaftlich höchst wirksames und für Neulinge und Nichtprivilegierte gefährliches Ritual.
(…)
Im Gegensatz zur freundlich-geselligen Gesprächskultur der Renaissance wurde der Ausdruck des Denkens, Fühlens und der realen Partnerbeziehung streng vermieden und durch Raffinesse, Galanterie und Verstellungskunst ersetzt (Geitner 1991). Man lernte mißtrauisches Taktieren, hinterhältiges Aushorchen, beredtes Schweigen, ironische Geschmeidigkeit, geistreiches Lügen, aggressives Scherzen mit bon mots, die gespielte Heiterkeit des starren, vielsagenden Lächelns.
(…)
Mit weitschweifigen, prunkvollen Reden nach allen Regeln der Rhetorik, mit viel ornatus, amplificatio, exempla, copia verborum usw. machte man sich bei Hofe lächerlich. Die moderne Herrschaftseloquenz war ganz anders: lakonische Kürze, in der Sache nur andeutend, ganz auf den (streng geregelten) sozialen Beziehungsaspekt hin orientiert, nur aus der Praxis erlernbar, geistesgegenwärtig, improvisierend, opportunistisch auf spezielle Personen und Situationen bezogen, genau in den sequentiellen Rahmen des „Gesamtkunstwerks" des höfischen Zeremoniells mit „drehbuchartig durchgeplantem Ablauf" eingepaßt (Braungart 1988, 59 ff.).
(…)
Der Gegensatz zwischen traditionell-gelehrter Rhetorik und Hofberedsamkeit hing mit dem um 1700 auflebenden Konkurrenzkampf zwischen bürgerlich-gelehrten und adeligen Fürstendienern zusammen. Wie im modernen englischen Herrschaftsjargon der upper class (mit wenig Wortschatz, fragmentarischem Satzbau, undeutlicher Aussprache) scheint auch in der barocken Hofberedsamkeit die nicht akademisch kultivierte Hofsprache ein sozial distanzierendes Herrschaftsmittel des Hofadels gegen das mittels gelehrter Sprachkultur aufstrebende Bildungsbürgertum gewesen zu sein.“


Auch das gehobene Bürgertum sprach und schrieb untereinander deutsch, aber vor anderen Leuten sprach man Französisch. Sie praktizierten die Unterwürfigkeit nach oben und Distanzierung nach unten. Mitglieder einer Standesgesellschaft müssen die Standesunterschiede ständig bekräftigen und sichtbar machen. Polenz schreibt dazu - Zitat:

„Das System der Sozialdistanzierung durch Bildung funktionierte durch eine entsprechende Differenzierung der S t r a f o r d n u n g e n in der Öffentlichkeit ebenso wie in der Schule: Angehörige der Unterschichten wurden grundsätzlich mit physischer Gewalt bestraft, mit Kerker, Zwangsarbeit, Schlägen, Folter, Entblößung, körperlicher Zurschaustellung am Pranger, Adelige und privilegierte Bürger dagegen mit dem Entzug gesellschaftlicher Positionen und Bildungschancen.“
 
Herder übertrieb halt ein wenig
In welchem Kontext genau hat er das eigentlich geschrieben?

Bei Herder wäre ja möglicherweise die Biographie dahingehend zu beachten, dass er aus Ostpreußen kam und sich auch eine Zeit lang in Riga aufgehalten hatte.
Deswegen wäre da doch interessant zu wissen, ob er den Teil mit der Vernachlässigung der deutschen Sprache beim Adel auf die Verhältnisse im Heiligen Römischen Reich oder auf die Verhältnisse beim deutschsprachigen Adel in Osteuropa bezog.

Letzteres wäre durchaus dadurch erklärbar dass Deutsch im Baltikum (dazu zähle ich hier auch Ostpreußen) nicht unbedingt die wichtigste Verkehrssprache war, weil die Bediensteten auf den Adelsgütern mitunter gar keine deutschen Muttersprachler waren, so dass für Teile des deutschbaltischen Adels, was die Organisation und den Verkehr mit den Leuten vor Ort angeht, Deutsch nicht unbedingt wichtiger war, als Polnisch/Masurisch die litauischen oder lettischen Dialekte, je nachdem, wo sie sich aufhielten.
Gerade für den deutschsprachigen Adel in den russischen Ostseegouvernements, wird Französisch, wenn das Russische nicht beherrscht wurde, auch sehr wichtig für die Kommunikation mit amtlichen Stellen gewesen sein und um sich mit den Standesgenossen innerhalb des Zarenreiches verständigen zu können.

In diesem Kontext konnte es für Teile des deutschsprachigen Adels in Osteuropa durchaus Sinn machen das Französische mehr zu pflegen, als das Deutsche. Im Heiligen Römischen Reich halte ich das aber für fraglich.


„Für die B i l d u n g s p o l i t i k des absolutistischen Staates war eine hochentwickelte besondere Sprachfähigkeit derjenigen Gruppen kennzeichnend, die Machtausübung praktisch realisierten oder an ihr dienend teilhatten, also Sprachbildung zum Zweck der S o z i a l d i s z i p l i n i e r u n g und der S o z i a l d i s t a n z i e r u n g gegenüber den ungebildeten und politisch einflußlosen unteren Schichten (Gessinger 1980,5).
Nur waren weite Teile des deutschen Sprachraums im 18. Jahrhundert ja durchaus nicht unbedingt absolutistisch geprägt (man denke z.B. an die nach wie vor freien Städte, die sich erhalten hatten) und ob man da überall von einer umfassenden Bildungspolitik sprechen kann, ist dann auch noch mal die Frage.
Es gibt natürlich eine Bildungspolitik im Bezug auf die bestehenden oder neu entstehenden Universitäten, aber die ist durchaus nicht breitenwirksam. Ein Studium war ja durchaus nicht unbedingt etwas, dass zum adligen Leben dazu gehörte.
Wenn eine Karriere in der Verwaltung oder der Justiz angepeilt wurde, sicherlich in zunehmendem Maße, wenn das Intersse eher in Richtung des Militärs oder andere Bereiche ging, dürfte ein Studium eher untypisch gewesen sein

Und das Schulwesen ist im 18. Jahrhundert noch nicht raumgreifend und vor allem in weiten Teilen noch in der Hand der Kirchen, auf deren Umgang damit die Fürssten nur begrenzt Einfluss hatten (im Protstantischen Bereich sicherlich mehr, als im Katholischen).

Die Epoche des Absolutismus war in der Geschichte des mündlichen öffentlichen Sprachverhaltens die Epoche der höfischen Conversation, die damals keineswegs als „konventionelles, oberflächliches und unverbindliches Geplauder [...]
Das mag ja auf den Hochadel und die Zustände im Frankreich zutreffen, wo man mit dem bürokratischen Apparat relativ weit war.

Das war aber im Heiligen Römischen Reich in dieser Form noch nicht gegeben.
Da es hier am bürokratischen Apparat und an bürgerlichen Beamten fehlte, die diverse Aufgaben regeln konnten, musste dass aber im Reich abgesehen vielleicht von den freien Städten, noch weitgehend vom Adel betrieben werden.

Das bedeutet, öffentliche Kommunikation und öffentliches Auftreten des Adels war häufig eo ipso Interaktion mit dem Volk, was die Nutzung der französischen Sprache oder eine Kommunikationskultur, die auf eine Beschränkung auf Andeutungen hinausgelaufen wäre, überhaupt nicht zuließ.

Hinzu kommt, dass ein Großteil des Adels im Heiligen Römischen Reich, im Besonderen des Niederadels im 18. Jahrhundert natürlich noch weitgehend landsässig ist. Wodurch sich so viel Gelegenheit zum Verkehr mit Standesgenossen, außer viellecht mit den direkten Gutsnachbarn überhaupt nicht ergab.

Schon daraus müsste sich eigentlich ergeben, dass jedenfalls in Großteil des Adels und im Besonderen der Niederadel (sofern man die französischsprachigen Teile des Reiches ausklammert) den größten Teil der Zeit über in den entssprechenden deutschen Dialekten kommuniziert haben wird.
Weil er noch in weiten Teilen landsässig war und weil er zum Teil öffentliche Aufgaben zu übernehen hatte, wie z.B. in Ostelbien die Rechtssprechung im Rahmen der Patrimonialgerichtbarkeit, die die Verwendung der deutschen Sprache bei öffentlichen oder halb öffentlichen Auftritten schlicht erforderte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich hab mal ein wenig in den Briefwechsel Johann Christoph Gottscheds und seiner Frau Luise Adelgunde Victorie reingeschnuppert; die Edition ist in Arbeit, sie umfasst ca. 5800 Schreiben:

Als Stichprobe habe ich Band 9 (November 1742–Februar 1744) durchgesehen. Wenn ich nichts übersehen habe, sind von 210 Briefen 11 auf Französisch, 2 auf Latein, der Rest auf Deutsch. Fünf der französischen Briefe stammen von Berliner Hugenotten, einer von einem wohl polnischen Muttersprachler. Aber auch der bekannte Hamburger Musiktheoretiker Johann Mattheson schreibt auf Französisch.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn man bedenkt, was ein heutiger Gymnasiast alles lernen muss, wovon man im 18. Jahrhundert noch keine Ahnung hatte (bzw. gerade anfing, sie zu verstehen), dann erscheint es nicht unplausibel, dass Sprachen ein viel größeres Gewicht in der höheren Bildung hatten als heute.

Man hatte die französische Zofe, den französischen Offizier, den hugenottischen Lehrer, man lernte die Sprache im Einzelunterricht oder Kleingruppen. Und man konnte die Sprache im eigenen Alltag verwenden. Sie war, zumindest an den Höfen keine "Fremd"sprache.

Und wenn man als Bürgerlicher nicht täglich damit in Berührung kam, zum radebrechenden Verständlichmachen reichte es wohl aus
 
Für mich ist das, was Polenz schrieb und ich davon teilweise in #5 zitiert habe, eine zufriedenstellende Antwort auf Ausgangsfrage des Fadens – hier meine Zusammenfassung:

Fürstentümer gehörten dem Hochadel. Sie wurden vom niedrigeren Adel und Bildungsbürgern verwaltet, die allesamt Französisch können mussten. Wichtig, wenn nicht sogar wichtiger, waren die Umgangsformen auf den Fürstenhöfen, die erst durch Praxis erlernt werden mussten. Sprache und Umgangsformen dienten demnach in erster Linie der Sozialdistanzierung. In Briefen der Verwalter untereinander – und auch zu jenen in anderen Höfen – kam es aber auf Verständnis an, deshalb schrieb man Deutsch. Auch zu den Dienstboten, Arbeitern und Bauern sprach man deutsch, dann auch da kam es auf Verständnis an. Das ist eigentlich alles, was es aus meiner Sicht zu diesem Thema zu sagen gibt.
 
ich habe heute drei Thread zusammengelegt:
1.) Der Friede von Rastatt und Französisch als Sprache der Diplomatie
2.) Hofsprache Französisch
3.) den jüngst von Sepiola ausgegliederten.
Bitte nicht verwirren lassen, wenn ich in der dritten Person vom "Threadstarter" spreche, damit ist @themaster gemeint, der 2015 den Thread Hofsprache Französisch gestartet hat, nicht ich, der ich 2013 den Thread Friede von Rastatt... gestartet habe.
 
Fürstentümer gehörten dem Hochadel. Sie wurden vom niedrigeren Adel und Bildungsbürgern verwaltet, die allesamt Französisch können mussten.
In Briefen der Verwalter untereinander – und auch zu jenen in anderen Höfen – kam es aber auf Verständnis an, deshalb schrieb man Deutsch.

Finde den Fehler.


Wenn umfassende Kenntnisse des Französischen Zugangsvorraussetzung waren um in die Administration eintreten zu können, stellte sich die Frage der Verständlichkeit beim internen Schriftverkehr oder beim diplomatischen Verkehr mit den anderen Fürstentümern oder etwaig deren Verwaltung z.B. in lokalen Streitfragen, im Hinblick auf die frannzösische Sprache, nicht.

Wenn hier auf deutsch kommuniziert wurde, dann nicht um Verständlichkeit zu sichern (darauf legte man, als man die Verwaltung und den diplomatischen Auslandsverkehr noch auf Latein regelte übrigens auch keinen gesonderten Wert, sondern davon ging man aus), sondern eher deswegen, weil das Kommuniktation war, die nie für eine größere Öffentlichkeit bestimmt war, womit es keinen Sinn ergab irgendwelches Briborium zur Selbstinszenierung zu betreiben.

Mit den eigenen Sprachfähigkeiten, Manieren, Mode etc. zu protzen macht halt funktional keinen Sinn, wenn niemand zusieht, dem man damit imponieren könnte.
 
Auch das gehobene Bürgertum sprach und schrieb untereinander deutsch, aber vor anderen Leuten sprach man Französisch.


Mit den eigenen Sprachfähigkeiten, Manieren, Mode etc. zu protzen macht halt funktional keinen Sinn, wenn niemand zusieht, dem man damit imponieren könnte.


Das erklärt nicht, warum der Hamburger Musiktheoretiker Johann Mattheson einen Brief an Gottsched auf Französisch schreibt. Warum der Leipziger Jurist Christian Wolff einen Empfehlungsbrief für einen Studenten auf Französisch verfasst. Warum Graf Ernst Christoph von Manteuffel und seine Tochter Charlotte Sophie Albertine ihre Briefe an die Gottscheds grundsätzlich auf Französisch schreiben. Vor welchen Zuschauern hätte man da protzen wollen?
 
Man wollte Dritten beweisen, das man Französisch sprach? Die Sprache als Statussymbol?
 
Das erklärt nicht, warum der Hamburger Musiktheoretiker Johann Mattheson einen Brief an Gottsched auf Französisch schreibt. Warum der Leipziger Jurist Christian Wolff einen Empfehlungsbrief für einen Studenten auf Französisch verfasst. Warum Graf Ernst Christoph von Manteuffel und seine Tochter Charlotte Sophie Albertine ihre Briefe an die Gottscheds grundsätzlich auf Französisch schreiben. Vor welchen Zuschauern hätte man da protzen wollen?
Nein, erklärt es nicht, aber ich habe auch nie behauptet, dass die Kommunikation und das Vertreten von Statusbewusstsein nach außen hin (dass aber nur Sinn macht, wenn eine Gruppe anwesend ist, von der man sich entweder abgrenzen oder zu der man Zugehörigkeit symmbolisieren möchte zugegen ist), der einzige denkbare Grund für die Nutzung des Französischen gewesen wäre.

Ich kenne natürlich die Personen, ihre Lebenssituationen und ihre Gewohnheiten nicht.
Der eine oder andere wird das möglicherweise tatsächlich aus Gewohnheit getan haben, aber das würde ich eher für Ausnahmen halten.

Hin und wieder Französisch in Briefen zu verwenden, konnte aber natürlich z.B. auch ein Mittel gegen allzu neugierige Bedienstete und Zwischenträger sein, die möglicherweise durchaus lesen konnten, aber eben Französisch nicht beherrschten, sollte der Inhalt sensiblerer Natur gewesen sein.

Es dürften, wenn es um die Erklärung einzelner Fälle geht sicherlich verschiedene Ansätze infrage kommen.

Die Sprache als Statussymbol?
Nicht nur als Statussymbol, auch als Grundqualifikation für höhere Aufgaben, würde ich meinen.
Gerade wenn, worauf Dion zum Teil ja abstellt von Hofgesellschaft und Hofzeremoniell die Rede ist, dann geht es natürlich auch immer irgendwo um das Ergattern von Positionen.
Und in diesem Sinne war der Auftritt bei Hofe natürlich nicht nur eine reine Prestige-Frage, sondern immer auch Bewerbung im funktionalen Sinne.

Aber das ergibt natürlich nur dann Sinn, wenn es auch jemand wahrnimmt.
Genau wie soziale Abgrenzung auch. Warum die ganze Zeit darauf hinweisen, zu welcher Gruppe man sich zählt, wenn man sich ohnehin in geschlossener Geselslchaft der nämlichen Gruppe befindet und das also ohnehin in keiner Weise im Zweifel steht?
 
Anzumerken wäre der Nutzen des Französischen bei deutschen Handwerkern, insbesondere wenn sie für Herrschaften tätig sein wollten. Nachdem zuvor (auch) der deutsche Kunsthandwerker nach Rom schielte, verlagerte sich der Fokus spätestens um 1700 auf Paris. Die Ausbildung wurde gerne dort vervollständigt, entweder aus Eigeninitiative oder auf herrschaftliches Geheiß.

Verbreitet war in vornehmen Häusern (auch abseits der Höfe) das französische Kindermädchen, wie dies Johann Heinrich Zedlers Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste aus 1735 unter »Französin« schildert (Bd. 9, 1735, Sp. 1752; @ zedler-lexikon.de):
Frantzöſin, iſt eine aus Frantzöſiſcher Nation und Geburt entſproſſene weibliche Perſon, ſo die Mütter in vornehmen Häuſern ihren Töchtern zur Erlernung der Frantzöſiſchen Sprache und andern weiblichen Wiſſenschafften vorſetzen, und in ihren Häuſern erhalten.

Ein weiterer Nutzen der Beherrschung von Französisch war das Verständnis der vielen entlehnten Fremdwörter, ähnlich z.B. dem Latein für den heutigen Arzt, was ihm die Anwendung der Fachausdrücke wesentlich erleichtert.
 
Eine Stimme aus Bayern:

Die gemeinste ausländische Sprache ist die französische, welche fast jedermann spricht (und derer man sich sogar in Aufschriften auf Briefen, wenn sie auch nicht ausser Land gehen, gewöhnlich bedient) und dann die italienische. Man lernt beyde regelmäßig und befleißt sich auf Ausdruck und Accent, oft, (besonders bey Vornehmern) ohne seine Muttersprache gut sprechen, oder schreiben zu können. Das Englische fängt an, Mode zu werden.
Beschreibung der Haupt- und Residenzstadt München, Elfter Abschnitt, Vom Ueblichen in Sprachen, Seite 319 ff, Lorenz von Westenrieder, 1783

Es giebt welche, die ohne die deutsche, ihre Muttersprache, im geringsten regelmäßig sprechen, noch weniger schreiben zu können, immer französisch sprechen. (Seite 247)

Er schrieb allerdings oft gegen die Verwendung des Französischen und sah dies als unaufgeklärtes Verhalten, so dass man den Eindruck bekommt, er übertrieb vielleicht.
 
Er schrieb allerdings oft gegen die Verwendung des Französischen und sah dies als unaufgeklärtes Verhalten, so dass man den Eindruck bekommt, er übertrieb vielleicht.
Ja, so sehe ich das auch.

Darüberhinaus empfehle ich die Zitate in meinem Posting #27 und die Zusammenfassung in #31 noch einmal zu lesen.
 
Darüberhinaus empfehle ich die Zitate in meinem Posting #27 und die Zusammenfassung in #31 noch einmal zu lesen.

Ich hatte mich ja schon gewundert, was die Zitate hier in diesem Thread eigentlich sollen, aber wenn Du ausdrücklich empfiehlst, Deine Beiträge noch einmal zu lesen, will ich auch darauf eingehen:

In Beitrag 27 hast Du die falsche Behauptung aufgestellt: "der Adel sprach Französisch. Aber das nicht wirklich, sondern nur als Unterscheidungsmerkmal zu anderen gesellschaftlichen Schichten."

Dazu hast Du längere Passagen aus Polenz zitiert, die sich gar nicht auf das Französische beziehen und zur Frage, die ich im ursprünglichen Thread gestellt hatte, nichts beitragen.

In Beitrag 31 gibst Du dann noch einmal unmissverständlich zu Protokoll, dass Du noch nicht einmal verstanden hast, worum es in dem von Dir in Ausschnitten kopierten Polenz-Text geht:

Für mich ist das, was Polenz schrieb und ich davon teilweise in #5 zitiert habe, eine zufriedenstellende Antwort auf Ausgangsfrage des Fadens – hier meine Zusammenfassung:

Da der Faden inzwischen mit einem anderen zusammengelegt wurde, hier noch einmal die Ausgangsfrage in komprimierter Form:

Wie weit diese Zweisprachigkeit ging, wird leider auch bei Polenz nur unzulänglich belegt
Wie verbreitet war die Kommunikation auf Französisch in den entsprechend gebildeten Kreisen wirklich?


Auf das Thema der Zweisprachigeit kommt Polenz (Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart Band II) auf Seite 70 zu sprechen, und da schreibt er:

"In der neueren Forschungsliteratur und in Handbüchern ist es umstritten, ob und in welcher Weise es in Deutschland im 17./18. Jh. überhaupt eine wirkliche Zweisprachigkeit Deutsch/Französisch gegeben habe."

Ich meine, es lohnt sich schon, da näher hinzusehen. Das Problem ist, dass wir über die schriftliche Kommunikation sehr gut informiert sind (so wie ich es ansatzweise mit der Stichprobe aus Gottscheds Briefwechsel getan habe, befasst Polenz sich exemplarisch mit den Briefen und amtlichen Schriften des Karl Frhr. vom Stein), wir aber nur über sehr wenige Informationen verfügen, wie es mit der mündlichen Sprachkompetenz der Schreiber aussah. Das Beispiel Christian Wolffs, der 1740 eine Berufung an die Berliner Akademie wegen seiner angeblich mangelnden mündlichen französischen Sprachkompetenz ablehnte, ist da vielleicht weniger instruktiv, als es scheinen mag. Wolff war ganz und gar nicht mit den Plänen Friedrichs II. bezüglich dieser Akademie einverstanden, und ihm war offenbar jede Ausrede recht, um die Berufung abzulehnen ("mit zum Teil recht grotesk anmutenden Argumenten"):
 
Zurück
Oben