Bevölkerungsanteil in den ehemaligen Ostgebieten

Bei Volkszählungen muss man vorsichtig sein, was Angaben anbelangt. Oft gibt man lieber das an, was sozial erwünscht ist oder was man für sozial erwünscht hält. Bzw. verschweigt, was sozial unerwünscht ist bzw. was man für sozial unerwünscht hält.
In Perú z.B. geben Indios oft nicht an, Indios zu sein, weil Indio lange als 'dumm' galten. Zu sagen, man sei Indio ist also, zu zugeben, dass man dumm sei. Solche diskriminierenden Zuschreibungen führen dazu, dass Leute sich ihrer Herkunft schämen und falsche Angaben machen.
 
Bei Volkszählungen muss man vorsichtig sein, was Angaben anbelangt. Oft gibt man lieber das an, was sozial erwünscht ist oder was man für sozial erwünscht hält. Bzw. verschweigt, was sozial unerwünscht ist bzw. was man für sozial unerwünscht hält.
In Perú z.B. geben Indios oft nicht an, Indios zu sein, weil Indio lange als 'dumm' galten. Zu sagen, man sei Indio ist also, zu zugeben, dass man dumm sei. Solche diskriminierenden Zuschreibungen führen dazu, dass Leute sich ihrer Herkunft schämen und falsche Angaben machen.

Wobei ich allerdings die Gemengelage in den Ostgebieten etwas anders einschätzen würde.
Durch die zunehmend diskriminierende Politik des preußischen Staates, der polnischen Sprache und dem Katholizismus gegenüber und durch die Intensivierung der Wirkmächtigkeit der polnischen Nationalbewegung und die zunehmende nationalistische Lagerbildung, dürfte es den Bewohnern einfach ein Bedürfnis gewesen sein sich zu einem der beiden Lager zu bekennen, um nicht zwischen beiden isoliert zu werden.

Das Mehrsprachigkeit als von behördlicher/obrigkeitlicher Seite sozial irgendwie unerwünscht betrachtet worden oder insgesamt negativ belegt gewesen wäre, kann ich eher nicht vorstellen.
Die Sprachenpolitik lief ja auf eine gezielte Bilingualisierung der polnischsprachigen Bevölkerung hinaus und insgesamt gesehen, stellt die Fähigkeit sich mehrerer verschidener Sprachen zu bedienen ja eigentlich eher eine Qualifikation und den Nachweis eines gewissen Bildungsstandes dar.
 
Wer es genau wissen will:

Sprachliche Minderheiten im preussischen Staat 1815-1914: die preussische Sprachenstatistik in Bearbeitung und Kommentar
Band 3 von Bonn Aktuell; 67: Bonner Texte
Band 3 von Quellen zur Geschichte und Landeskunde Ostmitteleuropas
Autor/inLeszek Belzyt
VerlagHerder-Institut, 1998
ISBN387969267X, 9783879692675
Länge508 Seiten

Und aus wikicommons:
 

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Wer es genau wissen will:
Sollte mit dieser Karte etwas vorsichtig sein, die hat nämlich die Marotte der damaligen Deutschen Behörden übernommen "masurisch" als von der polnischen Sprache eigenständiges Konstrukt zu definieren, mit der Folge, dass der Anteil der Sprecher des Polnischen im südlichen Ostpreußen als verschwindend gering dargestellt wird.

Das allerdings, ist historisch alles andere als akkurat.
 
Ich habe in dem Zusammenhang auch eine historische Sprachkarte des Deutschen Reiches gesehen (müßten so gegen Ende des 19. Jh. entstanden sein). Dort sind sämtliche Sprachen aufgeführt, so dass eine Unterscheidung zwischen Polnisch und Masurisch bzw. Kaschubisch nicht problematisch wäre (sofern in dieser Karte überhaupt unterschieden werden würde). Da gleich unterwegs, habe ich keine Zeit zu suchen, aber vielleicht weiß jemand anderes, welche Karte ich meine. Ich glaube, die war auch in der Wiki enthalten.
 
Hier noch die Ergebnisse sprachlicher Minderheiten der Volkszählung von 1900 auf Kreisebene. Masurisch und auch Wallonisch werden als eigene Sprachen aufgeführt.
 
Ich habe in dem Zusammenhang auch eine historische Sprachkarte des Deutschen Reiches gesehen (müßten so gegen Ende des 19. Jh. entstanden sein). Dort sind sämtliche Sprachen aufgeführt, so dass eine Unterscheidung zwischen Polnisch und Masurisch bzw. Kaschubisch nicht problematisch wäre (sofern in dieser Karte überhaupt unterschieden werden würde). Da gleich unterwegs, habe ich keine Zeit zu suchen, aber vielleicht weiß jemand anderes, welche Karte ich meine. Ich glaube, die war auch in der Wiki enthalten.
Ich hatte das deswegen angesprochen, weil die preußischen Behörden zum Teil bei den landesweiten Volkszählungen auch vor dem politischen Rahmen arbeiteten, dass die Regierung gleichzeitig versuchte die polnische Nationalbewegung möglichst klein zu halten, so dass man teilweise dazu übetging politisch motiviert "Masurisch" als eine eigene Sprache zu definieren, was linguistisch wohl durhcaus fragwürdigist, um den Anteil der Sprecher des Polnischen in diesen Gegenden künstlich herunter zu rechnen.

Das muss man natürlich vor dem Hntergrund sehen, dass es damals weder eine deutsche, noch eine polnische Staatsangehörigkeit im heutigen Sinne gab, und Nationalität dabei weitgehend über Muttersprache/Primärsprache und teilweise Konfession definiert wurde.

Das führte natürlich dazu, dass man den Anteil der "Polen" im Sinne von polnischsprechenden Personen, in den offiziellen Statistiken herunterrechnen konnte, in dem man die sprecher des masurischen Polnisch aus der Statistik herausrechnete.
Auf die Weise ließen sich Forderungen von seiten der polnischen Nationalbewegung im Bezug auf diese Region dann relativ einfach als abseitige Minderheitenmeinungen abqualifizieren.

Dadurch, das die karte oben nur Sprecher des Polnischen Zeigt, wie die preußischen Behörden "polnisch" eben definierten, ergibt sich auf den ersten Blick auf diese Karte eben der Eindruck, im Südwesten der Danziger Bucht und in Masuren sei gemäß dem niedrigen ausgewiesenen Anteil an Sprechern des Polnischen Deutsch die dominierende Sprache gewesen.

Das ginge weit an den tatsächlichen Verhältnissen vorbei, allerdings war es durchaus im Sinne der preußischen Behörden diesen Eindruck zu erzeugen, der dann später auch im Hinblick auf die Gebietsabtretungen im Zuge des Versailler Friedensvertrags dazu beigetragen haben dürfte, entsprechende Empörung in der Bevölkerung anzufachen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Kurzer Einwurf:
Woher kamen die Masuren denn genau?
Ich meine ich habe mal gelesen, dass diese ins südliche Ostpreußen gezogene, bzw. angeworbene protestantische Masowier sind.
Wäre dies zutreffend?
 
Sollte mit dieser Karte etwas vorsichtig sein, die hat nämlich die Marotte der damaligen Deutschen Behörden übernommen "masurisch" als von der polnischen Sprache eigenständiges Konstrukt zu definieren

Da sich die Masuren selbst größtenteils nicht als Polen definierten, war es keineswegs eine "Marotte der damaligen deutschen Behörden".
 
Das muss man natürlich vor dem Hntergrund sehen, dass es damals weder eine deutsche, noch eine polnische Staatsangehörigkeit im heutigen Sinne gab, und Nationalität dabei weitgehend über Muttersprache/Primärsprache und teilweise Konfession definiert wurde.

Hier muß ich kurz widersprechen: Staatsangehörigkeit/Nationalität gab es im Deutschen Reich natürlich. Das war zunächst einmal die Staatsangehörigkeit der jeweiligen Bundesstaaten. Die deutsche Staatsangehörigkeit war im Regelfall mittelbar (über die Staatsangehörigkeit eines der Bundesstaaten). Jemand, der z. B. die preußische Staatsbürgerschaft hattte, war damit auch deutscher Staatsbürger. Das kann man mit der heutigen Unionsbürgerschaft der EU vergleichen, die auch über die Staatsbürgerschaft eines der EU-Mitgliedsstaaten sich ableitet. Eine unmittelbare Staatsbürgerschaft in Deutschland wurde erst 1934 geschaffen.

s. Deutsche Staatsangehörigkeit – Wikipedia

In den offiziellen statistischen Werken wurde die sprachliche Identität festgehalten, die man dann mit einer Volkszugehörigkeit gleichsetzen könnte. Problematisch wurde es erst, als nach dem 1. Weltkrieg und dem Wiederentstehen des polnischen Staates in seinen ethnischen Grenzen die Frage aufkam, ob auch alle Polen (der Sprache nach) auch Polen der Nationalität werden wollten. Und damit waren auch Gebietsabtretungen an den neuen polnischen Staat verbunden.
 
Da sich die Masuren selbst größtenteils nicht als Polen definierten, war es keineswegs eine "Marotte der damaligen deutschen Behörden".
Das habe ich auch nicht bhauptet, sondern oben sogar untermauert.

Ich hab nicht behauptet, die preußsichen Behörden hätten die masurische Selbstidentität erfunden, sondern darauf hingewiesen, dass sie dazu tendieren den masurischen Dialekt nicht als Polnisch zu betrechten und damit den Anteil der Sprecher des Polnischen im südlichen Ostpreußen niedriger anzusetzen, als er eigentlich war.
 
Hier muß ich kurz widersprechen: Staatsangehörigkeit/Nationalität gab es im Deutschen Reich natürlich.
Nein. Es gab die Staatsangehörigkeit in den Einzelstaaten, aus denen sich der Status als "Reichsangehöriger" ergab.

Das Heißt man konnte preußischer Stsstsbürger sein, aber es gab eben keine deutsche Staatsbürgerschaft in diesem Sinne, die sich als Unterscheidungskriterium in nationalen Abgrenzungsfragen nutzen ließ.

Ein preußischer Staatsangehöriger polnischer Nationalität, polnische Sprache, katholischer Religion etc. war natürlich genau so ein Reichsangehöriger, wie jemand der irgendwo in Bayern beheimatet war oder ähnliches.

Aber mit dieser Konstruktion ließen sich natürlich die nationalen und ethnischen Abgrenzungsfragen, die im Diskurs der Zeit aber ihre Bedeutung hatten nicht fassen.

Die waren in diesem Sinne nur über sprachliche und andere Merkmale greifbar.
 
Das habe ich auch nicht bhauptet

Du hast folgendes formuliert:
Sollte mit dieser Karte etwas vorsichtig sein, die hat nämlich die Marotte der damaligen Deutschen Behörden übernommen "masurisch" als von der polnischen Sprache eigenständiges Konstrukt zu definieren
Dem widerspreche ich in zweierlei Hinsicht:
1. handelt es sich um keine "Marotte"
2. handelt es sich schon gar nicht um eine Marotte der deutschen Behörden
 
Auf Reddit finden sich auch die Karten mit der Verteilung der deutschen Sprache sowie ein allgemeiner Überblick über die Sprachen an und für sich.
 

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Zum Unterschied zwischen Masuren/Masowiern und Polen. Masurisch mag "nur" ein polnischer Dialekt gewesen sein, die Masuren selbst definierten sich aber eben nicht als Polen.

Die Einen überwiegend evangelisch, die Anderen definierten sich quasi über den Katholizismus. Die Masuren gehörten "schon immer" zum Herzogtum Preußen, die Polen kamen erst nach den Teilungen zum Königreich Preußen. 1945 flohen die allermeisten Masuren gen Westen oder wurden von den Polen vertrieben. Als Spätaussiedler kamen dann fast alle verbliebenen Masuren nach Deutschland.

Zur Sprachregelung der Volkszählungen im Kaiserreich.

Es ist nicht selbstverständlich gewesen, dass ein Staat Minderheiten bzw. deren Sprachen erfasst hat. Ich glaube auch nicht, dass irgendein Druck ausgeübt wurde, die eigene Muttersprache in den Volkszählungen zu verleugnen. Der Gebrauch der eigenen Sprache war ja auch nicht generell verboten, sondern "nur" im amtlichen Gebrauch inkl. Schulen.

Damit unterschied sich das DR aber nicht von anderen Staaten, die ebenfalls restriktive Sprachenpolitik betrieben. Großbritannien in Irland und Wales, Frankreich in der Bretagne und auf Korsika, Schweden bei den Samen und Finnen. Die große Ausnahme war da Österreich-Ungarn und, in Teilen, dass Russische Reich.

Und nach dem 1.WK die Unterdrückung des Deutschen in den abgetretenen Gebieten, Reichslande, Eupen-Malmedy, CSR, Polen, Baltikum, Südtirol, Jugoslawien.
 
Das habe ich noch auf Wikipedia gefunden:

In den Ostgebieten des Deutschen Reiches lebten 1939 etwa 9.620.800 Menschen (davon 45.600 ohne deutsche Staatsangehörigkeit). Von diesen entfielen auf

  • Ostpreußen: 2.488.100 Einwohner (davon 15.100 ohne deutsche Staatsangehörigkeit),
  • Schlesien: 4.592.700 Einwohner (davon 16.200 ohne deutsche Staatsangehörigkeit; Zahlen der Bevölkerung Zittaus enthalten),
  • Pommern: 1.895.200 Einwohner (davon 11.500 ohne deutsche Staatsangehörigkeit),
  • Ost-Brandenburg: 644.800 Einwohner (davon 2.800 ohne deutsche Staatsangehörigkeit).
Aber hier wird wohl das Schlagwort "Staatsangehörigkeit" sein.
Alle 4 Gebiete waren Teil des Deutschen Reiches und somit auch alle Bewohner (automatisch?) deutsche Staatsangehörige, oder?
Weil wenn man davon ausgeht dass diese wenigen ohne deutsche Staatsangehörigkeit alles Polen, bzw Polnischsprachige waren und die vielen mit deutscher Staatsangehörigkeit alles Deutsche, bzw Deutschsprachige, dann wären das schon arg wenig Polen/Polnischsprachige und das wiederum deckt sich nicht mit den Erkenntnissen bisher in diesem Thread.
Erklärung wäre dann doch, dass die allermeisten Polen/Polnischsprachigen auch die deutsche Staatsangehörigkeit besaßen und einige wenige nicht.
Kann hier jemand helfen?
 
Alle 4 Gebiete waren Teil des Deutschen Reiches und somit auch alle Bewohner (automatisch?) deutsche Staatsangehörige, oder?
Nein, 1939 sah das anders aus.

Die Konstruktion, dass es keine direkte Deutsche Staatsangehörigkeit, sondern nur die Staatsbürgerschaft der Einzelstaaten gab, aus der sich die Reichsangehörigkeit ergab, war ein spezifisches Modell des Kaiserreiches, und der Weimarer Republik.

Als die Nazis an die Macht kamen, wurden die Einzelstaaten zerschlagen und die föderalen Elemente des deutschen Staates beseitigt ("Gleichschaltung").
In diesem Zuge, wurde auch das Konzept "Staatsangehörigkeit" reformiert.


Die Nazis definierten die deutsche Staatsbürgerschaft nach ihren eigenen (rassistischen) Kriterien.


Aber das geht etwas an der Thematik vorbei.


Der Punkt ist, dass es um den ersten Weltkrieg und vor allem auch im Zuge der Debatte um die Gebietsabtretungen durch den Versailler Friedensvertrag, und die Vorstellung des "Selbstbestimmungsrechts der Völker" etc. eine gewisse Relevanz bekam zu belegen, welche Bevölkerungsanteile in den betreffenden Gebieten eigentlich als "deutsch" und welche als "polnisch" aufzufassen waren.
Bei anderen politischen Themen war das bereits vor dem 1. Weltkrieg in geringerem Maß gegeben.

Formalrechtlich gesehen, hatten die Einwohner dieser Gebiete im Kaiserreich alle die preußische Staatsbürgerschaft, nur passte das Konzept des multinationalen Preußen und die Konstruktion einer preußischen Staatsbürgeschaft, unbeachtlich der Nationalität bzw. ethnischen Zugehörigkeit ihrer Träger nicht in der Konzept der europäischen Nachkriegsordnung nach dem 1. Weltkrieg.

Diese sah gemäß den Forderungen der Entente- und Assoziierten Mächte ein eigenständiges Polen unter Einschluss aller eindeutig polnischen Gebiete vor, gleichzeitig den verbleib der eindeutig deutschen Territorien bei Deutschland.
Nur welche Gebiete waren dass und was definierte das "Polnische" oder das Deutsche? Hier wurde es dann knifflig.

Das Konzept "Staatsbürgeschaft" half nicht weiter, weil es weder eine deutsche, noch eine polnische Staatsbürgerschaft gab, sondern eben nur die Preußische, die die für die Nachkriegsordnung erwünschte Abgrenzung zwischen "deutsch" und "polnisch" aber nicht leisten konnte.

In geringerem Maßge gab es das Problem auch bereits vor dem 1. Weltkrieg. Stichwort "Ansiedlungskommission", Germanisierungspolitik, Argumentationen der polnischen Interessenvertreter im Reichstag und so weiter.


Das bedeutet, dass es bei statistischen Erhebungen, bei denen dann am Ende zusammengefasst wurde, wie viele "Deutsche" oder "Polen" in einem Gebiet lebten, Interpretationsmöglichkeiten gab.

Man konnte statistisch zur Maßgabe machen, ob sich die Personen, wenn man sie befragte selbst als "Deutsche" oder "Polen" identifizierten, gleich welche Sprache sie sprachen, man konnte sie unabhängig ihrer Selbstdefinition an Hand ihrer Sprachlichkeit einer dieser Gruppen zuordnen und oder nach anderen Modellen verfahren oder Kriterien mischen, und je nachdem, welche Kritieren angelegt wurden, ließen sich verschiedene Ergebnisse erzielen.


Z.B. konnten Vertreter der polnischen Nationalbwegung, die einen eigenständigen und möglichst großen polnischen Staat wünschten, sich darauf kaprizieren, als Definition dafür, wer alles "Pole/Polin" sei, vollständig auf die Sprachlichkeit unabhängig von der Selbstdefinition abstellen, was es ermöglichte einen Anspruch eines polnischen Staates auch auf Masuren zu konstruieren, mit dem Argument, dass die Bewohner der Sprache nach eindeutig mehrheitlich polnisch seien.

Personen, Funktionsträger und Parteien/Institutionen, die ein Interesse daran hatten solchen Ansprüchen entgegenzutreten konnten dann zu zwei verschiedenen Strategien greifen um solche Ansprüche abzuwehren:

1. Sie konnten die Gültigkeit einer solchen Definition anfechten und etwa im Bezug auf Masuren damit argumentieren, dass sich die Bevölkerung zum Großteil nicht als "polnisch" betrachtete.

2. Sie konnten die Argumentation dadurch angreifen zu bezweifeln, dass das Masurische überhaupt eine Form des Polnischen sei, denn wenn Masurisch eine eigene Sprache darstellte, hebelte das die Argumentation mit der polnischen Sprache an anderer Stelle aus.

Beide Abwehrstraegien sind im Fall Masurens duchaus bemüht worden, so dass in den Statistiken zum Teil die Sprecher des Masurischen aus der Gruppe der polnischsprachigen Personen und damit auch der Polen (wenn die Statistiken die Definition polnischsprachige Person = Pole zu Grunde legten) herausgerechnet wurden.


Diese Gemengelage sorgt dafür, dass zeitgenössische Angaben die so und so viel % Polen oder Sprecher des Polnischen für die genannten Gebiete ausweisen durchaus mit Vorsicht zu genießen sind und dass da zu hinterfragen ist, welche Definition von polnischer Nationalität oder Sprache dem eigentlich zu Grunde liegt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Alle 4 Gebiete waren Teil des Deutschen Reiches und somit auch alle Bewohner (automatisch?) deutsche Staatsangehörige, oder?
Das wird für Leute gelten, die dort historisch gewohnt haben, also etwa für die traditionelle polnische Minderheit in Preußen, die eben Preußen und dadurch mittelbar auch Reichsangehörige waren, nicht aber unbedingt für Leute, die irgendwann aus dem Ausland zugezogen sind.

Auch heute hat ja nicht jeder, der in den Grenzen Deutschlands wohnt, die deutsche Staatsbürgerschaft.

Ein prominentes Beispiel aus der Weimarer Republik ist ein gewisser Adolf Hitler, der seit Ende des Ersten Weltkriegs in Deutschland wohnte, aber bis 1925 Österreicher und danach für mehrere Jahre staatenlos war.

Es gab dann mit Unterstützung seiner Partei mehrere Versuche, Hitler einzubürgern, die aber erst im März 1932 gelang, gerade noch rechtzeitig zur Reichspräsidentenwahl, als Hitler Regierungsrat im Freistaat Braunschweig wurde und dadurch automatisch Braunschweiger Landesangehöriger und mittelbar auch Reichsangehöriger wurde. Er ließ sich dann natürlich sofort beurlauben.

 
Nein. Es gab die Staatsangehörigkeit in den Einzelstaaten, aus denen sich der Status als "Reichsangehöriger" ergab.

Ja, aber folgende Einschränkungen:

bis 1870 gab es keine deutsche Staatsangehörigkeit, sondern nur die der einzelnen deutschen Staaten. Das änderte sich 1870 zunächst für den Norddeutschen Bund, ab 1871 galt das folgende Gesetz für das gesamte Deutsche Reich:

Gesetz über den Erwerb und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit.

Vom 1. Juni 1870.​

§ 1 Abs. 1 Die Bundesangehörigkeit wird durch die Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaate erworben und erlischt mit deren Verlust.


Der Begriff Reichsangehöriger tauch nicht auf, sondern Bundesangehörigkeit ist der Text des Gesetzes. De facto ist das natürlich eine deutsche Staatsangehörigkeit, die von der Staatsangehörigkeit der Bundesstaaten abhängt. Man hat also die Bundesangehörigkeit, wenn man die Staatsbürgerschaft von z. B. Preußen oder Bayern oder Würtemberg etc. hat.

Ab 1913 galt dann das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz (RuStAG), das ebenfalls von der Staatsangehörigkeit der einzelnen Bundesstaaten ausging. Diese Regelung galt dann weiter in der Weimarer Republik, bis dann 1934 das Gesetz geändert wurde und es nur noch die deutsche Staatsangehörigkeit gab, aber nicht mehr die der Länder. Diese Regelung gilt bis heute.



Das Heißt man konnte preußischer Stsstsbürger sein, aber es gab eben keine deutsche Staatsbürgerschaft in diesem Sinne, die sich als Unterscheidungskriterium in nationalen Abgrenzungsfragen nutzen ließ.

Das war höchstens ein Unterscheidungskriterium bei den einzelnen Staatsbürgerschaften der Bundesstaaten, aber nicht als ethnische Klassifikation.

Ein preußischer Staatsangehöriger polnischer Nationalität, polnische Sprache, katholischer Religion etc. war natürlich genau so ein Reichsangehöriger, wie jemand der irgendwo in Bayern beheimatet war oder ähnliches.

Mich stört der Begriff Nationalität in diesem Zusammenhang. Für mich ist Nationalität ein Synonym für Staatsangehörigkeit. In Deinem Text ist aber wohl Volkszughörigkeit gemeint.

Ich sehe gerade in der Wiki, dass es verschiedene Bedeutungen der Nationalität gibt:


Nationalität als Volkszugehörigkeit war wohl in der DDR verbreitet und noch heute in den postkommunistischen Ländern.
 
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