Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Frage: ein Graben samt seiner Verfüllung erweist sich als "hochmittelalterlich" (ca 1000) - sind die römischen Funde aus diesem Graben geborgen, oder lagen die ganz woanders? Wenn letzteres, dann finde ich es nicht sonderlich bemerkenswert, dass man dort in der Gegend auch Sachen vorfindet, die nicht aus der Römerzeit stammen.

Laut dem Bericht stammt die Mehrzahl der römischen Funde aus einem Areal außerhalb von (südlichem) Wall und (nördlichem) Spitzgraben, das relativ ungestörte Bodenschichten enthielt:

"These pale sands are covered by a fossil topsoil, which can be observed along long stretches of the entire geoprofile. Six 14C dates and two OSL dates place this paleo surface into the late Iron Age to Imperial times. Virtually all archaeological finds, which correlate with late Iron Age Germanic settlements or the antique battle events, were found in this layer and the covering hillslope sands. The fragmentary preservation of the finds and their distribution across most of the area show that they were subjected to subsequent ploughing. This implies that the paleo surface was used for agriculture again sometime after the fighting. In areas undisturbed by Medieval land use (such as the mound), the finds are very well preserved and include large Roman military equipment such as an example of plated body armour (so-called Lorica segmentata), a pilum, and a dagger sheath. Radiocarbon dates of 65 to 166 ad in the backfill of the wagon tracks and the OSL date of 110 ad at profile 2_5 support the notion that this layer was the surface during the conflict between Germanic tribes and the Roman military in the Early Imperial Period.

"Diese hellen Sande sind von einem fossilen Oberboden bedeckt, der auf weiten Strecken des gesamten Geoprofils zu beobachten ist. Sechs 14C-Datierungen und zwei OSL-Datierungen ordnen diese Paläofläche in die späte Eisenzeit bis zur Kaiserzeit ein. Praktisch alle archäologischen Funde, die mit späteisenzeitlichen germanischen Siedlungen oder dem antiken Schlachtgeschehen korrelieren, wurden in dieser Schicht und den darüber liegenden Hangsanden gefunden. Die fragmentarische Erhaltung der Funde und ihre Verteilung über den größten Teil des Gebietes zeigen, dass sie in der Folgezeit gepflügt wurden. Dies deutet darauf hin, dass die Paläofläche irgendwann nach den Kämpfen wieder landwirtschaftlich genutzt wurde. In den von der mittelalterlichen Landnutzung ungestörten Bereichen (wie z. B. dem Hügel) sind die Funde sehr gut erhalten und umfassen große römische Militärausrüstungen, wie z. B. ein Beispiel für einen gepanzerten Körperpanzer (sogenannte Lorica segmentata), ein Pilum und eine Dolchscheide.

Radiokarbondaten von 65 bis 166 n. Chr. in der Verfüllung der Wagenspuren und das OSL-Datum von 110 n. Chr. im Profil 2_5 unterstützen die Annahme, dass diese Schicht die Oberfläche während des Konflikts zwischen germanischen Stämmen und dem römischen Militär in der frühen Kaiserzeit war.

(Übersetzt mit DeepL)
 
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Laut dem Bericht stammt die Mehrzahl der römischen Funde aus einem Areal außerhalb von (südlichem) Wall und (nördlichem) Spitzgraben, das relativ ungestörte Bodenschichten enthielt:

"These pale sands are covered by a fossil topsoil, which can be observed along long stretches of the entire geoprofile. Six 14C dates and two OSL dates place this paleo surface into the late Iron Age to Imperial times. Virtually all archaeological finds, which correlate with late Iron Age Germanic settlements or the antique battle events, were found in this layer and the covering hillslope sands. The fragmentary preservation of the finds and their distribution across most of the area show that they were subjected to subsequent ploughing. This implies that the paleo surface was used for agriculture again sometime after the fighting. In areas undisturbed by Medieval land use (such as the mound), the finds are very well preserved and include large Roman military equipment such as an example of plated body armour (so-called Lorica segmentata), a pilum, and a dagger sheath. Radiocarbon dates of 65 to 166 ad in the backfill of the wagon tracks and the OSL date of 110 ad at profile 2_5 support the notion that this layer was the surface during the conflict between Germanic tribes and the Roman military in the Early Imperial Period.

"Diese hellen Sande sind von einem fossilen Oberboden bedeckt, der auf weiten Strecken des gesamten Geoprofils zu beobachten ist. Sechs 14C-Datierungen und zwei OSL-Datierungen ordnen diese Paläofläche in die späte Eisenzeit bis zur Kaiserzeit ein. Praktisch alle archäologischen Funde, die mit späteisenzeitlichen germanischen Siedlungen oder dem antiken Schlachtgeschehen korrelieren, wurden in dieser Schicht und den darüber liegenden Hangsanden gefunden. Die fragmentarische Erhaltung der Funde und ihre Verteilung über den größten Teil des Gebietes zeigen, dass sie in der Folgezeit gepflügt wurden. Dies deutet darauf hin, dass die Paläofläche irgendwann nach den Kämpfen wieder landwirtschaftlich genutzt wurde. In den von der mittelalterlichen Landnutzung ungestörten Bereichen (wie z. B. dem Hügel) sind die Funde sehr gut erhalten und umfassen große römische Militärausrüstungen, wie z. B. ein Beispiel für einen gepanzerten Körperpanzer (sogenannte Lorica segmentata), ein Pilum und eine Dolchscheide. Radiokarbondaten von 65 bis 166 n. Chr. in der Verfüllung der Wagenspuren und das OSL-Datum von 110 n. Chr. im Profil 2_5 belegen...

(Übersetzt mit DeepL)
Ich bin davon überzeugt dass die Funde aus der Römerzeit stammen. Es kann natürlich sein dass das Ganze durch andere spätere Ereignisse gestört wurde.
 
Laut dem Bericht stammt die Mehrzahl der römischen Funde aus einem Areal außerhalb von (südlichem) Wall und (nördlichem) Spitzgraben, das relativ ungestörte Bodenschichten enthielt:
Dann werden römische Funde beim Bauen des Mittelalter-Wall schlichtweg mit umbebuddelt worden sein.


Inwieweit ändert das jetzt etwas an der Gesamtinterpretation von Kalkriese?

Ausser, dass es weder Marschlager noch Germanenwall gab, kann ich keine Änderung der Interpretation erkennen.

Oder erkennt jemand von Euch eine Interpretations-Änderung?
 
Diese klare Aussage wird doch gemacht: Das direkt über dem Spitzgraben liegende Material datiert aus dem Hochmittelalter, damit ist ein römischer Ursprung des Grabens auszuschließen:

So sieht es aus, aber direkt dahinter steht auch noch:

However, as only one sample from the ditch fill itself was dated by OSL, these findings also have to be verified in future campaigns. In addition, further petrophysical and geochemical characterization of the fillings of the various ditches would allow a better understanding of the origin and the function of these structures (Lenďáková et al. 2020).​

Zu OSL - mußte ich auch erst nachschauen s: Von Photonen und Äonen . Meistens für Keramik verwendet, aber auch für Sedimente.

Aber gehen wir davon aus, dass die Datierung ins Hochmittelalter korrekt ist, dann stellt sich für mich die Frage, welchen Sinn ein v-förmiger Graben auf einem Schlachtfeld, über das damals schon seit etwa 1.000 Jahren das Gras wächst, haben soll? War das vielleicht ein Entwässerungsgraben? Und der Zweck des hochmittelalterlichen Walls? Das kann doch nur mit der Plaggenwirtschaft (Plaggendüngung – Wikipedia ) zu tun gehabt. Diente der Wall der Stabilisierung der angrenzenden Fläche?

Dann werden römische Funde beim Bauen des Mittelalter-Wall schlichtweg mit umbebuddelt worden sein.

Das scheint mir plausibel.


Inwieweit ändert das jetzt etwas an der Gesamtinterpretation von Kalkriese?

Ausser, dass es weder Marschlager noch Germanenwall gab, kann ich keine Änderung der Interpretation erkennen.

Oder erkennt jemand von Euch eine Interpretations-Änderung?

Die Interpretation als eines der Schlachtfelder der Varusschlacht wird sicherlich bestehen bleiben. Aber jetzt muß man das Szenario des Schlachtverlaufs ohne Wall und Graben neu durchdenken.
 
Es waren anderthalb Maultierskelette, die unter dem Wallversturz gefunden wurden. Diese sind unzweifelhaft römisch gewesen. Sie sind erhalten worden, und zwar nicht, weil 1000 Jahre später ein Wall dort war. Für mich sind die neuen Ergebnisse noch nicht wirklich einordenbar.

Ich schimpfe immer, dass Hilfshypothesen nicht zulässig sind, aber stelle jetzt mal eine auf:
Geologie denkt nicht in Zeiträumen von Tagen, Monaten, Jahren, sondern in Zeiträumen von Jahrtausenden und Jahrmillionen. Die C14-Methode kann, wenn man Pech hat, eine Datierung so ungenau hinterlassen, dass man einen Spielraum von mehreren Jahrzehnten hat. Nun kann ich mir vorstellen, dass in der Geologie Methoden einen Datierungsspielraum von mehreren Jahrhunderten haben können. - Gut, wie gesagt, es ist eine Hilfshypothese und ich finde sie selber nicht befriedigend.
 
Ich hatte zunächst beim Überfliegen dieses Berichts mit den Augen gerollt. Und mir dann eingestehen müssen, dass das ein bedeutender Forschungsansatz ist. Die aufwendige Methodik erlaubt eine Altersbestimmung der Bodenschicht über mehrere Grabenschnitte hinweg, also horizontal.
Wir denken ja meist in den senkrechten Grabungsschnitten, vertikal.
Man kann also Bodenproben an unterschiedlichen Sondiergrabungen zeitlich zuordnen, ohne z.B auf Keramik oder andere "harte" archäologische Funde zurückgreifen zu müssen.

Die hier beschriebenen Flugsandschichten liegen ja z.B. auf Erdschichten, die durch intensivere landwirtschaftliche Nutzung in der Bronzezeit überformt sind.

Vor allem wird deutlich dass der Boden auf dem sich der Kampf abspielte, nur an wenigen Stellen homogen bzw. in situ erhalten ist.
 
Es waren anderthalb Maultierskelette, die unter dem Wallversturz gefunden wurden. Diese sind unzweifelhaft römisch gewesen. Sie sind erhalten worden, und zwar nicht, weil 1000 Jahre später ein Wall dort war. Für mich sind die neuen Ergebnisse noch nicht wirklich einordenbar.

Ich schimpfe immer, dass Hilfshypothesen nicht zulässig sind, aber stelle jetzt mal eine auf:
Geologie denkt nicht in Zeiträumen von Tagen, Monaten, Jahren, sondern in Zeiträumen von Jahrtausenden und Jahrmillionen. Die C14-Methode kann, wenn man Pech hat, eine Datierung so ungenau hinterlassen, dass man einen Spielraum von mehreren Jahrzehnten hat. Nun kann ich mir vorstellen, dass in der Geologie Methoden einen Datierungsspielraum von mehreren Jahrhunderten haben können. - Gut, wie gesagt, es ist eine Hilfshypothese und ich finde sie selber nicht befriedigend.
Das ist keine unzulässige Hilfshypothese sondern ein nachgewiesener Fakt dass die C14 Methode unsicher und ungenau ist. Ob das allerdings so extreme Datierungsfehler erklärt müsste man untersuchen. Ähnliches gab es schon beim Turiner Grabtuch.
 
Bei der C14 Methode muß man genau hinschauen, das System an sich ist sehr brauchbar, allerdings gibt es hier auch viele Unwägbarkeiten.

Im Buch "Flußkönige" hat schon Cat Jarman darauf hingewiesen, das durch die individuelle Ernährung erhebliche (mehrere Jahrhunderte) Unterschiede in den Messungen auftreten, je nach dem ob die Nahrungsmittel überwiegend von Land oder von See stammen. Fischreiche Ernährung gibt ein anderes C14 Bild als Fleisch/Getreidebasierte Ernährung. Dies hier nur als Anmerkung.
 
Ist eigentlich die Besiedlungsgeschichte der Gegend nach der Schlacht erforscht?
War die Gegend durchgängig besiedelt oder wurde sie durch Germanicus als Rache menschenleer gemacht?
Ähnliches ist ja später wahrscheinlich den Dakern widerfahren.
Sollte keine zeitnahe Besiedlung mehr übrig geblieben sein, entwickelte sich wieder ein typisch norddeutscher Mischwald, Neulandgewinnung bei wachsender Bevölkerungszahl im Mittelalter hätten die letzten Wallreste planieren können.
Plaggenwirtschaft könnte auch eher zum Mittelalter passen.

Mieden die Germanen aus religiösen oder mystischen Gründen ehemalige Kamplätze?

Und wie lange wird die Erinnerung, in einer doch ziemlich unschriftlichen Gesellschaft, an einen Schlachtort tradiert und verortbar weitergegeben?
 
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Das ist keine unzulässige Hilfshypothese sondern ein nachgewiesener Fakt dass die C14 Methode unsicher und ungenau ist.
Da hast du mich missverstanden. Die C14-Methode diente mir als Analogie zu den geologischen Datierungen, von denen ich keine Ahnung habe. Ich habe also gewissermaßen die Frage gestellt, ob die Datierungsmethoden der Geologen so genau sind, wie es scheint oder ob sie nicht eher eine Schwankungsbreite haben, die bei der C14-Methode ein paar Jahrzehnte (auch mal über hundert Jahre) umfassen kann und bei den Geologen womöglich einige Jahrhunderte, ggf. auch 1000 Jahre.
Insofern ist das, was ich gebracht habe, durchaus eine Hilfshypothese.
Aber natürlich muss geklärt werden, wie anderthalb 2000jähirge Maultiere erhalten wurden, wenn die Sedimente, in denen sie erhalten wurden, knapp 1000 Jahre jünger sind.


Ist eigentlich die Besiedlungsgeschichte der Gegend nach der Schlacht erforscht?
Im Projekt Conflict Landscapes.
Nahe Engter hat man eine Buntmetallwerkstatt gefunden, die vor und nach dem Kalkreiser Schlachtgeschehen (also wahrscheinlich der Varusschlacht) existiert haben muss.

Plaggenwirtschaft könnte auch eher zum Mittelalter passen.
Richtig, das wurde in Kalkriese auch von Anfang an so gesehen. Die Aufplaggung wurde auf das 12./13. Jhdt. ff datiert.
 
Aber natürlich muss geklärt werden, wie anderthalb 2000jähirge Maultiere erhalten wurden, wenn die Sedimente, in denen sie erhalten wurden, knapp 1000 Jahre jünger sind.
Den oberirdischen Erhalt der Maultierknochen sehe ich gar nicht als Mysterium an.
Es gibt sehr viele Fälle, wo Knochen nach der Verwesung erstmal nur "auf den Boden fielen", langsam von Erde bedeckt wurden und dann sogar 200.000.000 Jahre intakt blieben.
Dinosaurier.

Ich würde das so verstehen:

Maultiere sterben im Jahre 9.
Die Tiere verwesen, die Knochen bleiben liegen, sie bedecken sich langsam mit Erde, z.B. durch zerfallendes Laub.
Im Mittelalter wird der Wall angelegt: Bei den Arbeiten bleiben zumindest die heute gefundenen Knochen unter der Erde.
Vielleicht unangestastet, vielleicht wurden sie mit um-gebuddelt.

Vielleicht wurden sogar weitere Knochen und (römische Funde) im Rahmen des Wallbaus gefunden, entfernt oder zerstört.
 
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Den Erhalt der Maultierknochen sehe ich gar nicht als Mysterium an.
?!?
Aber natürlich muss geklärt werden, wie anderthalb 2000jähirge Maultiere erhalten wurden, wenn die Sedimente, in denen sie erhalten wurden, knapp 1000 Jahre jünger sind.
...allerdings:
Es gibt sehr viele Fälle, wo Knochen nach der Verwesung erstmal nur "auf den Boden fielen", langsam von Erde bedeckt wurden und dann sogar 200.000.000 Jahre intakt blieben.
Dinosaurier.
die alle sind wohl nicht in 1000 Jahre jüngere Sedimente umgebettet worden...

Vermutlich begreife ich da was nicht - bitte erklären.
 
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Maultiere sterben im Jahre 9.
Die Tiere verwesen, die Knochen bleiben liegen, sie bedecken sich langsam mit Erde, z.B. durch zerfallendes Laub.
Im Mittelalter wird der Wall angelegt: Bei den Arbeiten bleiben zumindest die heute gefundenen Knochen unter der Erde.
Vielleicht unangestastet, vielleicht wurden sie mit um-gebuddelt.

Dann müsste man die Knochen in großer Unordnung und mit Verbissspuren aufgefunden haben - falls sie sich an der Oberfläche überhaupt erhalten hätten.
Waldboden bildet sich nur sehr langsam (etwa 1 mm pro Jahr).
Die Maultiere müssen meiner Meinung nach unmittelbar unter die Erde gekommen sein.
 
Maultierknochen bleiben liegen, und beim Wallbau werden sie mit jüngeren Sedimenten bedeckt.

Sehe ich da was falsch?
 
Maultierknochen bleiben liegen, und beim Wallbau werden sie mit jüngeren Sedimenten bedeckt.
Dann wären sie unter den 1000 Jahre jüngeren Sedimenten - aber @El Quijote meinte:
Aber natürlich muss geklärt werden, wie anderthalb 2000jähirge Maultiere erhalten wurden, wenn die Sedimente, in denen sie erhalten wurden, knapp 1000 Jahre jünger sind.
und das ist mir unerklärlich.

Weiß jemand, wo die Maultiere gefunden wurden?
 
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