Verpasste Gelegenheiten?

denn das Interesse ist hier ja doch nicht soo groß.
Ich weiß nicht, ob das Interesse nicht groß ist. Aus der Zahl der Mitdiskutanten würde ich das nicht zwingend schließen. Ich z.B. lese zwar mit, schreibe aber nichts, da ich mich nicht gut genug auskenne, um etwas Vernünftiges beitragen zu können, und ich schreibe nicht, nur um etwas zu schreiben. (Dieser Beitrag ist eine Ausnahme.)
 
Ich werde bemüht sein, mich kurz zu fassen, denn das Interesse ist hier ja doch nicht soo groß.
Ich würde nicht meinen, dass es grundsätzlich uninteressant wäre, ich frage mich bei der ganzen Sache nur, inwiefern man tatsächlich von einer verpassten Gelegenheit sprechen kann.

Das von britischer Seite davor zurückgescheut wurde ein förmliches Abkommen dergestalt anzubieten, dass es rechtlich bindend gewesen wäre und damit durch das Parlament hätte gebracht werden müssen, legt ja nahe, dass man sich ziemlich sicher war, dafür keine Zustimmung zu bekommen.

Letztendlich hätte es sich also mehr um eine Art politischer Willenserklärung der amtierenden Regierung, als um einen festen dauerhaften und belastbaren Vertrag mit dem Vereinigten Königreich gehandelt, von dem völlig unkklar gewesen wäre, ob die britische Regierung nationales Handeln in Sinne einer solchen Absprache gegen das Parlament überhaupt hätte durchsetzen können und zum anderen wäre bei einem Agreement zwischen dieser Regierung und Deutschland auch nicht ausgemacht gewesen, dass die nächste britische Regierung an diesem Kurs auch festhalten würde.
 
Ich würde nicht meinen, dass es grundsätzlich uninteressant wäre, ich frage mich bei der ganzen Sache nur, inwiefern man tatsächlich von einer verpassten Gelegenheit sprechen kann.
Bessere Beziehungen zu Großbritannien wären imho der Schlüssel für Deutschland gewesen, die historische Isolierung zu vermeiden. Es gab ja weder zwischen dem UK und Deutschland noch zwischen dem UK und Österreich-Ungarn unüberbrückbare Interessengegensätze, daher hätte eine Anbindung Großbritanniens an den Zweibund bzw. Dreibund durchaus Sinn gemacht.

Wenn es die Möglichkeit dazu gab und die nicht genutzt wurde, war das daher imho schon eine verpasste Gelegenheit.

Selbst wenn Großbritannien dann im Falle eines Krieges zwischen den Mittelmächten einerseits und Frankreich und Russland andererseits nur neutral geblieben wäre, hätte dass das Gleichgewicht der Kräfte doch entscheidend in Richtung Mittelmächte verschoben. Zumal es in einem solchen Szenario wesentlich wahrscheinlicher gewesen wäre, dass auch Italien zumindest neutral geblieben wäre. Und eventuell wäre es in dieser Situation dann ja auch nie zum Krieg gekommen, wobei man das natürlich nicht wissen kann.

Deutschland hatte ansonsten ja auch wenig Alternativen. Aufgrund der Interessengegensätze zwischen Russland und Österreich-Ungarn konnte man nicht dauerhaft mit beiden Mächten verbündet sein und aus diversen Gründen konnte und wollte man das Bündnis mit Österreich-Ungarn nicht aufgeben und damit konnte man ein Bündnis zwischen Frankreich und Russland auf Dauer kaum verhindern.

Und die Politik der freien Hand hat ja offensichtlich auch nicht funktioniert.

Das von britischer Seite davor zurückgescheut wurde ein förmliches Abkommen dergestalt anzubieten, dass es rechtlich bindend gewesen wäre und damit durch das Parlament hätte gebracht werden müssen, legt ja nahe, dass man sich ziemlich sicher war, dafür keine Zustimmung zu bekommen.
Das kann aber auch daran gelegen haben, dass Großbritannien generell nicht besonders geneigt war, ein festes Bündnis einzugehen.

Zur Erinnerung: Auch die Entente Cordiale war ja kein förmliches Bündnis, sondern formal zunächst nur ein kolonialer Interessenausgleich.

Letztendlich hätte es sich also mehr um eine Art politischer Willenserklärung der amtierenden Regierung, als um einen festen dauerhaften und belastbaren Vertrag mit dem Vereinigten Königreich gehandelt, von dem völlig unkklar gewesen wäre, ob die britische Regierung nationales Handeln in Sinne einer solchen Absprache gegen das Parlament überhaupt hätte durchsetzen können und zum anderen wäre bei einem Agreement zwischen dieser Regierung und Deutschland auch nicht ausgemacht gewesen, dass die nächste britische Regierung an diesem Kurs auch festhalten würde.
Solche Garantien gibt es doch nie. Auch bei einem förmlichen Bündnis nicht.
 
Bessere Beziehungen zu Großbritannien wären imho der Schlüssel für Deutschland gewesen, die historische Isolierung zu vermeiden.
Aber die standen ja in diesem Sinne nicht zur Debatte, so lange nur ein Agreement mit einer britischen Regierung, die morgen passé sein konnte, nicht aber ein vertraglich fixiertes Arrangement mit dem britischen Staat zur Disposition stand, was aber nicht ohne Sanktionierung durch das Parlament abgegangen wäre.

Es gab ja weder zwischen dem UK und Deutschland noch zwischen dem UK und Österreich-Ungarn unüberbrückbare Interessengegensätze, daher hätte eine Anbindung Großbritanniens an den Zweibund bzw. Dreibund durchaus Sinn gemacht. [...]
Es gab außer gegenüber Frankreich von deutscher Seite her gegenüber keinem Akteur nicht überbrückbare Interessengegensätze.
Die Abwesenheit von Interessengegensätzen im Frieden, garantiert aber nicht die Neutralität im Krieg, im Besonderen, wenn Kalkulationen wie der Schlieffenplan mit im Spiel sind, die die Situation druch die Einbeziehung weiterer Akteure verändern.
Nun konnte man anno 1887 vom Schliffenplan noch nichts wissen.

Genau so wissen wir aber auch nicht, exakt, wie sich Großbritannien verhalten hätte, hätte man anno 1913 den Ost-Aufmarsch nicht aufgegeben und anno 1914 entschieden seinen Schwerpunkt im Osten zu setzten und sich im Westen auf die Festungen zu verlassen.

Wir wissen lediglich, dass London nicht breit war seine Neutralität für einen solchen Fall zu garantieren.
Das bedeutet aber nicht, dass ein Kriegseintritt dann zwangsläufig gewesen wäre, sondern erstmal nur, dass sich London seine Optionen offen halten wollte.

Daraus aber folgt, jedenfalls meiner Auffassung nach, dass man gar nicht so einfach sagen kann, dass die deutsche Diplomatie im Hinblick darauf Großbritannien herauszuhalten tatsächlich gescheitert wäre, sondern dass das möglicherweise von der militärischen Schwerpunktsetzung und den Kriegszielen im Konfliktfall abhing.

Es würde sich also die Frage stellen, ob man nicht bereits alles hatte, was man mit einem solchen, am britischen Parlament vorbeigehenden Agreement mit einer Londoner Regierung hätte erreichen können.

Das kann aber auch daran gelegen haben, dass Großbritannien generell nicht besonders geneigt war, ein festes Bündnis einzugehen.
Woran genau es gelegen hat, dass man in Großbritannien keine feste bündnistechnische Bindung wollte, auf die man hätte festgenagelt werden können, ist ja im Prinzip nebensächlich, hauptsächlich bedeutend ist der Umstand, dass es eben so war.

Zur Erinnerung: Auch die Entente Cordiale war ja kein förmliches Bündnis, sondern formal zunächst nur ein kolonialer Interessenausgleich.
Wurde aber um die britisch-französische Marinekonvention ergänzt, die über die kolonialen Absprachen hinausging.

Hinzukommt, dass natürlich die gemeinsame Garantie für Belgien bestand, und man auf diesem Weg eine Verbindung hatte ohne ein direktes militärisches Bündnis einzugehen, weil man militärische Planungen natürlich auf der Folie einer gemeinsamen Verteidigung der belgischen Neutralität führen konnte.
Und da das die einzige Front war, an der Frankreich tatsächlich potentiell bedroht war, kam eine gemeinsame Organisation der Verteidigung Belgiens einem Militärabkommen und einer Garantie für die territoriale Integrität Frankreichs gleich.

Eine vergleichare Rolle hätte aber Belgien für Beziehungen zwischen Großbritannien und Deutschland kaum darstellen können, da Deutschland natürlich auch im Osten angreifbar war und hier keine britischen Garantien bestanden, über die sich ohne formales Bündnis die deutsche Ostflanke schützen ließ, hier wären ergänzende, bindende Abspachen notwendig gewesen um für Deutschland fiktional die gleichen faktischen Garantien zu schaffen, wie für Frankreich.

Solche Garantien gibt es doch nie. Auch bei einem förmlichen Bündnis nicht.
Nun, wenn man den Wert von förmlichen Verträgen grundsätzlich negiert, würde ich sagen, kann man die Diplomatie auch gleich einstellen.
 
Das die russische Außenpolitik nicht panslawisch ausgerichtet war, beweist der Umstand, wie sie mit dem 2. Balkankrieg umging. In dessen Folge bedienten sich Rumänien (nördliche Dobrudja) und Griechenland ("Ägäis-Mazedonien") an bulgarischen oder von Bulgarien jedenfalls beanspruchten Territorien.

Bulgarien durfte/sollte nicht zu mächtig werden und Rumänien sollte nicht verärgert werden, denn Bukarest wurde gegen Österreich-Ungarn gebraucht. Des Weiteren wurde der serbische Vertragsbruch gegenüber Bulgarien hingenommen. Österreich-Ungarn und vor allem Deutschland haben die Entwicklung in Bukarest vollkommen falsch eingeschätzt und mühten sich die ganze Zeit darum, einen Kompormiss zwischen Sofia und Bukarest zu ermöglichen. Aber Rumänien wurde immer gieriger, erinnert stark an das italienische Verhalten im Jahre 1915, und es wurde immer mehr verlangt.

Die Russen waren übrigen schon Ende der 1860ziger nicht gewillt, eine "Strafexpedition" Österreich-Ungarn gegen Serbien zuzulassen. Serbien überlegte allen Ernstes, ob es militärisch gegen Wien vorgehe und hat zu diesem Zwecke in Berlin um Waffenlieferungen nachgesucht.
 
Zurück
Oben