Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Was wissen wir zuverläßig:
Das Jahr, den Feldherren, die beteiligten Einheiten (deren Größe und Vollständigkeit nicht genau, können die aber grob abschätzen! ), die Region (auch hier nicht genau, aber als Suchgebiet in etwa abgrenzbar), die Jahreszeit (kann wichtig sein! ) und nun haben wir die Befunde von Kalkriese, Münzen und den metallurgischen Fingerabdruck einer Legion. Der Befund passt in die Zeit, in die Region und auch für eine der beteiligten Einheiten. Weder die Münzen noch der "Fingerabdruck" sind aus der Welt zu schaffen.
Es kann sich hier "eigentlich" nur um ein "Varusereignis" handeln. Ungeklärt ist hier in erster Linie, ist der Fundort das "letzte Gefecht" oder handelt es ich hier um eine von vielen flüchtenden Einheiten.
 
Nochmal etwas Grundsätzliches:
Eine Quelle ist eine Tatsache. Tacitus ist eine Quelle. Tacitus hat, da kein Zeitgenosse des Kampfes, abgeschrieben.
Was ist, wenn eine Quelle nicht wahr ist?
Meine gestrige Aussage über den Umweg paßt dazu. Was ist, wenn Varus nicht zum Umweg überredet wurde, sondern durch Zwang einer Situation?
Ein träger, in sich ruhender Varus muß nicht der Trottel sein, als der ihn Velleius darstellt

Velleius war zwar Zeitgenosse, aber in der Tendenz anti Varus, zweifelhaft , meine ich

Zumindest zweifelhaft was Varus als Persönlichkeit betrifft, das ja. Was aber seine Aussagen nicht zwingend komplett unglaubwürdig macht!

Grundsätzlich muss ein Historiker immer Quellenkritik üben. Man unterscheidet in äußere Quellenkritik (Überlieferung) und innere Quellenkritik (eben Inhaltliches). Bei Tacitus ist z.B. die Sache die, dass bzgl. der Annalen nur über zwei HSS (Handschriften) verfügen, die aus dem 9. und 11. Jhdt. stammen. Die Annalen gelten als Tacitus' reifstes Werk. Die beiden erhaltenen HSS überlappen einander nicht, sondern bilden unterschiedliche Kapitel des Gesamttextes ab. D.h. wir können keinen Textvergleich machen, wie man das bei Texten kann, von denen zig oder gar hunderte HSS überliefert sind. In einem solchen Fall würde man ein HSS-Stemma (Stammbaum) erstellen und die verschiedenen Überlieferungslinien zusammenführen, um den Archetyp (den am ursprünglichen Verfassertext nächsten stehenden Text) zu rekonstuieren. Grundsätzlich gilt lectio difficilior potior (die schwierigere verständliche Lesart ist die mächtigere, will sagen, die näher um Urtext liegende, weil Kopisten dazu neigen, Texte zu vereinfachen), das können wir natürlich bei den Annalen nicht, weil es, abgesehen von Debatten, wie ein Wort gelesen werden muss, nur eine einzige lectio gibt. Aber theoretisch könnte eine jüngere HS eine näher am Archetyp stehende Version darstellen.
In seltenen Fällen haben wir auch Autographen (etwa Thietmar von Merseburg, wo wir dessen Verbesserungen in einem diktierten Text finden).

Die innere Quellenkritik fragt nach der inhaltlichen Stimmigkeit. Es gibt immer einen Anlass, warum ein Autor etwas schreibt. Man sagt ja gerne die Geschichtsschreibung sei immer die Geschichtsschreibung der Sieger, allerdings stellt sich die Frage, was der schönste Sieg nützt, wenn man am Tag zuvor den Geschichtsschreiber beleidigt hat? (Dies hat(te) mal ein Forenmitglied als Signatur.) In der Tat gibt es eine Tendenz, dass Quellen eher im Sinne der Überlebenden, die eben oft die Sieger sind, berichten, das ist aber in der Tat nicht immer so.
Bei Tacitus wissen wir, dass er ein Gegner des Prinzipats war, vor allem, wie es unter den julisch-claudischen Kaisern bis hin zu den Flaviern war. Er schrieb zu Trajans (oder evtl. aber weniger wahrscheinlich auch Hadrians) Zeiten und stand besonders eben den dynastischen Kaisern und den Kaisenr des Vierkaiserjahres negativ gegenüber (mit Ausnahme vielleicht von Vespasian und Titus, da müsste ich die Historien noch mal aufmerksam lesen, Ravenik weiß es bestimmt ad hoc). Tacitus wird also immer Mitglieder des Kaiserhauses, obwohl er vorgibt sine ira et studio (ohne Zorn und Eifer) zu schreiben, also objektiv zu sein, eher schlecht machen. Das beginnt schon mit dem Totengericht des Augustus, wo er zuerst die Befürworter von Augustus diesen loben lässt, dann dürfen die Gegner von Augustus sprechen. Die widersprechen nicht nur den Befürwortern, ihr Widerspruch nimmt auch etwa den doppelten Raum ein und bleibt seinerseits unwidersprochen. So hat Tacitus scheinbar objektiv beide Seiten reden lassen, aber eben den Argumenten der einen Seite wird eben widersprochen, denen der anderen nicht.

Jetzt ist halt die Frage ob Tacitus sich selbst widerspricht, oder ob andere Quellen ihm widersprechen etc. Und dann muss man eben beurteilen, was glaubwürdiger ist.
Bzgl. unserer Thematik sind die textimmanenten Widersprüche bei Tacitus relativ gering. Z.B. schildert er die germanischen Framen mal als besodners geeignet für den Kampf im sumpfigen Gelände und an anderer Stelle als besonders ungeeignet.

Zwischen innerer und äußerer Quellenkritik stehen so Dinge wie die Frage, ob Stammesnamen immer richtig wiedergegeben sind. So gibt es z-B. ür das Jahr 16 eine Stelle, wo berichtet wird, dass die Angrivarier im Rücken Germanicus' anfallen. Diese Stelle ist unlogisch.
Manche haben das mit der Doublettentheorie zu lösen versucht. Demnach sei Germanicus 16 gar nicht an der Ems, sondern an der Weser gelandet. Das Problem bei der Doubletentheorie: Sie löst das Problem nicht wirklich und schafft mehr neue Problem, die wir ohne sie nicht hätten.
Eleganter ist eine andere Theorie: Es ist anzunehmen, dass entweder Tacitus oder einer seiner Kopisten sich hier vertan hat oder auf eine verderbte (an einer Stelle unleserliche) Quelle zurückgegriffen hat und hier entweder in Tacitus' Quelle oder in dessen Urtext Ampsivarier (~ Emsleute) stand. Dann ist die Stelle nämlich logisch. Die Ampsivarier kommen in den Annalen sonst nicht vor und somit hatte ein Kopist gar keine Chance bei einem unleserlichen Ampsivarier auf diese zu kommen, wohingegen die Angrivarier noch in demselben Buch der Annalen eine prominente Rolle einnehmen, es ist also nur logisch, dass ein Kopist statt korrekt Ampsivarier zu lesen Angrivarier las. Die Ampsivarier kennen wir aus einem anderen Buch Tacitus' der Germania.

Bezgl. der Feldzüge des Germanicus in Germanien ist Tacitus unsere einzige Quelle, abgesehen von einer Randnotiz bei Sueton, der den Grabhügel für die Varuslegionen kurz erwähnt, wobei Sueton nicht unabhängig von Tacitus bzw. dessen Quelle ist. Wir wüssten wesentlch mehr, wenn wir über Aufidius Bassus oder die Germanenkriege des älteren Plinius verfügten. Oder wenn Velleius Paterculus sein angekündigtes Werke über die Germanenkriege veröffentlicht hätte (wir haben nur die Nachricht, dass er es schreiben wollte, aber nichts darüber, ob dies ein Vorhaben blieb oder umgesetzt wurde, es wird auch nirgends erwähnt).

Reden und Träume etc. dienen natürlich der Dramaturgie bzw. um den Text interessnater zu gestalten und die ineinander verschränkten Berichte der Varusschlacht bzw. der Begehung des Varusschlachtfeldes sechs Jahre später darf man nicht als chronologisch genausop geschehen lesen, also nciht als Verlaufs- sondern als Ergebnisprotikoll. Also etwa, dass man zuerst das Dreilegionenlager entdeckte und dann das unfertige Lager der niedergemachten Reste. Das ist nicht Beghung des Schlachtfeldes, sondern das ist die Chronologie der Schlacht. Gleichzeitigdarf man nicht glauben (und das wollte Tacitus auch sicher nicht, dass man das glaubte, dass die Adlerträger alle an einem Ort und die Legaten alle an einem Ort erschlagen wurden, sondern hier gibt es eine Bedeutungshierarchie: Also dort wurden die Legaten erschlagen, dort wurden die Adler erbeutet, dort stürzte sich der Feldherr ins Schwert. Dann geht es chronologisch weiter, weil eben jetzt die Orte gezeigt werden, wo nach der Schlacht gefangene
Römer zu Tode gequält wurden. Das alles zu sehen und einzuordnen ist eben auch Teil der Quellenkritik.

Im großen und ganzen ist Tacitus schlüssig, auch wenn wir uns manchmal mehr Details wünschen würden. Es gibt wenig Grund an seiner Darstellung zu zweifeln, aber als Historiker müssen wir uns natürlich immer gewahr sein, dass das alles - theoretisch zumindest - erfunden sein könnte. Allerdings hat die Varusschlacht schon einen ganz guten Niederschlag in der Literatur gefunden.
 
Wegen Überlänge zwie Beiträge:

Das Problem ist: Tacitus' Bericht von der Varusschlacht ist, obwohl es ja eigentlich kein Bericht von der Schlacht ist, sondern einer von der Begehung des Schlachtfeldes sechs Jahre später, eigentlich der ausführliichste - außer natürlich der von Cassius Dio, der noch viel ausführlicher ist, aber eben über erhebliches Sondergut verfügt, über das 200 Jahre niemand etwas weiß. Und Cassius Dio neigte zum Dramatisieren und ist eben kein zuverlässiger Chronist. Während die Römer von Sturm und Regen und herabstürzenden Baumkronen "in Verwirrung" gesetzt werden, können die Germanen gleichzeitig aus dem Dickicht heraus die Römer beschießen, Römer laufen gegen Römer, Römer laufen gegen Bäume, die Germanen sind lauter leichtfüßige Legolasse und die Römer auf eine slapstickartige Art bleiern. (ich habe gerade gestern etwas zu einer Szene geschriebne, die 57 Jahre vor der Varusschlacht stattfand: In zeitgenössischen Quellen (von einem seiner Vertrauten) springt Caesar, bedrängt von sein Wassergefährt kapernden Feinden von diesem ins Wasser, schwimmt zu Schiffen und schickt Hilfe. Bei Sueton 150 Jahre später springt Caesar ins Wasser, schwimmt einhändig 200 Schritt zu seinen Schiffen, hält dabei Schriftstücke (Libelli) in der linken Hand über Wasser und sieht mit seinenne Zähnen seinen Feldherrenmantel hinter sich her, die Schriftsücke bleiben trocken. Was Sueton da schreibt ist in höchstem Maße unglaubwürdig, da Caesar ja auf der Flucht ist, sich also kaum den Luxus erlauben wird, auf einen Arm beim Schwimmen zu verzichten oder den behindernden Mantel, der ihn langsamer macht, hinter sich her zu schleifen. Zudem ist es unmöglich, dass die libelli beim zudem fluchtartigen Sprung ins Wasser trocken blieben. 260 Jahre nach den Ereignissen schreibt Cassius Dio darüber, der den Bericht anders als Sueton nicht als Heldenstück beschreibt, sondern diesen dramatisiert. Hier springt Caesar nicht ins Wasser, sondern fällt (Eigengut Cassius Dio), ertrinkt dabei fast (Eigengut Cassius Dio) und wird beschossen (Eigengut Cassius Dio). Er entledigt sich seiner Kleidung (zumindest seines Mantels; Eigengut Cassius Dio) und im textimmanenten Widerspruch dazu, dass Caesar nach Cassius Dios Aussage gerade noch beinahe ertrunken wäre, folgt Cassius Dio dann wieder Sueton, indem er wie dieser behauptet, dass Caesar nur mit der Rechten geschwommen und mit der Linken seine Dokumente hochgehalten und trocken zu seinem - hier ist es kein Schiff, sondern ein Boot - gebracht hätte. Man muss dabei sagen, dass der bei Cassius Dio beschriebene Verlust des Feldherrenmantels, den die Ägypter dann als Zeichen ihres Sieges oben ans Tropaion hingen, fast glaubwürdiger ist, als die Variante des heldischen Caesar bei Sueton, der alles tut, damit sein Mantel nicht in die Hände der Feinde gerät. Wichtig hier ist aber, dass wir die Geschichte mit Mantel und libelli eben nicht bei den Zeitgenossen und Caesarvertrauten lesen, sondern erst 150 Jahre später bei Sueton bzw. 260 Jahre später bei Cassius Dio und eben nicht nur mit anderen Nuancen, sondern mit klaren, unaufheblichen Widersprüchen zwischen Sueton und Cassius Dio.

Wenn wir jetzt annähmen, dass wir Tacitus in die Tonne kloppen könnten (das kann man mit historischen Quellen nie, denn auch unglaubwürdige Quellen sind - wenn man bloß die richtigen Fragen an sie stellt, Quellen), wofür es allerdings keinen Anlass gibt, dann hätten wir zwar noch andere Quellen zur Varusschlacht (etwa Velleius, Manilius, Seneca...) aber so gut wie nichts über die Reaktionen (ein wenig bei Velleius und Strabon) oder über die Zeit danach. Wir haben nichts anderes. Und archäologische Quellen erzählen uns nichts.
 
Danke El Quijote, war mich erhellend. Ich kenne Deine Meinung, wir haben nichts anderes.
Aber ich gestatte mir einfach zu überlegen, wie der Weg gewesen sein könnte, wo Überlebende geflohen sein könnten(kann auch schon eher geschehen sein als in Kalkriese, wo sich die Funde westwärts auffächern).
Da hierzu keine Quellen existieren, war ich so frei, wobei ich nichts behauptet habe.M ir ist ganz einfach bewußt, daß ich Lücken mit eigenen Überlegungen fülle. Der Eine oder Andere wird sich Ähnliches überlegt haben.
 
In den letzten Jahren haben sich hier viele kluge Köpfe geäußert.....vom Fach oder Ähnliches. Von der Methodik eines Althistorikers verstehe ich nichts. In der Juristerei gibts das auch, aber eben anders. Wir sollten uns alle freuen, daß es überhaupt etwas relevantes gibt:)
 
Aber ich gestatte mir einfach zu überlegen, wie der Weg gewesen sein könnte, wo Überlebende geflohen sein könnten(kann auch schon eher geschehen sein als in Kalkriese, wo sich die Funde westwärts auffächern).
Das ist durchaus in Ordnung. Ich habe ähnliches auch schon gemacht. Wo es problematisch wird, ist, wenn wir denken, dass unsere Überlegungen Quellenrang hätten ODER wenn wir uns unbegründet gegen die Quellen stellen. Ein sich gegen die Quellen stellen muss immer in den Quellen begründet sein, dass man eben gut argumentiert warum sie unglaubwürdig sind.
 
Nach > 6.000 Beiträgen hier zur Verusschlacht schein mir die Quellenalage sehr mysteriös/nebelhaft.

Gesichert ist wohl nur, es hat eine Schlacht im Jahre 9 n. Chr. gegeben zwischen den Römern und den germanischen Stamm der Cherusker. Man ordnet diese Schlacht den „Augusteischen Germanenkriege“ zu.

Wahrscheinlich habe ich es Überlesen.

Varus wurde wohl von Segestes (auch ein Fürst des Germanenstamms der Cherusker) betreffs der Pläne des Fürstes Arminius gewarnt, aber er fand da wohl kein Gehör.

Hatten wir ja in der Histrorie auch schon mal (Kassandra, Laokoon).

Nun bin ich gespannt ob wir hier den verflixten Knoten des Königs Gordios von Phrygien lösen.
 
Varus wurde wohl von Segestes (auch ein Fürst des Germanenstamms der Cherusker) betreffs der Pläne des Fürstes Arminius gewarnt, aber er fand da wohl kein Gehör.
Zumindest hat Segestes dies sechs jahre später Germanicus weisgemacht, dass dem so gewesen sei, aber ob die Römer das geglaubt haben? Tacitus legt Segestes ein testis illa nox in den Mund (jene Nacht war Zeuge) und Strabon schreibt hämisch, dass Segestes "hochgeehrt" den Triumphzug über seine "geliebten Verwandten" auf der Ehrentribüne mitverfolgen mus... äh... durfte. Zumindest für seinen Sohn dürfte der Triumphzug nach römischer Sitte tödlich ausgegangen sein.
 
Nagut, was ich glaube, ist eben nicht relevant.Aber ich verstehe nicht, wie ein Mann, der Verantwortung für eine Menge Leute und einen Lindwurm von 20 km einfach aufgrund einer Aufstandsbehauptung vom Weg abweicht. Was eben sein könnte:er glaubte einfach an die Unwiderstehlichkeit römischer Truppen. Ich verstehe trotzdem nicht, aber möchte diesen Punkt auch nicht weiter verfolgen.
 
Nagut, was ich glaube, ist eben nicht relevant.Aber ich verstehe nicht, wie ein Mann, der Verantwortung für eine Menge Leute und einen Lindwurm von 20 km einfach aufgrund einer Aufstandsbehauptung vom Weg abweicht. Was eben sein könnte:er glaubte einfach an die Unwiderstehlichkeit römischer Truppen. Ich verstehe trotzdem nicht, aber möchte diesen Punkt auch nicht weiter verfolgen.
Das zu versteht sollte eigentlich kein so großes Problem sein.
Drei römische Legionen zu Beginn der Kaiserzeit sind schon ein mächtiges "militärisches Werkzeug" gewesen. Technisch gesehen waren die germanischen Krieger in offenem Felde im Prinzip machtlos. Desweiteren war es die Aufgabe des Varus für "Ruhe" in Germanien zu sorgen.

Was hätte der Kaiser gesagt, wäre Varus zurückgeschreckt?

Zudem können wir nicht sicher wissen was Varus annahm, wie er informiert war und welche Schlüssel er daraus zog.
In der Nachschau den Stab zu brechen wird der Sache nicht gerecht.
Varus wird nicht umsonst nach Germanien geschickt worden sein und er war ja ein erfahrener Statthalter.
 
Man kann sogar davon ausgehen dass es nicht nur eine "Aufstandsbehauptung" war, sondern ein tatsächlicher Aufstand. Im Bereich der sorgfältig gestellten Falle war sicherlich jeder römische Militärposten ausgeschaltet worden, die Möglichkeit einer Entsetzung durch andere römische Einheiten ebenso.
Was Varus und der Militärapparat nicht wussten, nicht ahnten, war dass der Aufstand von den Verbündeten ausging.

Und Varus ging von einer seit Jahren befriedeten Provinz aus.
 
Man kann sogar davon ausgehen dass es nicht nur eine "Aufstandsbehauptung" war, sondern ein tatsächlicher Aufstand. Im Bereich der sorgfältig gestellten Falle war sicherlich jeder römische Militärposten ausgeschaltet worden, die Möglichkeit einer Entsetzung durch andere römische Einheiten ebenso.
Was Varus und der Militärapparat nicht wussten, nicht ahnten, war dass der Aufstand von den Verbündeten ausging.

Und Varus ging von einer seit Jahren befriedeten Provinz aus.
Das setzt natürlich voraus, dass man Cassius' Darstellung folgt, bei den anderen Autoren gibt es keinen Zug zu irgendeinem "entfernten" Aufstand.
 
Das Problem ist: Tacitus' Bericht von der Varusschlacht ist, obwohl es ja eigentlich kein Bericht von der Schlacht ist, sondern einer von der Begehung des Schlachtfeldes sechs Jahre später, eigentlich der ausführliichste - außer natürlich der von Cassius Dio, der noch viel ausführlicher ist, aber eben über erhebliches Sondergut verfügt, über das 200 Jahre niemand etwas weiß.
Das ständige Wiederholen macht diese Aussage nicht besser.

Daher wiederhole auch ich mich:

Diese Aussage könnte so getätigt werden, wenn die gesamte kaiserzeitliche Geschichtsschreibung erhalten wäre. Dann könnten wir nachprüfen und allenfalls feststellen, dass das, was Cassius Dio schrieb, vor ihm niemand geschrieben hatte.
Aber leider ist der größte Teil verloren. Wir wissen somit nicht, was wer vor Cassius wusste und schrieb.
Was wir haben, sind Velleius (der zur Varusschlacht nur einen "Teaser" zum versprochenen eigenständigen Werk bietet, aber keinen vollwertigen Schlachtbericht), Tacitus (der nicht die Schlacht schildert, sondern die Fundsituation am Schlachtfeld) und Florus (mit seiner völlig abweichenden Darstellung, die mehrheitlich verworfen wird). Der älteste erhaltene Schlachtbericht ist somit der von Cassius Dio. Alle anderen echten Schlachtberichte aus der Zeit vor ihm sind verloren.

Somit können wir gar nicht wissen, ob Cassius wirklich Dinge schrieb, die vor ihm niemand gewusst/geschrieben hatte, weil wir nicht wissen, was die zahlreichen verlorenen Autoren geschrieben hatten.
 
Diese Aussage könnte so getätigt werden, wenn die gesamte kaiserzeitliche Geschichtsschreibung erhalten wäre. Dann könnten wir nachprüfen und allenfalls feststellen, dass das, was Cassius Dio schrieb, vor ihm niemand geschrieben hatte.
So sehr ich das Bedürfnis, sich aufgrund seiner vermeintlichen Ausführlichkeit an Cassius Dio zu klammern, psychologisch nachvollziehen kann, ist doch längst hinreichend belegt, dass er als Quelle wenig zuverlässig ist.
Wir erinnern uns:
  • Legolas-Germanen die im stürmischen Wald schießen können gegen Slapstickrömer aus Blei, die gegen Bäume oder einander laufen.
  • Bei der Erzählung der Abendgesellschaft wird Segestes durch Segimer ersetzt, der ursprüngliche Sinn der Erzählung (Varus wird vor Amrinius gewarnt) fällt weg
  • auch andere Stellen sind unzuverlässig: der schwimmende Caesar, der seine Papiere trocken an Bord bringt - den hat zwar Sueton schon, aber die Geschichten unterschieden sich fundamental voneinander, obwohl es sich um dasselber Ereignis handelt - und erst Recht von der Version im Corpus Caesarum, die zwar vom schwimmenden Caesar weiß, aber nix von Papieren.
  • eine Heldentat, die Caesar sellbst Labienus zuschreibt, schreibt Cassius Dio Caesar zu

Die Erfahrung lehrt, dass, je weniger Zeitzeugen noch widersprechen können, desto blumiger ausgeschmückt wird. Narratio simplicior verior.
und es ist und bleibt so: mehrere dieser Stellen sind mit der Physik als Naturwissenschaft nicht vereinbar.
 
Dass Varus im Vorfeld der Schlacht Truppenteile detachiert habe, ist aber nichts, was physikalisch unmöglich ist.

Ja, ich weiß, dass Tacitus von einem "Drei-Legionen-Lager" schrieb. Aber wenn man seine Worte so auf die Goldwaage legt und aus ihnen ableitet, dass die drei Legionen jedenfalls komplett vollzählig gewesen sein müssen, müsste man annehmen, dass die von Velleius erwähnten zusätzlichen Alen und Kohorten wundersamerweise verschwunden waren, da Tacitus (der doch so präzise sei) sie nicht erwähnte. (Oder dass Velleius' Angabe falsch ist.)

Im Übrigen besteht natürlich die Möglichkeit, dass die von Varus entsendeten Truppen gar nicht den drei Legionen entnommen waren. (Das halte ich sogar für am wahrscheinlichsten.)
 
Freut mich, daß Bewegung in der Sache festzustellen ist. Bitte nehmt es nicht übel, wenn ich jetzt erstmal lese...und von euren Texten profitiere
 
Dass Varus im Vorfeld der Schlacht Truppenteile detachiert habe, ist aber nichts, was physikalisch unmöglich ist.

Ja, ich weiß, dass Tacitus von einem "Drei-Legionen-Lager" schrieb. Aber wenn man seine Worte so auf die Goldwaage legt und aus ihnen ableitet, dass die drei Legionen jedenfalls komplett vollzählig gewesen sein müssen, müsste man annehmen, dass die von Velleius erwähnten zusätzlichen Alen und Kohorten wundersamerweise verschwunden waren, da Tacitus (der doch so präzise sei) sie nicht erwähnte. (Oder dass Velleius' Angabe falsch ist.)

Im Übrigen besteht natürlich die Möglichkeit, dass die von Varus entsendeten Truppen gar nicht den drei Legionen entnommen waren. (Das halte ich sogar für am wahrscheinlichsten.)
Das verstehe ich jetzt nicht ganz, wie meinst Du das? Welche von Varus entsendeten Truppen? Habe ich hier irgendwas nicht verstanden?
 
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