Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Dass die Niederwerfung des rechtsrheinischen Germaniend im Zuge des immensum Bellums einige Jahre dauerte, muss nicht unbedingt auf heftige Kämpfe deuten.

Als alternative Erklärung bietete sich die dezentrale Besiedlung an.
Während Gebietskämpfe in Gallien oder sonstwo im Mittelmeerraum zu einem großen Teil Kämpfe um (Haupt-)Städte waren, ging das in Germanien kaum.

Diplomatie gehört zur Unterwerfung dazu. Auch diplomatische Beziehungen zu Stämmen mit mehreren an unterschiedlichen Orten wohnenden Fürsten dürften mühselig gewesen sein.

Ist eben nicht so wie bei Cäsar in Gallien gewesen, der "nur" ein Oppidum einnehmen musste.
 
Ist eben nicht so wie bei Cäsar in Gallien gewesen, der "nur" ein Oppidum einnehmen musste.
Ich denke, dass die Eroberung Germaniens unter Drusus zunächst eine Erschließung, eine Militäroperation war. Die germanischen Stämme werden gar nicht so feindlich reagiert haben: Die Militäroperationen erfolgten auf den Flüssrn, über die Flüsse, es war keine Eroberung.

Das Ziel war ja nicht die Unterwerfung und Vernichtung der Bevölkerung, man wollte loyale und romtreue Gefolgsleute und spätere Steuerzahler gewinnen.

Dies ist nicht zu vergleichen mit der Kriegsführung Cäsars in Gallien, die in Durchführung und Ergebnis eher Völkermord ist.

Der "Immensum Bellum" war immens vor allem im Aufwand, in der Zahl der eingesetzten Legionen, in den Flottenoperationen und vor allem aufwendig in der Logistik und in den Kosten.
 
Das Ziel war ja nicht die Unterwerfung und Vernichtung der Bevölkerung, man wollte loyale und romtreue Gefolgsleute und spätere Steuerzahler gewinnen.

Dies ist nicht zu vergleichen mit der Kriegsführung Cäsars in Gallien, die in Durchführung und Ergebnis eher Völkermord ist.
Das sehe ich nicht so. Auch Caesar fiel nicht mit der Absicht in Gallien ein, die Gallier auszurotten, und auch er vernichtete nicht einfach alles, was ihm vor die Legionen kam.

Caesar versuchte, Rom (bzw. sich) als Ordnungsmacht in Gallien zu etablieren und die Gallier in ein Abhängigkeitsverhältnis zu bringen und so allmählich ins römische Herrschaftssystem zu integrieren. (Ihre innere Autonomie behielten sie zunächst meist.) Akzeptierten Stämme das - gut. Begehrten sie auf oder verhielten sie sich nicht wie von Caesar verlangt - dann schlug er zu. Früher oder später (spätestens im Vercingetorix-Aufstand) begehrten aber fast alle auf und wurden niedergeworfen.

Auch viele gallische Stämme (wie die Haeduer) oder auch einzelne Potentaten reagierten anfangs nicht feindlich auf Caesar. Manche sahen in ihm die Chance, sich mit römischer Hilfe gegen ihre Feinde zu behaupten oder auch den eigenen Einfluss auszudehnen. Aber irgendwann dämmerte fast allen, dass Caesar kein uneigennütziger Helfer war, sondern gekommen war, um zu bleiben, und sich die Römer auch nicht mit einer losen Hegemonie zufriedengaben, sondern es mit der Freiheit der Gallier über kurz oder lang vorbei sein würde.

Insofern sehe ich keinen echten Unterschied zu Germanien - abgesehen vom Ausgang natürlich. Die Gallier blieben unter römischer Herrschaft, die rechtsrheinischen Germanen nicht. Die Entwicklung, die in Gallien vollzogen wurde, wurde in Germanien abgebrochen.
 
Ich gebe zu, ich habe im letzten Beitrag wild spekuliert.
Wir haben spärliche Angaben in den Quellen, in den letzten Jahrzehnten aber auch den archäologischen Nachweis einiger drususzeitlicher Lager.

Beides lässt auf bestimmte Strategien schließen, aber auch Kosten und Aufwand werden ersichtlich.
Du hast also keineswegs wild spekuliert. Wir müssen nur immer fragen, ob die Basis der Befunde solche Schlußfolgerungen erlaubt.

Mein Ansatz war etwas ketzerisch: Da werden Schiffe zusammengebaut, ganze Flotten, Militäroperationen über mehrere Flußsysteme und riesige Entfernungen durchgeführt.

Und das alles kostet immens viel Geld, ohne dass ein Ertrag ersichtlich ist.

Steuereinnahmen werden wenig gewesen sein, allem germanischen Murren zum Trotz, und blondes Frauenhaar und germanische Sklaven sind vielleicht auch nicht so ertragreich.

Oder ist dieses ganze Heer nicht auch ein Teil der Konsolidierung der Herrschaft des augusteischen Kaiserhauses? Eine innenpolitisch gewichtige Hausmacht, um aufgrund der Erfahrungen des Bürgerkriegs eine militärische Konkurrenz im Inneren von vornherein aussichtslos zu machen?
 
Steuereinnahmen werden wenig gewesen sein, allem germanischen Murren zum Trotz, und blondes Frauenhaar und germanische Sklaven sind vielleicht auch nicht so ertragreich.
Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Was gabs denn so an erstrebenswerten Reichtümern in Germanien? War da überhaupt nennenswert was?
Ausser ne Bleimine bei Brilon(Sauerland, NRW) und weitere römische Schürfaktivitäten nahe des Drachenfelses am Rhein ist mir nichts bekannt.

Aus Gallien bezog man meines Wissens Holz und Weizen. Gallien dürfte von Beidem genug gehabt haben, als dass man noch Germanien brauchte.


Oder ist dieses ganze Heer nicht auch ein Teil der Konsolidierung der Herrschaft des augusteischen Kaiserhauses?
Finde ich spontan einleuchtender. Erobern des Machtgedanken willens.
war alles Sondervermögen.
Kann deinen schippischen Kommentar nachvollziehen, aber lasst uns Politik hier raushalten.
 
Germanien hätte einen bedeutenden Beitrag zur Sicherung der landwirtschaftlichen Produktion bedeutet. Große Lößflächen in der Wetterau (dort ja dann auch genutzt), Amöneburger Becken, Warburger Börde, und auch nördlich des Harzes, auch fruchtbare Schwarzerdeböden. Blei (und wo Blei ist, ist auch Silber), jede Menge Eisenerz.

Aber es gab keine städtische Infrastruktur, keine städtischen und profitorientiert ("marktwirtschaftlich") investierenden einheimischen Eliten. Latifundien mit Bewirtschaftung durch Sklaven sind dort nicht vorstellbar.
 
Germanien hätte einen bedeutenden Beitrag zur Sicherung der landwirtschaftlichen Produktion bedeutet. Große Lößflächen in der Wetterau (dort ja dann auch genutzt), Amöneburger Becken, Warburger Börde, und auch nördlich des Harzes, auch fruchtbare Schwarzerdeböden. Blei (und wo Blei ist, ist auch Silber), jede Menge Eisenerz.

Aber es gab keine städtische Infrastruktur, keine städtischen und profitorientiert ("marktwirtschaftlich") investierenden einheimischen Eliten. Latifundien mit Bewirtschaftung durch Sklaven sind dort nicht vorstellbar.
Ja, in der Tat, hier war sozusagen noch eine "wirtschaftliche Erschließung" notwendig. Außerhalb der Mittelgebirgsregionen gab es vielfach gute
Bedingungen zur Agrarproduktion. Auch Main, Lahn, Sieg und Lippe boten ja Wege ins Landesinnere an.
 
Neben der Ausdehnung des eigenen Machtbereiches aus purem Selbstzweck, mögen wirtschaftspolitische Gründe eine Rolle gespielt haben. Ähnlich wie heute, hätte die Ausdehnung des eigenen Macht- und Einflussbereiches neue Absatzmärkte für römische Güter erschlossen, die in Naturalien oder anderer Art, z.B. durch Arbeitskräfte oder Söldner für die römische Armee, bezahlt worden wären.
 
Marktbreit wird nicht der östlichste Standort am Main gewesen sein. Und was wir, vom jetzigen Deutschland aus betrachtend, schnell außer Acht lassen: Der römische Einfluß und das Interesse erstreckten sich später bis in das Gebiet der Markomannen, also eine Erschließung vom Donauraum aus.

Aber selbst wenn die Einheimischen den Römern die ganze Germania geschenkt hätten: Wie hätten sie es verwalten und beherrschen können? Eine riesige Landmasse.
 
Aber selbst wenn die Einheimischen den Römern die ganze Germania geschenkt hätten: Wie hätten sie es verwalten und beherrschen können? Eine riesige Landmasse.
Nun, da sehe ich weniger Probleme, Teile der Mittelgebirge werden eh wenig bewohnt gewesen sein, wenn man sich auf die wichtigen Regionen konzentriert, so denke ich mal, wird das schon funktionieren.

Aber dazu eine Frage:
Wie sind denn die Verhältnisse auf der iberischen Halbinsel damals gewesen? Waren dort die Verkehrsverhältnisse in Teilen nicht auch schlecht?
 
Ja. Bevor @El Quijote und @Carolus aufgrund viel besserer Kenntnis es gut erläutern können:
Die römische Eroberung und wirtschaftliche Erschließung der iberischen Halbinsel erfolgte über einen viel längeren Zeitraum (220 v. Chr. bis 19 v. Chr.), und das in einer Region, die im Nordosten von Keltiberern, im atlantischen Südwesten und westlichen Mittelmeerraum von den Karthagern wirtschaftlich erschlossen worden war.
Olivenöl, Fisch, Garum: Das war schon bedeutend genug. Enorm war aber der Gewinn aus den Blei- und Silberminen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Gibt es denn Berichte über Nahrungsmittelknappheit aus augustäischer Zeit?

Ich hatte den Eindruck, das Kerngebiet des römischen Reiches war zu der Zeit gut versorgt.

Nichtmal während der Wirren der Bürgerkriege während der Übergangsphase von Republik zum ersten Kaiser Augustus scheint es Hungersnöte gegeben zu haben, zumindest weiß ich von keinen(Aber hier gibts Leute, die sich besser als ich auskennen).

Ich habe (ohne es sachlich begründen zu können) eher so den Eindruck, Drusus/Tiberius/Germanicus/Augustus kamen aus reinem Eroberungswillen und dem damit einhergenden Prestige nach Germanien.
Auch bei den nachfolgenden Kaisern war es ja so, dass man irgendwelche militärischen Erfolge vorweisen musste.

Deswegen landete Claudius in Britannien und Nero wurden seine mangelnden militärische Erfolge wohl vorgehalten.

Auch ein Crassus marschierte meinem Wissensstand in Parthien ein, um durch Eroberung Prestige zu gewinnen.

Und nicht zuletzt wurden Leute sogar Kaiser, gerade weil sie militärische Erfolge hatten. Vespasian fällt mir da ein.

Militärische Erfolge waren wohl eine Art Status-und-Prestigesymbol.
 
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Germanien hätte einen bedeutenden Beitrag zur Sicherung der landwirtschaftlichen Produktion bedeutet.
Die germanischen Stämme haben über Subsistenzwirtschaft hinaus wenig Interesse an Ackerbau gezeigt, laut Germanica waren doch auch Gebiete zwischen einzelnen Stämmen Ödland, das sehr kleine Rindvieh wurde in die Wälder gejagt, auch nicht sonderlich ertragreich.
Germanien war eben, im Gegensatz zu Gallien, 3. Welt, sprich völlig unterentwickelt.
Blühende Provinzen erschaffen, ja mit viel Zeit und noch mehr Kapital.
Wozu also Germanien? Eventuell Verkürzung der Grenze durch die Elbelinie.
 
Die Getreideversorgung war Sache des Augustus, der Zustimmung durch Sicherung der Grundbedürfnisse der städtischen Bevölkerung erreichen wollte.
In Wikipedia: "Der praefectus annonae zählte nicht zum Magistrat, sondern war extra ordinem utilitatis causa constitutus mit vom Kaiser verliehener richterlicher Gewalt und Berufung an den Kaiser."

Augustus hatte primäres wirtschaftliches Interesse an preiswerter und sicherer Getreideversorgung.

Letzten Endes wissen wir nicht, was die Antriebsfeder für die Expansion des römischen Reiches nach Germanien war, wir haben nur einige mögliche Gründe genannt.

"Arrondierung des Herrschaftsbereichs" ist sicherlich eine ausreichende Begründung.
 
Letzten Endes wissen wir nicht, was die Antriebsfeder für die Expansion des römischen Reiches nach Germanien war
Aber Feldzüge müssen doch irgendwie öffentlich begründet worden sein?
Da muss es doch Quellen geben?

Sicherlich waren die öffentlichen Begründungen oft erstunken und erlogen. Cäsar erfand einen Grund für den Gallienfeldzug, Claudius sicherlich auch für die Britannieninvasion.

Auch sonst waren die öffentlichen "Nachrichten" wohl viel Propaganga, Germanicus' Unentschieden wurde mit einem Triumphzug der Öffentlichkeit als Sieg präsentiert.

Dennoch: Aus den Propagandagründen für Krieg kann man vielleicht auch die wahren Gründe ablesen.

Es muss öffentliche Begründungen für jeden grösseren Feldzug gegeben haben.
Das geht gar nicht anders, irgendwas muss man der Bevölkerung sagen.

Und es muss irgendeine Begründung für die Germanien-Kriege gegeben haben.
Grenzsicherung. Die germanischen Kimbern & Teutonen waren 100 Jahre vor Augustus' Kaiserzeit nach Italien vorgedrungen und sie waren die letzten Eindringlinge ins italische Kerngebiet zu Agustus zeiten, da könnte sich so eine Art "Ur-Angst" gegen Germanen in der Bevölkerung breit gemacht haben.
Ein Drusus oder Augustus könnte das als Kriegsgrund genutzt haben.
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Offen gesagt: Einen Krieg ohne öffentlich kommunzierten Grund kenne ich nicht.
Auch die Soldaten müssen ja irgendeinen Grund genannt bekommen, egal ob wahr oder erlogen.
 
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Ich habe (ohne es sachlich begründen zu können) eher so den Eindruck, Drusus/Tiberius/Germanicus/Augustus kamen aus reinem Eroberungswillen und dem damit einhergenden Prestige nach Germanien.
Wäre es um "reinen Eroberungswillen" gegangen, wäre Britannien das primäre Ziel gewesen. Augustus plante in der Tat mehrmals eine Invasion, aber bekanntlich kam es unter ihm nie dazu. Hier galt es zu Ende zu bringen, was sein Adoptivvater mit wenig Erfolg begonnen hatte, und es gab auch eine entsprechende Erwartungshaltung in Rom.

Die Expansion nach Germanien wurde notwendig zur Sicherung Galliens gegen Einfälle, siehe Lollius.

Bei allen Spekulationen zu wirtschaftlichen Interessen stellt sich doch die Frage, wie viel die Römer denn zu Kriegsbeginn überhaupt über die wirtschaftlichen Möglichkeiten Germaniens wussten.
 
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