Slawen von der Zeitenwende bis zum 8./9. Jh.

Bei Herwig Wolfram, Das Römerreich und seine Germanen, Wien/Köln/Weimar 2018, S. 414ff liest es sich so:

. Unter der im Lande gebliebenen bäuerlichen Bevölkerung setzte es sich danach einfach durch, Slawe zu sein.​
Ich denke, der Nature-Artikel deutet darauf hin, dass das Gros der Bevölkerung eben nicht im Lande gebliebene Bauern waren, die zu Slawen wurden, sondern dass es sich im Allgemeinen um von außen zugezogene Leute handelte.
 
(wirklich nicht leicht zu lesen...!) was meinst du: bestätigt das, was z.B. bei Wolfram (das Reich und die Germanen) kurz als "slawische Alternative" (peu a peu "einsickern" slawische Bevölkerung ohne Warlords etc) erwähnt, oder bringt das ein anderes Bild der slawischen Landnahme?

Es gibt Unklarheiten:

SP ancestry spread to many directions from the sixth century onwards. Yet we can only detect it when the immigrants stopped cremating their dead at different stages between the eighth and tenth centuries. Only few early inhumation burials (for example, Velim and Gródek) provide insights in line with more recent sites. Consequently, it remains unclear whether most of the SP ancestry arrived in a single pulse or over a prolonged time span. As described in previous publications27, our results indicate that sporadic individual percolation from Eastern Europe into the Balkans preceded (and potentially succeeded) any large-scale movements, pointing to long-term mobility accompanying the sixth and seventh century demographic transformation. To what extent the previous population disappeared, continued to live alongside the newcomers or mixed with them depended on the region69,70,71.​

(aus Nature - Hervorhebung in Fett durch mich)

Das erste Problem ist die Datenerhebung: DNA kann nur dann gefunden werden, wenn die Toten nicht verbrannt werden. Das war erst ab dem Zeitraum zwischen 8. und 10. Jhdt. der Fall. Es gibt nur wenige Ausnahmen mit einer frühen Erdbestattungen, wie Velim und Gródek.

Und es bleibt unklar, ob es eine große Einwanderungswelle gab oder ob die Einwanderung über einen langen Zeitraum stattfand.

Aber ich vestehe nicht so richtig, was damit zum Ausdruck gebracht werden soll: man könnte doch unabhängig, ob Erd- oder Feuerbestattung vorliegt, anhand der archäologischen Befunde und Funde doch eine kulturelle Zuordnung vornehmen. Es müßte doch eigentlich in den Hinterlassenschaften Hinweise darauf, ob es sich schon um Slawen oder noch um Germanen handelt. Nach dem, was ich im Text gelesen habe, haben die Germanen ihre Toten erdbestattet.




Bemerkenswert ist, dass die Migration nicht auf Eroberung und militärischer Dominanz beruhte. Statt Armeen und Herrschaftseliten bildeten die Neuankömmlinge flexible Gemeinschaften, die oft um große Familienverbände organisiert waren.​
"Anstatt dass ein einziges Volk geschlossen migrierte, war die slawische Expansion kein monolithisches Ereignis", sagt Zuzana Hofmanová von der Masaryk-Universität in Brno (Brünn), "sondern ein Mosaik unterschiedlicher Gruppen, die sich jeweils auf ihre Weise anpassten und vermischten – was nahelegt, dass es nie nur eine 'slawische' Identität gab, sondern viele."​
(aus dem o. g. Artikel des MDR)


Eine Eroberung der späteren slawischen Gebiete wäre nicht notwendig gewesen, wenn da niemand oder kaum jemand noch gelebt hätte:

However, our results agree with the drastic break between the preceding Germanic material culture and that of the Early SP, probably after an intermediate phase of scarce settlement in most of the Northwestern Slavic area after the mid-sixth century69,70,71,72,73,74,75, and disagree with the model of a Slavicisation of the existing population.​

(aus Nature - Hervorhebung in Fett durch mich)

Die slawischen Neuankömmlinge in Polen und Ostdeutschland wären dann in fast siedlungsleere Bereiche eingewandert, gewissermaßen "Raum ohne Volk", um den alten Begriff einmal umzudrehen.

Wie weit dieser Bereich in Ostmitteleuropa wirklich entvölkert war, ist eine andere Frage. Das germanische Siedlungsgebiet reichte im Osten bis zur Weichsel. Dann müßte es in der Spätantike in etzwa so zwischen etwa Elbe/Saale und Weichsel eine Bevölkerungsvakuum gegeben haben, bevor dann später die Slawen sich in diesem Vakuum niedergelassen haben. Da müßte sich doch archäologisch auch nachweisen lassen, dass niemand oder kaum jemand dort lebte. Und auch die Archäobotanik hat doch bestimmt auch Erkenntnisse. Vor einiger Zeit hatten wir in einem anderen Thread über die Situation in Südwestdeutschland gesprochen, als in den Jahrzehnten vor Christi Geburt dort auch ein Siedlungsabbruch stattfand, der nachzuweisen war.


Hier noch einige weitere Artikel zu dem Thema, die auf der Arbeit in Nature beruhen:




 
Aber ich vestehe nicht so richtig, was damit zum Ausdruck gebracht werden soll: man könnte doch unabhängig, ob Erd- oder Feuerbestattung vorliegt, anhand der archäologischen Befunde und Funde doch eine kulturelle Zuordnung vornehmen. Es müßte doch eigentlich in den Hinterlassenschaften Hinweise darauf, ob es sich schon um Slawen oder noch um Germanen handelt. Nach dem, was ich im Text gelesen habe, haben die Germanen ihre Toten erdbestattet.
Brandbestattung lässt die DNA verschwinden. Bei Artefakten kann immer der Einwand kommen, die könnten von der ursprünglichen Bevölkerung aus fremden Gegenden übernommen worden sein.
 
Das erste Problem ist die Datenerhebung: DNA kann nur dann gefunden werden, wenn die Toten nicht verbrannt werden. Das war erst ab dem Zeitraum zwischen 8. und 10. Jhdt. der Fall
Das hat mich auch verwundert, denn zugleich wird für die Zeit ab Mitte 6.Jh. gesagt:
Für Mitteldeutschland östlich der Elbe-Saale-Linie lässt sich nach dem Untergang des Königreichs der Thüringer in Folge der Schlacht an der Unstrut 531 gegen die Franken ein slawischer Abstammungsanteil von etwa 85 % nachweisen.
(aus dem verlinkten idw-Artikel)
Bezogen auf das Wolframzitat zur slawischen Alternative (danke @Sepiola ) kann der verbliebene Bevölkerungsanteil, bei dem es sich durchsetzte, slawisch zu werden, nur eine demografische Minorität gewesen sein, sofern es signifikante genetische Unterschiede zwischen "slawisch" und "germanisch" geben sollte.
 
Das hat mich auch verwundert, denn zugleich wird für die Zeit ab Mitte 6.Jh. gesagt:

In Nature steht:

Remarkably, the Slavic population buried in Eastern Germany in the late tenth to twelfth century, nearly four centuries after the first Slavic groups settled in the wider region, had little genetic exchange with the neighbouring Thuringian population, although archaeological finds demonstrate regular interactions between these groups.​

Danach gab es eine Erdbestattungskultur in Ostdeutschland im späten 10. bis 12. Jhdt., aber die Besiedlung begann vier Jahrhunderte früher.


Bezogen auf das Wolframzitat zur slawischen Alternative (danke @Sepiola ) kann der verbliebene Bevölkerungsanteil, bei dem es sich durchsetzte, slawisch zu werden, nur eine demografische Minorität gewesen sein, sofern es signifikante genetische Unterschiede zwischen "slawisch" und "germanisch" geben sollte.

Nach meinem Verständnis gibt es genetische Unterschiede zwischen der germanischen und slawischen Bevölkerung. Zwar gibt es keine slawische oder germanische DNA, aber die Zusammensetzung der DNA aufgrund der Vorfahren hat wohl eine unterscheidbare Art "Signatur" bei den verschiedenen Bevölkerungen.
 
Ich möchte zunächst betonen, dass diese Studie nur ein Puzzleteil ist und das große Bild, wie die Besiedlung Ostmitteleuropas im Frühmittelalter erfolgte, noch viele weitere archäologische und genetische Untersuchungen benötigt. Diese Veröffentlichung bestätigt den bisherigen Forschungsstand, den ich zuletzt bei Peter Heather gelesen habe. Die Slawen sickerten in kleinen Gruppen in ein siedlungsarmes bis siedlungsleeres Gebiet ein, das von den bisherigen Bewohnern verlassen worden war. Dies wurde u.a. durch Pflanzenpollenanalysen festgestellt (Landwirtschaft ließ nach, Wald nahm zu). Man darf sich die Bevölkerungsdichte in Spätantike und Frühmittelalter sowieso nicht allzu hoch vorstellen (keinesfalls mit heute vergleichbar). Zur genetischen Unterscheidung von Germanen und Slawen ist m.E. noch nicht das letzte Wort gesprochen. Im Moment werden bestimmte genetische Muster mit Slawen und andere mit Germanen in Verbindung gebracht. Man darf aber nicht vergessen, dass diese Bevölkerungsgruppen eng verwandt waren, in Osteuropa eng beieinander lebten und ein genetisches Muster kein Personalausweis ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Alte DNS kann nur aus Knochen gewonnen. Bei den Germanen herrschte während der Römischen Kaiserzeit die Brandbestattung vor. Körpergräber mit auswertbarer DNS sind die Ausnahme. Ein Beispiel für frühe Körperbestattungen sind die stark römisch beeinflussten Gräber der Haßleben-Leuna-Gruppe. Eine Minderheit der Bevölkerung Germaniens pflegte römisch inspirierte Grabsitten ohne Einäscherung dafür aber mit Charons-Pfennig.
Frühe Körpergräber in Germanien sind unzweifelthaft von römischen, teilweise auch von reiternomadischen Grabsitten inspiriert. Erst in fränkischer Zeit setzt sich die Erdbestattung mit der Christianisierung vollständig durch, auch wenn zur Zeit des Thüringer Königreichs bereits Reihergräber wie bei Franken und Alamannen üblich werden.
Auf Grund der spezifischen Bestattungssitten entsteht unzweifelhaft ein gewisser Bias bei der Auswertung, weil nur die Knochen bestimmter Bevölkerungsgruppen mit Körperbestattung berücksichtigt werden können.
 
Zuletzt bearbeitet:
Bemerkenswert ist, dass die Migration nicht auf Eroberung und militärischer Dominanz beruhte. Statt Armeen und Herrschaftseliten bildeten die Neuankömmlinge flexible Gemeinschaften, die oft um große Familienverbände organisiert waren."Anstatt dass ein einziges Volk geschlossen migrierte, war die slawische Expansion kein monolithisches Ereignis", sagt Zuzana Hofmanová von der Masaryk-Universität in Brno (Brünn), "sondern ein Mosaik unterschiedlicher Gruppen, die sich jeweils auf ihre Weise anpassten und vermischten – was nahelegt, dass es nie nur eine 'slawische' Identität gab, sondern viele."
Ich denke auch das die "große slawische Migration" nie stattgefunden hat, das sich eher im Zuge der Pest kleine flexible Schicksalsgemeinschaften aus ehemaligen Sklaven, geschlagenen Germanen, Illyrer, Pannonier, Kutiguren, Hunnen, Awaren und sogar Römer aus halb Europa mosaikartig gebildet haben, die in wenig besiedelte Gebiete zogen, weg von den Pestverseuchten Gebieten z.b. des Byzantinischen Reiches. Einige gerieten dabei unter die Herrschaft der Awaren, andere haben sich in versteckten Bergtälern oder weit nach Nordosteuropa zurückgezogen.
Sie haben sich zusammen geschlossen und vermischten und sich irgendwo niederließen wo sie dann neue Familienverbände bildeten die bis ins 8. Jhd. anwuchsen. Dabei mussten sie praktisch neu lernen wie man sich selbst versorgt und begannen mit Nachbardörfer zu handeln wo sicher noch ein paar nicht Abgewanderte siedelten. Es kommt ja immer mehr zum Vorschein das z.b. nicht alle Langobarden nach Italien abwanderten. Und so sind sicher auch in anderen Gebieten Familien geblieben.
Curta hat ja gezeigt das diese frühslawischen Kulturen gar nicht so einheitlich waren, sondern eher ein schlecht fassbares Gemisch aus vielen verschiedenen Quellen, teilweise auch zu früh datierte Kulturen und das in vielerlei Hinsicht fragwürdige Aussagen getroffen wurden.
Und weil die Byzantinisch-Fränkische Welt diese Gruppen nicht einordnen konnte, hat man sie kurzerhand Sklabene genannt, wobei noch fraglich ist wo das genau her kommt.
Christl. Chronisten wie z.b. Anonymus gaben ihnen dann neue Stammesnamen angelehnt an Landmarken um den Kirchenstreit für sich zu entscheiden. Am Ende gaben ihnen Kyrill und Method eine neue Sprache die von ihren "Fürsten" massiv gefördert wurde, um neue Reiche zu schaffen. Insofern gebe ich Zuzana Hofmanová recht, es gab nie nur eine "slawische Identität" wobei fraglich ist ob sie sich selbst als "Slawisch" ansahen. Ich denke das ist erst mit der Einführung des Kirchenslawisch entstanden.
 
Ich denke auch das die "große slawische Migration" nie stattgefunden hat, das sich eher im Zuge der Pest kleine flexible Schicksalsgemeinschaften aus ehemaligen Sklaven, geschlagenen Germanen, Illyrer, Pannonier, Kutiguren, Hunnen, Awaren und sogar Römer aus halb Europa mosaikartig gebildet haben, die in wenig besiedelte Gebiete zogen, weg von den Pestverseuchten Gebieten z.b. des Byzantinischen Reiches. Einige gerieten dabei unter die Herrschaft der Awaren, andere haben sich in versteckten Bergtälern oder weit nach Nordosteuropa zurückgezogen.
Sie haben sich zusammen geschlossen und vermischten und sich irgendwo niederließen wo sie dann neue Familienverbände bildeten die bis ins 8. Jhd. anwuchsen. Dabei mussten sie praktisch neu lernen wie man sich selbst versorgt und begannen mit Nachbardörfer zu handeln wo sicher noch ein paar nicht Abgewanderte siedelten. Es kommt ja immer mehr zum Vorschein das z.b. nicht alle Langobarden nach Italien abwanderten. Und so sind sicher auch in anderen Gebieten Familien geblieben.
Curta hat ja gezeigt das diese frühslawischen Kulturen gar nicht so einheitlich waren, sondern eher ein schlecht fassbares Gemisch aus vielen verschiedenen Quellen, teilweise auch zu früh datierte Kulturen und das in vielerlei Hinsicht fragwürdige Aussagen getroffen wurden.
Und weil die Byzantinisch-Fränkische Welt diese Gruppen nicht einordnen konnte, hat man sie kurzerhand Sklabene genannt, wobei noch fraglich ist wo das genau her kommt.
Christl. Chronisten wie z.b. Anonymus gaben ihnen dann neue Stammesnamen angelehnt an Landmarken um den Kirchenstreit für sich zu entscheiden. Am Ende gaben ihnen Kyrill und Method eine neue Sprache die von ihren "Fürsten" massiv gefördert wurde, um neue Reiche zu schaffen. Insofern gebe ich Zuzana Hofmanová recht, es gab nie nur eine "slawische Identität" wobei fraglich ist ob sie sich selbst als "Slawisch" ansahen. Ich denke das ist erst mit der Einführung des Kirchenslawisch entstanden.
Im Pseudo-Maurikios kommen die Slawen schon vor. Abgesehen davon: Woher kam die Slawische Sprache? Kyrill und Method haben sie ja letztlich "nur" verschriftlicht, aber nicht erfunden und vor allem haben sie gar nicht alle Slawen erreicht. Slawische Sprachen wurden von der Elbe bis zum Schwarzen Meer gesprochen, vom Weißen Meer bis zur Donau (und südlich davon). Eine gemeinsame slawische Mythologie gibt es auch und natürlich der Name: die Slawen sind "die Ruhmreichen", das ist eine Eigenbezeichnung, keine Fremdbezeichnung. Dass diese slawischen Gruppen bei ihrer Ausdehnung andere Gruppen absorbierten (ein Prozess, der bis ins 19. Jhdt. dauerte und in Dalmatien auf Kosten der dortigen dalmatischen Sprache (einer romanischen Sprache) ging - auch Rumänisch hat sehr viele slawische Lehnworte und gemeinsame grammatikalische Eigenschaften mit dem Balkanslawischen (namentlich dem Bulgarisch-Mazedonischen, wie etwa den hintangestellten Artikel [Artikel sind in den meisten slawischen Sprachen gar nicht vorhanden])) ist klar. (Warum die absorbierten Germanen "geschlagen" gewesen sein sollen und als einzige Gruppe so apostrophiert werden, habe ich nicht verstanden.)
 
Zuletzt bearbeitet:
das sich eher im Zuge der Pest kleine flexible Schicksalsgemeinschaften aus ehemaligen Sklaven, geschlagenen Germanen, Illyrer, Pannonier, Kutiguren, Hunnen, Awaren und sogar Römer aus halb Europa mosaikartig gebildet haben, die in wenig besiedelte Gebiete zogen, weg von den Pestverseuchten Gebieten z.b. des Byzantinischen Reiches. Einige gerieten dabei unter die Herrschaft der Awaren, andere haben sich in versteckten Bergtälern oder weit nach Nordosteuropa zurückgezogen.

Das steht im vollkommenen Widerspruch zu den Ergebnissen der Studie:

die slawische Migration erfolgte aus dem Gebiet der heutigen Ukraine, ob in mehreren Wellen oder in einem kontinuierlichen Wanderungsbewegungen Richtung Westen und Südwesten sei dahingestellt. Dort kamen sie in ein weitgehend entvölkertes Gebiet. Im Laufe der Zeit wurde die Vorbevölkerung assimiliert. Es gab gewisse Unterschiede im Umfange der Assimilierung der jeweiligen Vorbevölkerung nach Region, aber die Neuankömmlinge stellten die Mehrheit und trugen mit zwischen 65 und 93 % zu der neuen Bevölkerung bei:

we calculate using qpAdm that approximately 82 ± 1%, 83 ± 6%, 93 ± 3% and 65 ± 4% of the local gene pool in the Northwestern Balkans, Eastern Germany, Poland–Northwestern Ukraine and the Volga-Oka valley, respectively, were replaced during the SP by migrants from Eastern Europe (referred here to as ‘SP ancestry’; Methods) (Fig. 4c and Supplementary Tables 47 and 51).[...]Yet more samples are needed to assess the overall degree of genetic replacement over the larger area.
 
Ich bezweifle das Kyrill und Method die "nur" verschriftlicht haben, soweit ich weiss haben sie die Sprachen der Mährer und der Bolgaren neu gemixt und neu organisiert. Plansprachen werden ähnlich "erfunden" und entlehnen reichlich aus anderen Sprachen.
Diese Sprache brauchte vor allen Dingen gar nicht alle Slawen erreichen, das hat die Kirche mit der Einführung des Kirchenslawisch schon durchgesetzt. Ab wann und wo slawische Sprache gesprochen wird, das wissen wir doch gar nicht, solang es dafür keinen Beweis gibt und die datieren frühestens ins 8. Jhd. - leider, sonst wüssten wir mehr.
Und genauso ist es mit der Herkunft des Begriffes "Slawen" der meines Wissens zuerst als Sklabenoi bei griechisch schreibenden Chronisten auftauchte. So ist es auch mit der slawischen Mythologie die sich heraus bildete und durchaus viele Gemeinsamkeiten mit Mythologien anderer Kulturen (so wie bei Germanen auch) aufweist, aber sich auch mit der eigenen Geschichte weiter entwickelt hat, genauso wie sich die slawischen Sprachen regional weiter entwickelt haben.
Du sprichst doch auch von Slawen, oder wegen mir von Römern, Griechen, Kelten, ja sogar Ägyptern usw. warum bemängelst du dann den Begriff Germanen? Das sind alles Pauschalisierungen und keine davon ist ne einzige Gruppe. Ich finde deine Position nicht sehr neutral sondern voller Vorurteile und überholte Dogmen an denen selbst slawische Forscher inzwischen kratzen. Ich finde ein paar neue Theorien (also keine alten Ideologien) beleben die Diskussion über die Anfänge, z.b. wie groß war der Einfluss der Awaren wirklich? Unser Wissen ist da noch sehr mangelhaft.
Das steht im vollkommenen Widerspruch zu den Ergebnissen der Studie:
Ja das stimmt, das liegt wohl daran das ich glaube das die "ersetzenden Slawen" nur eine evolutionäre Weiterentwicklung der europäischen Bevölkerung sind, zumal ja auch noch ne Menge neuer Gruppen auftauchten. Das gilt übrigens nicht nur für Slawen. Würde man die gleiche Studie bei Goten vor der Völkerwanderung und den Goten nach der Völkerwanderung machen würden die sich sicher auch unterscheiden. Ich denke eine Studie reicht dafür nicht aus. Da sollte man erstmal abwarten wie sich das weiter entwickelt.
 
Ich bezweifle das Kyrill und Method die "nur" verschriftlicht haben, soweit ich weiss haben sie die Sprachen der Mährer und der Bolgaren neu gemixt und neu organisiert. Plansprachen werden ähnlich "erfunden" und entlehnen reichlich aus anderen Sprachen.
Eine erfundene Sprache versteht halt erst mal kein Mensch - außer dem Erfinder. Du musst erst mal die Leute dazu bringen, diese Sprache zu lernen. Und es ist auch heute noch so: Kein Mensch spricht eine Plansprache (Volapük, Esperanto oder was auch immer) als Muttersprache.
 
Du musst erst mal die Leute dazu bringen, diese Sprache zu lernen.
Und das klappt prima wenn man die über Gottesdienste, Kirchen und Glauben verbreitet. Und noch besser klappts wenn der Landesfürst das auch noch in jeder Hinsicht fördert um eine neue Volksidentität zu schaffen. Oder was glaubst du warum Kirchenslawisch die älteste slawische Sprache ist? Im übrigem haben Israelis das hebräisch auch neu lernen müssen und auch da spielte Glauben und die Förderung durch jüdische Organisationen eine große Rolle. Da dieses Tora-Hebräisch natürlich nicht dem 20. Jhd. angepasst war, hat man es mit reichlich Lehnworte erweitert bis es den Anforderungen einer Alltagssprache genügte.
 
Und das klappt prima wenn man die über Gottesdienste, Kirchen und Glauben verbreitet.
Andersherum wird ein Schuh draus. Um einen Glauben verbreiten und eine Kirche aufbauen zu können, wird erstmal sprachlicher Zugang zu den zu missionierenden Gesellschaften benötigt.
Und wenn sich Sprache planmäßig über Kirchen, Gottesdienste und Glauben automatisch verbrechten würden, verrat mir mal, warum sich in Westeuropa nicht Latein langfristig gegenüber den Volkrssprachen durchgesetzt hat, obwohl es doch Lithurgiesprache war?
 
Um einen Glauben verbreiten und eine Kirche aufbauen zu können, wird erstmal sprachlicher Zugang zu den zu missionierenden Gesellschaften benötigt.

Wenn die Slawen teilweise schon christlichen Glaubens sind, wovon ich im 8. Jhd. ausgehe, lernen sie den Rest allein schon durch das wiederholen von Gebeten, die einen gewissen Grundwortschatz vermitteln. Die "Neuisraelis" waren ja auch schon jüdischen Glaubens, auch wenn sie russisch, polnisch, deutsch oder englisch als Muttersprache gelernt haben. Und wenn man es genau nimmt ist das mit dem Islam genauso. Auch hier wird Arabisch über Islamschulen verbreitet und hat in Arabien die alten Sprachen vollkommen ersetzt.
Und wenn sich Sprache planmäßig über Kirchen, Gottesdienste und Glauben automatisch verbrechten würden, verrat mir mal, warum sich in Westeuropa nicht Latein langfristig gegenüber den Volkrssprachen durchgesetzt hat, obwohl es doch Lithurgiesprache war?
Hat sich doch zum Teil, nehmen wir Altfranzösisch, das hat sich aus Vulgärlatein entwickelt und wurde erst durch Pippin (glaube ich) zur Nationalsprache erhoben, was etwa zeitgleich mit Deutsch als Nationalsprache geschah. Spanisch, Portugiesisch und Italienisch sind auch aus dem Vulgärlatein hervor gegangen. Und hätte es keine Franken und Angelsachsen gegeben, würden wir vielleicht heute auch eine romanische Sprache haben.

Ich weiss nicht was mit 32 gemeint ist, aber
Zitat: "Warum die absorbierten Germanen "geschlagen" gewesen sein sollen und als einzige Gruppe so apostrophiert werden"
Hab ich irgendwo Germanen apostrophiert? Und das z.B. Vandalen, Gepiden und Ostgoten in der Justinianischen Zeit geschlagen wurden, ist ja nicht von der Hand zu weisen.

Ich seh das letztendlich wie Heine: "Ich möchte zunächst betonen, dass diese Studie nur ein Puzzleteil ist und das große Bild, wie die Besiedlung Ostmitteleuropas im Frühmittelalter erfolgte, noch viele weitere archäologische und genetische Untersuchungen benötigt. "
Ich finde diese mosaikartigen kleinen Schicksalsgemeinschaften die sich durch äußere Umstände gebildet haben und in dünn besiedelte Gebiete abwandern ist eine hervorragende Theorie die auch erklärt, warum z.B. Kroaten und Polen genetisch völlig unterschiedlich sind.
 
Wenn die Slawen teilweise schon christlichen Glaubens sind, wovon ich im 8. Jhd. ausgehe
Wie hätten sie es, ohne das ihnen jemand das Konzept des Christentums in bei ihnen gängigen Sprachen, hätte erklären können, werden sollen?

, lernen sie den Rest allein schon durch das wiederholen von Gebeten, die einen gewissen Grundwortschatz vermitteln.
Die Vorstellung halte ich für etwas optimistisch.

Was enthalten regelmäßig widerholte Gebete denn so als Wortschatz? Das "Vater unser" in moderner deutscher Sprache enthält 63 Worte, die sich darin zum Teil wiederholen, (also nehmen wir mal tatsächlich 40-50 unterschiedliche Worte an) unter denen teilweise noch abstrakte Konzepte wie "Ewigkeit" sind, die, wenn wir ehrlich sind reichlich weit von der nutzbaren Alltagspraxis wegführen.

Ich weiß nicht welche Erfahrungen du mit Sprachenlernen so hast, aber ein paar Dutzend Worte, vielleicht auch ein paar hundert, noch dazu im immer gleichen Kontext ohne aktive Anwendung, sind in jedem Fall nicht ausreichend sich darüber eine ganze Sprache zu erschließen und sie tatsächlich auch aktiv nutzen zu können.
3.000-5.000 Wörter machen vielleicht einen einigermaßen soliden Grundwortschatz aus, der übersertzt, erklärt und erlernt sich aber nicht automatisch qua Gebet.

Und wenn man es genau nimmt ist das mit dem Islam genauso. Auch hier wird Arabisch über Islamschulen verbreitet und hat in Arabien die alten Sprachen vollkommen ersetzt.
In Arabien? Eher in Ägypten, Syrien, Mesopotamien und dem Maghreb.

Im Iran, bei den Turkvölkern, in weiten Teilen Afrikas, in Pakistan, Indien, Bangladesch, Malaysia und Indonesien allerdings nicht.
Hier stellt sich also die Frage, fand die Verbreitung primär durch den Glauben statt und wenn ja, warum funktionierte das in diversen Regionen nicht oder aber lag es nicht so sehr am Glauben, sondern mehr daran, dass die Bevölkerung, die ihre früheren sprachlichen Gewohnheiten mit der Zeit ablegte, darin andere Vorteile sah, z.B. eine Aufwertung der eigenen Person oder Gruppe innerhalb des weltlichen Herrschaftssystems?

Hat sich doch zum Teil, nehmen wir Altfranzösisch, das hat sich aus Vulgärlatein entwickelt und wurde erst durch Pippin (glaube ich) zur Nationalsprache erhoben, was etwa zeitgleich mit Deutsch als Nationalsprache geschah. Spanisch, Portugiesisch und Italienisch sind auch aus dem Vulgärlatein hervor gegangen.
Also erstens mal entsprechen diese Sprachen nicht dem Lateinischen, auch wenn sie sich daraus entwickelt haben, zweitens haben sich Latein, bzw. daraus entstandene Dialekte ja bereits deutlich vor dem Christentum, in Westeuropa festgesetzt, es passierte also nicht durch das Christentum.

Viel mehr dürfte Latein sich im westlichen Europa als Lithurgiesprache durchgesetzt haben, weil dass die Sprache der römischen Kaiser war und weil es im westlichen Mittelmeerraum im Gegensatz zu den eigentlichen Ur-/Lithurgiesprachen des Christentums Hebräisch/Aramäisch/Altgriechisch verstanden wurde.

Und hätte es keine Franken und Angelsachsen gegeben, würden wir vielleicht heute auch eine romanische Sprache haben.
Was genau haben die angelnden Sachsen damit zu tun, dass in Zentraleuropa romanische Sprachen nicht übernommen wurden? Die Franken wiederrum haben ja zum Teil die romanischen Dialekte übernommen, insofern wir über das Westfrankenreich reden, inwiefern genau haben die eine Übernahme romanischer Sprachen in Zentraleuropa verhindert?

Und wie passt das These, dass sich die Lithurgiesprachen einer Religion mit der Religion automatisch verbreiten würden?

Also wenn man diese These wirklich konsequent bis zum Ende durchdeklinieren wollte, müsste daraus ja resultieren, dass alle durch das Christentum geprägten Räume, das Hebräische, Aramäische oder wenigstens das Altgriechische als die Sprachen der alten religiösen Texte angenommen hätte. Das ist offenbar nicht der Fall.
Würde man es damit nicht ganz so genau nehmen und behaupten eine eigentlich festgelegte Lithurgiesprache habe sich im Westen erst mit dem Lateinischen Verfestigt, dann müsste wenigstens dieses ja überall im auf Rom orientierten christlichen Europa, als allgemein verbreitete Volkssprache Fuß gefasst haben.
Auch das ist mit Blick auf den germanischen und westslawischen Sprachraum nicht der Fall, der romanische Sprachraum entfernte sich sogar trotz Latein als Lithurgiesprache zunhemend von seinen im Latein verhafteten sprachlichen Wurzeln.

Die These funktioniert nicht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn man von kleinen Gruppen unterschiedlicher Herkunft ausgeht und die Hälfte zuvor schon im römischen Reich lebten, so haben sie das Christentum wahrscheinlich schon dort kennengelernt. Das ehemals römischen Britannien, Gallien, Spanien und auch verschiedene Germanenreiche in Südwesteuropa waren ja ebenfalls schon christianisiert, wobei es natürlich Auslegung ist ab wann man jemand als christianisiert bezeichnen kann.
Gerade religiöse Konzepte verbreiten sich ja sehr gut wenn sie überzeugend sind.

Da der Bau von Kirchen und Klöstern gerade im 9 Jhd. erst so richtig an Fahrt gewann, gab es nunmehr auch Gelegenheit die neue Sprache zu erlernen und zu erproben, zumal mit dem Pfarrer ja auch ein Sprachkundiger vermitteln konnte. Dazu kommt ein stetig wachsender Handel. Wird schon so sein das die Menschen darin eine Aufwertung ihrer eigenen Person, ihres Geldbeutels, ihrer nationalen Identität oder ihrer weltlichen Herrschaft sahen.

Wie man weiss funktioniertes es ja auch in Europa nicht überall.
Offensichtlich weisst du nicht was Vulgärlatein ist, aber gerade am Beispiel altfranzösisch ist der Übergang von lokalen romanischen Dialekten der gallo-romanisierten Bevölkerung zum frühen Französisch wohl sehr gut zu beobachten, wobei diese Abgrenzung erst allmählich begann als sich das Frankenreich unter den Nachkommen der Herrscher aufteilte.

Das Kirchenslawisch hat genau wie andere Sprachen eine Evolution durchgemacht und sich dabei in die verschiedenen Richtungen zu lokalen Slawischen Sprachen weiter entwickelt. Auch das Slawische hat mehrere Tausend Worte aus dem Latein und von angrenzenden Sprachgebieten entlehnt. Wie sonst kam es zur Dominanz slawischer Sprachen in Gebieten wo es eigene Sprachen gab.

Zu behaupten das es die schon lange vor der Pest gab, oder das sie (z.B. als große slawische Migration) eingewandert wäre, dafür gibt es keinerlei Beweise. Slawen haben überwiegend europäische Gene als müssen ihre Vorfahren überwiegend bereits aus Europa stammen.

Aber du kannst uns gern erklären wie deiner Meinung nach die Slawische Sprache entstanden ist.
 
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