Die Abschaffung der Sklaverei durch industrielle Revolution und europäische Aufklärung

Sklaverei ist ein heterogenes Phänomen, dass mitunter ganze verschiedene Erscheinungsformen der Unfreiheit und Zwangsarbeit beschreibt.
Dass der transatlantische Sklavenhandel und der Einsatz von Sklaven in Plantagen oder Bergwerken eine besonders grausame Erscheinungsform darstellt, liegt eigentlich auf der Hand, so sollte man meinen.

Die koloniale Sklaverei wurde von Anfang an in Europa kritisiert. Eine frühe Form der Kritik an der Sklaverei in der Neuen übte des Missionars Bartholome de Las Casas.
Vor 450 Jahren - Tod des spanischen Missionars Bartolomé de Las Casas
Eine Zeit lang hielt Las Casas den transatlantischen Sklavenhandel noch für eine weniger grausame Alternative verglichen mit der Versklavung der Indianer, die er bereits früh für vollwertige Menschen hielt. Erst später erkannte er, dass auch die Afrikaner vollwertig Menschen waren und auch ihre Versklavung ein ebenso großen Unrecht darstellt.

Afonso I. wollte nicht jede Form von Unfreiheit und Zwangsarbeit im Königreich Kongo grundsätzlich in Gänze abschaffen, sondern lediglich den Verkauf von Sklaven an die europäischen Sklavenhändler verbieten. Damit wäre zumindest eine der schlimmsten Erscheinungsformen der Sklaverei abgeschafft worden.
 
ohne die europäischen Bewegungen der Aufklärung und der industriellen Revolution würde die Sklaverei als weltweite Institution noch heute bestehen.

Wer anderes behauptet, möge darlegen, welche außereuropäischen grundlegenden Bewegungen zur Abschaffung der Sklaverei (und anderer Formen institutionalisierter Formen von Unfreiheit und Zwangsarbeit) es in der Geschichte gegeben hat.
In China wurde mehrmals versucht die Sklaverei abzuschaffen, und zwar von ganz oben(Kaiser Hongwu). Einmal etwa um 1400, zu einer Zeit als China technologisch in einem Entwicklungsstadium kurz vor einer industriellen Revolution war. Der Unterschied zu Europa war, dass man genug Arbeitskräfte hatte, und auf ein Ausgreifen auf überseeische Ressourcen in grossem Massstab verzichtete, warum auch immer(Admiral Zheng He). Die europäischen Herrschaften traten Im Gegensatz zu China in einen viel stärkeren Wettbewerb, der zur Folge hatte, dass es keinen Einheitsstaat, sondern viele Imperien gab, die zunehmend um die Hegemonie im Zentraleuropa, und um Ressourcen in Übersee kämpften. Die Einzelstaaten würde ich dabei eher als Beutegemeinschaften betrachten, die durch ökonomische Teilhabe und politische Mitbestimmung Loyalität und Wohlstand und die Inklusion des Grossteils der Bevölkerung bewirkte. Sklaverei und Zwangsarbeit wurden in die globale Peripherie verlagert.
- menschliche Arbeitskraft war der wichtigste Produktionsfaktor.
Ich würde nun folglich die Arbeitskraft der Sklaven zu den natürlichen Ressourcen zählen, weil deren Leben und Gesundheit eingesetzt wurde und so von einer moralischen Sichtweise abstrahieren, die auf Freiheit und Menschenwürde rekursiert. Die Freiheit der indigenen Bevölkerung war eher etwas, das die Vordenker der Aufklärung inspirierte und in die sie ihre eigene Unfreiheit erkannten, die aber im wesentlichen eine Projektion war. Die Würde dieser Völker war etwas, das sie ethnographisch mit den Formen, Prägungen und Idealen der eigenen Eliten verglichen, und dass sie auf die etwas merkwürdige Idee einer Menschenwürde brachte, die man verleihen kann.
- es gab keine allgemeine Vorstellung von universaler Gleichheit oder Menschenwürde.
Hier wird eine Fortschrittserzählung wiederholt, die, wenn man das ganze theoretisch stärker verallgemeinert, besser mit einer Evolution von gesellschaftlicher Organisation und Systemen(funktionale Differenzierung) beschrieben wird. Durch die Gleichheit vor dem Recht werden alle inkludiert, während aber die Eliten durch ihre nun in Reichtum transformierten natürlichen Ressourcen einen hohen Grad an Statusintegration und zentraler Position in den Gesellschaften erlangen, sind die Personen ohne diesen Profit zwar vor dem Gesetz gleich, aber im ethnologischen Sinn wenig integriert.

Die Ablösung der "menschlichen Arbeitskraft als wichtigster Produktionsfaktor", war nur möglich durch ein intensives Ausgreifen auf die natürlichen Ressourcen inklusive der Sklaverei, die aber nur ein winziger Teil dieses Beutezuges ist im Vergleich mit den Entwicklungen, die man in Bezug auf andere Ressourcen sieht. Auch wenn Europa der Welt sozusagen Gleichheit und Freiheit und die Idee der Menschenwürde geschenkt hat, hat es auch einen Prozess in Gang gesetzt der fernab jeden ideellen Fortschritts unumkehrbare ökologische Konsequenzen hat.
 
Die Ablösung der "menschlichen Arbeitskraft als wichtigster Produktionsfaktor", war nur möglich durch ein intensives Ausgreifen auf die natürlichen Ressourcen inklusive der Sklaverei, die aber nur ein winziger Teil dieses Beutezuges ist im Vergleich mit den Entwicklungen, die man in Bezug auf andere Ressourcen sieht. Auch wenn Europa der Welt sozusagen Gleichheit und Freiheit und die Idee der Menschenwürde geschenkt hat, hat es auch einen Prozess in Gang gesetzt der fernab jeden ideellen Fortschritts unumkehrbare ökologische Konsequenzen hat.
Wer steckt denn hinter dem Zitat mit der Ablösung der menschlichen Arbeitskraft? Ist mit Arbeitskraft Muskelkraft gemeint? Jedenfalls sind ungefähr zwei Drittel aller Einkommen heutzutage, und so schon lange, Arbeitseinkommen.
 
- menschliche Arbeitskraft war der wichtigste Produktionsfaktor.
Ich würde schon sagen das Muskelkraft im Sinn von Leben und Gesundheit gemeint ist also Land-, Berg- und Haushaltsarbeit und nicht wissensbasierte Formen von Arbeit, die auf der Ansammlung von sozialem, ökonomischem und kulturellem Kapital(Pierre Bourdieu) beruhen. Arbeitseinkommen und Vermögen sind meiner Einschätzung nach in den Eliten nicht so eindeutig unterscheidbar, aber ich lasse mich da belehren;).
 
In China wurde mehrmals versucht die Sklaverei abzuschaffen, und zwar von ganz oben(Kaiser Hongwu). Einmal etwa um 1400, zu einer Zeit als China technologisch in einem Entwicklungsstadium kurz vor einer industriellen Revolution war.
Solche Tendenzen scheint es auch in Japan gegeben zu haben, allerdings ohne dass sich das vor der Meiji-Restauration im 19. Jahrhundert tatsächlich durchsetzte.

Der Unterschied zu Europa war, dass man genug Arbeitskräfte hatte, und auf ein Ausgreifen auf überseeische Ressourcen in grossem Massstab verzichtete, warum auch immer(Admiral Zheng He).
Ich denke man wird vermuten dürfen, weil man die Kosten scheute. Die Erschließung hätte den Bau von Handelsflotten und zu deren Schutz auch die Etablierung einer weiträumigen Seeherrschaft vorrausgesetzt.
Wozu den Aufwand betreiben, wenn es außerhalb kaum Güter gab, an denen man wirklich interessiert war, während andere Akteure, die an die chinesischen Güter heranwollten in der Regel selbst bereit waren den Schiffsraum zu stellen und damit die Kosten und Risiken zu übernehmen?

Auf große Flotten zu verzichten bedeutet zwar letztendlich auf die Chance auf Seemacht zu verzichten, aber in einem Reich, dass an Ressourcen alles was es sonst in der Umgebung gab weit übertraf und dass nie Gründe gehabt hatte sich von der See her wirklich bedroht zu sehen, mag dass sinnvoll erschienen sein, zumal es Handelswege zum indischen Subkontinent über Burma und Bengalen von den chinesischen Südprovinzen her ja auch über Land gab.
Mit der indochineischen Halbinsel bis in den Süden des heutigen Vietnam ließ sich Handel auch über den Mekong abwickeln.

Die Einzelstaaten würde ich dabei eher als Beutegemeinschaften betrachten, die durch ökonomische Teilhabe und politische Mitbestimmung Loyalität und Wohlstand und die Inklusion des Grossteils der Bevölkerung bewirkte. Sklaverei und Zwangsarbeit wurden in die globale Peripherie verlagert.
Dem würde ich für das 19. und 20. Jahrhundert zustimmen, für die frühere Phase allerdings nicht.

Die Freiheit der indigenen Bevölkerung war eher etwas, das die Vordenker der Aufklärung inspirierte und in die sie ihre eigene Unfreiheit erkannten, die aber im wesentlichen eine Projektion war. Die Würde dieser Völker war etwas, das sie ethnographisch mit den Formen, Prägungen und Idealen der eigenen Eliten verglichen, und dass sie auf die etwas merkwürdige Idee einer Menschenwürde brachte, die man verleihen kann.
Wir müssen wirklich mal von dieser ganzen "Aufklärungs"-Diskussion weg.

Stellen wir dem mal folgendes gegenüber: Weite Teile der europäischen Gesellschaften waren bis in die Spätantike Hinein Sklavenhaltergesellschaften. Ein paar Jahrhunderte später im Mittelalter waren sie es nicht mehr, bzw. die Sklaverei als Gesellschaftsform war weitgehend an den Rand gedrängt, kaum noch wahrnehmbar und hatte ihre Bedeutung verloren.

Offensichtlich fand im Übergang zwischen Antike und Mittelalter eine entsprechende Transortmation statt, ohne dass in Alteuropa die Vorstellungen der Aufklärung oder eine nennenswerte Industrialisierung zur Verfügung gestanden hätten.
Man mag jetzt argumentieren, dass an die Stelle der Sklaverei andere Formen der Unfreiheit, wie die Hörigkeit oder Leibeigenschaft traten. Dem könnte man allerdings entgegenhalten, dass auch die, zummindest in Westeuropa sich im Laufe des Mittelalters weitgehend verloren und die dezidierte Leibeigenschaft westlich der Elbe in den meisten Territorien mehr oder weniger ausstab, bevor irgendjemand von Aufklärung oder Industrialisierung etwas wusste. Außerdem könnte man dem entgegenhalten, dass es de facto Ablösung anderer Formen von Unfreiheit auch im Gefolge des förmlichen Verbots der Sklaverei zuweilen gab.
In den USA, wurde zwar in den 1860er Jahren die Sklaverei verboten, dafür wurde aber die "Rassentrennung" eingeführt die die Freiheit der Afroamerikaner de jure beschnitt, de facto wurde sie vor allem in den Südstaaten durch außergesetzliche gesellschaftliche Pressionen beschnitten und zeitgleich mit der Sklavenbefreiung und im Anschluss daran, ging man in den USA daran, den noch verbliebenen Indigenen Gruppen zunehmend ihre Freiheit zu nehmen, zum Teil sogar greifbar in räumlicher Form, dadurch dass man sie in Reservate drängte.

Hier gingen Entrechtung und Formen von Unfreiheit also erstmal relativ ungebrochen weiter.

Ähnlich scheint sich das auch in Brasilien abgespielt zu haben, wo die Sklaverei offiziell abgeschafft wurde, die Gesellschaft aber de facto weiterhin sklavereiähnliche Zustände akzeptierte.



Das ganze Herumreiten auf der Aufklärung taugt meiner Meinung nach nichts.
 
Zuletzt bearbeitet:
Stellen wir dem mal folgendes gegenüber: Weite Teile der europäischen Gesellschaften waren bis in die Spätantike Hinein Sklavenhaltergesellschaften. Ein paar Jahrhunderte später im Mittelalter waren sie es nicht mehr, bzw. die Sklaverei als Gesellschaftsform war weitgehend an den Rand gedrängt, kaum noch wahrnehmbar und hatte ihre Bedeutung verloren.

Offensichtlich fand im Übergang zwischen Antike und Mittelalter eine entsprechende Transortmation statt, ohne dass in Alteuropa die Vorstellungen der Aufklärung oder eine nennenswerte Industrialisierung zur Verfügung gestanden hätten.
im Gegensatz zu deinen Ausführungen stellt Wikipedia das ganz anders dar:
u.a. ...Verdun und Prag bieten nicht nur die bekannten festungsbaulichen und fensterstürzigenhistorischen Besonderheiten, sondern auch wenig erbauliche, langlebig florierende mittelalterliche Sklavenmärkte...

Wir müssen wirklich mal von dieser ganzen "Aufklärungs"-Diskussion weg.
Das ganze Herumreiten auf der Aufklärung taugt meiner Meinung nach nichts.
auch hier scheint das online Nachschlagewerk dir zu widersprechen:
(...) Gespeist aus christlichen wie aus aufklärerischen Überzeugungen geschah dies in immer mehr westlichen Ländern, angefangen von Portugal 1761 bis Brasilien 1888. (...)
 
u.a. ...Verdun und Prag bieten nicht nur die bekannten festungsbaulichen und fensterstürzigenhistorischen Besonderheiten, sondern auch wenig erbauliche, langlebig florierende mittelalterliche Sklavenmärkte...
Wieder etwas gelernt. Ich wusste zwar, dass auch im Hoch- und Spätmittelalter in Europa Sklaven zu finden waren—wenngleich nördlich der Donau und westlich der Karpaten nur selten—, aber ich dachte, diese seien aus dem Ausland eingeführt worden.

Eine Merkwürdigkeit, im Übrigen. Die Wikipedia schreibt selbst:
So war die Sklaverei im Hochmittelalter zwar nördlich der Alpen so gut wie verschwunden […]
Mit wem wurde da in Prag gehandelt, dass sich Sklavenmärkte als wirtschaftliche Institution rentierten? Sonst gab es sie ja, z.B. in Genua oder Ragusa, nur deshalb, weil dort regelmäßig "Nachschub" eintraf.
 
im Gegensatz zu deinen Ausführungen stellt Wikipedia das ganz anders dar:
Sehe ich nicht unbedingt. Ich bezog mich ja mit der Spätantike offensichtlich auf das römisch geprägte Europa und hier ging die Sklaverei massiv zurück.
Die Sklavenheere, die Roms Infrastruktur und Monumentalbauten errichtet und seine Latifundienwirtschaft am Laufen gehalten hatten, gab es nicht mehr, bzw. letzteres wickelte sich über den Übergang zum Villikationssystem und dessen zunehmende Ablösund durch die Feudalstrukturen mehr oder weniger ab.

In Osteuropa mag die Entwicklung zunächst in eine andere Richtung gegangen sein, aber wenn man sich mit dem Theme unfreier Arbeit an und für sich befasst, ist da die Entwicklung in Ost und West ja generell, auch später bei der Leibeigenschaft verschieden.

u.a. ...Verdun und Prag bieten nicht nur die bekannten festungsbaulichen und fensterstürzigenhistorischen Besonderheiten, sondern auch wenig erbauliche, langlebig florierende mittelalterliche Sklavenmärkte...
Widersprechen einzelne Hotspots des Sklavenhandels dem grundsätzlichen Bedeutungsverlust dieser Form von Unfreiheit in weiten Teilen Europas en gros?
auch hier scheint das online Nachschlagewerk dir zu widersprechen:
Wo habe ich dem Umstand widersprochen, dass es in Portugal oder Brasilien abolitionistische Bewegungen gegeben hätte? oder habe ich deinen Einwand falsch verstanden?
 
Mit wem wurde da in Prag gehandelt, dass sich Sklavenmärkte als wirtschaftliche Institution rentierten? Sonst gab es sie ja, z.B. in Genua oder Ragusa, nur deshalb, weil dort regelmäßig "Nachschub" eintraf.
Ich finde beim Stöbern den Zusammenhang Prags mit dem Sklavenhandel, vorwiegend um das 10. Jahrhundert herum angegeben, nicht für das Spätmittelalter und im Zusammenhang.
Eine große Bedeutung von Prag als Umschlagplatz mag in Beziehung mit dem "Slawenaufstand" und der Auseinandersetzung mit dem sich herausbildenden Reich und den slawischen Gebieten östlich im Zusammenhang stehen.
 
das scheint mir der Fall: du schiebst die Rolle der Aufklärung als bedeutungslos beiseite, das Nachschlagewerk (siehe Zitat) tut das nicht.
Dann präzisisere ich mal:

Ich möchte nicht behaupten, dass die Aufklärung nicht durchaus insofern geholfen hat, das Ende der Sklaverei salonfähig zu machen. Aus meiner Perspektive kann man sie im Hinblick auf Amerika möglicherweise als hinreichende Bedingung annehmen.

Mit Hinblick auf die faktische Anschaffung der Sklaverei überhaupt, kann sie aber keine notwendige Bedingung sein, weil dann nicht erklärbar wäre, warum sich weite Teile Europas bereits vor der Aufklärung der Sklaverei als relevanten Bestandteils des Wirtschaftslebens und der Gesellschaft, so wie auch anderer Formen der Unfreiheit, wie der Leibeigenschaft entledigen konnte.

Aus meiner Sicht ist das Mittelalterliche und frühnzeuzeitliche Nordwest-Europa Beleg dafür, dass die faktische Abschaffung ohne Aufklärung möglich war. Wenn es in Europa ohne die Aufklärung möglich war, sehe ich keinen Grund, warum es anderswo auf der Welt nicht ohne möglich hätte sein sollen.
 
Ich glaube, man muss dabei auch berücksichtigen, warum die Sklaverei (faktisch) abgeschafft wurde (oder auch nicht).

Dass es im mittelalterlichen Europa kaum Sklaverei gab, hatte (neben bereits angesprochenen wirtschaftlichen Aspekten) eben auch damit zu tun, dass das Versklaven von Christen durch Christen als verpönt galt.
Gegenüber Nichtchristen galt das nicht, weswegen im Frühmittelalter noch Slawen, ehe sie christianisiert wurden, versklavt und bis ins islamische Spanien gehandelt wurden. Oder auch noch im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit, als im Mittelmeerraum nicht nur islamische Korsaren Christen versklavten, sondern auch umgekehrt (etwa die Malteserritter).
Generell gab es interkonfessionell geringere Hemmungen. Etwa am Balkan: Wenn Byzantiner, Serben oder Bulgaren gegeneinander Krieg führten, wurde zwar eifrig geplündert, aber üblicherweise nicht versklavt (weil alle Beteiligten orthodoxe Christen waren). Wenn Türken ins byzantinische Reich einfielen, versklavten sie hingegen sehr wohl eifrig Gefangene.

Der religiös motivierten Zurückhaltung bei der Sklaverei lag aber eben keine prinzipielle Ablehnung der Sklaverei zugrunde.
Die Verbreitung der Auffassung, dass Sklaverei prinzipiell falsch und ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit sei, ist neueren Datums.
 
Mit Hinblick auf die faktische Anschaffung der Sklaverei überhaupt, kann sie aber keine notwendige Bedingung sein, weil dann nicht erklärbar wäre, warum sich weite Teile Europas bereits vor der Aufklärung der Sklaverei als relevanten Bestandteils des Wirtschaftslebens und der Gesellschaft, so wie auch anderer Formen der Unfreiheit, wie der Leibeigenschaft entledigen konnte.
...hm...
da wäre u.a. ein gewisser Guillaume Thomas François Raynal – Wikipedia über dessen Wirken sich unschwer Informationen einholen lassen. Ein gewisser Denis Diderot – Wikipedia arbeitete mit diesem zusammen. Ein online Nachschlagewerk hält die Publikation Histoire philosophique et politique des établissements et du commerce des Européens dans les deux Indes für sehr folgen- und wirkungsreich:
1770 publizierte er die erste Ausgabe seiner Histoire philosophique et politique des établissements et du commerce des Européens dans les deux Indes – das eine Indien steht für das östliche Indien oder Asien, das westliche Indien steht für die Karibik und Lateinamerika –, an der später Denis Diderot mitarbeitete.[3]Nachdem sie 1772 verboten worden war, publizierte der Abbé Raynal die Histoire de deux Indes 1774 erneut. Die neue Auflage wurde von dem Klerus sofort auf den Index gesetzt.

Die noch konsequentere dritte Auflage erschien 1780. Darin finden sich etwa 270 Einträge von Diderot, der somit Raynals „produktivster Mitarbeiter“ wurde.[4] Die drastische Schilderung des Elends, unter denen die Sklaven in den amerikanischen Plantagen leben mussten, führte zu breiter öffentlicher Empörung in Europa und stärkte den Abolitionismus. Raynal selbst sprach sich nicht für eine Abschaffung der Sklaverei aus, sondern wollte sie nur mildern und „Missbräuche“ abstellen. Er stellte sich vor, man könne die Arbeitsbedingungen der Sklaven dahingehend ändern, dass sich die Arbeit für sie lohne und sie aus eigenem Interesse arbeiteten.[5]
Das nur als ein Beispiel von vielen, welche Entfaltung aufklärerisches Gedankengut im Kontext Abschaffung der Sklaverei hatte - ich will keine lindwurmartigen Aufsätze tippen und greife exemplarisch mal nur die französische Kolonialmacht herus: mir scheinen in diesem Kontext Raynal, Diderot, die Société des Amis des Noirs *) sowie die Déclaration des Droits de l’Homme et du Citoyen **) am 26.08.1789 sowohl Folgen der Aufklärung als auch notwendige Bedingung zu deren Konsequenzen wie Abschaffung der Sklaverei zu sein. Aber vielleicht irre ich mich ja auch, und dieser ganze schöngeistige Schreibereien- und Denkereienkram war irrelevant... ;)

_____________
*) Société des Amis des Noirs – Wikipedia
**) Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte – Wikipedia
 
Der religiös motivierten Zurückhaltung bei der Sklaverei lag aber eben keine prinzipielle Ablehnung der Sklaverei zugrunde.
Sie belegt aber durchaus, dass eine prinzipielle Ablehnung und ein dezidiertes Verbot möglicherweise gar nicht notwendig ist, um von dem Modell jedenfalls so weit abzugehen, dass es für die Gesellschaft keine reale Bedeutung mehr hat.

Gleichzeitig ist es natürlich ungleich einfacher eine prinzipielle Ablehnung gegen etwas zu entwickeln, dass in der eigenen Realität kaum vorkommt und dessen Verbot somit keine im Alltag besonders stark merkbaren Konsequenzen mit sich bringt.

Man könnte an dieser Stelle ja die Frage stellen, warum sich die aufklärereischen Ideen, die die Sklaverei ablehnten zunächst in Europa entwickelten und verbreiteten, wo es de facto kaum Sklaverei gab, während das in Amerika, wo die Problematik der Sklaverei tatsächlich relevant war noch sehr viel länger eine deutliche Minderheitenmeinung blieb.

In Nordwest-Europa folgte die Idee der Abschaffung der Sklaverei eher ihrer faktischen Abschaffung, als dass es umgekehrt der Fall gewesen wäre.

Ähnliches könnte man von den USA sagen.
Der prinzipielle Abolitionismus, der sich auf die gesamten USA, nicht auf einzelne Staatslegislaturen oder Kompromissregelungen bezog wurde vor allem in den Nordstaaten stark und zwar zum Teil lange nachdem die Sklaverei dort faktisch verschwunden war, nicht in Auseinandersetzung damit innerhalb des Nordens selbst..
 
Ein meines Erachtens wichtiger Aspekt: Eine Gesellschaft, in der ein erheblicher Teil der Menschen als rechtlose Dinge angesehen wird, funktioniert in der Regel auf Dauer nicht. Deshalb verlor die Sklaverei im Verlauf des römischen Kaiserreichs allmählich an Bedeutung, und ebenso am Beginn des Hohen Mittelalters in Westeuropa.
Es gibt Ausnahmen von dieser Regel wegen spezieller Bedingungen, etwa bei einer über längere Zeit hinweg sehr hohen Zahl von Kriegsgefangenen wie in der Römischen Republik und wohl auch im Frühen Mittelalter, oder wenn die versklavte Bevölkerung vom Rest weitgehend getrennt existiert wie in den Südstaaten der USA.
 
Ein meines Erachtens wichtiger Aspekt: Eine Gesellschaft, in der ein erheblicher Teil der Menschen als rechtlose Dinge angesehen wird, funktioniert in der Regel auf Dauer nicht. Deshalb verlor die Sklaverei im Verlauf des römischen Kaiserreichs allmählich an Bedeutung, und ebenso am Beginn des Hohen Mittelalters in Westeuropa.
Ich weiß nicht. In manchen Gesellschaften hat das jahrhundertelang funktioniert.

Dass die Sklaverei in der römischen Kaiserzeit an Bedeutung verlor, dürfte eher damit zusammenhängen, dass der „Nachschub“ versiegte, weil kaum noch umfangreiche Eroberungsfeldzüge mit vielen Gefangenen durchgeführt wurden.
 
Ich weiß nicht. In manchen Gesellschaften hat das jahrhundertelang funktioniert.

Dass die Sklaverei in der römischen Kaiserzeit an Bedeutung verlor, dürfte eher damit zusammenhängen, dass der „Nachschub“ versiegte, weil kaum noch umfangreiche Eroberungsfeldzüge mit vielen Gefangenen durchgeführt wurden.
Ja, die Leute, mit denen man zusammenlebte, oder ihre Kinder, wurden irgendwann mal freigelassen.
 
Ich weiß nicht. In manchen Gesellschaften hat das jahrhundertelang funktioniert.
Nicht nur das: wo es prosperierte und zu sklavenhalterischen Eliten führte, da hielten diese sich auch gegen Widerstände zäh an der Macht. Eine der unausrottbaren Triebfedern derartiger Mechanismen ist letztlich amoralisch merkantiler Natur.
 
@dekumatland

Entschuldige bitte, daß ich vom Ton her in meinem Beitrag vom Dienstag etwas übers Ziel hinausgeschossen bin. Nein, du hattest mir nichts vorgeworfen. Ich bin eigentlich um einen sachlichen, nüchternen Ton bemüht, der hier ja auch angemessen ist. In den genannten Beitrag habe ich mehr Schärfe gelegt, als geboten war.
 
Ich glaube, man muss dabei auch berücksichtigen, warum die Sklaverei (faktisch) abgeschafft wurde (oder auch nicht).

Dass es im mittelalterlichen Europa kaum Sklaverei gab, hatte (neben bereits angesprochenen wirtschaftlichen Aspekten) eben auch damit zu tun, dass das Versklaven von Christen durch Christen als verpönt galt.
Gegenüber Nichtchristen galt das nicht, weswegen im Frühmittelalter noch Slawen, ehe sie christianisiert wurden, versklavt und bis ins islamische Spanien gehandelt wurden. Oder auch noch im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit, als im Mittelmeerraum nicht nur islamische Korsaren Christen versklavten, sondern auch umgekehrt (etwa die Malteserritter).
Generell gab es interkonfessionell geringere Hemmungen. Etwa am Balkan: Wenn Byzantiner, Serben oder Bulgaren gegeneinander Krieg führten, wurde zwar eifrig geplündert, aber üblicherweise nicht versklavt (weil alle Beteiligten orthodoxe Christen waren). Wenn Türken ins byzantinische Reich einfielen, versklavten sie hingegen sehr wohl eifrig Gefangene.

Der religiös motivierten Zurückhaltung bei der Sklaverei lag aber eben keine prinzipielle Ablehnung der Sklaverei zugrunde.
Die Verbreitung der Auffassung, dass Sklaverei prinzipiell falsch und ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit sei, ist neueren Datums.

Sie belegt aber durchaus, dass eine prinzipielle Ablehnung und ein dezidiertes Verbot möglicherweise gar nicht notwendig ist, um von dem Modell jedenfalls so weit abzugehen, dass es für die Gesellschaft keine reale Bedeutung mehr hat.

Gleichzeitig ist es natürlich ungleich einfacher eine prinzipielle Ablehnung gegen etwas zu entwickeln, dass in der eigenen Realität kaum vorkommt und dessen Verbot somit keine im Alltag besonders stark merkbaren Konsequenzen mit sich bringt.

Man könnte an dieser Stelle ja die Frage stellen, warum sich die aufklärereischen Ideen, die die Sklaverei ablehnten zunächst in Europa entwickelten und verbreiteten, wo es de facto kaum Sklaverei gab, während das in Amerika, wo die Problematik der Sklaverei tatsächlich relevant war noch sehr viel länger eine deutliche Minderheitenmeinung blieb.

In Nordwest-Europa folgte die Idee der Abschaffung der Sklaverei eher ihrer faktischen Abschaffung, als dass es umgekehrt der Fall gewesen wäre.

Ähnliches könnte man von den USA sagen.
Der prinzipielle Abolitionismus, der sich auf die gesamten USA, nicht auf einzelne Staatslegislaturen oder Kompromissregelungen bezog wurde vor allem in den Nordstaaten stark und zwar zum Teil lange nachdem die Sklaverei dort faktisch verschwunden war, nicht in Auseinandersetzung damit innerhalb des Nordens selbst..

Ravenik hat m.M schon recht, er formuliert es nur etwas zurückhaltend.
Dass es im Mittelalter im Vergleich zur Antike / Spätantike in Europa keine nennenwerte Sklaverei gegeben hat, ist nicht auf die wirtschaftlichen Gegebenheiten der Lehnsherrschaft zurückzuführen sondern hat tatsächlich religiöse Gründe. Christen durften keine Sklaven sein, und da eines der selbsterklärten Hauptziele der mittelalterlichen Kirche die Durchsetzung des christlichen Glaubens im "ganzen Abendland" war (was ihr auch beinahe restlos gelungen war), gab es eben auch keine Sklaven im ursprünglichen (antiken) Sinn. Zur Zeit der Merowinger war Sklaverei auch im lateinischen Westeuropa jedenfalls noch weit verbreitet. Im Gegensatz zu den Unfreien und Hörigen im landwirtschaftlichen Bereich, die trotz ihres Status nicht als Sklaven im eigentlich zu betrachten sind (obwohl ihr Status nicht besser war) und zu ihrem Stamm gehörten, rekrutierten sich die Haussklaven des Frühmittelalters hauptsächlich aus Sklavenhandel, Menschenraub oder Kriegszügen. Im 5. und 6. Jahrhundert waren es besonders die Auseinandersetzungen der Angelsachsen oder die Expansionszüge der Franken in das rechtsrheinische Gebiet, die regelrechte Ströme von Kriegsgefangenen auf den europäischen Sklavenmarkt brachten. Dass die Sklaverei in Privathaushalten der oberen Schichten im
Frühmittelalter nichts Ungewöhnliches darstellte, zeigt der Bericht des Bischofs Gregor von Tours über einen Kaufmann aus seiner Heimatstadt, der sächsische Sklaven besass.

Es war der Absolutheitsanspruch der Kirche - "die ganze Welt soll christlich sein - welche den mittelalterlichen Sklavenhandel unterband oder zum Mindesten marginalisierte. Die Christianisierung von Skandinavien beendete nicht nur die Wikingerzeit sondern auch den Sklaven(Slawen)-Handel deren Protagonisten. Auch im Einflussbereich der orthodoxen Kirche, in Byzanz und im Kiewer Rus, waren Sklaven vor allem Nichtchristen.

In England existierten gemäss dem Domesday Book noch im Jahr 1086 28’200 Sklaven, wobei offenbar noch nicht mal alle berücksichtig waren. In einigen Grafschaften bildeten sie bis zu 25 % der Bevölkerung. Auch Klöster, so zum Beispiel Ely Abbey, setzten Sklaven in der Landwirtschaft ein – auf den Gütern dieser Abtei lebten nach Auskunft des Domesday Book 112 unfreie Bauern, 27 Kleinbauern (bordarii), ein Priester
und 16 Sklaven.

Der Sklavenmarkt selbst wurde im frühen Hochmittelalter, im 9. und 10. Jahrhundert, noch immer von Wikingern und Juden beherrscht.
Beide verfügten über die gehörige Weltläufigkeit, die einen zur See, die anderen auf dem Landweg. Viele ihrer Kriegsgefangenen verkauften
die Wikinger in den Orient. In den islamischen Ländern nannte man die europäischen Sklaven „Saqaliba“, ein Begriff, womit in arabisch-kurdischen Quellen vermutlich die Slawen bezeichnet wurden. Da der grosse Teil der Muslime jedoch ziemlich vage Vorstellungen von den ethnischen Verhältnissen Osteuropas hatte, wurden mit „Saqaliba“ oft einfach jeder hellhäutige Mensch aus dem Norden bezeichnet.

Eine weitere bedeutende Route des Sklavenhandels begann in der Elbe-Region und verlief über Koblenz, das gemäss einem Zolltarif-Verzeichnis aus dem 11. Jahrhundert sogar vier Denare pro Sklave verlangte. Von hier aus zog sich der Weg mosel- und maasaufwärts nach Verdun, dann über die Saône und die Rhône nach Lyon und schliesslich nach Arles als Einschiffungshafen. Es waren vornehmlich jüdische Kaufleute, welche dies Sklaven in das maurische Spanien verkaufen.

Im Übrigen kennt und kannte auch der Islam "die religiös motivierte Zurückhaltung" was die Versklavung von Glaubesngenossen betrifft. Dass in den zeitgenössischen islamischen Reichen des europäischen Mittelalters die Sklavenhaltung viel verbreiteter war, hat eben mit dem erwähnten arabischen Grosshandel in den Regionen der Subsahara zu tun, deren Bevölkerung einerseits zum grossen Teil nicht muslimisch war. Erst im Spätmittelalter beteiligten sich Portugiesen und Spanier und noch später Engländer (Drake) an diesem Grosshandel. Seit dem 13. Jahrhundert waren die meisten mittelalterlichen Sklaven nicht mehr Kriegsgefangene, sondern Männer und Frauen, die in der Ferne gekauft und dann über See verhandelt wurden. Eine besondere Rolle spielte dabei der Ausbau der genuesischen, später auch der venezianischen Kolonien am Schwarzen Meer seit den 1270er und 1280er Jahren. Auf der anderen Seite erreichten die Katalanen und Portugiesen um 1450 den Anschluss an den traditionellen Sklavenmarkt Schwarzafrikas.

Im östlichen Teil des lag der Sklavenhandel in den ersten Jahrzehnten des Hochmittelalters fest in ägyptischer und byzantinischer Hand. So erlaubte ein Abkommen zwischen dem byzantinischen Kaiser Michael Palaiologos und dem Mamelukenherrscher Qala’un von 1281 nur ägyptischen Händlern die Passage durch den Bosporus, um in Südrussland Sklaven einzukaufen. Gegen Ende des 13. Jahrhunderts drängten die italienischen Handelsstädte in den Sklavenhandel, vornehmlich Genua und Venedig, deren Schiffe über den grössten Ladraum verfügten.

Wenn nun auch die Sklavenhaltung im mittelalterlichen Europa nicht sehr verbreitet war (in Byzanz, in Spanien und Süditalien etwas mehr) so war der Sklavenhandel selbst das ganze Mittelalter hindurch ein wichtiger - und eben nicht ein ubedeutender - wirtschaftlicher Faktor.

Und so gesehen war es tatsächlich die Aufklärung/franz. Revolution mit ihrem bedingungslosen Postulat der Freiheit und Gleichheit aller Menschen (unbahängig von Standes-, Religions-, Stammes- und letztendlich auch Staatszugehörigkeit), welche für die Abschaffung der Sklaverei gesorgt hat. Sie war es schliesslich auch, welche mit der (ersten) Erklärung der Menschenrechte der Sklaverei jegliche Legitimation abgesprochen hat. Und das war eine absolut neue Idee.
So wie bei der Existenz der Menschenrechte als Produkt der Aufklärung unerheblich ist, welche Potentaten, Mächte, Oligarchien, Mehrheiten etc. die Menschenrechte aktzeptier(t)en oder nicht, so ist es m.E. offensichtlich, dass für die Abschaffung der Sklaverei (als Produkt der Menschenrechte und damit der Aufklärung) ebenso unereheblich ist, unter welchen wirtschaftlichen Gegebenheiten sie durchgesetzt
werden konnte oder eben nicht. Für die Abschaffung der Sklaverei war die Aufklärung genauso verantwortlich wie die Erklärung der Menschenrechte. Und ebenso wenig wie die Menschenrechte aufgrund wirtschaftlicher Umstände "einfach so" erklärt wurden, wäre die Abschaffung der Sklaverei wohl auch nicht "einfach so", lediglich aufgrund fehlender Relevanz, geschehen.
 
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