Ein Glück das das kein Diskussionsforum ist und natürlich das Totschlagargument "Geschichtsklitterung", alles klar.
Das Argument ist nicht "Geschichtsklitterung", sondern dass ist mehr die Feststellung, dass, wenn historische Schlüsseldokumente wie die Hoßbach-Niederschrift und das Schmundt-Protokoll, die Hitlers Expansionsabsichten in Richtung Osten belegen, selbst dann, wenn man sein Geschreibsel aus "Mein Kampf" als politische Blaupause für die Expansionspolitik in Richtung Osten nicht ernst nimmt, ignoriert werden, Fakten zu Gunsten einer bestimmten Erzählung ausgeblendet werden. Und das ist dann halt unsauber bis mit Absicht verfälschend.
Ich hatte oben bereits geschrieben, dass ich die Schwarte nicht gelesen habe, sondern nur einen Vortrag des Verfassers von einer Videoplattform zu den Inhalten des Machwerks kenne, daher kann ich natürlich nur darauf rekurieren, wie er sich damals dort präsentiert hatte, nicht wie es genau in dem Buch aussieht.
Im Vortrag wurde auf die der Geschichtsschreibung seit längerem bekannten Schlüsseldokumente in keinster Weise eingegangen, dass wurde einfach links liegen gelassen und stattdessen, wurden altbekannte Narrative wieder aufgekocht, nach denen der Verzicht auf irgendeine mehrheitlich deutschsprachige Stadt in den Grenzgebieten angeblich Hitlers Friedenswillen untermauere und überhaupt der Vorschlag mit der Übergabe Danzigs an Deutschland und der Autobahn mit exterritorialem Status zwischen Pommern und Ostpreußen ja im Raum gestanden hätte, usw., wenn ich das richtig erinnere.
Das ignoriert dann halt, verschiedene historische Gegebenheiten, wie den Umstand, dass Hitler durchaus auch bereit war die deutschsprachigen Minderheiten in Elsass-Lothringen und Südtirol, wie auch zummindet etappenweise im Baltikum (vereinbarte "Aussiedlung" im Rahmen des Hitler-Stalin-Paktes) abzuschreiben, ohne dass das an seinem Fokus auf die Ost-Expansion irgendwas geändert hätte, dass Hitler sein Versprechen, Deutschland sei nach der Abtretung der "Sudetengebiete" saturiert gebrochen hatte und zwar nicht zu Gunsten der Rückgewinnung mehrheitlich deutschsprachiger Gebiete im "polnischen Korridor", sondern zu Gunsten offensichtlicher Expansionspolitik in der "Resttschechei".
Und es ignoriert eben auch die genannten Dokumente, wie auch den Inhalt des Hitler-Stalin-Paktes, der ja auch bereits eine Woche vor Ausbruch der Feindseeligkeiten Ziele in Polen vorwegnahm, die definitiv nicht mehr unter "Revisionspolitik" zu fassen sind.
Schaut man sich die und die vorrausgegangenen Verhandlungen an, in denen Hitler ja durchaus auch die deutsche Herrschaft über Litauen duchzusetzen versucht hatte (obwohl das Memel-Gebiet als einzig historisch vor 1918 zum Deutschen Reich gehördendes Territorium bereits im März 1939 von der Regierung in Kaunas an Deutschland abgetreten worden war und es in dem Land keinerlei historisch begründbare "Revisionsfälle" mehr gab), was im Grunde alles belegt, dass eine last-minute-Einigung Polens mit dem NS-Regime, deren Möglichkeit der Autor bei seinem Auftritt andeutete niemals angedacht war.
Hitlers frühere Polen-Politik in den 1930er Jahren hatte als Stoßrichtung wohl mal die Vorstellung mit Polen gegen die Sowjetunion zusammen zu arbeiten, wobei "Zusammenarbeit" in diesem Fall die Abtretung, Westpreußens zu Gunsten von Territorialverschiebungen in der Westurkaine an Polen und die faktische Unterwerfung Polens als Vasallenstaat unter deutsche Oberhoheit, samt gemeinsamem Krieg gegen die Sowjetunion hinausgelaufen wäre.
Kann sein, dass Hitler auf diesen Gedanken im Herbst 1938 nach dem "Münchner Abkommen", als es gelungen war Polen parziell in die eigene Expansionspolitik (Teschener Gebiet) einzubinden, nochmal zurückgekommen ist, aber spätestens mit der im Schmundt-Protokoll thematisierten Rede Hitlers vor den Spitzen der Wehrmacht vom 23. Mai 1939, hatte er das faktisch aufgegeben und orientierte sich auf ein militärisches Vorgehen gegen Polen hin.
Selbst wenn Warschau bereit gewesen wäre sich in Hitlers ursprüngliche Wünsche einzulassen, wäre damit ja auch nicht der Krieg vermieden worden, sondern Polen hätte einfach nur unter faktischem Verlust von Teilen seiner Selbstständigkeit auf der anderen Seite der Konfliktteilnehmer gestanden.
Wie wenig Hitlers an Polen gerichtete Forderung nach Danzig und einer Landverbindung nach Ostpreußen jemals als tatsächliches "Kompromissangebot" in letzter Minute zu verstehen war, ergibt sich im Grunde genommen auch schon aus dem Inhalt selbst, wenn man mal ein wenig aus der deutschen Revisionserzählung ausbricht und sich den realen Status von Danzig am Vorabend des 2. Weltkriegs anschaut.
Entgegen dem, was in Erzählungen teilweise insinuiert wird, war Danzig ja durchaus nicht etwa Teil des polnischen Staates, sondern ein Freistaat unter Protektion des Völkerbundes, der mit Polen lediglich durch Zollunion verbunden war und in dem polnische Staatsdiener lediglich in begrenztem Maße Teil an der Verwaltung der öffentlichen Aufgaben hatten.
Polen hätte also von sich aus, selbst wenn es willens gewesen wäre einer Abtretung Danzigs an Deutschland de jure überhaupt nicht zustimmen können, weil die Stadt gar nicht unter seiner Verwaltung stand und die Republik Polen keine wie auch immer gearteten Mittel hatte, ein Völkerbundsmandat einfach mal per Beschluss auf nationaler Ebene zu kippen.
Warschau hätte hier de facto lediglich auf die Zollunion und die Rechte eigener Beamter in Danzig an der Mitwirkung an der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben verzichten und sich verpflichten können bei Verhandlungen Deutschlands mit dem Völkerbund und dessen Vormächten nicht entgegen der deutschen Wünsche zu aggieren.
Das aber Hitler-Deutschland überhaupt nicht gewillt war, auf Basis des Völkerbunds und in Verhandlungen mit den Westmächten auf dieser Plattform einen Ausgleich wegen Danzig zu suchen kommt ja schon darin zum Ausdruck, dass man bereits Jahre vorher mit Getöse aus dem Völkerbund ausgetreten war und sich selbst diese Möglichkeit damit genommen hatte.
Wenn aber nun Forderungen wegen Danzig an Polen herangetragen wurden, passierte dass in dem Wissen, dass Polen die überhaupt nicht erfüllen konnte, weil es gar nicht im Besitz des Objektes war, um das es vorgeblich ging, wie Berlin sehr genau wusste.
Hier wollte Hitler schlicht eine Ablehnung um seinen Krieg rechtfertigen zu können.