Wir drehen uns philosophisch im Kreis.
Ist eine Waffe tatsächlich nur dann eine Waffe, wenn sie gezielt und ausschließlich im Krieg gegen Menschen eingesetzt wird?
Ist ein dediziertes Tötungsinstrument keine Waffe, sondern ein (Jagd-)werkzeug, wenn es zur Jagd benutzt wird?
Ist damit der Speer eines neuguineischen Kannibalen keine Waffe, da er ihn ja "zur Jagd" einer Beute zum Zwecke ihres nachherigen Verzehrs einsetzt?
Was ist mit einer Axt? Keine Waffe, denn ich kann ja damit auch Bäume fällen, wenn ich möchte?
Dann wäre auch ein modernes Scharfschützengewehr keine Waffe, denn ich kann mit ihm auch Elefanten jagen, wenn ich möchte. Und mit einer Bombe könnte ich bei Bedarf auch Häuser abreißen, genau wie mit einer Abrissbirne.
Ist das Netz eines römischen Retiarius keine Waffe, weil er damit direkt niemanden tötet oder ist es eine, weil er mit seiner Hilfe jemanden tötet?
Wenn wir uns auf das "ausschließlich und absichtlich" gegen Menschen einlassen, dann ist nichts eine Waffe, schon gar nicht in der Vorgeschichte.
Wenn wir uns auf das "damit kann man bei Bedarf recht gut einen Menschen umbringen" einlassen, dann ist so ziemlich alles eine Waffe, gerade in der Vorgeschichte.
Diesem Dilemma fällt auch der von BB (in meinen Augen zu Recht) kritisierte Wiki-Eintrag anheim. Er ist in einer Art Endlosschleife gefangen, widerspricht sich eigentlich ständig selbst und versucht das Problem auf den Nutzer abzuwälzen, indem er zu dem Schluss kommt, im Endeffekt entscheide der Anwender darüber, ob er etwas als eine Waffe beutzt oder nicht. Damit gibt er aber eine Antwort auf die Frage "was ist eine Waffe", die er kürzer hätte haben können: "Alles, was man verwendet um jemanden oder etwas zu (be)schädigen" Also doch wieder prinzipiell alles...
Wenn wir zu Definitionszwecken eine Trennung von Jagd und Krieg vornehmen, schießen wir uns selbst ins Knie:
Denn die ersten Waffen, die gegen Menschen eingesetzt wurden, dürften sich grundsätzlich in keiner Weise von Jagdwaffen unterschieden haben. Diese waren technisch völlig ausreichend und auch grundsätzlich verfügbar.
Dann haben wir aber das Problem, dass wir einen Fund nicht zuordnen können, da wir seine Rolle letztendlich beim Hersteller/Benutzer erfragen müssten, was aus biologischen Gründen nicht geht.
Ob also z.B. die Schöninger Speere Waffen im Sinne unserer Jagd<->Krieg Definition sind, ist schlicht nicht nachvollzieh- und beweisbar.
Wenn wir uns auf die Abgrenzung Jagd <-> Krieg einlassen, dann finden wir beweisbare(!) Waffen erst mit dem Auftauchen von Schutzwaffen und den Angriffswaffen, die zu deren Überwindung konzipiert sind, denn beides brauche ich für die Jagd nicht. Hier wäre eine eindeutige konzeptionelle Zuordnung möglich.
Alle früheren Waffenfunde oder auch späteren Waffenfunde, die nicht eindeutig auf Überwindung künstlicher Schutzmechanismen ausgelegt sind, sind damit nicht einzuordnen, mit der Ausnahme, man fände sie auf einem Schlachtfeld, welches als solches erkennbar ist oder in direktem Zusmmenhang mit Körperfunden, die durch sie zu Tode kamen. (also etwa Pfeilspitzen oder abgebrochene Speerspitzen in Lagen, die darauf hinweisen, dass sie sich im Körper befunden haben müssen)
Wenn wir als Ausweg aus dem Dilemma die Lösung wählen, Krieg und Jagd nicht zu trennen (was m.E. für die Vorgeschichte auch gar nicht anders möglich ist), dann wird die Sache zwar leichter, aber immer noch nicht problemfrei, wie man an den Einwänden mit den Steinen gesehen hat: Ist ein Stein oder Stock, der gut in der Hand liegt und gut geworfen werden kann, nun schon eine Waffe? Was, wenn er bearbeitet wurde, damit er gut fliegt? Wenn ja: wurde er wirklich zu diesem Zweck bearbeitet? Vielleicht war es ja ein Spielstein, ähnlich einer Halma-Figur, der halt so schön geformt ist, dass man ihn sekundär auch gut werfen hätte können? Man sieht: die Sache wird nur oberflächlich klarer.
Es ist nicht leicht, eine klare Definiton vorzunehmen und, selbst bei Vorhandensein einer solchen, noch schwerer, eine nachweisliche Klassifizierung eines Fundes zu erreichen.
Selbst die Keulengeschichte ist, wie Querdenker schon bemerkt hat, im Endeffekt unklar. Wozu diente das Objekt? Zum Kampf? Zur Jagd? Als Hammer für einen Holz- oder Stein- oder Knochenmeißel? Als Musikinstrument zum Trommeln? usw...
Kurzum: es dreht sich, wie ja schon mehrfach angemerkt, um die Frage "Wann ist etwas eine Waffe" und genau diese Frage halte ich, nicht nur für die Vorgeschichte, aber gerade da, in letzter Konsequenz nur unbefriedigend für beantwortbar.
Einige Objekte, die gefunden wurden, wie etwa diverse genannte Speere, sind ziemlich eindeutig Geräte, die zum Verwunden/Töten von Lebewesen konzipiert sind und damit offensichtlich Waffen im Sinne der Nichttrennung von Krieg und Jagd.
Alles, was vorher gewesen sein könnte, ist Spekulation. Eine interessante zweifellos, aber eben letztendlich Spekulation. Und in diesem spekulativen Szenario über spekulative Absichten und Konzeptionen zu spekulieren...:grübel: