Besiedlung Amerikas: solutréische Hypothese, Beringia, oder Südpazifik?

Maelonn schrieb:
Die Methode der Steinbearbeitung der Clovisleute ist sehr charakteristisch. Das gab es in keiner anderen Kultur - außer eben Solutreen.

Du mußt dich nun auch nicht an einer flapsigen, in Klammern gesetzten Nebenbemerkung von mir derart hochhangeln.

Es gibt zwei Gemeinsamkeiten in der Technik: die Spitzen sind beidseitig mit Schneiden versehen und dünner geschlagen. Die Solutréen-Spitzen sind jedoch nicht gekehlt und erfordern damit eine völlig andere Befestigungstechnik. Im Gegenteil laufen die Solutréen-Spitzen am unteren Ende genauso spitz zu wie am oberen.

Es gibt noch einen weiteren auffälligen Unterschied zwischen Clovis und Solutréen: die Clovis-Kultur hielt sich offenbar nur wenige Jahrhunderte; sie wurde nach bisherigem Kenntnisstand sehr viel rascher aufgegeben als die Solutréen-Kultur.

Maelonn schrieb:
Von den 4000 Kilometern abgesehen, gibt es sowas bei den Eskimos. Die leben die Hälfte des Jahres unter extremsten Bedingungen im Packeis. Das tun sie tatsächlich mit Fellbooten.

Nein, sie leben nicht im und nicht auf dem Packeis – sie jagen auf dem Meer. Sowie auf dem Eis. Wenn man sich den WP-Artikel zum Stichwort Packeis ansieht, sind Packeisverhältnisse wohl auch nicht unbedingt Bootswetter:
Eine genaue Definition, ab wann eine Meereseisbedeckung so dicht ist, dass sie als Packeis gelten kann, existiert nicht. Typischerweise wird aber von einer Meeresbedeckung von 80–100 Prozent ausgegangen. Das Eis ist dann so dicht, dass es ein Hindernis für die Schifffahrt darstellt und weite Wanderungen der arktischen Landfauna ermöglicht.
Packeis ? Wikipedia


Zwischen der Technik der Inuit, Fellboote herzustellen und dem Solutréen liegen tausende von Jahren technischer Weiterentwicklung, so daß die allererste Frage ist: konnte man im Solutréen entsprechende Boote überhaupt schon herstellen? Daß es bislang keinen Solutréen-Fundort gibt, der eine Anpassung an maritime Jagdbeute nahelegt, steht dem entgegen. An bisherigen Fundorten sind zwar teilweise Muscheln und „estuarine fish“ als Nahrung erkennbar (siehe Link zu WP), aber keine Meeressäuger, und auch keine Boote. Dh also, daß die konsumierten Muscheln und Fische ohne seegängige Fahrzeuge erreicht werden konnten.

Im weiteren gibt es in der englischen Wikipedia einen Artikel zur Solutréen-Hypothese mit einigen guten Argumenten: Solutrean hypothesis - Wikipedia, the free encyclopedia (eine deutsche Version des Artikels gibt es nicht). Hier sind auch Bilder der Clovis- und Solutréen-Spitzen eingestellt.

Ferner gibt der Artikel die Einschätzung von Westley und Dix wieder:
„it is clear from the paleoceanographic and paleo-environmental data that the LGM North Atlantic does not fit the descriptions provided by the proponents of the Solutrean Atlantic Hypothesis. Although ice use and sea mammal hunting may have been important in other contexts, in this instance, the conditions militate against an ice-edge-following, maritime-adapted European population reaching the Americas.“

Der Abstract dieses Artikels:
„One current hypothesis for the Pleistocene peopling of the Americas invokes a dispersal by European hunter-gatherers along a biologically productive “corridor” situated on the edge of the sea-ice that filled the Atlantic Ocean during the Last Glacial Maximum (LGM). In this paper, we assert that critical paleoceanographic data underpinning this hypothesis has not yet been examined in sufficient detail. To this end, we present data which show that the corridor may not have existed, and that, if it did, its suitability as a migration route is highly questionable. In addition to demonstrating that the hypothesized migration was unlikely, this highlights the importance of integrating paleoceanographic and archaeological data in studies of paleo-coastal societies.“

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Journal of the North Atlantic ():85-98. 2008 The Solutrean Atlantic Hypothesis: A View from the Ocean. Kieran Westley, Justin Dix.

Wenn man sich die auf der Seite wiedergegebene Karte File:CLIMAP.jpg - Wikipedia, the free encyclopedia ansieht, ist zudem fraglich, ob eine Ansiedlung bzw ein Landgang in Neufundland zur in Frage stehenden Zeit überhaupt möglich war.

Zur Frage der Parallelentwicklungen: Diese ist doch bei den Spitzen durchaus möglich. Um nicht zu sagen: warum eigentlich ausgerechnet bei diesen nicht? Denn Parallelentwicklungen hat es ja zb auch bei Grabstöcken, beim Domestizieren von Pflanzen, bei den Pyramiden und schon bei Haustypen (Grubenhaus, Plankenhaus, Adobekonstruktionen …) gegeben, zur Holzbearbeitung wurden ähnliche Werkzeuge erfunden, und dies betrifft dann eindeutig Zeiträume, in denen ein Kontakt nach Europa und Asien nicht bestand.
 
Also, nun gibt es genau zwei Möglichkeiten:
1. Beide Kulturen haben diese Technik unabhängig voneinander entwickelt.
2. Es gab einen Austausch über riesige Distanzen. Und da sind wir bereits am Knackpunkt.
Auf Deine Fragen wird in dem von mir weiter oben verlinkten Text eingegangen. Der ist insgesamt übrigens sehr lesenswert. Hier ein Link, wo er auf fünf Seiten aufgeteilt und damit wohl leichter konsumierbar ist:
Solutréen-Hypothese: Kamen die ersten Menschen übers Packeis nach Amerika? | Wissen | ZEIT ONLINE


Da gibt es auf Seite 4 zum Beispiel eine Passage, in der es um die Möglichkeit zufälliger Parallelentwicklungen geht. Zitat daraus: "Die Ähnlichkeiten beider Kulturen beschränken sich dabei nicht auf die großformatigen Spitzen, sondern erstrecken sich darüber hinaus auf den Gebrauch kleiner Abschläge als lose Klingen oder das Design bestimmter Geschossaufsätze (Sagaies) aus Elfenbein: Zwei außergewöhnliche Exemplare – eine aus Florida, die andere aus Südwestfrankreich – sehen sich in Form und Größe sowie in ihrem speziellen Ritzdekor derart ähnlich, dass man sie, wie Stanford und Bradley meinen, wohl durchaus demselben Schnitzer zuordnen würde, hätte man sie nicht beiderseits des Atlantiks gefunden."


Ich lande auf jeden Fall wieder bei Möglichkeit 1, auch wenn ich Möglichkeit 2 erst im zweiten Schritt ausschließe.

Die 4000 km sind aber der Knackpunkt. Wie weit entfernt sich ein Eskimo in einem halben Jahr von seinem Stammquartier?

Eine Seereise ist doch was anderes als die Robbenjagd im Packeis.
Dazu steht was auf Seite 5 des Links. Da ist von gut belegter Hochseefischerei und Seereisen aus noch deutlich früherer Zeit die Rede. Daran lässt sich ja nun auch nicht zweifeln, obwohl es genauso unwahrscheinlich erscheint. Warum entfernen sich Menschen überhaupt von ihren Wohngebieten und besiedeln neue Wohngebiete? Wie weit sind Menschen in der Eiszeit durch Sibirien gewandert, obwohl die Region zu jener Zeit kein bisschen lebensfreundlicher war als die Packeiszone? Sicher ist eine Seereise etwas anderes als Robbenjagd im Packeis. Wenn Menschen aber darauf angewiesen sind, vom Meer zu leben, dann lernen sie die Seefahrt. Dafür gibt es die bereits angesprochenen Belege, die sehr viel älter sind als Clovis oder Solutreen.

Welche Gebiete sind mit Fellbooten nicht erreichbar?

Und was heißt "nicht für größere Siedlergruppen"? :grübel:
Ein Umiaq kann gut und gern 30 Personen transportieren.
Zwei Umiaqs können 60 Personen transportieren.
Drei ...
Beispiele hatte ich genannt. Und „nicht für größere Siedlergruppen“ heißt, dass Boote ausreichend groß gewesen und ausreichend zahlreich zur Verfügung gestanden haben müssen, um nicht nur eine Familie zu transportieren, sondern hunderte – und zwar mit all ihrem Besitz. 30 oder 100 Menschen, die in ein, zwei oder fünf Booten anreisen, besiedeln keinen Kontinent wie Australien. Die dort eintreffende Population muss eine entsprechende Größe haben. Und entsprechende seefahrerische Fähigkeiten.


Ein Beispiel kann ein Bericht sein, der neulich lief im Fernsehsender Phoenix lief. Da ging es um eine kleine Insel im Pazifik. Dort haben die Menschen in antiker Zeit aus Basaltblöcken, die sie per Schiff aus 40 Kilometer Entfernung heranschaffen mussten, mehrere künstliche Wohninseln gebaut. Die Leute waren in der Lage, tausende Tonnen Basalt über das Meer zu transportieren. Mit einer Technik, die nicht fortschrittlicher war als die der Clovis- oder Solutreen-Leute. Leider habe ich vergessen, wie die Inselgruppe hieß

Was bringt die Frage? Sie müssen das Ergebnis sinnvoll gefunden haben.
Sagen wir: Sie haben zweifellos Gründe dafür gehabt. Ob es „sinnvoll“ war, ist eine andere Frage. Fakt ist, dass sie Stein in einer Weise bearbeitet haben, die mit Sicherheit zu einer großen Menge an unbrauchbaren Werkzeugen führte. Dabei war eine nach „herkömmlicher“ Art hergestellte Steinwaffe genauso wirksam wie die speziellen Clovis- oder Solutreen-Waffen. Deshalb sind in der Steinzeit Waffen regelmäßig auf „herkömmliche“ Weise hergestellt worden. Nur eben bei Clovis und Solutreen nicht. Was die Frage bringt? Eine Antwort auf die „Warum-Frage“ hilft in der Regel, Menschen besser zu verstehen.


Übrigens findet sich auf Seite 5 des von mir verlinkten Berichts auch ein Hinweis, der eine Antwort auf @Dieters Frage nach dem fehlenden genetischen Beleg sein könnte. Da ist die Rede von präkolumbianischen Skeletten aus Amerika die Rede ist, in denen gentechnisch die Haplogruppe „X2a“ nachgewiesen worden sei, die ansonsten nur in Südeuropa, Orkney und dem Nahen Osten vorkommen soll.


MfG
 
Zu fragen bleibt, wie lange die Packeisbrücke überhaupt existiert hat.
Und ob es da überhaupt Robben zu jagen gab.

Anscheinend gab es nur wenige Zeitfenster, in denen die Brücke länger als 1-2 Monate im Jahr intakt war.
Und in diesen Zeiten war das Meerwasser nährstoffarm. Da gab es wenig zu fischen und zu jagen.

ftp://ftp.soc.soton.ac.uk/pub/jkd/Publications/Westley & Dix 2008.pdf


Auch das ist eine Hypothese, die umstritten ist. Dass es genug Robben gegeben haben muss, um Robbenjagd möglich zu machen, belegt die Frankokantabrische Höhlenkunst (http://de.wikipedia.org/wiki/Frankokantabrische_H%C3%B6hlenkunst). Ein weiterer Beweis für das Vorhandensein von Robben an den europäischen Atlantikküsten, sind Knochenfunde in Irland, die auf regelmäßigen Robben- und Walfang hinweisen. Diese Knochenfunde sind zugegebenermaßen einige tausend Jahre jünger (knapp nacheiszeitlich), aber wenn es die Tiere zu diesem Zeitpunkt gab, dann muss es sie auch vorher schon gegeben haben. Dies gilt insbesondere für Robben, die regelmäßig in nördlichen Packeiszonen auftreten. Regelmäßig genug jedenfalls, um die wichtigste Lebensgrundlage von Eisbären zu sein, die auch nicht erst vor 8000 Jahren entstanden sind (Nuclear Genomic Sequences Reveal that Polar Bears Are an Old and Distinct Bear Lineage).


MfG
 
Die 4000 km sind aber der Knackpunkt. Wie weit entfernt sich ein Eskimo in einem halben Jahr von seinem Stammquartier?

Dazu steht was auf Seite 5 des Links.
Der Link hat nur 4 Seiten.
Die Antwort auf meine Frage finde ich dort nicht.

Wenn Menschen aber darauf angewiesen sind, vom Meer zu leben, dann lernen sie die Seefahrt.
Gibt es irgendeinen Hinweis darauf, dass die Menschen des Solutréens darauf angewiesen waren, vom Meer zu leben?

Sepiola schrieb:
Welche Gebiete sind mit Fellbooten nicht erreichbar?
Maelonn schrieb:
Beispiele hatte ich genannt.

Ich finde keine.
Du hattest Kreta und Australien genannt.
Warum sollen Kreta oder Australien für Fellboote unerreichbar gewesen sein?


Und „nicht für größere Siedlergruppen“ heißt, dass Boote ausreichend groß gewesen und ausreichend zahlreich zur Verfügung gestanden haben müssen, um nicht nur eine Familie zu transportieren, sondern hunderte – und zwar mit all ihrem Besitz. 30 oder 100 Menschen, die in ein, zwei oder fünf Booten anreisen, besiedeln keinen Kontinent wie Australien.

Schon mit einem einzigen Boot, das 30 Personen fasst, kannst Du auch gerne 3000 Personen nach Australien bringen. Du musst nur 100 mal hin- und herfahren.

Die Besiedlung eines Kontinents ist aber schon ab 2 Personen möglich. Es dauert dann nur etwas länger.


Sepiola schrieb:
Was bringt die Frage? Sie müssen das Ergebnis sinnvoll gefunden haben.

Maelonn schrieb:
Sagen wir: Sie haben zweifellos Gründe dafür gehabt.
Damit sagst Du dasselbe wie ich.
Und nun? Verstehen wir nun die Menschen besser?
Sie hatten den Trick raus, wie man dünne Spitzen herstellt. Sie fanden dünnere Spitzen besser als dickere. Und?
 
Auch das ist eine Hypothese, die umstritten ist. Dass es genug Robben gegeben haben muss, um Robbenjagd möglich zu machen, belegt die Frankokantabrische Höhlenkunst (http://de.wikipedia.org/wiki/Frankokantabrische_H%C3%B6hlenkunst). Ein weiterer Beweis für das Vorhandensein von Robben an den europäischen Atlantikküsten, sind Knochenfunde in Irland, die auf regelmäßigen Robben- und Walfang hinweisen.

Dass es an der Atlantikküste Robben gab, hat niemand bezweifelt.

Fraglich ist, ob es 2000 km von der Küste entfernt auf hoher See Robben gab. Zumindest so viele, dass sich monatelange Jagdausflüge lohnten.
 
Warum entfernen sich Menschen überhaupt von ihren Wohngebieten und besiedeln neue Wohngebiete?
Eine 4000 km breite Packeiszone ist kein Wohngebiet.

Wie weit sind Menschen in der Eiszeit durch Sibirien gewandert, obwohl die Region zu jener Zeit kein bisschen lebensfreundlicher war als die Packeiszone?
In Sibirien gab es nachweislich Mammuts.

Dass die sibirischen Mammutjäger pro Jahr 4000 oder gar 8000 km gewandert sind, um die Mammuts zu jagen, wird wohl niemand behaupten.
 
So ein kleiner Einschub:
Die Eisgrenze lag auch auf dem Meer deutlich weitersüdlich.
Und
Eisbären wandern ganzjährig um den Nordpol, hinter den Robben hinterher. Und die gibts auch schon ziemlich lange, sind ähnlich Allesfresser wie Homo-Sapiens ...
Nur warum jetzt Solutre´in-Jäger in Amerika 4000 Jahre nach den Europäischen Funden nach solcher Lebensweise wieder solche Steinspitzen hätten machen wollen/können erschließt sich mir nicht
 
Wenn ich @Silesia richtig verstehe, könnte der genetische Beleg deshalb fehlen, weil genetische Merkmale der Solutreer "statistisch" nicht relevant waren. Selbst wenn Solutreen-Jäger den amerikanischen Kontinent erreicht haben sollten, wäre es denkbar, dass es nur so wenige Individuen waren, dass man eindeutige Genspuren von ihnen nicht mehr finden kann, weil ihre Hinterlassenschaften von nachfolgenden Siedlern überlagert wurden. Steinklingen sind nunmal haltbarer als Haplogruppen

Im Prinzip ja, aber das ist unvollständig wiedergegeben. Sämtliche genetischen Studien deuten auf Asien, siehe oben.

Und damit hängt die Argumentation zugespitzt an der kontrovers diskutierten, behaupteten Ähnlichkeit einer Pfeilspitze.

Und von dem Ausgangspunkt wird "sofort" auf die Diskussion gesprungen, ob die Atlantikroute machbar sei.
 
Du mußt dich nun auch nicht an einer flapsigen, in Klammern gesetzten Nebenbemerkung von mir derart hochhangeln.
Wenn es so angekommen ist, als wolle ich mich hochhangeln, dann tut es mir leid. Ich wollte nur der Darstellung entgegentreten, dass die Ähnlichkeiten ganz oberflächlich sind. In Wahrheit sind sie im Grunde der einzige Punkt, warum jemand drauf kam, Kontakte über den Atlantik hinweg für möglich zu halten. Deshalb wäre es der Diskussion kaum förderlich, wenn der Eindruck aufkäme, dass man diesen Punkt vernachlässigen kann.

Dass es noch weitere Ähnlichkeiten zwischen den Kulturen gab, habe ich in meinem vorletzten Beitrag angesprochen.

Es gibt zwei Gemeinsamkeiten in der Technik: die Spitzen sind beidseitig mit Schneiden versehen und dünner geschlagen.
So wie ich das verstanden habe, lag die Besonderheit darin, dass von den Flachseiten bereits geformter Geschossspitzen ganze "Platten" abgeschlagen wurden. Ein Fehlschlag oder eine Unreinheit im Stein und das ganze Werk ist kaputt. In allen anderen Kulturen war es deshalb üblich, beim Herausarbeiten von Spitzen oder Schneidkanten mit vielen Schlägen nur jeweils möglichst kleine Splitter abzuschlagen und so nach und nach eine Waffe zu formen, die an den Rändern dünn und in der Mitte dicker war. Das ist die "sinnvollste" Art, eine Waffe herzustellen und sie dabei nicht zu zerstören.

Was Solutreen und Clovis ähnlich macht, ist also die Entscheidung, eine sehr verlustträchtige Herstellungsmethode gewählt zu haben, die in allen anderen Kulturen vermieden wurde. Deswegen gibt es auch den Verdacht, dass die Werkzeuge vielleicht eher kultischen Zwecken dienten und nicht für den täglichen Gebrauch.

Zur Frage der Parallelentwicklungen: Diese ist doch bei den Spitzen durchaus möglich. Um nicht zu sagen: warum eigentlich ausgerechnet bei diesen nicht?
Weil es eine ungewöhnliche und "ineffiziente" Methode der Werkzeugherstellung ist, die nicht den Nutzwert der Werkzeuge steigert. Es ging den Leuten offensichtlich nicht darum, nur die Spitzen herzustellen. Sie wollten es aus unbekannten, vielleicht ästhetischen Gründen auf eine ganz bestimmte und "teure" Weise tun. Das ist ungewöhnlich für eine Gesellschaft, die ziemlich hart um ihr Überleben kämpfen musste. Deshalb ist diese Methode der Steinbearbeitung auch nirgendwo sonst entwickelt worden.

Die Solutréen-Spitzen sind jedoch nicht gekehlt und erfordern damit eine völlig andere Befestigungstechnik. Im Gegenteil laufen die Solutréen-Spitzen am unteren Ende genauso spitz zu wie am oberen.
Ob die Kehlung der Befestigung diente, ist nicht klar. Denkbar ist auch, dass die Clovis-Technik eine "Weiterentwicklung" der Solutreen-Technik war. Im asiatischen Raum ist jedenfalls bislang nichts gefunden worden, was man als möglichen "Vorläufer" dieser Bearbeitungsmethode ansehen könnte.

Es gibt noch einen weiteren auffälligen Unterschied zwischen Clovis und Solutréen: die Clovis-Kultur hielt sich offenbar nur wenige Jahrhunderte; sie wurde nach bisherigem Kenntnisstand sehr viel rascher aufgegeben als die Solutréen-Kultur.
Das erscheint mir nicht überraschend. In Amerika fanden die möglichen (!) Einwanderer ganz andere geografische Bedingungen vor. Zum Beispiel lebten die Menschen nicht in Höhlen, sondern in der offenen Steppe. Es gab auch andere Beutetiere. Man war nicht mehr auf das Meer angewiesen.

Nein, sie leben nicht im und nicht auf dem Packeis – sie jagen auf dem Meer. Sowie auf dem Eis. Wenn man sich den WP-Artikel zum Stichwort Packeis ansieht, sind Packeisverhältnisse wohl auch nicht unbedingt Bootswetter:
Packeis ? Wikipedia
Gut, an der Stelle reden wir vielleicht alle zu unspezifisch. Die Eiskante ist nicht das Packeis und sie sieht im Winter anders aus als im Sommer. Gletscher kalben, abgebrochene Stücke treiben nach Süden, brechen auseinander, werden dünner - und erst wenn sie dünn genug sind, wird Robbenjagd möglich. Erst dann können Robben ihre Atemlöcher ins Eis graben, Zugang zu ihrer Nahrung im Wasser bekommen und danach zum Ausruhen auf das Eis zurückkehren. WENN Jäger aus dem Solutreen entlang der Eiskante nach Westen gefahren sind, dann haben sie sich in einer größeren Entfernung von den eigentlichen Gletschern bewegt, die ohnehin zu hoch waren, als dass man hätte hinaufgelangen können. Sie haben es so gemacht wie es die Inuit noch heute tun: in einem Bereich, in dem es dünnes Eis und offenes Wasser zwischen den Schollen gibt. Nur in so einer Umgebung können zum Beispiel auch Eisbären jagen. Problematisch wird das im Winter, wenn treibende Eisschollen zu Packeis zusammenfrieren. Menschen, die von festen Wohnsitzen aus jagen, haben dann unter Umständen längere Zeit keinen Zugang zum Meer und zu ihrer Beute. Menschen, die mit Booten unterwegs sind, können hingegen nach Süden ausweichen. Eine Zone, in der das Eis auf Wasser trifft, gibt es immer. Auch in der Eiszeit. Da ist sie nur weiter im Süden.

Zwischen der Technik der Inuit, Fellboote herzustellen und dem Solutréen liegen tausende von Jahren technischer Weiterentwicklung, so daß die allererste Frage ist: konnte man im Solutréen entsprechende Boote überhaupt schon herstellen?
Welche technischen Fähigkeiten haben denn die Inuit entwickelt, die man den Solutreenern nicht zutrauen kann? Heute lebende Inuit verfügen natürlich über Metallwerkzeuge, Schusswaffen etc. Vor gar nicht so langer Zeit haben sie aber ihr Leben noch mit Stein- und Knochenwerkzeugen bestreiten können.

Daß es bislang keinen Solutréen-Fundort gibt, der eine Anpassung an maritime Jagdbeute nahelegt, steht dem entgegen. An bisherigen Fundorten sind zwar teilweise Muscheln und „estuarine fish“ als Nahrung erkennbar (siehe Link zu WP), aber keine Meeressäuger, und auch keine Boote. Dh also, daß die konsumierten Muscheln und Fische ohne seegängige Fahrzeuge erreicht werden konnten.
Der Meeresspiegel liegt heute 120 Meter höher. Siedlungen, die damals an der Küste lagen, sind jetzt überflutet. Und man kann ohnehin zweifeln, ob von den Booten der Leute nach 18.000 Jahren noch irgendwas übrig wäre. Dass die Solutreener Robben und andere "Meeresfrüchte" kannten, zeigen die oben erwähnten Felsmalereien. Sicher, es gibt keinen Beweis, dass die Solutreener Boote gebaut und benutzt haben. Nur das Indiz, dass eigentlich alle Menschen, die am Meer leben und sich vom Meer ernähren, irgendwann Boote bauen.

Im weiteren gibt es in der englischen Wikipedia einen Artikel zur Solutréen-Hypothese mit einigen guten Argumenten: Solutrean hypothesis - Wikipedia, the free encyclopedia (eine deutsche Version des Artikels gibt es nicht). Hier sind auch Bilder der Clovis- und Solutréen-Spitzen eingestellt.
Ja, da finden sich gute Argumente. Unser Problem ist nur: Es gibt genauso viele gute Argumente gegen die althergebrachte Clovis-Hypothese. Deswegen können wir ja so engagiert diskutieren. ;)

MfG
 
Sämtliche genetischen Studien deuten auf Asien, siehe oben.

Da habe ich noch eine Frage an Maelonn:

[FONT=Verdana, sans-serif]
30 oder 100 Menschen, die in ein, zwei oder fünf Booten anreisen, besiedeln keinen Kontinent wie Australien. Die dort eintreffende Population muss eine entsprechende Größe haben.
[/FONT]


[FONT=Verdana, sans-serif]Für wie stark schätzt Du die Robbenjägergruppen ein? Die müssten sich um ein Mehrfaches ausgebreitet haben - von Neufundland bis Panama.[/FONT]

[FONT=Verdana, sans-serif]Und dann doch genetisch so gut wie keine Spuren hinterlassen haben. :grübel:
[/FONT]
[FONT=Arial, sans-serif]
[/FONT]
 


Da habe ich noch eine Frage an Maelonn:



[FONT=Verdana, sans-serif]Für wie stark schätzt Du die Robbenjägergruppen ein? Die müssten sich um ein Mehrfaches ausgebreitet haben - von Neufundland bis Panama.[/FONT]
Willst Du wirklich eine Schätzung hören? Ich kann keine geben. Ich denke aber, wenn es die Leute gab, dann waren es nicht sehr viele.

[FONT=Verdana, sans-serif]
Und dann doch genetisch so gut wie keine Spuren hinterlassen haben. :grübel:
So gut wie keine ist mehr als gar keine. Zudem: Wie erwähnt ist der Meeresspiegel seither um 120 Meter gestiegen. Wie viele Wohngebiete von damals liegen heute unter Wasser? Ein Indiz dafür stand in dem verlinkten Text. Klinge, Mastodon-Zahn etc.

MfG
 
Gibt es irgendeinen Hinweis darauf, dass die Menschen des Solutréens darauf angewiesen waren, vom Meer zu leben?
Ja. Die Eiszeit. Die schränkte den "lebenswert" erscheindenden Raum an Land deutlich ein. Dann noch die Höhlenmalereien. Dann noch die etwas jüngeren Knochenfund von Walen und Robben in Irland. Außerdem die Tatsache, dass die Leute in Küstennähe lebten. Hatten wir schon.

Ich finde keine.
Du hattest Kreta und Australien genannt.
Warum sollen Kreta oder Australien für Fellboote unerreichbar gewesen sein?
Aber Du hast sie doch gefunden. Kreta. Australien. Weitere Beispiele in dem Link. Die Tatsache, dass Seefahrt stattfand, ist eigentlich nicht umstritten.
Warum nicht in Fellbooten? Weil Inuit-Fellboote nicht hochseetüchtig sind. Zudem bauen Gesellschaften, denen anderes Baumaterial zur Verfügung steht, in der Regel keine Fellboote bauen.

Du musst nur 100 mal hin- und herfahren.
Wenn Du weißt, dass Australien existiert. Um das herauszufinden, braucht man seetüchtige Boote. Auch um 100mal hin- und herzufahren, braucht man die.

Die Besiedlung eines Kontinents ist aber schon ab 2 Personen möglich. Es dauert dann nur etwas länger.
Na das halte ich doch für mehr als zweifelhaft.

Dass es an der Atlantikküste Robben gab, hat niemand bezweifelt.

Fraglich ist, ob es 2000 km von der Küste entfernt auf hoher See Robben gab. Zumindest so viele, dass sich monatelange Jagdausflüge lohnten.
Dass es 2000 km vor der Küste keine gegeben haben soll, ist eine Theorie, keine erwiesene Tatsache. Und monatelange Jagdausflüge sind umso wahrscheinlicher, je seltener die Beute vor der eigenen Haustür ist. Was in Kaltzeiten gut sein kann.

MfG
 
Ich wollte nur der Darstellung entgegentreten, dass die Ähnlichkeiten ganz oberflächlich sind.
Was ich auch nicht behauptet hatte.

In Wahrheit sind sie im Grunde der einzige Punkt, warum jemand drauf kam, Kontakte über den Atlantik hinweg für möglich zu halten. Deshalb wäre es der Diskussion kaum förderlich, wenn der Eindruck aufkäme, dass man diesen Punkt vernachlässigen kann.
Ich habe zwei Stellen in deinem Beitrag hervorgehoben, weil ich finde, ein einziger Punkt ist als Grundlage einer solchen Hypothese ein wenig dünn - was ich nota bene nicht dir, sondern Stanford/ Bradley zum Vowurf mache. Der Gedanke, daß zwei ähnliche Dinge nur über direkten Kontakt verbreitet werden können und nicht die naheliegendere Alternative der Parallelentwicklung anzunehmen, kann leicht eine humoristische Note bekommen.

Dass es noch weitere Ähnlichkeiten zwischen den Kulturen gab, habe ich in meinem vorletzten Beitrag angesprochen.
Nein, sorry, weder im vorletzten noch in dem davor.
Es gibt auf jeden Fall eine herausragende Ungleichheit, nämlich das Anfertigen von Kunst.
Andererseits sind natürlich Ähnlichkeiten vorhanden, weil sich unter den seinerzeit vorhandenen Umweltbedingungen und mit der vorhandenen Technologie bestimmte Ähnlichkeiten einstellen werden. Wobei wir heute ja auch nur einen Ausschnitt dieser Kulturen haben, nämlich den, der die dazwischenliegende Zeit überdauern konnte.

So wie ich das verstanden habe, lag die Besonderheit darin, dass von den Flachseiten bereits geformter Geschossspitzen ganze "Platten" abgeschlagen wurden. Ein Fehlschlag oder eine Unreinheit im Stein und das ganze Werk ist kaputt. In allen anderen Kulturen war es deshalb üblich, beim Herausarbeiten von Spitzen oder Schneidkanten mit vielen Schlägen nur jeweils möglichst kleine Splitter abzuschlagen und so nach und nach eine Waffe zu formen, die an den Rändern dünn und in der Mitte dicker war. Das ist die "sinnvollste" Art, eine Waffe herzustellen und sie dabei nicht zu zerstören.
Das ist für dich die sinnvollste Art - die Menschen damals können dies ganz anders beurteilt haben. Vielleicht hatten sie ja festgestellt, daß solche Klingen die Jagdbeute schneller oder auch zuverlässiger töten, oder weil sie mit weniger Kraftaufwand töten können als eine dickere Spitze; die Vorteile einer beidseitig scharfen Spitze sind ja auch gegeben. Wenn man auf nicht ganz wehrloses Großwild geht, kann es ja einen Vorteil bringen, die Beute schnell(er) zu töten, dann geht sie nicht mehr auf dich los. Oder läuft nicht so weit weg und du mußt ewig lange mit dem schweren Teil auf dem Ast nach Hause keuchen - oder die Angehörigen müssen nicht so weit laufen, bis sie die Beute erreicht haben und essen können.

Es sind praktische Gründe denkbar und diese Erwägungen können Menschen auf jedem Kontinent anstellen, unabhängig voneinander.

Was Solutreen und Clovis ähnlich macht, ist also die Entscheidung, eine sehr verlustträchtige Herstellungsmethode gewählt zu haben, die in allen anderen Kulturen vermieden wurde. Deswegen gibt es auch den Verdacht, dass die Werkzeuge vielleicht eher kultischen Zwecken dienten und nicht für den täglichen Gebrauch.
Oder die Clovis-Leute, ebenso wie die Solutréen-Leute, haben sich einfach mehr zugetraut als die anderen? Und je mehr Erfahrung im Herstellen solcher Spitzen gesammelt wird, desto besser klappt es auch. Dafür muß man nicht unbedingt kultische Zwecke bemühen.

Weil es eine ungewöhnliche und "ineffiziente" Methode der Werkzeugherstellung ist, die nicht den Nutzwert der Werkzeuge steigert. Es ging den Leuten offensichtlich nicht darum, nur die Spitzen herzustellen. Sie wollten es aus unbekannten, vielleicht ästhetischen Gründen auf eine ganz bestimmte und "teure" Weise tun. Das ist ungewöhnlich für eine Gesellschaft, die ziemlich hart um ihr Überleben kämpfen musste. Deshalb ist diese Methode der Steinbearbeitung auch nirgendwo sonst entwickelt worden.
Gut, die Leute lebten im Paläolithikum, aber auch die Menschen damals waren nicht blöd und vor allem wollten sie überleben. Daß wir möglicherweise & mangels entsprechender Erfahrung heute den praktischen Nutzen nicht mehr sehen oder auch die Geschicklichkeit dieser Menschen unterschätzen, heißt ja noch lange nicht, daß die damals täglich ihren Untergang in Kauf genommen haben.

Ob die Kehlung der Befestigung diente, ist nicht klar.
Das ist eigentlich unerheblich - aufgrund der unterschiedlichen Anfertigungsweise *müssen* sie jeweils andere Befestigungen erfordert haben.

Denkbar ist auch, dass die Clovis-Technik eine "Weiterentwicklung" der Solutreen-Technik war.
Nur, wenn du die Atlantikhypothese zur Tatsache erhebst.

Im asiatischen Raum ist jedenfalls bislang nichts gefunden worden, was man als möglichen "Vorläufer" dieser Bearbeitungsmethode ansehen könnte.
Und in Europa?

Das erscheint mir nicht überraschend. In Amerika fanden die möglichen (!) Einwanderer ganz andere geografische Bedingungen vor. Zum Beispiel lebten die Menschen nicht in Höhlen, sondern in der offenen Steppe. Es gab auch andere Beutetiere. Man war nicht mehr auf das Meer angewiesen.
Ähem. Auch für Europa geht man nicht davon aus, daß die Menschen im Paläolithikum in Höhlen wohnten. Daß sie dort Malereien hinterlassen haben, heißt ja nicht, daß Vatern halt sein Wohn- und Schlafzimmer mit Tapete ausgestattet hat, weil Muttern die kahlen Felswände irgendwie nich so prickelnd fand.

Und wie gesagt, für das Solutréen ist eine "Angewiesenheit" auf das Meer anhand der Fundlage gar nicht erwiesen. Die waren ebenfalls bei den "anderen" Beutetieren, also dieselbe Spezifizierung wie die Clovis-Kultur. Ähnliche Aufgaben können durchaus zu ähnlichen Lösungen führen.

Menschen, die von festen Wohnsitzen aus jagen, haben dann unter Umständen längere Zeit keinen Zugang zum Meer und zu ihrer Beute. Menschen, die mit Booten unterwegs sind, können hingegen nach Süden ausweichen. Eine Zone, in der das Eis auf Wasser trifft, gibt es immer. Auch in der Eiszeit. Da ist sie nur weiter im Süden.
Wobei ich mich bereits die ganze Zeit frage: es wird argumentiert, die Solutréen-Leute seien quer über den Atlantik nach Neufundland. Wir haben aber Eiszeit - wie weit runter reichte die Vereisung auf dem amerikanischen Kontinent? Neufundland liegt ja relativ weit nördlich....

Welche technischen Fähigkeiten haben denn die Inuit entwickelt, die man den Solutreenern nicht zutrauen kann? Heute lebende Inuit verfügen natürlich über Metallwerkzeuge, Schusswaffen etc. Vor gar nicht so langer Zeit haben sie aber ihr Leben noch mit Stein- und Knochenwerkzeugen bestreiten können.
Vorsicht - dein Eis wird dünn! :D In den zwischen S. und Inuit-Kultur liegenden Jahren gibt es da schon Dinge, die im Solutréen nicht zur Verfügung standen. Gegenüber dem Solutréen sind zb "neu": Hundeschlitten, Iglu, Schneebrille, wasserdichte Kleidung, Harpune bzw Harpune mit Schwimmer, aber auch Kajak und Umiaq (keine Fellboote, sondern aus Tierhäuten), Öllampen.

Dass die Solutreener Robben und andere "Meeresfrüchte" kannten, zeigen die oben erwähnten Felsmalereien.
Ich kann mich beim Thema Felsmalerei an alle möglichen dargestellten Landtiere erinnern, aber nicht an "Meeresfrüchte". Gibt es eine Quelle?

Unser Problem ist nur: Es gibt genauso viele gute Argumente gegen die althergebrachte Clovis-Hypothese.
Wer von uns verficht denn die Clovis-Theorie? (Die es im übrigen über die Hypothese hinaus geschafft hatte - die Atlantik-Hypothese aber ist auch eine solche.)
 
Wenn Du weißt, dass Australien existiert. Um das herauszufinden, braucht man seetüchtige Boote. Auch um 100mal hin- und herzufahren, braucht man die.

Aber nicht in der letzten Kaltzeit. Schaus dir halt mal an:
File:Karte von Sunda und Sahul.png - Wikimedia Commons

Das ist Inselhüpfen und Schiffahrt in Sicht. Allenfalls mal Schiffahrt knapp außer Sicht - dh wenn du aufbrichst, kannst du Australien nicht sehen, aber wenn du soweit draußen bist, daß du gerade noch deine Heimatküste sehen kannst, erhältst du Signale (zb Vogelflug), die dir sagen: da hinten ist wieder Land. Um zu wissen, daß da was war, brauchten sie auch damals keinen Atlas. Wie groß und wie weit entfernt ließ sich auch herausbekommen.

Inselhüpfen, Aufsichtfahrt und sogar Schiffahrt knapp außer Sicht kannst du mit nem Floß unterm Ar..m hinbekommen. Ein *seegängiges* Schiff ist ein ganz anderes Paar Stiefel.

Na das halte ich doch für mehr als zweifelhaft.

Adam und Eva sollen es schon mal hinbekommen haben... :D

Und monatelange Jagdausflüge sind umso wahrscheinlicher, je seltener die Beute vor der eigenen Haustür ist. Was in Kaltzeiten gut sein kann.

Nein, wenn es keine Beute vor der Haus- bzw Hüttentür (mehr) gibt, macht sich deine Sippschaft auf die Strümpfe und sucht sich eine bessere Gegend. Erst mal.

Bei deinen langen Jagdausflügen gibt es was zu bedenken: Wenn Vattern erst nach mehreren Monaten mit Robbe nach Hause kommt, gibt es zwei Probleme:
a) ein Kühlschiff hatte er ja nun nicht gerade - wie hat er die haltbar gemacht?
a 1) und wie hat Vattern sie transportiert? Das Fellboot hätte ja nun nicht den Riesenladeraum, und auch wenn die Menschen damals wohl nicht ganz so empfindlich waren, aber .... der Geruch... (Okay, erspart die vorherige Anmeldung.... Sorry.)
und b) wer kam ihm zu Hause noch freudestrahlend entgegen? Haben die Angehörigen brav gewartet und am Grashalm geknabbert?
 
Warum nicht in Fellbooten? Weil Inuit-Fellboote nicht hochseetüchtig sind.
Ich verstehe Deine Argumentation echt nicht.
Die 40 km, die von Insel zu Insel nach Kreta zu überbrücken sind, sollen mit Inuit-Booten nicht zu schaffen sein?
Die 4000 km über den Atlantik aber schon?*

Um den Knackpunkt 4000 km kommst Du nicht herum.

Die Frage, wie weit sich ein Eskimo von seinem Stammquartier entfernt, hast Du wieder ausgeklammert. Kein Jäger unternimmt Jagdausflüge über so eine Distanz. Auch nicht annähernd.
(Neuzeitlichen Safari-Tourismus lassen wir mal außen vor.)

Dass es 2000 km vor der Küste keine gegeben haben soll, ist eine Theorie, keine erwiesene Tatsache.
Aber immerhin eine Theorie, die auf beobachteten Tatsachen gründet. Dass es 2000 km vor der Küste "lohnende" Robbenpopulationen gegeben haben soll, ist nicht einmal eine Theorie, sondern nur eine Vermutung.

Eine Vermutung, die man nur deswegen braucht, um damit eine weitere Vermutungen zu stützen, für die es auch keine Belege gibt.
Sondern nur weitere Vermutungen.
Alles Luftblasen.
Sehr hübsch, aber substanzlos.


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... und diskutiert gar nicht mehr über die Ausgangsfrage: Wie ist es möglich, dass zwei Kulturen einer ähnlichen Zeitstellung eine so "einmalige" Methode der Steinbearbeitung entwickelt haben?
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Ganz einfach, die sind unabhängig voneinander darauf gekommen. Dass Menschen unabhängig voneinander dieselben Erfindungen machen, ist nicht nur "möglich", sondern eine vielfach belegte Tatsache.
Fertig ist die Erklärung.
Nicht so spektakulär wie das Robbenjägermärchen, aber dafür logisch und solide.



*Oder sollen die altsteinzeitlichen Robbenjäger auf massiven Hochseeschiffen gereist sein? Die sind dann aber hinderlich, wenn man doch mal längere Strecken übers Eis zurücklegen muss...
 
Unsere Beiträge werden immer länger und wir beginnen uns zu wiederholen. Deshalb nur kurz:

Ich habe zwei Stellen in deinem Beitrag hervorgehoben, weil ich finde, ein einziger Punkt ist als Grundlage einer solchen Hypothese ein wenig dünn - was ich nota bene nicht dir, sondern Stanford/ Bradley zum Vowurf mache. Der Gedanke, daß zwei ähnliche Dinge nur über direkten Kontakt verbreitet werden können und nicht die naheliegendere Alternative der Parallelentwicklung anzunehmen, kann leicht eine humoristische Note bekommen.
So naheliegend ist die Parallelentwicklung nicht, weil diese spezielle Entwicklung nirgendwo sonst stattgefunden hat. Man kann darüber nachdenken, welche Vorteile diese Werkzeugform geboten hat. Tatsache bleibt, dass alle anderen Völker die angeblich naheliegenden Vorteile nicht gesehen haben. Die Technik war ungewöhnlich. Fast "einmalig"

Nein, sorry, weder im vorletzten noch in dem davor.
Sorry, das war vielleicht wieder unpräzise ausgedrückt. Ich meinte den vorletzten von mir verfassten Beitrag. Präziser: Beitrag 142 in diesem Thread. Da zitiere ich ganz am Anfang eine Passage, in der es um Knochenspitzen geht, die sich so ähneln, dass sie sogar vom gleichen Schnitzer stammen könnten.

Adam und Eva sollen es schon mal hinbekommen haben... :D
Du hast Recht. Ich wusste doch, dass ich was übersehen habe... :still:

Bei deinen langen Jagdausflügen gibt es was zu bedenken: Wenn Vattern erst nach mehreren Monaten mit Robbe nach Hause kommt, gibt es zwei Probleme:
a) ein Kühlschiff hatte er ja nun nicht gerade - wie hat er die haltbar gemacht?
a 1) und wie hat Vattern sie transportiert? Das Fellboot hätte ja nun nicht den Riesenladeraum, und auch wenn die Menschen damals wohl nicht ganz so empfindlich waren, aber .... der Geruch... (Okay, erspart die vorherige Anmeldung.... Sorry.)
und b) wer kam ihm zu Hause noch freudestrahlend entgegen? Haben die Angehörigen brav gewartet und am Grashalm geknabbert?
Ich denke eher, dass es ein "Zuhause" mit warmem Bettchen und bepflanztem Vorgarten vielleicht gar nicht gab. Vermutlich waren die Leute Nomaden, bei denen es nicht üblich war, dass Vattern auf Jagd ging und Muttern daheim den Herd hütete. Muttern ging mit. Kind und Kegel auch. Das relativiert die Länge monatelanger Jagdausflüge.

MfG
 
So naheliegend ist die Parallelentwicklung nicht, weil diese spezielle Entwicklung nirgendwo sonst stattgefunden hat.

Das ist doch kein Argument. Manche Entwicklungen in der Menschheitsgeschichte gabs nur einmal, manche zweimal, manche öfters.

Tatsache bleibt, dass alle anderen Völker die angeblich naheliegenden Vorteile nicht gesehen haben.
Tatsache?
Woher willst Du das wissen?
Vielleicht haben sie ja die Nachteile gesehen


Vermutlich waren die Leute Nomaden, bei denen es nicht üblich war, dass Vattern auf Jagd ging und Muttern daheim den Herd hütete. Muttern ging mit. Kind und Kegel auch.
So häuft sich Vermutung auf Vermutung...
 
So naheliegend ist die Parallelentwicklung nicht, weil diese spezielle Entwicklung nirgendwo sonst stattgefunden hat. Man kann darüber nachdenken, welche Vorteile diese Werkzeugform geboten hat. Tatsache bleibt, dass alle anderen Völker die angeblich naheliegenden Vorteile nicht gesehen haben. Die Technik war ungewöhnlich. Fast "einmalig"

Parallelentwicklungen hat es in der Geschichte der Menschheit immer wieder gegeben. Eben weil ähnliche Situationen ähnliche Antworten produzieren. Oder hat doch wer Pyramidenexport betrieben? Irgendwann sind Menschen halt überall darauf gekommen, daß man unter einem Windschirm etwas windgeschützter schläft, daß man mit einem Stein etwas aufklopfen und abklopfen kann, daß man sich an einem scharfen Steinsplitter ritzen kann und daß man mit einem löffelähnlichen Gerät die Suppe etwas manierlicher in die Futterluke bekommt. Von da aus gings weiter.

Und was heißt die "anderen Völker" - wir reden hier über Kulturen; die ethnischen Zugehörigkeiten kennen wir nicht. Wie diese Menschen organisiert waren, hat die Jahrtausende auch nicht überstanden.

Sorry, das war vielleicht wieder unpräzise ausgedrückt. Ich meinte den vorletzten von mir verfassten Beitrag. Präziser: Beitrag 142 in diesem Thread. Da zitiere ich ganz am Anfang eine Passage, in der es um Knochenspitzen geht, die sich so ähneln, dass sie sogar vom gleichen Schnitzer stammen könnten.
Nee, mein Bester - *das* gildet aber nun gar nicht, das ist nämlich von Stanford und Bradley so geäußert. Und daß die sagen, diese eine C-Spitze sei einer anderen S-Spitze so ähnlich, daß sie schon gedacht hätten, beide seien vom selben Hersteller - naja, sicher behaupten sie das. Andere behaupten es nicht.

Ich denke eher, dass es ein "Zuhause" mit warmem Bettchen und bepflanztem Vorgarten vielleicht gar nicht gab. Vermutlich waren die Leute Nomaden, bei denen es nicht üblich war, dass Vattern auf Jagd ging und Muttern daheim den Herd hütete. Muttern ging mit. Kind und Kegel auch. Das relativiert die Länge monatelanger Jagdausflüge.
Zugegeben, die Leute waren damals nicht so verzärtelt wie wir heute. Aber das gibt schon mal verdammt große Boote, wenn gleich die gesamte Sippschaft mit Platz nehmen soll... Abgesehen davon ist es wohl auch nicht praktisch, wenn dir die Gören beim Paddeln - und vor allem beim Speerwerfen durchs Boot turnen, oder du paddelst vorsichtig an die Robben ran und jetzt bloß kein' Lärm machen, da ruft dein Zweijähriger fröhlich: "Kuckma - happa happa". Platsch sind sie alle unten. Bewegen kannst du dich bei der Jagd auch nicht, weil dauernd der rheumatische Opa im Weg ist.

Gut, nun hast du ja auch schon selbst gemeint: "Das relativiert die Länge monatelanger Jagdausflüge". Sprich: dat jeht nit.
Dat muß aber in deinem Szenario, die angepeilten Robben sollen ja 2000 km entfernt sein.

Ein weiterer Punkt: wenn pro Boot ein oder zwei Jäger unterwegs sind, können die abends das Boot auf eine Scholle ziehen, sich reinlegen und eine Mütze voll Schlaf nehmen. Mit Sippschaft alle Mann hoch geht das auch nicht.

Zusätzlich können Frauen und Kinder keine Nahrung sammeln, das Bearbeiten von abgezogenen Fellen im Boot geht auch nicht. Und Fellbearbeitung machst du auch nicht über Monate auf Eisschollen. Also hast du die ganze Zeit Leute im Boot, die nur Ballast sind und nix zum Sattwerden beitragen, die du aber mit beköstigen mußt. Insgesamt ein recht unpraktisches Arrangement.

Gut, es gibt ja nicht viel, was es nicht gibt --- Bajau ? Wikipedia , aber das ist immerhin ein Beispiel aus der Gegenwart, nicht aus dem Paläolithikum.
 
Aber nicht in der letzten Kaltzeit. Schaus dir halt mal an:
File:Karte von Sunda und Sahul.png - Wikimedia Commons

Das ist Inselhüpfen und Schiffahrt in Sicht. Allenfalls mal Schiffahrt knapp außer Sicht - dh wenn du aufbrichst, kannst du Australien nicht sehen, aber wenn du soweit draußen bist, daß du gerade noch deine Heimatküste sehen kannst, erhältst du Signale (zb Vogelflug), die dir sagen: da hinten ist wieder Land. Um zu wissen, daß da was war, brauchten sie auch damals keinen Atlas. Wie groß und wie weit entfernt ließ sich auch herausbekommen.

Inselhüpfen, Aufsichtfahrt und sogar Schiffahrt knapp außer Sicht kannst du mit nem Floß unterm Ar..m hinbekommen. Ein *seegängiges* Schiff ist ein ganz anderes Paar Stiefel.

Man muss sich verdeutlichen, dass zwischen den überwundenen max. 60km-Distanzen von Near Oceania und Sahul zu den Inseln des Remote Oceania mindestens 25.000 Jahre lagen. So lange dauerte es, bis die "seeerprobten" Flossfahrer, die Sahul und Inseln des Near Oceania über Fährten auf Sicht erreicht hatten, in die Weiten des Pazifiks vorstießen. Man hockte also recht lange auf einer Stelle, bevor da was jenseits der 60km-Fahrten passierte. Die 100 km entfernten Inseln waren in dieser Zeit unerreichbar. Mit der 2000 oder 4000km-Hypothese beißt sich das.

Bemerkenswert an der Diskussion der Ähnlichkeiten ist unverändert auch, dass ein paar Ähnlichkeiten von Pfeilspitzen strapaziert werden, um eine Atlantikthese zu verproben, offenbar aber 10000 Jahre vor den "westseitigen" Fernfahrten ins Remote Oceania (3100BP) auf der "östlichen" atlantischen Seite (13000 BP oder früher) Boote vorhanden gewesen sein sollen. Während Parallelentwicklungen für die Pfeilspitzen ausgeschlossen werden (sonst hätte man plötzlich keine Hypothese mehr), wird das offenbar für die Bootsentwicklung und Seefahrt problemlos als Parallelentwicklung zwischen Atlantik und Pazifik unterstellt.
 
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