Bismarck, der größte Politiker?

D

Entweder das oder aber er hätte mindestens in Erwägung ziehen müssen, die notfalls mit Waffengewalt durchzusetzen, was sich, so lange der Krieg noch lief und Preußen mit Österreich beschäftigt war einfacher bewerkstelligen lassen musste, als später.

Interessant in diesem Kontext ist das Folgende:

Am 29.Juli 1866 wurde Benedetti der französische Vertragsentwurf telegraphiert. Aus diesem geht hervor, das Frankreich die Preußen 1815 abgetretenen Territorien zurückgeben solle, Bayern und Hessen-Darmstadt gegen Entschädigung zum Abtreten ihrer linksrheinischen Besitzungen bestimmt werden und außerdem die Verbindung Luxemburgs und Limburgs mit dem Deutschen Bunde auflösen und die Festung Luxemburgs zu räumen sei. Das waren doch recht opulente Forderungen.
Wilhelm I. wies diese jedoch ganz entschieden zurück und machte klar, das er auch vor einem Nationalkrieg nicht zurückschrecken würde. Der preußische Botschafter in Paris Goltz von ermächtigt die französischen Forderungen sogleich zurückzuweisen.

Quelle hierfür, Stollberg-Wernigerode, Goltz
 
...ob der größte, sei dahin gestellt - aber große, größere und größte haben mal klein angefangen: aus diesem Grund sei die Studentenbude Bismarcks auf dem Stadtwall von Göttingen erwähnt (ein wohnlicheres Ambiente als im Studentenwohnheim) ;):D
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Dieser touristische Beitrag (Tagesausflug nach Göttingen, um Heines Beurteilung zu überprüfen "die Stadt Göttingen, berühmt für ihre Würste und Universität") ist @Turgot gewidmet :)
 
Etwas ungewöhnlich ist die Tatsache, dass Bismarck das Reich über lange Strecken nicht von seinem Amtssitz, sondern von zu Hause aus steuerte. Bismarck war von Berlin abwesend, um sich "zu erholen oder seine Arbeitsfähigkeit wieder vollständig herzustellen".
Das begann so ca. ab 1877. Die ersten dreieinhalb Monate war Bismarck in Berlin,am 16.April begab er sich nach Friedrichsruh.
Am 20.Mai kehrte er für ein paar Tage nach Berlin zurück. Ab 25.Mai kurte er in Bad Kissingen, wo er dann bis zum 30.Juni weilte. Am 01.Juli war Bismarck dann in Berlin. Schon am 02. und 03.Juli war er in Schönhausen. Am 06.Juli dann wieder in Berlin. Am 07.Juli erfolgte die Abreise nach Varzin. Ab dem 21.August war Bismarck dann wieder in Berlin.
Ab dem 25.August ging es bis zum 18.September nach Gastein. Von dort ging es nach Salzburg, von wo er am 22. September nach Berlin zurückkehrte. Schon ab dem 24.September war Bismarck in Friedrichsruh. Am 06. und dem 07.Oktober war Bismarck dann das letzte Mal 1877 in Berlin.

Das konnte natürlich nur mit sehr zuverlässigen und vertrauenswürdigen Mitarbeitern funktionieren. Später wurde das Bismarck u.a. zu Verhängnis. So begann Holstein ab ca. Mitte der 80ziger sich von Bismarck abzuwenden und gegen ihn zu integrieren und eine eigene Nebenaußenpolitik zu fahren. In der Krise, die letztlich zu seiner Entlassung führte, war Bismarck nicht in Berlin anwesend.
 
Das konnte natürlich nur mit sehr zuverlässigen und vertrauenswürdigen Mitarbeitern funktionieren.

Es konnte auch vor allem deswegen funktionieren, weil es ja noch keinen ausgeprägten Behördenapparat modernen Zuschnitts, mit entsprechendem Prozedere gab und die mit einzelnen Ämtern ausgestatteten Personen sehr viel persönlichen Spielraum hatten.
Sicherlich auch, weil die Regierung nur dem Kaiser gegenüber verantwortlich war und dementsprechend für den Reichstag oder den preußischen Landtag nicht jederzeit greifbar sein musste.
 
Letzten Endes ginge das auch heute. Es kommt auf klare Richtlinien, geschmeidige Zusammenarbeit und nachvollziehbare Entscheidungswege an.

Ich habe auch nicht die Vorstellung dass Adenauer immer anwesend und greifbar war.
 
Adenauer war auch der einzige Bundeskanzler, bei dem die Richtlinienkompetenz praktische Anwendung gefunden hatte.
 
Eine berühmte Göttinger Wurst wäre mir neu. Aber die Stadt liegt ja zwischen zwei "Wurst-Hochburgen": dem Eichsfeld und Nordhessen. Insofern gibt es dort sicher auch leckere Würste.

Mein absoluter Favorit ist die/der (?) Feldkieker, eigentlich eine Spezialität aus dem Eichsfeld. Das ist eine sehr hochwertige Cervelatwurst, die eine gewisse Ähnlichkeit mit der "Stracken", "Ahlen Wurst" oder Schmalzhaut hat. Die ahle Wurst soll jetzt unter kulturellen Artenschutz gestellt werden. Nur noch Produkte, die in Nordhessen nach bestimmten Qualitätsanforderungen hergestellt wird, soll sich so nennen dürfen.

Das grenzt zwar fast schon an Landesverrat, wenn ein Nordhesse das sagt, aber die Feldkieker schmeckt mir besser, als die nordhessische Stracke, und nach meinem Geschmack ziehe ich die "Schwarze", eine hochwertige Leberwurst in der Blase, der "Roten", Stracken oder "Ahlen Wurst" vor.

Es gab in Northeim, ca. 20 km nördlich von Göttingen, einen Metzger, der die beste Feldkieker machte. Das war Qualität, angefangen bei der Sau, der man in Freilandhaltung drei Jahre Zeit gelassen hat, über die Gewürze und die verwendeten Fleischteile. Ein solcher Familienbetrieb kann daher nur eine bestimmte Zahl von Feldkiekern herstellen, für die man dann auch etwas mehr bezahlen muss. Aber das Ergebnis war es wert, und die Feldkieker musste man vorbestellen. Anfang der 1990er übernahm ein Sohn oder Schwiegersohn den Betrieb, und es ging abwärts mit den Feldkiekern.

In der Altstadt von Göttingen gab es aber auch einen Betrieb, die gute Produkte machten, und Feldkieker habe ich seitdem häufig irgendwo im Angebot gesehen, u. a. im KADWE in Berlin. Da waren durchaus gute dabei, aber keine hat jemals die Qualität erreicht, die der "alte Meister" in Northeim herzustellen verstand. Ein frisches, noch warmes Zwiebelbrot, bestrichen mit etwas gesalzener Butter und belegt mit Feldkieker-eine lukullische Köstlichkeit!
 
Stimmt es eigentlich das Bismarck bipolar war und diese ganzen SAchen Sozialgesetzgebung, Kriege in der Hälfte des Jahres gemacht hat, wo er nicht im Bett geweint hat?????

Jetzt mal überspitzt formuliert.
 
Ich will keinen Roman schreiben, deshalb nur ganz kurz:

Otto von Bismarcks Leben und Werk ist auch noch heute von Bedeutung. Die Verwirklichung des Wunsches der Deutschen nach einen eigenen Nationalstaat, realisiert eben in der Gründung des Kaiserreiches von 1871, ist sein Werk. Er zeichnet auch verantwortlich für die modernsten Sozialgesetze seiner Zeit.

Bismarck war ohne Frage eine bedeutende, eine Schlüsselfigur in der 2. Hälfte des 19.Jahrhunderts.
 
der deutsche Außenpolitiker schlechthin

Ist Bismarck "der deutsche Außenpolitiker schlechthin"? Halte ich für streitbar.

Ich halte etwa die Leistungen Metternichs als Außenpolitiker und Diplomat für durchaus vergleichbar und auch einen Gustav Stresemann wird man hier sicherlich verhandeln können.

Was mir bei der Betrachtung Bismarcks nach wie vor etwas missfällt, ist, dass da nach wie vor (und in meinen Augen zu sehr) die Reichsgründung als Verdienst angesehen wird.

Bismarck war ohne Zweifel jemand, der es blendend verstand gegebene Gelegenheiten auszunützen, allerdings würde ich meinen, wird man hier auch sehen müssen, dass Bismarck den Vorteil hatte stets aus einer starken Position heraus die verhandeln, die sich auf preußens militärischer Macht gründete und dass er verwirklichte, was die großen Linien der europäischen Politik zuließen und wahrscheinlich machten, dass er allerdings relativ wenig selbst gestaltete.

Die Einigung Norddeutschlands unter preußischer Führung war etwas, dass sich eigentlich seit den napoleonischen Kriegen abzeichnete, um so mehr nach der Westverschiebung Preußens, die das Gewicht dieses Staates erhöhte.

Sein Norddeutscher Bund ist am Ende wenig mehr als die Wiederauferstehung der mit der Olmützer Punktation beerdigten Erfurter Union gewesen, mit einigen territorialen Zugewinnen für Preußen und einer entsprechend stärkeren Stellung gegenüber den Kleinstaaten wohl, aber die Einigung dieses Raumes ist eigentlich etwas, dass der Zollverein und die Erfurter Union bereits voweg genommen hatten.

Die Möglichkeit das herbei zu führen, war weniger Ergebnis brillianter diplomatischer Leistungen, als viel mehr der Tatsache, dass sich das Österreichisch-Russische Zerwürfnis, die territorialen Begehrlichkeiten Italiens und die Unabhängigkeitswünsche der Ungarn ebenso nutzen ließen.

Im Fall der letztendlichen Reichsgründung konnte er wieder auf russische Rückendeckung (gegen potentielle Österreichische Intervention), die eigene bewaffnete Macht und die Angst vor Frankreich in Süddeutschland bauen.

Das auszunutzen muss man sicherlich nicht klein reden, aber es hat doch relativ wenig gestalterischen Charakter. Bismarck ist es nie gelungen eine neue gesamteuropäische Ordnung zu entwerfen und durchzusetzen und er hat es auch nie versucht, sondern er hat versucht das neu entstandene Deutschland in die vorhandene Ordnung zu integrieren.

Eine wirkliche gestaltende Rolle hatte Bismarck lediglich bei der Abgrenzung der Einflussphären der europäischen Kolonialmächte in Afrika.
Ob aber das was dabei heraus kam eine so große Leistung ist, dass kann man hinterfragen. Es war nicht dazu geeignet die Konflikte dauerhaft beizulegen und besonders glücklich war diese Aufteilung in keiner Hinsicht, schon gar nicht für Afrika selbst.
In dieser Hinsicht würde ich ddazu tendieren Bismarck als vollkommen gescheitert zu betrachten.

In dieser Hinischt, würde ich meinen, dass etwa die Beteiligten des Wiener Kongresses deutlich mehr geleistet haben.
Auch wie gesagt, hat Bismarck seine erfolge fast immer auf die preußischen und die russischen Bajonette gründen können.
Es ist sicherlich Bismarch nicht vorzuwerfen, dass Preußen sich in einer durch den Gang der europäischen Diplomatie und die wirtschaftlichen Entwicklungen günstigen Position befand, allerdings, andere haben spektakuläre Erfolge aus wesentlich prekäreren Positionen heraus zustande gebracht.

Insofern halte ich "der deutsche Außenpolitiker schlechthin" für ein wenig überbewertet.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ist Bismarck "der deutsche Außenpolitiker schlechthin"? Halte ich für streitbar.

Dein gutes Recht.

Ich halte etwa die Leistungen Metternichs als Außenpolitiker und Diplomat für durchaus vergleichbar und auch einen Gustav Stresemann wird man hier sicherlich verhandeln können.

Übrigens Metternich stand den größten Teil seiner diplomatischen Laufbahn in österreichischen Diensten. Als Botschafter in Dresden oder Berlin ist er nicht groß in Erscheinung getreten. Er war ein Politiker der Restauration. Ich will seine Leistungen gewiss nicht kleinreden, aber Bismarck hat etwas erschaffen. Auch wenn du es nicht hören magst; eben den Nationalstaat und er stand für das modernste Sozialsystem Europas. Bismarck sah Deutschland nach der Gründung als saturiert an. Stresemann, ebenfalls ein bedeutender Außenpolitiker, hat die Nachkriegsrealitäten nur zum Teil anerkannt und war im Osten auf Revision aus. Auch war er in seiner politischen Laufbahn im Kaiserreich ein Hardliner.

Im Fall der letztendlichen Reichsgründung konnte er wieder auf russische Rückendeckung (gegen potentielle Österreichische Intervention), die eigene bewaffnete Macht und die Angst vor Frankreich in Süddeutschland bauen.

Die Ungarn hätten so eine Intervention a la Beust nicht mitgetragen. Davon einmal abgesehen musste erst einmal das außenpoltische Klima für die Reichsgründung geschaffen werden. Es war eine diplomatische Meisterleistung, das Bismarck es gelungen 1864, 1866 und auch 1870/71 die anderen Großmächte aus den Friedensverhandlungen herauszuhalten. Diese schwierige Situation hatte ein Metternich nicht zu bewältigen. Metternich trat auf dem Wiener Kongress als Vertreter einer Siegermacht auf.

ine wirkliche gestaltende Rolle hatte Bismarck lediglich bei der Abgrenzung der Einflussphären der europäischen Kolonialmächte in Afrika.
Ob aber das was dabei heraus kam eine so große Leistung ist, dass kann man hinterfragen. Es war nicht dazu geeignet die Konflikte dauerhaft beizulegen und besonders glücklich war diese Aufteilung in keiner Hinsicht, schon gar nicht für Afrika selbst.
In dieser Hinsicht würde ich ddazu tendieren Bismarck als vollkommen gescheitert zu betrachten.

Bismarck hat die europäischen außenpolitische Verhältnisse sehr wohl gestaltet. Beispiel Berliner Kongress.

Und wieder einmal die Kolonialpolitik. Als ob Deutschland die einzige Kolonailmacht im Zeitlater des Imperialismus gewesen wäre. Ich empfehle hierzu Axel Riehl, Tanz um den Äquator. Das Werk gibt erschöpfend Auskunft hinsichtlich Bismarcks angeblicher Kolonialpolitik. Ganz kurz. Das Ganze war ein innenpolitisch motiviert, Es stand das baldige Ableben Kaiser Wihelm I. zu erwarten und Bismarck ging es um Fortsetzung seiner Politik will da heißen Bündnis mit Russland und Österreich-Ungarn; nicht mit England. Der Riehl ist sehr empfehlenswert.

Die Staatsmänner des Wiener Kongress haben deutlich mehr geleistet als die Herren in Versailles 1919. 1815 ging es um Versöhnung und Frankreich behielt seine Grenzen von 1789 und ein Talleyrand saß mit am Verhandlungstisch. Zu Versailles muss ich nichts weiter sagen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Metternich stand den größten Teil seiner diplomatischen Laufbahn in österreichischen Diensten.

Wenn ich mich nicht irre, war Österreich damals nicht weniger ein Teil des Heiligen Römischen Reiches, bzw. später des deutschen Bundes, als es das Preußen war, dessen politische Geschicke Bismarck übernahm?

Metternich war kein Politiker der die außenpolitischen Geschicke eines deutschen Nationastaats lenkte, das ist wohl war, aber die deutsche Geschichte beginnt ja zum einen nicht mit der Reichsgründung, zum anderen war Österreich bis 1866/1867 Vormacht des deutschen Bundes und seine Außenpolitik damit auch Richtschnur für einen großen Teil der anderen deutschen Staaten, womit man Metternich mit fug und Recht als einen Politiker bezeichnen kann, der über Österreich hinaus auf Ebene des gesamten deutschsprachigen Raumes wirkte.

Ich will seine Leistungen gewiss nicht kleinreden, aber Bismarck hat etwas erschaffen. Auch wenn du es nicht hören magst; eben den Nationalstaat und er stand für das modernste Sozialsystem Europas.

Ja, Bismarck stand für das modernste Sozialsystem Europas, aber was hat das mit seinem Wirken als dezidierter Außenpolitiker zu tun?
Innenpolitisch sehe ich bei Bismarck einiges an Gestaltungswillen. Außenpolitisch weniger.

Ich will wie gesagt die Reichsgründung an und für sich nicht kleinreden, ich finde nur, dass sie in der Bewertung mitunter in unangemssener Weise andere Leistungen überstrahlt.
Das ist auf Grund der deutschen Gesichte und dem lange herbeigesehnten Nationalstaat aus dieser Perspektive heraus sehr verständlich, verlässt man allerdings diese Perspektive, bedarf diese Bewertung möglicherweise aber einer Revision.

Stresemann, ebenfalls ein bedeutender Außenpolitiker, hat die Nachkriegsrealitäten nur zum Teil anerkannt und war im Osten auf Revision aus. Auch war er in seiner politischen Laufbahn im Kaiserreich ein Hardliner.

Das Stresemann die Nachkriegsrealitäten nur zum Teil anerkannt hat ist richtig, auch das er im Kaiserreich ein Hardliner war.
Inwiefern spricht das aber gegen seine außenpolitische Leistung? Auch der von dir so hochgehandelte Reichsgründer Bismarck war mal ein monarchistischer Hardliner, der zunächst mal bereit war die Revolution und mit ihr einhergehend die Nationalbewegung mit Waffengewalt zu bekämpfen oder täusche ich mich da?

Sowohl Bismarck, als auch Stresemann haben in ihrer politischen Anfangszeit anders gehandelt, als in dem Moment, in dem sie dann wirklich in Verantwortung kamen.

Allerdings wird man zugeben müssen, dass Stresemann in der relativ kurzen Zeit seines Wirkens (verglichen mit Bismarck) sehr viel erreichte und das eigentlich aus einer desolaten Ausgangsposition heraus.

Deutschland war militärisch geschlagen, innenpolitisch instabil, teilweise besetzt, die Wirtschaft lag am Boden die Währung war vollkommen destabilisiert und Deutschland war auf der internationalen Bühne ein weitgehend isolierter Staat.

Aus dieser Position heraus für Deutschland nicht unvorteilhafte Vereinbarungen in der Reparationsfrage, die vorzeitige Beendigung der Rheinlandbesetzung, die Festschreibung der Westgrenze (und damit das Ende französischer Phantasien von Pufferstaaten im Rheinland und in der Pfalz und der Unterstützung dortiger Separatisten) zu Reichen und die wesentlichen Hindernisse für einen Beitritt Deutschlands in den Völkerbund abzuräumen war schon allerhand und das halte ich persönlich für eine größere Leistung als etwa den geschlagenen Mittelstaaten den Norddeutschen Bund und die geheimen Bündnisverträge aufzudiktieren.

Die Ungarn hätten so eine Intervention a la Beust nicht mitgetragen.

Die Ungarn steuerten insofern zu Bismarcks Politik bei, als dass die aufgeheizte Stimmung in Ungarn 1866/1867 mit ein Faktor dafür war, dass Wien schnellstmöglich Frieden schließen musste, auch um auf einen eventuellen erneuten Aufstand in Ungarn noch reagieren zu können.
Die Ungarn-Frage beeinträchtigte Österreichs außenpolitische Handlungsfähigkeit seit spätestens 1848 doch ganz massiv.
Die permanenten Querelen, die Habsburg mit diesem Teil der Monarchie für den Ausgelicht hatte, kamen der Politik Bismarcks ganz massiv entgegen, auch wenn das sicherlich nicht unbedingt das Ziel der Ungarn war.

Bismarck hat die europäischen außenpolitische Verhältnisse sehr wohl gestaltet. Beispiel Berliner Kongress.

Aber nicht in einer Art und Weise, dass dabei ein auf die Dauer tragfähiges Gesamtsystem herausgekommen wäre.
Ich will Bismarck nicht die Fähigkeit absprechen, gute Kompromisse ausverhandelt zu haben.
Aber es blieb um es in seinen eigenen Worten auszudrücken ein "System von Aushilfen"

Natürlich war es auch eine sehr dynamische Zeit, die vielen Veränderungen unterlag und in der es schwierig war, eine dauerhafte Ordnung zu begründen.
Nur wie gesagt, daran hat sich Bismarck eigentlich nie versucht. Anders als 1648, 1814/1815 oder 1918-1919 ist unter Bismarck nie versucht worden die grundsätzlichen Spielregeln der internationalen Politik auf eine neue Basis zu stellen.
Bismarck hat recht erfolgreich Interessen gegeneinander verhandelt, wenn das akkut war. Er hat aber anders als andere nie versucht eine neue Gesamtordnung herbei zu führen und auch nie an den Prinzipien der internationalen Diplomatie und auswärtigen Politik gerührt oder versucht neue dauerhafte Institutionen zur Aushandelung politischer Fragen zu schaffen.

In diesem Sinne ist es etwas ironisch, dass du Bemerkst, dass Metterich ein Politiker der Restauration gewesen sei, denn in dieser Hinsicht, war Metternich im Vergleich mit Bismarck derjenige, dier viel tiefgreifendere und nachhaltige Veränderungen mitiniziierte, während Bismarck da eher konservativ unterwegs war.
 
Inwiefern spricht das aber gegen seine außenpolitische Leistung?

Gar nicht! Es gehört nur nur Gesamtbetrachtung. Stresemann hat in der kurzen Zeit bedeutendes als Außenminister geleistet und das Attribut ein bedeutender Außenpolitiker zu sein redlich verdient.

Aber nicht in einer Art und Weise, dass dabei ein auf die Dauer tragfähiges Gesamtsystem herausgekommen wäre.

Der Berliner Kongress hatte immerhin den Frieden bis 1914 gesichert gehabt. Für damalige Verhältnisse durchaus beachtenswert. War denn überhaupt ein tragfähiges Gesamtsystem möglich? Nicht alle Großmächte waren auch Status Quo Mächte. Für den Erhalt des Status Quo traten England, das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn ein. Frankreich, Italien und Russland nicht. Das was zu leisten war, das hat Bismarck geleistet.

Nur wie gesagt, daran hat sich Bismarck eigentlich nie versucht. Anders als 1648, 1814/1815 oder 1918-1919 ist unter Bismarck nie versucht worden die grundsätzlichen Spielregeln der internationalen Politik auf eine neue Basis zu stellen.

Konnte ja auch nicht gelingen. Deutschland war in einer nicht einfachen Mittellage, mit einem Nachbarn, der auf Revanche lauerte und seine verlorenen Provinzen zurückhaben wollte. Das Frankreich sich in der Vergangenheit auch das eine oder andere Territorium einverleibt, gerade die genannten Provinzen, auch wenn es länger zurücklag, wurde dabei großzügig übersehen. Bismarck hatte versucht, die Grenzen des Reiches von Russland oder Österreich sich garantieren zu lassen; dazu war keiner bereit. Italien schielte auf das Trentino, Russland war war alles andere als eine ruhige Großmacht. Hierzu läßt sich sehr viel schreiben. Selbst Dänemark war mit der Grenzziehung von 1864 durchaus nicht einverstanden und hatte gegen eine Revision so gar nichts einzuwenden. 1918/19 wurden die Wünsche der Dänen erhört; obwohl gar nicht Kriegspartei.

Er hat aber anders als andere nie versucht eine neue Gesamtordnung herbei zu führen und auch nie an den Prinzipien der internationalen Diplomatie und auswärtigen Politik gerührt oder versucht neue dauerhafte Institutionen zur Aushandelung politischer Fragen zu schaffen.

Zur Zeiten Bismarcks wurden akute Krisensituation in der Regel auf Kongressen gelöst. Welche neue diplomatische Erfindung schwebt dir vor, die Bismarck erschaffen sollte?

Zur Bismarcks Zeiten gab es zwei große Kongresse. Zu beiden lud Bismarck ein. Der Berliner Kongress ist dir sicher geläufig. Hier hatte Bismarck eine bedeutende Rolle für den Frieden gespielt.

Dann gab es noch die Kongokonferenz in Berlin von November 1884 bis Februar 1885, auf der bisherige und künftige Eroberungen in Afrika behandelt werden sollten. Bismarck hatte die USA, Frankreich, Belgien, England, Italien, Russland, Spanien, Portugal, das Osmanische Reich und Schweden hierzu nach Berlin eingeladen. Es wurden völkerrechtliche Spielregeln in der sogenannten Kongoakte festgelegt; u.a. wurde beispielsweise der Sklavenhandel verboten.

Sicher, Bismarck war auch ein Monarchist. Aber er hat beispielsweise ein unerhört modernes Sozialsystem geschaffen; etwas vergleichbares hat Metternich nicht vorzuweisen. Metternich war ein leidenschaftlicher Gegner der Demokratie, okay Bismarck auch, und schuf ein reaktionäres, vornehmlich auf den Polizeiapparat und die Zensur gestütztes Regime, als dessen einzige Ziele die Erhaltung der staatlichen Ordnung von 1815 und die Unterdrückung jeder revolutionären Bewegung anzusehen sind. Ist auch nicht gerade viel.
Außenpolitisch stellte Metternich die Vorrangstellung Österreich im Deutschen Bund und Italien wieder her und tarierte das europäische Gleichgewicht auf dem Wiener Kongress mit aus. Das System Metternich führt u.a. genau zu den sozialen und wirtschaftlichen Missständen, die sich 1848/49 dann entluden.

Wenn ich mir dann Bismarcks Leistungen ansehe, dann schlägt das Pendel m.E. nach zu seinen Gunsten aus.:)
Schon kurz nach Amtsantritt hatte es Bismarck mit einen erheblichen Problem zu tun; den Aufstand der Polen. Frankreich und England brachten den Aufständischen Sympathie entgegen. Die deutschen Liberalen ebenfalls. Problemstellung war nur das diese Aufstand auch auf die polnischsprachigen Gebiete Preußens und Österreichs übergreifen konnte. Des Weiteren hegte Bismarck auch die Sorge, das in Petersburg Panslawisten auf die Idee kommen könnten, die Wiederherstellung Polens in Richtung Preußen und Österreich betreiben könnte. Bismarck ging hierbei klug vor, und zwar so, das Preussen sich nicht aus den Fenster lehnte, sondern als einzige Großmacht Petersburg nicht heftig kritisiert. Dies wurde in Petersburg entsprechend vermerkt.
 
Zuletzt bearbeitet:
War denn überhaupt ein tragfähiges Gesamtsystem möglich?

Ich bin da durchaus bereit in der Bewertung Bismarcks zuzugestehen, dass es jedenfalls sehr schwierig gewesen wäre. Gleichwohl ist wie gesagt der Versuch nicht unternommen worden.

Deutschland war in einer nicht einfachen Mittellage, mit einem Nachbarn, der auf Revanche lauerte und seine verlorenen Provinzen zurückhaben wollte.

Mit Verlaub, Die Mittellage im Mächtesystem ist etwas, das Bismarcks Deutschland mit dem Österreichischen Staat unter Metternich ja durchaus gemein hatte.
Damals gab es zugegebenermaßen noch keinen französischen Revisionismus, aber Metternich sah sich ja durchaus mit der Schwierigkeit konfrontiert sowohl dem Expansionsstreben Frankreichs, als auch demjenigen Russlands in irgendeiner Form Einhalt gebieten zu müssen
Es ist ja durchaus nicht so, dass 1814/1815 alles harmonisch gewesen wäre, de facto wäre die Wiener Ordnung ja fast an der sächsisch-polnischen Frage gescheitert, viel hätte da jedenfalls nicht gefehlt.

Zur Zeiten Bismarcks wurden akute Krisensituation in der Regel auf Kongressen gelöst. Welche neue diplomatische Erfindung schwebt dir vor, die Bismarck erschaffen sollte?

Ja schon richtig, aber der Mechanismus Kongresse dieser Art einzuberufen um Kriesen zu bearbeiten und beizulegen ist ja am Ende etwas, das in dieser Form letztendlich vor allem auf das Wiener System zurückgeht.

Welche Erfindung mir vorschwebt?
Schon Metternich der ja nicht ganz unmaßgeblich daran beteiligt war die Spielregeln des europäischen Konzerts für das 19. Jahrhundert mit zu definieren, dachte wohl mitunter durchaus daran diese Art von Kongressen idealer Weise zu einer dauerhaften oder einigermaßen regelmäßigen Einrichtung zu machen.

Im Sinne einer kontinuierlichen kooperativen Problembearbeitung und im Sinne des reibungsloseren Austauschs wäre es z.B. ein Fortschritt gewesen genau diesen Gedanken weiter zu führen und daran zu arbeiten eine ständige internationale Plattform zu errichten um sich der dynamischeren Zeit anzupassen, statt hektisch immer dann wenn sich Kriegsgefahr abzeichnete zur Konferenz zu trommeln, immer mit dem Risiko, dass sich die Ereignisse überschlagen und die militärische Logik die diplomatische Abhängt.

Das wäre im Sinne der Bearbeitung der Probleme und dder Wahrung des europäischen Friedens eingentlich sinnvoll gewesen. Bezeichnend, dass aber gerade in diesem Sinne in Europa kaum jemand handelte und die Initiative zu einer ständigen Plattform dann von Präsident Wilson aus den USA ausging.

Warum hätte gerade Bismarck auf diese Idee kommen sollen? Weil er diese Praxis eigentlich vom Frankfurter Bundestag und aus der deutschen Geschichte auch vom "immerwährenden Reichstag" zu Regensburg kannte.

Nur hat er ja gerade Frankfurt als Plattform eher gering geschätzt und die Möglichkeiten, die in so etwas für eine Status-Quo-Bewahrung lagen/liegen offenbar nicht zu schätzen gewusst.
Erkannt hat er sie durchaus, dahingehend, dass er ja immer davon ausging, dass Frankfurt letztendlich ein Mechanismus zur Sicherung der Vorherrschaft Habsburgs in Deutschland sei.
So lange er beabsichtigte den Status Quo zu verändern und gerade gegen Habsburg zu kämpfen konnte er die Idee natürlich nicht aufgreifen.
In der zeweiten Hälfte seiner Amtszeit hätte er das guten Gewissens tun können, vor allem mit Hinblick auf die Sicherung des europäischen Friedens.

De facto zeigte er da so weit mir bekannt (korrigiere mich, wenn ich falsch liege, deine Kenntnisse dürften umfangreicher sein) aber eher wenig iniziative.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn ich mir dann Bismarcks Leistungen ansehe, dann schlägt das Pendel m.E. nach zu seinen Gunsten aus.:)

Um das hier noch aufzugreifen:

Es geht mir durchaus nicht darum Bismarcks politische Gesamtleistung herabzuwürdigen. Es geht mir um die Bewertung des Außenpolitikers Bismarck und die Erfassung seiner Stärken und Schwächen.

Die Stärken werden in der Regel wohl gesehen, mir fallen in der Bewertung häufig die Schwächen etwas zu sehr hinten rüber.
 
Ist Bismarck "der deutsche Außenpolitiker schlechthin"? Halte ich für streitbar.

Ich halte etwa die Leistungen Metternichs als Außenpolitiker und Diplomat für durchaus vergleichbar und auch einen Gustav Stresemann wird man hier sicherlich verhandeln können.

Was mir bei der Betrachtung Bismarcks nach wie vor etwas missfällt, ist, dass da nach wie vor (und in meinen Augen zu sehr) die Reichsgründung als Verdienst angesehen wird.

Bismarck war ohne Zweifel jemand, der es blendend verstand gegebene Gelegenheiten auszunützen, allerdings würde ich meinen, wird man hier auch sehen müssen, dass Bismarck den Vorteil hatte stets aus einer starken Position heraus die verhandeln, die sich auf preußens militärischer Macht gründete und dass er verwirklichte, was die großen Linien der europäischen Politik zuließen und wahrscheinlich machten, dass er allerdings relativ wenig selbst gestaltete.

Die Einigung Norddeutschlands unter preußischer Führung war etwas, dass sich eigentlich seit den napoleonischen Kriegen abzeichnete, um so mehr nach der Westverschiebung Preußens, die das Gewicht dieses Staates erhöhte.

Sein Norddeutscher Bund ist am Ende wenig mehr als die Wiederauferstehung der mit der Olmützer Punktation beerdigten Erfurter Union gewesen, mit einigen territorialen Zugewinnen für Preußen und einer entsprechend stärkeren Stellung gegenüber den Kleinstaaten wohl, aber die Einigung dieses Raumes ist eigentlich etwas, dass der Zollverein und die Erfurter Union bereits voweg genommen hatten.

Die Möglichkeit das herbei zu führen, war weniger Ergebnis brillianter diplomatischer Leistungen, als viel mehr der Tatsache, dass sich das Österreichisch-Russische Zerwürfnis, die territorialen Begehrlichkeiten Italiens und die Unabhängigkeitswünsche der Ungarn ebenso nutzen ließen.

Im Fall der letztendlichen Reichsgründung konnte er wieder auf russische Rückendeckung (gegen potentielle Österreichische Intervention), die eigene bewaffnete Macht und die Angst vor Frankreich in Süddeutschland bauen.

Das auszunutzen muss man sicherlich nicht klein reden, aber es hat doch relativ wenig gestalterischen Charakter. Bismarck ist es nie gelungen eine neue gesamteuropäische Ordnung zu entwerfen und durchzusetzen und er hat es auch nie versucht, sondern er hat versucht das neu entstandene Deutschland in die vorhandene Ordnung zu integrieren.

Eine wirkliche gestaltende Rolle hatte Bismarck lediglich bei der Abgrenzung der Einflussphären der europäischen Kolonialmächte in Afrika.
Ob aber das was dabei heraus kam eine so große Leistung ist, dass kann man hinterfragen. Es war nicht dazu geeignet die Konflikte dauerhaft beizulegen und besonders glücklich war diese Aufteilung in keiner Hinsicht, schon gar nicht für Afrika selbst.
In dieser Hinsicht würde ich ddazu tendieren Bismarck als vollkommen gescheitert zu betrachten.

In dieser Hinischt, würde ich meinen, dass etwa die Beteiligten des Wiener Kongresses deutlich mehr geleistet haben.
Auch wie gesagt, hat Bismarck seine erfolge fast immer auf die preußischen und die russischen Bajonette gründen können.
Es ist sicherlich Bismarch nicht vorzuwerfen, dass Preußen sich in einer durch den Gang der europäischen Diplomatie und die wirtschaftlichen Entwicklungen günstigen Position befand, allerdings, andere haben spektakuläre Erfolge aus wesentlich prekäreren Positionen heraus zustande gebracht.

Insofern halte ich "der deutsche Außenpolitiker schlechthin" für ein wenig überbewertet.
Um das hier noch aufzugreifen:

Es geht mir durchaus nicht darum Bismarcks politische Gesamtleistung herabzuwürdigen. Es geht mir um die Bewertung des Außenpolitikers Bismarck und die Erfassung seiner Stärken und Schwächen.

Die Stärken werden in der Regel wohl gesehen, mir fallen in der Bewertung häufig die Schwächen etwas zu sehr hinten rüber.
 
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