Da unterschätzt du Washington aber gewaltig. Ich weiß schon, in unseren modernen postheroischen Zeiten, negiert man gerne denn Einfluss, denn Einzelpersonen auf den Lauf der Geschichte haben. Aber das die USA alle ihre oft heftigen Kinderkrankheiten überstehen konnte war, nicht nur aber im großen Washington zu verdanken.
Es geht nicht um das Negieren der Einflüsse von Einzeplersonen, sondern darum, dass wichtige Weichen durch andere Leute, als durch Washington gestellt wurden.
Das es überhaupt einen Bundestaat, eine Verfassung, ein stehendes Heer und vor allem einen durchsätzungsfähige Regierung gab, ist vor allem dem geschuldet, dass die Menschen so großes Vertrauen in Washington hatten. Washington tat auch viel dafür, er reiste durch das Land. Machte den neuen Staat erlebbar, erzeugte eine emotionale Bindung, verbreitete Vertrauen.
Es stimmt, zwar das Hamilton, die Grundlage für ein fiskalisch und wirtschaftlich Fundament der USA legten. Dies hätte Hamilton aber nie und nimmer durchsetzen können, wäre nicht Washington hinter ihm gestanden. Da hätte er noch so viele schöne Abendessen mit Jefferson haben können. Washington hatte eine einmalige Stellung inne, man konnte Hamilton kritisieren, man konnte auch Adams kritisieren, sogar bekämpfen, aber vor Washington musste man einen Rückzieher machen, wenn man nicht alles an politischen Kapital verlieren wollte. Das darf man nicht unterschätze
Du hast absolut recht damit, dass alles das ohne Washington nicht möglich gewesen wäre und Washington aus sein Ansehen und seinen Einfluss nutzte um ihm nahestehende Positionen auf dem Kontinentalkongress und bei der Ausarbeitung der Verfassung zu pushen und dass das durchaus das eine oder andere Mal den Ausschlag gab.
Man darf aber nicht übersehen, dass gerade auch die militärischen- und die Repräsentationsaufgaben immer wieder dafür sorgten, dass Washington bei den politischen Debatten oft nicht in persona anwesend sein und häufig nur Dinge, die sich bereits vollzogen hatten aus der Ferne kommentieren konnte.
Gerade der Umstand, dass er nicht so sehr in die politischen Grabenkämpfe hineingezogen wurde und sich darin aufreiben musste, dürfte in nicht unerheblichem Maße dazu beigetragen haben, dass er sich diesen Nimbus, als große Integrationsfigur überhaupt zulegen und bewahren konnte, denn gerade durch seine Abstinenz vom politischen Geschäft während der Feldzüge, konnte er es natürlich vermeiden, dass unpopuläre Schritte allzu stark mit seinem Namen verbunden wurde.
Das funktionierte aber natürlich nur deswegen, weil er Leute vor Ort hatte, die einigermaßen in seinem Sinne aggierten und in seiner Abwesenheit die Grundlagen dafür schufen, dass er überhaupt weitermachen konnte.
Das Problem bei großen Überfiguren, wie Washington ist halt, dass sie nur so lange als solche funktionieren, wie sie einer möglichst breiten Masse als Projektionsfläche für ihre Vorstellungen dienen können.
Das bedeutet aber glechzeitig die Notwendigkeit sich weitgehend aus dem politischen Tagesgeschäft herauszuhalten um keine Entscheidungen treffen zu müssen, die allgemein unpopulär sind oder den Eindruck machen eine Partei allzu sehr zu begünstigen, weil es für solche Figuren notwendig ist die Illusion aufrecht zu erhalten über den Parteien zu stehen, sonst nutzt sich der Mythos ab.
Hätte es in Washingtons Abwesenheit während des Krieges keine vernünftigen Leute an den Schaltstellen der politischen Macht gegeben, die tatsächlich in die Zukunft dachten, wären, während Washington im Feld glänzte und seine militärischen Siege einfuhr möglicherweise die Weichen für die Zukunft in Philadelphia und New York in fatal falsche Richtungen gestellt worden und ob Washington das allein rückwirkend hätte korrigieren können, halte ich für mehr als fraglich.
Wären in Washingtons Abwesenheit andere Ansichten und Parteien stärker geworden, hätte z.B. Jefferson, mit seinen eher antimodernen Ansichten größeres Gewicht gewinnen oder sich statt Hamilton in der Finanzfrage mehr populistische Strömungen durchsetzen können, die Auf dem Standpunkt standen, Besteuerung sollte illegal sein, hätte es durchaus passieren können, dass in der Gründungsphase der Vereinigten Staaten früh Schlüsselentscheidungen gefallen wären, die in eine deutlich weniger erfolgreiche Zukunft hätten führen können.
Und Land gab es in Lateinamerika auch, in Mexiko, Argentinien, Brasilien, Kolumbien, Chile usw. gab es im 19. Jahrhundert auch eine Siedlerbewegung. Stimmt, nicht in dem Ausmaße wie in den USA, aber dadurch wäre doch erst recht Dampf aus dem Kessel genommen worden.
Der Punkt auf den ich hinauswollte, ist mehr, dass am Beginn des Unabhängigkeitskrieges der soziale Druck in Teilen der 13 Kolonien ja bereits so groß war, dass der Kessel nicht mehr weit von der Explosion war.
Neben der Frage von Besteuerung/Zöllen, war ja die zweite höcht unpopuläre Maßnahme, die aus Großbritannien kam und in den Kolonien für mächtigen Ärger sorgte die Etablierung der "Royal Proclamation line", die ja den europäischen Kolonisten das Siedeln westlich der Appalachen und den Erwerb von Land dort praktisch verbot.
Auch wenn die wohl nicht als dauerhafte Barriere gedacht war, erzeugte dass doch Probleme, weil die Zuwanderung in die Kolonien aus Europa anhielt, das fruchtbarste Land aber bereits verteilt war und vielen Neuankömmlingen nur noch die wirtschaftlich mäßig ertragreichen Randlagen im Einzugsgebiet der Appalachen und im klimatisch eher strengen Norden übrig blieben.
Indem das mit der Unabhängigkeit gekippt wurde, und die neuen US-Regierungen bei gewalttätiger Landnahme gegenüber der indianischen Bevölkerung beide Augen zudrückten, wurden sie dieses Problem zeitweise los, hätten sie an der britischen Politik und den Abkommen mit den indigenen Gruppen festgehalten, hätten sie in kurzer Zeit in einigen Regionen an der Ostküste eine dermaßen starke soziale Frage und zunehmende Verteilungskämpfe gehabt, dass das ganze System wahrscheinlich ziemlich schnell instabil geworden wäre.
Im Besonderen dann, wenn sich das noch mit den anderen durch die Gründergeneration vertagten Fragen und halbgaren Kompromisse in der Sklavenfrage und in der frage der Rechte der Einzelstaaten verbunden hätte.
Wäre nämlich durch zunehmende Verarmung der neuen nachströmenden Einwanderer, die vor allen in den Norden gingen, dort irgendwann eine Neuregelung der Eigentumsverhältnisse oder die Etablierung von sozialen Sicherungssystemen auf die politische Tagesordnung gekommen, wie das anderswo im 19. Jahrhundert passierte, hätte das die Zentrifugalkräfte, die den noch relativ jungen Staat wieder zerreißen hätten können, deutlich verstärkt.
Diese Option die sozialen Probleme einfach an die "Frontier" abzuschieben ergab sich allersings nur deswegen, weil jenseits der vorhandenen abgesteckten Grenzen keine Nachbarn vorhanden waren, deren Besitzansprüche man meinte achten zu müssen und weil die Franzosen und Spanier sich teilweise in prekären Situationen befanden, die es möglicht machten, dass das Louisiana-Territorium und Florida an die USA verkauft/abgetreten wurden.
Diese Möglichkeit soziale Probleme in den stärker besidelten Küstengegenden einfach durch ständige Expansion ins Binnenland abzuschieben, stand in den Nachfolgestaaten des spanischen Kolonialreiches ja schon deswegen nicht zur Verfügung, weil man ja überall an die anderen ehemaligen Vizekönigreiche und an Brasilien grenzte, deren Territorialansprüche man anerkannte.
Im Hinblick auf die Problematik, die El Quijote schonmal angesprochen hatte, die Rivalität darum, wer politische Metropole und wer Peripherie würde und die damit verbundenen zentrifugalen Kräfte wäre darauf hinzuweisen, dass in den USA auch hier ein nicht unkulger Kompromiss gefunden wurde.
Erste Hauptstadt der Vereinigten Staaten, wenn auch nur für 2 Jahre war New York, dann folgte zunächst der Umzug nach Phaliadelphia. Das war insofern ein nicht ungeschickter zug, als dass man damit die politische Hauptstadt und das Finanzzentrum des Landes von einander trennte und so dem Sentiment, die Regierung könne leicht unter den Einfluss des Bankenkapitals geraten, dass es vor allem in der kleinbäuerlichen Landbevölkerung früh gab etwas vorbauen.
Im zweiten Schritt, war die Errichtung einer neuen Hauptstadt, ungefähr im Zentrum des neuen Staates in der Nord-Süd-Ausdehnung, und in einem gesondertem Gebiet, dass keinem Bundesstaat angehörte insofern ein interessanter Kompromiss, als dass damit solchen Eifersüchteleien darum wohin das neue Zentrum kommen würde insofern ein Riegel vorgeschoben wurde, als dass alle traditionellen Zentren eine Absage erhielten.
Auch das hat möglicherweise Spannungen herausgenommen.