Vor kurzem schrieb ich in einem anderen Thread:
Nehmen wir Keller und Zelle. Beides stammt vom lateinischen cella. Da wir wissen, dass im klassischen Latein das <c> noch [k] gesprochen wurden und später zu [ts] umgelautet, können wir zumindest festhalten, dass cella zwei Mal ins Germanische und vielleicht schon ins Deutsche entlehnt wurde, nämlich einmal zu einem Zeitpunkt, als das <c> noch [k] gesprochen wurde, und ein zweites Mal zu einem Zeitpunkt, als es schon umgelautet war. (Wenn mal so Dinge wie Retardierung etc, auslässt).
Heute habe ich bei Eugenio Coseriu (
Lateinisch - Romanisch. 2008 posthum) die Behauptung gelesen - die allerdings nicht von ihm stammte, sondern die er nur zitierte - dass das zu [ts] umgelautete <c> vor <e, i> eher aus dem christlichen Bereich stamme, während das konservative <c> vor <e, i> = [k] eher aus dem weltlichen Bereich stamme. Als Belege waren
Zelle (
cella) und
Kreuz (
crux, crucis) sowie
Keller (
cella) und
Kiste (
cista) angeben. Somit sei der Entlehnungszeitpunkt auch nicht so genau zu bestimmen, da im christlichen Bereich eine stärkere Anpassung an die Volkssprache stattgefunden habe. Keller könnte demnach - obwohl phonematisch konservativer - später entlehnt worden sein, als Zelle.
Das Argument der stärkeren Anpassung der Missionarsentlehnungen an die lateinische Volkssprache schien ein wenig seltsam - denn warum sollte man bei der Bezeichnung von Konsumgütern einen sprachlichen Konservatismus erwarten? - aber durch die Suggestion der jeweils zwei Belege aus dem christlichen und aus dem weltlichen Bereich erst einmal plausibel. Mir fiel dann auch als nächstes die
Kirsche ein (
ceresia), die ja auch ein Konsumgut ist. Auf der anderen Seite haben wir aber auch
Zither und
Zirkus. Nun ist es sicher möglich, die Zither nicht nur für weltliche Musik, sondern auch für kirchliche bzw. geistliche Musik einzusetzen (die Darstellungen von Musikinstrumenten in den
Cantigas de Santa María aus dem 13. Jhdt. legen dies zumindest für das SpätMA auch nahe und es gibt keinen mir bekannten Grund anzunehmen, dass das zu anderen Zeiten wesentlich anders war), aber zumindest der Zirkus ist ja nicht unbedingt ein Teil der geistlichen Welt. Auf den ersten Blick.
Auf den zweiten Blick ist der Zirkus wiederum der Ort des Martyriums vieler Christen.
Was ist nun von der Behauptung zu halten, dass durch das Christentum ins Deutsche entlehnte Worte eher den Lautwandel [k] > [ts] mitgemacht haben, während Konsumgüter (oder im Falle des Kellers Lagerräume für Konsumgüter) sprachlich eher konservativere Merkmale aufweisen, man also mit der Datierung der Entlehnung vorsichtiger sein müsse?