Cäsar, Tyrann oder großer Reformer?

Zitiere den Beitrag, in dem behautet wird, in Ruanda hätte kein Völkermord stattgefunden.



Nur hast du versäumt, deinen "Wissensstand" hier einzubringen.

Ich hab nicht behauptet, dass du das gesagt hast. Ich hab andere große Massaker genannt, gefragt ob man die Völkermord nennen darf und du hast mir Aufweichung oder so vorgeworfen!
 
Massaker werden sich in fast jeder beliebigen Epoche in ausreichender Anzahl finden, ich würde es aber begrüßen, wenn die Diskussion wieder zur Ausgangsfrage zurückkehrt. Ich bin ja der Ansicht, dass Tyrannis/Alleinherrschaft Diktatur und (große/bedeutende) Reformen sich keineswegs ausschließen müssen.

Caesar wird man auch mit einiger Berechtigung sowohl als einen Tyrannen wie als großen Reformer bezeichnen können. Bevor wir uns in der Aufzählung von Massakern und Genoziden erschöpfen, könnten wir Fakten und Argumente für die eine oder andere oder beide Sichtweisen anführen.

Ich bin leider im Moment zu faul, um mit gutem Beispiel voranzugehen.
 
Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes
In Artikel II wird der Begriff des Völkermordes definiert. Völkermord ist hiernach eine der folgenden Handlungen, die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören.
Du hast der Definition der heute herrschenden Lehre (Werle, Münchener Kommentar), die übrigens ins VStGB übernommen wurde, die Definition der CPPCG von 1948 entgegengesetzt, die mit der bereits genannten übereinstimmt, außer dass nach heute herrschendem Verständnis auch Tatbegehungen unterhalb der Schwelle der "ganz[en]" oder "teilweise[n]" physischen Vernichtung schon als Genozid gewertet werden können.

Wir drehen uns im Kreis.

Den Einwand, dass die von Dir geforderte Absicht bei Caesar nach dessen eigener Auskunft vorlag, lässt Du gänzlich unbeantwortet. Wenn aber ein Feldherr sich in eigenen Worten dazu bekennt, einen ganzen Volksstamm mit Stumpf und Stiel ausgerottet und selbst seinen Namen aus der Erinnerung getilgt zu haben, warum sollte das Tatbestandsmerkmal der Absicht dann nicht erfüllt sein? Das ergibt keinen Sinn.
Du bist also nicht der Ansicht, eine Diskussion über Völkermord sollte sorgfältig und eben nicht hier OT geführt werden?
Dieses "sorgfältig" ignoriere einfach, denn für diese Suggestivfrage besteht kein Anlass. Und in welchem Teil des Forums die Diskussion stattfindet, ist doch eigentlich völlig schnuppe. Ich könnte Deine Bedenken vielleicht verstehen, wäre dies das "GZSZ"-Fanforum, aber es ist geschichtsforum.de. Wir sind geschichtsinteressierte, erwachsene Menschen und durchaus zur Ernsthaftigkeit in der Lage.
Was ich unter Relativierung verstehe, habe ich geschrieben. Kannst du ja noch mal nachlesen. Und wenn ein Historiker der Frage nachgeht, dann hoffentlich mit der angemahnten Sorgfalt, auf Grundlage von Belegen und mit Argumenten, die nachvollziehbar sind.

Ich habe Kiernan nicht ins Spiel gebracht und ihm nichts unterstellt, wie du behauptest.

Eröffnet doch einfach mal ein Thema. Da könnte man auch über die Definition einig werden. Da gibt es offenbar schon Probleme. Deshalb ja meine Befürchtung, das Thema werde zur Relativierung führen.
Bist Du eigentlich an einer Diskussion interessiert? Allmählich drängt sich mir der Gedanke auf, dass dem nicht so ist, ansonsten würdest Du wohl nicht mit Volten wie derjenigen arbeiten, ich hätte Dir unterstellt, Ben Kiernan etwas unterstellt zu haben. Ich schrieb nichts dergleichen.

Ich wies darauf hin, dass Dein – in meinen Augen unpassend enges – Verständnis davon, was den Begriff des Völkermords relativiere, darauf hinausliefe, dass Du konsequenterweise selbst bei Kiernan von Relativierung sprechen müsstest, da dieser Caesars Taten für genozidal hält; andernfalls widersprächest Du Dir selbst.

Und weil ein anerkannter Genozid-Experte wohl kaum Völkermorde relativieren würde, zeigt mir das, dass Dein Verständnis davon, was relativierend sei, zu eng ist.

Im Übrigen gibt es eigentlich keine Unstimmigkeiten, was die Definition anlangt. Die Rechtslehre hat die Definition herausgearbeitet, der Gesetzgeber hat sie übernommen, und sie wird entsprechend vor Gericht angewandt, zuletzt vor europäischen Gerichten v.a. in Bezug auf Syrien bzw. Irak.
Barth stimmt dem nicht zu.
Daher der Begriff "Lehrmeinung".
Ich bin dafür, den Begriff streng zu deuten. Vorsicht Wiederholung: Wer den Begriff aufweicht, relativiert den Völkermord.
Und ich halte eine solche Einengung für nicht zweckdienlich und nicht geboten. Ich füge hinzu: Die Pauschalität, mit der Du festgehalten wissen willst, man betreibe so Relativierung, empfinde ich, ehrlich gesagt, als anmaßend.

Wenn seit geraumer Zeit Autoren verschiedenster Fachrichtungen, von Althistorikern bis hin zu Völkermord-Forschern, Caesar einen Völkermord "unterstellen", handelt es sich wohl um einen anerkannten Forschungsgegenstand, und es besteht wenig Anlass für den mahnend erhobenen Zeigefinger.

Ohnehin frage ich mich inzwischen, worin die Gefahr bestehen soll, die Du siehst. Nach Barths strenger Auslegung wären bspw. auch die Verbrechen des IS gegen die Jesiden, die sowohl von der Lehre als auch den Gerichten sowie in parlamentarischen Entschließungen als Völkermord anerkannt wurden, kein Genozid.

Wem schadet es aber, die Jesiden als Opfer eines Völkermords einzustufen? (Dieses analoge, seiner Eindeutigkeit halber gewählte Beispiel bedarf hier keiner weiteren Diskussion. Es geht mir darum, diese Vehemenz in Deinen Kommentaren zu verstehen, die sich mir nach wie vor nicht erschließt.)

Wo liegt also das Übel, wenn vertreten wird, Caesar habe an den Eburonen einen Genozid verübt?
 
Massaker werden sich in fast jeder beliebigen Epoche in ausreichender Anzahl finden, ich würde es aber begrüßen, wenn die Diskussion wieder zur Ausgangsfrage zurückkehrt.
Zumindest prinzipiell ist die Diskussion noch bei der Ausgangsfrage. Diese stellt den ausdrücklich positiven Reformen das Negativum des Tyrannen gegenüber. Bleibt man auf der wertenden Ebene, wird man wohl um die Frage nicht herumkommen, ob Caesar als das eine oder das andere so gehandelt hat, dass seine Einstufung als das jeweilige Gegenteil ausgeschlossen erscheint. Ich selber glaube das nicht – aufgrund der Schwäche des Ansatzes, moderne Maßstäbe an historische Persönlichkeiten anzulegen –, aber verstehe, warum @PostmodernAtheist die Frage aufwirft.
 
Wenn ich mich recht erinnere, hat Cäsar Vercingetorix während seines Triumphzuges erdrosseln lassen als dieser genau am Senat vorbei zog.
Man kann diesen Mord als Zeichen der Stärke Roms werten, man kann ihn aber auch als Kampfansage Cäsars gegen den Senat sehen: "Schaut her, so geht es allen meinen Feinden!"
Vielleicht liegt hier die Ursache für sein eigenes Ende?
 
Ich wüsste nicht, wo das stehen soll. Aus Cassius Dio geht nur hervor, dass Vercingetorix anlässlich Caesars Triumphzug 46 v. Chr. hingerichtet wurde. Nicht einmal die Hinrichtungsart wird näher genannt. Alles andere scheinen Ausschmückungen späterer Zeiten zu sein.
 
Wenn ich mich recht erinnere, hat Cäsar Vercingetorix während seines Triumphzuges erdrosseln lassen als dieser genau am Senat vorbei zog.
Man kann diesen Mord als Zeichen der Stärke Roms werten, man kann ihn aber auch als Kampfansage Cäsars gegen den Senat sehen: "Schaut her, so geht es allen meinen Feinden!"
Vielleicht liegt hier die Ursache für sein eigenes Ende?

Eher nicht. Die Tötung wichtiger Feinde im Tullianum (das römische Staatsgefängnis für zur Hinrichtung Bestimmte) war üblich und nicht die Ausnahme. Es gehörte zum Ritual des Triumphes. Meines Wissens ist die einzige Quelle, die über Vercingetorix‘ Tod/Tötung berichtet, Cassius Dio und der spezifiziert das nicht weiter, er nennt Vercingetorix nur als prominentesten der Getöteten in vier Triumphzügen, die Caesar an vier aufeinanderfolgenden Tagen feierte, wohingegen Arsinoe, Kleopatras Schwester von Caesar nach dem Triumph freigelassen wurde. Dass Caesar hier also dem Senat mit dem Zaunpfahl winkte, ergibt sich aus den Quellen so nicht.
 
So heftig es klingt:
Aus der moralischen Brille der Antike betrachtet war es normal, dass der Sieger im Kampf dem Verlierer alles antun darf, was man sich vorstellen kann.

Daher hat Caesar nur moralisch "normal" im Kontext seiner Zeit gehandelt.
 
So heftig es klingt:
Aus der moralischen Brille der Antike betrachtet war es normal, dass der Sieger im Kampf dem Verlierer alles antun darf, was man sich vorstellen kann.

Daher hat Caesar nur moralisch "normal" im Kontext seiner Zeit gehandelt.
Das ist zwar allgemein richtig, allerdings scheint der Gallische Krieg selbst für die damalige Zeit besonders grausam geführt worden zu sein, und wurde von Zeitgenossen durchaus auch entsprechend rezipiert. Natürlich waren dies vor allem Caesars politische Feinde, trotzdem muss der Vorwurf von den Adressaten dieser Botschaft verstanden worden sein, verfangen haben. Er erschien nicht als weltfremd. Das erhellt auch aus der Tatsache, dass sich Caesar in 'De bello Gallico' bemüßigt fühlt, auch seine Methoden zu rechtfertigen.
 
Viele der Projekte und Reformen, die Caesar sich vorgenommen hat, konnte er nicht mehr vollenden. Er wollte das Römische Recht vereinfachen und kodifizieren. Geplant waren der Bau einer neuen Curia, des Senatsgebäudes, einer Bibliothek nach dem Vorbild Alexandrias und die Trockenlegung der Pontinischen Sümpfe, ein Projekt, das im 20. Jahrhundert sich Mussolini annahm.

Die wohl wichtigste Reform, die teilweise heute noch gültig ist, wurde von seinen Zeitgenossen wenig beachtet: Die Kalenderreform Caesars. Die Umstellung von einem Mondkalender auf einen Sonnenkalender, der fast genau dem astronomischen Zyklus der Sonne entsprach. Vor Caesars Kalenderreform begann das Jahr im März, es gab Schaltmonate, und es herrschte ein ziemliches Durcheinander in der Chronologie. Es galt ein Mondjahr von 355 Tagen.

Caesar ließ die Berechnungen von ägyptischen Astronomen ausarbeiten. Mit Caesars Kalenderreform wurde erstmals der Kalender dem astronomischen Jahr von 365 1/4 Tagen angeglichen. Alle 4 Jahre wurde ein Schalttag hinzugefügt. Der heute noch gültige Gregorianische Kalender entspricht bis auf eine kleine Abweichung dem Julianischen Kalender. Beide Kalender haben ein Jahr von 365 Tagen, denen alle 4 Jahre ein Schalttag hinzugefügt wird am 29. Februar. Um den Kalender exakt dem astronomischen Lauf anzupassen, muss alle 400 Jahre das Schaltjahr entfallen. Der Gregorianische Kalender wurde erstmals 1582 durch Papst Gregor XIII. eingeführt. Nach der Kalenderreform Gregors XIII. muss auf 400 Jahre dreimal das Schaltjahr ausfallen, um wirklich exakt das astronomische Jahr abzubilden. Sind die Jahrhundertanfänge nicht durch 400 teilbar, muss das Schaltjahr ausfallen. Nach dem Gregorianischen Kalender war 1600 ein Schaltjahr, 1700, 1800, 1900 und 2000 aber nicht. In protestantischen Territorien wurde der gregorianische Kalender im Laufe des 18. Jahrhunderts eingeführt. In Russland war bis 1917 noch der Julianische Kalender gültig. Die Russen feierten ihre Oktoberrevolution, als nach dem Gregorianischen Kalender schon November war. Caesars Kalenderreform revolutionierte die Chronologie, bis auch eine kleine Änderung gilt sie heute noch.

Von Zeitgenossen wurde die astronomische Leistung der Kalenderreform unzureichend gewürdigt, obwohl sie sich schon bald einbürgerte. Ich glaube, es war Cicero, der darauf angesprochen, das heute der Soundsovielte sei, antwortete: "Ja, aber nur auf höchsten Befehl".

Caesar hat der Republik den Todesstoß versetzt. Ob ihm wirklich vorschwebte, die alte Republik in eine hellenistische Erbmonarchie umzuwandeln, ist unklar. Eigentlich spricht einiges dagegen, den Senat konnte ein römischer Caesar nicht einfach so ausschalten, selbst wenn seine Macht nur noch ein Schatten war, wollte er doch wenigstens gefragt werden, und alle Caesaren die sich daran versuchten, eine hellenistische Monarchie zu errichten, sind letztlich daran gescheitert, selbst Domitian. Caesar hatte den Widerstand der Republikaner unterschätzt. Sein Nachfolger Augustus drückte der Verfassung des Imperiums seinen Stempel auf bis zum Ende des Weströmischen Reiches, indem er seiner Programmatik nach die Republik erneuerte. Vieles, was er plante, konnte Caesar nicht zu Ende führen.

Seine Kalenderreform aber qualifiziert ihn, meiner Ansicht nach, als einen Reformer. Um auf die Eingangsfrage dieses Threads zurückzukommen, war Caesar natürlich auch ein Tyrann und Ursurpator.

Für das Verständnis der Antike hatte ein Tyrann nicht unbedingt eine so negative Bedeutung wie das, was wir heute damit verbinden. Ein Tyrann war eigentlich ein "Alleinherrscher". In Athen nach den Peisistratiden wie in Rom nach Tarquinius Superbus hatte Alleinherrschaft natürlich ein negatives Geschmäckle, einige Polis wie Syracus wurden von Alleinherrschern/ Tyrannen wie Dionysios oder Polykrates regiert, die durchaus Prestige hatten.
 
Die wohl wichtigste Reform, die teilweise heute noch gültig ist, wurde von seinen Zeitgenossen wenig beachtet: Die Kalenderreform Caesars.

Von unseren zwölf Monaten sind nur zwei nach realen Personen benannt; Juli (nach Julius Caesar) und August (nach Augustus). Wenn man bedenkt, wie beständig und wenig wandelbar die Zeitmessung, ihre Begriffe und Namen sind, haben die beiden sich damit tatsächlich auf (mehr oder minder) ewig unserer Kultur eingeschrieben.

Nach dem Gregorianischen Kalender war 1600 ein Schaltjahr, 1700, 1800, 1900 und 2000 aber nicht.

2000 war ein Schaltjahr, da es durch 400 teilbar ist (Ausnahme von der Ausnahme); guck in den Kalender von deinem Handy. ;)
 
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