Cassius Dio als Überlieferer älterer Quellen - seine Glaubwürdigkeit

Sicher, natürlich ist Cassius Dio für die ein oder andere Sache eine wertvolle Quelle. Aber manchmal fabuliert er eben. Und ich habe diesen Thread nicht Cassius Dio und seine Darstellung der antoninianischen Dynastie und der Severer genannt, sondern Cassius Dio als Überlieferer älterer Quellen und seine Glaubwürdigkeit.

Aber wenn wir uns die Geschichte mit Caesar im Wasser genau ansehen, gibt es doch ein paar Unterschiede:

Aus dem Corpus Caesaraum (de bello Alexandrino)kennen wir die Geschichte so:

Caesar quoad potuit cohortando suos ad pontem ac munitiones continere, eodem in periculo versatus est; postquam universos cedere animadvertit, in suum navigium se recepit. Quo multitudo hominum insecuta cum irrumperet neque administrandi neque repellendi a terra facultas daretur, fore quod accidit suspicatus sese ex navigio eiecit atque ad eas quae longius constiterant navis adnatavit. Hinc suis laborantibus subsidio scaphas mittens non nullos conservavit. Navigium quidem eius multitudine depressum militum una cum hominibus interiit. Hoc proelio desiderati sunt ex numero legionariorum militum circiter CCCC et Paulo [ultra] eum numerum classiarii et remiges. Alexandrini eo loco castellum magnis munitionibus multisque tormentis confirmarunt atque egestis ex mari lapidibus libere sunt usi postea ad mittenda navigia.​

Caesar geriet in Bedrängnis, floh auf ein Wasserfahrzeg (navigium) und, da die Feinde hinterherdrängten, sprang ins Wasser und schwamm zu den übrigen Schiffen (navis). Von dort schickte er Boote wieder zurück, um weitere Römer zu retten. Das navigium sank wegen Überfüllung.

Bei Sueton dann:

Alexandriae circa oppugnationem pontis eruptione hostium subita conpulsus in scapham pluribus eodem praecipitantibus, cum desilisset in mare, nando per ducentos passus evasit ad proximam navem, elata laeva, ne libelli quos tenebat madefierent, paludamentum mordicus trahens, ne spolio poteretur hostis.​
Während im de bello Alexandrino (wahrscheinlich von Aulus Hirtius geschrieben) von einer navicula die Rede ist und Caesar, nachdem er die Schiffe erreicht hat scaphas (Boote) zu Hilfe schickt, besteigt Caesar bei Sueton eine scapha, von der aus er ins Wasser springt. Wovon de bello Alexandrino nichts weiß, was bei Sueton neu ist, ist, dass Caesar Schriftstücke dabei hatte und eben seinen Feldherrenmantel (paludamenum) hinter sich her zog. Sueton kannte den bellum Alexandrinum, er erwähnt die Schrift als von einem unbekannten (im Sinne von nicht gesichert wer) Verfasser aus Caesars Umkreis verfasst, Gaius Oppius oder Aulus Hirtius:

Reliquit et rerum suarum commentarios Gallicicivilisque belli Pompeiani. Nam Alexandrini Africique et Hispaniensisincertus auctor est: alii Oppium putant, alii Hirtium, qui etiam Gallicibelli novissimum imperfectumque librum suppleverit.​
Cassius Dio erzählt die Geschichte dann so:

προϊόντος δὲ τοῦ χρόνου στάσις τοῖς περὶτὴν Ἀρσινόην οὖσιν ἐνέπεσε, καὶ αὐτὴν ὁ Γανυμήδηςἔπεισε τὸν Ἀχιλλᾶν ὡς καὶ τὸ ναυτικὸνπροδώσοντα 1 ἀποκτεῖναι. γενομένου δὲ τούτουτήν τε ἡγεμονίαν τῶν στρατιωτῶν παρέλαβε, καὶτὰ πλοῖα ὅσα ἐν τῷ ποταμῷ καὶ ἐν τῇ λίμνῃ ἦν συνήγαγεν, ἄλλα τε προσκατεσκεύασε, καὶπάντα αὐτὰ ἐς τὴν θάλασσαν διὰ τῶν διωρύχωνκομίσας τοῖς τε Ῥωμαίοις μὴ προσδεχομένοιςπροσέβαλε, καὶ τὰς μὲν κατέπρησε τῶν ὁλκάδωναὐτῶν τὰς δὲ ἀνεδήσατο, καὶ μετὰ τοῦτο τόντε ἔσπλουν τοῦ λιμένος ἐξεκάθηρε, κἀνταῦθα ναυλοχῶν 2 πολλά σφας ἐλύπει. τηρήσας οὖνποτε αὐτοὺς ὁ Καῖσαρ ἀμελῶς ὑπὸ τοῦ κρατεῖν ἔχοντας ἔς τε τὸν λιμένα αἰφνιδίως ἐπεσέπλευσε,καὶ συχνὰ πλοῖα καύσας ἔς τε τὴν Φάρον ἀπέβηκαὶ τοὺς ἐνοικοῦντας ἐν αὐτῇ ἐφόνευσεν. ἰδόντεςδὲ τοῦτο οἱ ἐν τῇ ἠπείρῳ Αἰγύπτιοι κατά τετὰς γεφύρας ἐπεβοήθησαν αὐτοῖς, καὶ συχνοὺςτῶν Ῥωμαίων ἀνταποκτείναντες τοὺς λοιποὺς ἐς τὰς ναῦς ἐσήραξαν. καὶ αὐτῶν ὁπουδήποτεκαὶ ἀθρόως ἐσβιαζομένων ἐς αὐτὰς ἄλλοι τεπολλοὶ ἐς τὴν θάλασσαν ἐξέπεσον καὶ ὁ Καῖσαρ.κἂν διέφθαρτο κακῶς, ὑπό τε τῶν ἱματίωνβαρυνόμενος καὶ ὑπὸ τῶν Αἰγυπτίων βαλλόμενος῾ἁλουργῶν γὰρ αὐτῶν ὄντων ἐστοχάζοντὀ, εἰμὴ καὶ ἐκεῖνα ἀπερρίφει καὶ μετὰ τοῦτο διανεύσας πῃ ἐς ἀκάτιον ἐσεβεβήκει. καὶ ὁ μὲνοὕτως ἐσώθη, μηδὲν τῶν γραμμάτων βρέξας ἃπολλὰ ἐν τῇ ἀριστερᾷ χειρὶ ἀνέχων ἐνήξατο: τὴνδὲ δὴ ἐσθῆτα αὐτοῦ οἱ Αἰγύπτιοι λαβόντες πρὸς τὸτρόπαιον, ὃ ἔστησαν τῆς τροπῆς ταύτης, ἀνεκρέμασανὡς καὶ αὐτὸν ἐκεῖνον ᾑρηκότες. καὶ ἤδηγὰρ καὶ τὰ στρατεύματα ἃ ἀπὸ τῆς Συρίας μετεπέπεμπτο 3ἐπλησίασε, τάς τε κατάρσεις ἐτήρουν καὶ πολλὰ αὐτοὺς ἔβλαπτον. τοῖς μὲν γὰρ 4πρὸς τὴν Λιβύην σφῶν προσπίπτουσιν ὁ Καῖσαρτρόπον τινὰ ἤμυνε: συχνοὺς δὲ δὴ περὶ τὰς τοῦΝείλου ἐκβολὰς πυρσοῖς ὡς καὶ Ῥωμαῖοι ὄντεςἠπάτων τε καὶ συνελάμβανον, ὥστε τοὺςλοιποὺς μηκέτι τολμᾶν παρακομίζεσθαι, μέχριςοὗ Τιβέριος Κλαύδιος Νέρων ἐς αὐτὸν τότε τὸνποταμὸν ἀναπλεύσας ἐκείνους τε μάχῃ ἐκράτησεκαὶ τοῖς σφετέροις ἀδεέστερον τὸν πρόσπλουν ἐποίησε.​
Hier stürzt (ἐξέπεσον) Caesar ins Meer und wäre fast ertrunken (διέφθαρτο), der Feldherrenmantel (ἁλουργῶν) kommt hier auch vor, allerdings ncht wiel Caesar ihn mit den Zähnen hinter sich her zieht, wie bei Sueton, sondern weil die Feinde ihn so erkennen und gezielt auf Caesar schießen, weshlab dieser den Mantel loswird. Caesar wird also seinen Mantel los, und plötzlich kommt es zum logischen Bruch. Der eben noch kurz vor ertrinken stehende Caesar, der seinen Mantel abgestreift hat, um von den Feinden nicht mehr erkannt zu werden, bringt plötzlich Papiere trocken an ein Boot.

Sueton schreibt, Caesar habe seinen Mantel hinter sich her gezogen, damit er den Feinden nicht als beute in die Hände fiele, Cassius Dio hingegen behauptet das Gegenteil, nämlich dass die Ägypter den Mantel erbeuteten und wie eine Fahne aufhängten, um ihren Sieg zu zeigen ( τὴνδὲ δὴ ἐσθῆτα αὐτοῦ οἱ Αἰγύπτιοι λαβόντες πρὸς τὸτρόπαιον, ὃ ἔστησαν τῆς τροπῆς ταύτης, ἀνεκρέμασανὡς καὶ αὐτὸν ἐκεῖνον ᾑρηκότες).


Der Unterschied zwischen den drei Geschichten ist schon deutlich. Bei Sueton ist Caesar ein Held, der immer das Heft des Handelns in der Hand hält, Cassius Dio schildert das ganze viel dramatischer; die zeitgenössische Quelle weiß, dass Caesar ins Wasser sprang, aber nichts von irgendwelchen Papieren oder Kleidungsstücken, Sueton und Cassius Dio sind sich darin einige, dass Caesar Schriftstücke mit der linken Hand über Wasser haltend diese trocken rettete, berichten aber das Gegenteil darüber, was mit dem Feldherrenmantel passierte. Bei Suteon ist die Geschichte eingermaßen rund, da Caesar stets handelt und nicht getrieben wird, bei Cassius Dio ist die Geschichte unrund, weil Caesar ins Wasser fiel, fast ertrank und dennoch die Papiere trocken an Land bekam. Aber auch bei Sueton bekommen wir keinen Caesar präsentert, der Zeit hatte, sich vorsichtig ins Wasser gleiten zu lassen. Auch hier ist die Situation dramatisch. Caesar musste ins Wasser springen, um den Feinden zu entkommen, die das Boot stürmten.
 
Auch hier ist die Situation dramatisch.

Wir können uns bei den römischen Geschichtsschreibern nicht oft genug klar machen, dass ihr Hauptziel eben nicht die Wiedergabe von Fakten war.
Vorderste Motivation der Autoren war es, ihre klassische Bildung zu beweisen, ihren Grammaticus und Rhetor verstanden zu haben.
Es galt, historischen Vorbildern wie Thukydides nachzueifern, einen gepflegten Schreibstil zu zeigen und das Publikum aus gehobener Schicht, welches ebenfalls eine vergleichbare Ausbildung erhalten hatte, zu unterhalten.
Andere Motivationen waren Lob- und Propagandaschriften oder Grabreden und Nachrufe, wo ebenfalls nicht die Fakten im Vordergrund standen.

Von daher können wir versuchen, möglichst viele Fakten zu entnehmen, können aber nichts davon wörtlich nehmen.

Ich weiß, seitenweise Diskussionen in diesem Forum sind daher eigentlich überflüssig, aber leider.....
 
Wenn dem so ist: Wie trenne ich das Interesse der sog. Quelle an eigener Darstellung von dem uns vorliegenden historischen Ablauf?Allein auf die Problematik römischer Geschichtsschreiber hinzuweisen, ist im Interesse von Laien wie mir, weil auch ich vieles wörtlich nehme.
Vielleicht ist die Verständigung auf die Fakten sinnvoll, die nicht strittig sind wie z.B. die Römer im Unwetter, die Aufgabe der meisten Trossgegenstände, bei germanicus der Zug zu den äußeren Brukterern.....um von diesen Fakten ausgehend eine logische Abfolge zu konstruieren.
Aber es werden immer nur Indizien sein.
 
Gerade das Unwetter ist in diesem Forum äußerst strittig.

Die Argumentation (kurz zusammengefasst): Es wird nur von Cassius Dio erwähnt, der erstens erst 200 Jahre nach der Schlacht schrieb und zweitens auch sonst nicht immer ganz zuverlässig ist. Vor ihm wusste niemand etwas von einem Unwetter. Also hat er es vermutlich erfunden, um die römische Niederlage zu erklären und zu entschuldigen.

Meine Gegenargumentation: Kann alles sein. Aber da Cassius Dio der älteste erhaltene Autor ist, der einen echten Schlachtbericht liefert, wissen wir nicht, ob das Unwetter tatsächlich niemand vor ihm erwähnt hat. (Was wir wissen, ist, dass es ältere Autoren gab, die mit ziemlicher Sicherheit über die Varusschlacht schrieben. Da sie verloren sind, wissen wir aber nicht, was, also auch nicht, ob Cassius Dio wirklich Sondergut liefert, das niemand vor ihm hatte.)

Bei der Aufgabe der Trossgegenstände ist das Problem ähnlich.

Wenn man Cassius Dio als Quelle verwirft, kann man sich eigentlich nur sicher sein, dass ein römisches Heer von Germanen vernichtet wurde, Varus dabei Selbstmord beging und Arminius irgendwie seine Hand mit im Spiel hatte.
 
Meine Gegenargumentation: Kann alles sein. Aber da Cassius Dio der älteste erhaltene Autor ist, der einen echten Schlachtbericht liefert, wissen wir nicht, ob das Unwetter tatsächlich niemand vor ihm erwähnt hat. (Was wir wissen, ist, dass es ältere Autoren gab, die mit ziemlicher Sicherheit über die Varusschlacht schrieben. Da sie verloren sind, wissen wir aber nicht, was, also auch nicht, ob Cassius Dio wirklich Sondergut liefert, das niemand vor ihm hatte.)

Bei der Aufgabe der Trossgegenstände ist das Problem ähnlich.

Wenn man Cassius Dio als Quelle verwirft, kann man sich eigentlich nur sicher sein, dass ein römisches Heer von Germanen vernichtet wurde, Varus dabei Selbstmord beging und Arminius irgendwie seine Hand mit im Spiel hatte.
Ich finde, du machst es dir da etwas zu einfach. Was wir definitiiv wissen, ist, dass Cassius Dio abseits seines Sonderwissens, Narrative auch verändert. Die Tischgenossengeschichte z.B. Sie wird Germanicus von Segestes aufgetischt. Dieser erzählt Germaniucs, er habe Varus ja vor Arminius' geplanten Verrat gewarnt. Germanicus findet allerdings Beute aus der Varusschlacht bei Segestes, was nicht ganz dazu passt.

Diese Geschichte erwähnen mehrere Autoren (allerdings nicht, so wie Tacitus, dass Segestes sie Germanicus erzählt).

Abweichend von der älteren Tradition erzählt sie Cassius Dio. Segestes fällt raus aus der Geschichte. Somit ist auch niemand mehr da, der Varus vor Arminius warnt. Stattdessen sind es Arminius und sein Vater Segimundus, die als Tischgenossen des Varus angeführt werden und somit das Gastrecht verletzen. 50 % des Personals und die Funktion der Geschichte ist völlig verdreht.
 
Die Fixpunkt e :welche aufgenommen werden, ist jedermanns Sache. An der Konstruktion einer Abfolge halte ich aber fest-für mich.
Irgendwie beissen sich Dio und Tacitus. Und dann gilt, was ich oben erwähnt habe.
Vielleicht gibts im Forum jemand, der die Existenz von Varus und Germanicus bezweifelt und nur Segestes und Segimer am Leben läßt:D
 
Zuletzt bearbeitet:
Was wir definitiiv wissen, ist, dass Cassius Dio abseits seines Sonderwissens, Narrative auch verändert. Die Tischgenossengeschichte z.B. Sie wird Germanicus von Segestes aufgetischt. Dieser erzählt Germaniucs, er habe Varus ja vor Arminius' geplanten Verrat gewarnt. Germanicus findet allerdings Beute aus der Varusschlacht bei Segestes, was nicht ganz dazu passt.

Diese Geschichte erwähnen mehrere Autoren (allerdings nicht, so wie Tacitus, dass Segestes sie Germanicus erzählt).

Abweichend von der älteren Tradition erzählt sie Cassius Dio. Segestes fällt raus aus der Geschichte. Somit ist auch niemand mehr da, der Varus vor Arminius warnt. Stattdessen sind es Arminius und sein Vater Segimundus, die als Tischgenossen des Varus angeführt werden und somit das Gastrecht verletzen. 50 % des Personals und die Funktion der Geschichte ist völlig verdreht.
Du scheinst fix davon auszugehen, dass die Geschichte, die Cassius Dio von Arminius und Segimer (nicht Segimundus) erzählt, dieselbe ist wie die von Arminius und Segestes bei Velleius und Tacitus, bloß dass sie von Cassius verdreht wurde. Warum eigentlich?
Bei Velleius und Tacitus erfahren wir, dass Segestes den Varus gewarnt habe, bei Cassius, dass Segimer mit Arminius zu den Häuptern der Verschwörung gehörte. Das sind zwei Paar Schuhe.
Auch bei Cassius erfahren wir übrigens, dass es Warnungen gab, bloß dass er keinen Namen nennt.
Warum also soll nicht Segimer an der Verschwörung seines Sohnes beteiligt gewesen sein und Segestes den Varus gewarnt haben?
Dass sich sowohl Segimer als auch Segestes im Umfeld von Varus aufhielten, ist auch nicht so verwunderlich, schließlich handelte es sich bei beiden um wichtige Persönlichkeiten. Daraus kann man meiner Meinung nach also nicht schließen, dass es sich ursprünglich um nur einen der beiden (Segestes) gehandelt haben kann, der dann von Cassius durch Segimer ersetzt wurde.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ist es wirklich so, daß Arminius, Segimer, Segestes gem einsam gehandelt haben?Am Tisch des Varus zusammen Platz genommen haben?
Ist das abwegig....ich habe darüber nichts gelesen und kann es auch nicht beurteilen
 
Ich war bisher davon ausgegangen, daß die romfreundliche Sektion der Cherusker Unterschlupf bei Germanicus gesucht haben. Sie war offensichtlich eine kleine Minderheit.
 
Sicher, natürlich ist Cassius Dio für die ein oder andere Sache eine wertvolle Quelle. Aber manchmal fabuliert er eben. Und ich habe diesen Thread nicht Cassius Dio und seine Darstellung der antoninianischen Dynastie und der Severer genannt, sondern Cassius Dio als Überlieferer älterer Quellen und seine Glaubwürdigkeit.

Aber wenn wir uns die Geschichte mit Caesar im Wasser genau ansehen, gibt es doch ein paar Unterschiede:

Aus dem Corpus Caesaraum (de bello Alexandrino)kennen wir die Geschichte so:

Caesar quoad potuit cohortando suos ad pontem ac munitiones continere, eodem in periculo versatus est; postquam universos cedere animadvertit, in suum navigium se recepit. Quo multitudo hominum insecuta cum irrumperet neque administrandi neque repellendi a terra facultas daretur, fore quod accidit suspicatus sese ex navigio eiecit atque ad eas quae longius constiterant navis adnatavit. Hinc suis laborantibus subsidio scaphas mittens non nullos conservavit. Navigium quidem eius multitudine depressum militum una cum hominibus interiit. Hoc proelio desiderati sunt ex numero legionariorum militum circiter CCCC et Paulo [ultra] eum numerum classiarii et remiges. Alexandrini eo loco castellum magnis munitionibus multisque tormentis confirmarunt atque egestis ex mari lapidibus libere sunt usi postea ad mittenda navigia.​

Caesar geriet in Bedrängnis, floh auf ein Wasserfahrzeg (navigium) und, da die Feinde hinterherdrängten, sprang ins Wasser und schwamm zu den übrigen Schiffen (navis). Von dort schickte er Boote wieder zurück, um weitere Römer zu retten. Das navigium sank wegen Überfüllung.

Bei Sueton dann:

Alexandriae circa oppugnationem pontis eruptione hostium subita conpulsus in scapham pluribus eodem praecipitantibus, cum desilisset in mare, nando per ducentos passus evasit ad proximam navem, elata laeva, ne libelli quos tenebat madefierent, paludamentum mordicus trahens, ne spolio poteretur hostis.​
Während im de bello Alexandrino (wahrscheinlich von Aulus Hirtius geschrieben) von einer navicula die Rede ist und Caesar, nachdem er die Schiffe erreicht hat scaphas (Boote) zu Hilfe schickt, besteigt Caesar bei Sueton eine scapha, von der aus er ins Wasser springt. Wovon de bello Alexandrino nichts weiß, was bei Sueton neu ist, ist, dass Caesar Schriftstücke dabei hatte und eben seinen Feldherrenmantel (paludamenum) hinter sich her zog. Sueton kannte den bellum Alexandrinum, er erwähnt die Schrift als von einem unbekannten (im Sinne von nicht gesichert wer) Verfasser aus Caesars Umkreis verfasst, Gaius Oppius oder Aulus Hirtius:

Reliquit et rerum suarum commentarios Gallicicivilisque belli Pompeiani. Nam Alexandrini Africique et Hispaniensisincertus auctor est: alii Oppium putant, alii Hirtium, qui etiam Gallicibelli novissimum imperfectumque librum suppleverit.​
Cassius Dio erzählt die Geschichte dann so:



Der Unterschied zwischen den drei Geschichten ist schon deutlich. Bei Sueton ist Caesar ein Held, der immer das Heft des Handelns in der Hand hält, Cassius Dio schildert das ganze viel dramatischer; die zeitgenössische Quelle weiß, dass Caesar ins Wasser sprang, aber nichts von irgendwelchen Papieren oder Kleidungsstücken, Sueton und Cassius Dio sind sich darin einige, dass Caesar Schriftstücke mit der linken Hand über Wasser haltend diese trocken rettete, berichten aber das Gegenteil darüber, was mit dem Feldherrenmantel passierte. Bei Suteon ist die Geschichte eingermaßen rund, da Caesar stets handelt und nicht getrieben wird, bei Cassius Dio ist die Geschichte unrund, weil Caesar ins Wasser fiel, fast ertrank und dennoch die Papiere trocken an Land bekam. Aber auch bei Sueton bekommen wir keinen Caesar präsentert, der Zeit hatte, sich vorsichtig ins Wasser gleiten zu lassen. Auch hier ist die Situation dramatisch. Caesar musste ins Wasser springen, um den Feinden zu entkommen, die das Boot stürmten.

Caesar und die Caesaren kommen bei Sueton keineswegs immer gut weg, gerade von Caesar überliefert Sueton auch recht diskreditierende Skandalgeschichten.

Ich kann, wie gesagt die Kritik an Cassius Dio nicht so ganz nachvollziehen. Er berichtet ein Ereignis, das auch Sueton berichtet, und er unterscheidet sich nur in einem geringen Detail von Suetons Schilderung. Eigentlich finde ich, dass Cassius Dios Schilderung sogar plausibler klingt als Sueton. Wenn man in den Bach fällt, und da vielleicht, nicht völlig unglaubwürdig, der ein oder andere Wurfspeer geflogen kommt, schwimmt man ohne den Mantel aber mit den Staatspapieren schneller und sicherer als wenn man auch noch das vollgesogene Paludamentum mit den Zähnen hinterherschleppt. Das sind ein paar Quadratmeter Wollstoff, der vollgesogen das Schwimmen enorm behindert haben muss.



Im Großen und Ganzen muss man Cassius Dio schon als eine recht zuverlässige Quelle betrachten. Für die Zeit der späten Antonine und Severer in der er auch über eigene Erfahrungen verfügte, ist er eine sehr wertvolle Quelle. Cassius Dio und Herodian haben über das Bandenwesen in Italien und Obergermanien einiges hinterlassen, über Banditen wie Bulla Felix oder Maternus wüssten wir sehr wenig, und das sind durchaus auch wertvolle sozialhistorische, kriminalhistorische Quellen.

Auch bei den Germanien-Episoden ist Cassius Dio durch neuere archäologische Funde teilweise bestätigt worden. Ich kann mich noch an mein Studium der Alten Geschichte erinnern. Cassius Dios Beschreibung, dass die Germanen regelmäßige Märkte besuchten und Germanien fast den Status einer tributpflichtigen Provinz erreichte, hielten viele Althistoriker für eine stark idealisierte Beschreibung. Damals erregten die Ausgrabungen in Waldgirmes Aufsehen, und Cassius Dios Beschreibung schien dadurch durchaus realistischer, als man zuvor angenommen hätte.

Welcher antike Historiograph hat denn nicht ein bisschen fabuliert, hat mit Freude am dramatischen Detail erzählt. All die Reden von Königen und Strategen, von Dynasten von Xerxes und Themistokles, Demaratos, Perikles, Alkibiades, Herodes Agrippa II. sie sind in dieser Form nie gehalten worden, in der Regel ist es nicht Perikles oder Herodes Agrippa II., sondern Thukydides und Josephus die zu uns sprechen, die ihre Analyse der Dinge Perikles oder Herodes Agrippa II. in den Mund legen.


Die Römer, behauptet Cassius Dio, irrten durch den Wald. Währenddessen ein Sturm, der Bäume zersplittern ließ, dass die Baumkronen niedergingen - was die Römer arg bedrängte. Muss er da wirklich noch ausdrücklich schreiben, dass Römer von Baumkronen erschlagen wurden?
In dieser Situation, die schon aufgrund der wetterlichen Unbilden schwierig genug für die Römer ist, greifen auch noch die Germanen an. Offensichtlich sind diese also von den Wirkungen der Elemente auf wundersame Weise ausgenommen.

Die Germanen sind nicht von den Unbilden der Natur ausgenommen, aber sie zumindest besser mit den klimatischen Extrembedingungen und der Topographie des "klassischen Morastes" vertraut, und so völlig unglaubwürdig ist auch nicht, dass leicht bewaffnete Krieger mit leichtem Gepäck von einem Sturm und umstürzenden Bäumen weniger in Mitleidenschaft gezogen wird, als eine Armee auf dem Marsch, die sich mitsamt ihrem schwerfälligen Tross einen Weg durch weiträumige Waldgebiete und Wildnis bahnen muss.

Eine Kolonne mitsamt Tross die sich ihren Weg bahnen muss, wird auf dem Marsch viel stärker durch herabstürzende Bäume beeinträchtigt, als eine Streitmacht mit leichtem Gepäck, die sich in einem vorbereiteten Hinterhalt auf die Lauer legt.

Umstürzende Bäume führen zu Stauungen, sie müssen umgangen werden und sie ziehen die Kolonne immer weiter in die Länge, es gibt Versprengte und Nachzügler, die leichte Ziele bilden.

Der Angreifer bestimmt das Gesetz des Handelns, er entscheidet, wo er zuschlägt, er kann sich zurückziehen, kann die Kolonne durch Nadelstiche zermürben, kann Nachzügler, Versprengte angreifen, lässt den Gegner nicht mehr zur Ruhe kommen, demoralisiert ihn.
 
Caesar und die Caesaren kommen bei Sueton keineswegs immer gut weg, gerade von Caesar überliefert Sueton auch recht diskreditierende Skandalgeschichten.
Das habe ich auch nicht geschrieben, dass Caesar bei Sueton immer gut weggekommen sei, ich habe komparativ über diese eine Szene, wie sie sich in drei verschiedenen Quellen präsentiert geschrieben.


Ich kann, wie gesagt die Kritik an Cassius Dio nicht so ganz nachvollziehen. Er berichtet ein Ereignis, das auch Sueton berichtet, und er unterscheidet sich nur in einem geringen Detail von Suetons Schilderung.
Wiederholen wir noch mal:
  1. Im bellum Alexandrinum springt Caesar, als das Boot (navicula) von Feinden geentert wird, ins Wasser, schwimmt zu den Schiffen und schickt Hilfe in Form von scaphae.
  2. Suteon greift diese Geschichte auf. Auch hier springt Caesar - diesmal von einer scapha - ins Wasser, hat aber dabei die Staatspapiere in der Hand und schwimmt einhändig zu den Schiffen, den Mantel hinter sich her ziehend, damit dieser nicht in die Hände der Feinde fällt. Die Staatspapiere bleiben trocken. Ein Heldenstück, bei dem Caesar jederzeit die Kontrolle hat.
  3. Cassius Dio erzählt im Kern die Geschichte die auch Sueton erzählt, aber mit drastischen, dramatisierenden Unterschieden: Bei ihm fällt Caesar ins Wasser und ertrinkt beinahe - also er hat explizit die Kontrolle verloren. Obwohl Caesar eine Sekunde zuvor noch beinahe ertrunken ist, hat er auch her plötzlich wieder die Staatspapiere in der Hand, die er einhändig schwimmend trocken überbringt. Des Mantels entledigt wer sich, um nicht die Aufmerksamkeit der Feinde auf sich zu ziehen.
Das sind Unterschiede zwischen den drei Überlieferungen, die eigentlich nicht zu übersehen sind.


Eigentlich finde ich, dass Cassius Dios Schilderung sogar plausibler klingt als Sueton. Wenn man in den Bach fällt, und da vielleicht, nicht völlig unglaubwürdig, der ein oder andere Wurfspeer geflogen kommt, schwimmt man ohne den Mantel aber mit den Staatspapieren schneller und sicherer als wenn man auch noch das vollgesogene Paludamentum mit den Zähnen hinterherschleppt. Das sind ein paar Quadratmeter Wollstoff, der vollgesogen das Schwimmen enorm behindert haben muss.
Ich verstehe die Argumentation, um ehrlich zu sein, nicht. Ich habe doch nicht geschrieben, dass ich Sueton für glaubwürdig hielte, sondern dass seine Erzählung runder sei, als die von Cassius Dio. Denn immerhin hat hier Caeaar das Heft des Handelns noch in der Hand, das hat er bei Cassius Dio nicht, da fällt er ins Wasser und trotzdem bleiben die Staatspapiere trocken. Das ist schon bei Sueton nicht gerade glaubwürdig, bei Cassius Dio mit dem fast ertrinkenden Caesar ist das praktisch unmöglich!


Im Großen und Ganzen muss man Cassius Dio schon als eine recht zuverlässige Quelle betrachten. Für die Zeit der späten Antonine und Severer in der er auch über eigene Erfahrungen verfügte, ist er eine sehr wertvolle Quelle. Cassius Dio und Herodian haben über das Bandenwesen in Italien und Obergermanien einiges hinterlassen, über Banditen wie Bulla Felix oder Maternus wüssten wir sehr wenig, und das sind durchaus auch wertvolle sozialhistorische, kriminalhistorische Quellen.
Dieser Thread heißt aber nicht "Cassius Dio als Überlieferer zeitgenössischer Geschichte", sondern "Cassius Dio als Überlieferer älterer Quellen". Abgesehen davon sind Quellen mal glaubwürdig, mal unglaubwürdig. Nimm Arnold von Harff und dessen Reiseberichte nach Santiago, Rom und Jerusalem. Die sind seitenweise recht nüchtern. 5 Lijgen von A nach B, sieben Lijgen von B nach C, 6 Lijgen von C nach D usw. Am interessanten sind die Stellen, wo er gewissermaßen aus seinem Reisebericht einen Reisesprachführer macht (französisch, okzitanisch, baskisch, aragonesisch, spanisch, galicisch, arabisch, aramäisch, türkisch, griechisch, albanisch...). Bei seinem Aufenthalt in Kairo lernt er zwei deutsche Renegaten kennen, die für den dortigen Mamlukensultan arbeiten. Nachdem Arnold von Harff Kairo verlassen hat, biegt er spontan nach Süden ab - keine Lijgenangaben mehr -und begegnet allen möglichen Fabelwesen. Dann kehrt er wieder auf seine Route nach Jerusalem und zu seiner ursprünglichen Nüchternheit zurück. Muss man jetzt, weil seine sprachlichen Angaben und seine Entfernungsangaben sonst plausibel sind, auch den Teil mit dem Umweg über Afrika und der Begegnung der Fabelwesen glauben?
Und so ist es eben bei Cassius Dio auch: Es gibt glaubwürdigere Passagen und unglaubwürdigere Passagen.

Auch bei den Germanien-Episoden ist Cassius Dio durch neuere archäologische Funde teilweise bestätigt worden. Ich kann mich noch an mein Studium der Alten Geschichte erinnern. Cassius Dios Beschreibung, dass die Germanen regelmäßige Märkte besuchten und Germanien fast den Status einer tributpflichtigen Provinz erreichte, hielten viele Althistoriker für eine stark idealisierte Beschreibung. Damals erregten die Ausgrabungen in Waldgirmes Aufsehen, und Cassius Dios Beschreibung schien dadurch durchaus realistischer, als man zuvor angenommen hätte.
Auch du, Brutus? Seit wann macht einen Schwalbe den Sommer?

Welcher antike Historiograph hat denn nicht ein bisschen fabuliert, hat mit Freude am dramatischen Detail erzählt. All die Reden von Königen und Strategen, von Dynasten von Xerxes und Themistokles, Demaratos, Perikles, Alkibiades, Herodes Agrippa II. sie sind in dieser Form nie gehalten worden, in der Regel ist es nicht Perikles oder Herodes Agrippa II., sondern Thukydides und Josephus die zu uns sprechen, die ihre Analyse der Dinge Perikles oder Herodes Agrippa II. in den Mund legen.
Darum geht es nicht. Natürlich sind Reden in der Regel erfunden. Aber sie erfüllen einen Zweck: Sie sollte den Text auflockern, Perspektiven verdeutlichen, informieren. Niemand würde meinen, dass die Reden, die etwa Tacitus jemanden in den Mund legt, authentisch seien.
Ich werfe Cassius Dio nicht vor, dass er seine Texte gestaltet durch Reden auflockert etc. Ich werfe ihm vor, dass er Dinge weiß, die niemand vor ihm weiß und dass er Geschichten verändert. (Hier dann wieder Raveniks Einsatz: "Aber wir wissen ja gar nicht aus welche Quellen er das hat..." - aber als Jurist weiß auch Ravenik um die Beweiskraft einer Mutmaßung.)

Die Germanen sind nicht von den Unbilden der Natur ausgenommen, aber sie zumindest besser mit den klimatischen Extrembedingungen und der Topographie des "klassischen Morastes" vertraut, und so völlig unglaubwürdig ist auch nicht, dass leicht bewaffnete Krieger mit leichtem Gepäck von einem Sturm und umstürzenden Bäumen weniger in Mitleidenschaft gezogen wird, als eine Armee auf dem Marsch, die sich mitsamt ihrem schwerfälligen Tross einen Weg durch weiträumige Waldgebiete und Wildnis bahnen muss.
Naja, die Germanen können ja sogar noch mehr: Beim dicksten Sturm im Wald gezielt auf Römer schießen. Während die Römer wie die Trottel gegeneinanderstoßen und vor Bäume laufen. Wie Legolas gegen die Orks.
 
Auch du, Brutus? Seit wann macht einen Schwalbe den Sommer?
Nun ja.

Nach aktuellem Stand war Haltern nicht einfach ein Winterlager, sondern hatte auch zivile Aufgaben. Siehe den für ein Römerlager ungewöhnlichen Tempel. Haltern geht nicht als Stadt durch, aber als Handelsplatz wird er greifbar.

Also zwei, das macht bei Fliegern eine Rotte.

Und dann Marktbreit. Hier

wiki schrieb:
Es ist deshalb wahrscheinlicher, dass Marktbreit nicht ausschließlich ein militärisches Lager war, sondern gleichzeitig auch zivile Aufgaben eines „Zentralortes“ in der neu zu errichtenden römischen Provinz Germania übernehmen sollte.
Römerlager Marktbreit – Wikipedia

Also drei, das macht bei Fliegern schon eine Kette
;)
 
Naja, die Germanen können ja sogar noch mehr: Beim dicksten Sturm im Wald gezielt auf Römer schießen. Während die Römer wie die Trottel gegeneinanderstoßen und vor Bäume laufen. Wie Legolas gegen die Orks.
In seinem Handbuch über den kleinen Krieg, vermutlich das älteste Handbuch des Guerillakrieges beschreibt Johann Ewald ehemals hessischer Hauptmann der Jäger genau so ein Szenario: Er beschreibt wie einige Jäger oder Riflemen eine ganze Kolonne terrorisieren können, sie glauben machen können, dass der ganze Wald von amerikanischen Riflemen oder hessischen Jägern wimmelt, während es in Wirklichkeit nur eine Handvoll Scharfschützen ist, die da wimmelt.

Die Scharfschützen, weder die Riflemen, noch die Jäger, sind auch keine Übermenschen, einige können womöglich nicht mal lesen und schreiben, aber sie können gut schießen, sie können schnell laden, und sie können sich immer wieder in die Tiefe des Waldes zurückziehen, während die Kolonne das nicht kann. Sie wissen, wann und wo die Kolonne ein bestimmtes Gelände durchqueren muss. Der Angreifer liegt im Hinterhalt, er kennt das Gelände, und er ist es, der bestimmt, wann und wo angegriffen wird.

Eine Kolonne marschiert durch den Wald, plötzlich knallt es, ein paar Offiziere sind verwundet oder tot. Die Kolonne ist alarmiert, aber sie muss auf dem Weg bleiben, kann nur vermuten, wo der Feind steht, kann auf Angriffe nur reagieren. Ihr Vormarschtempo wird verlangsamt, die Truppe wird durch Nadelstiche zermürbt und alarmiert, im schlimmsten Fall demoralisiert.

Die Angreifer sind nur wenige, sie sind auch keine Übermenschen, aber sie sind gut gedrillt worden, sie können gut schießen, können sich gut im Gelände bewegen, das haben sie gelernt. Die Minuit- oder Riflemen auf der Jagd und im Franzosen- und Indianerkrieg und die Hessen beim Wildern oder im hochfürstlichen Forstdienst, die älteren können es noch aus dem Siebenjährigen Krieg.

Im Guerillakrieg kam es immer wieder zu ähnlichen Erfahrungen, und immer wieder macht da auch eine gut ausgerüstete Armee ähnliche Erfahrungen.

Ob britische Regulars, die Kontinentalarmee oder die US-Army im Kampf gegen den Vietkong. Im Guerillakrieg bestimmt der Angreifer das Gesetz des Handelns, der Verteidiger kann darauf nur reagieren.
Der Angreifer liegt im vorbereiteten Hinterhalt, er weiß, wann, wo und mit wie vielen Soldaten der Gegner einen bestimmten Geländeabschnitt passieren muss.

Natürlich macht da der Verteidiger eine schlechte Figur: Er weiß nicht, wie viele Gegner es sind, weiß nicht, wo das nächste Mal angegriffen wird, er kann auch die Schützen nicht verfolgen, er muss in der Kolonne bleiben, er muss durch das Nadelöhr durch.
Im Guerillakrieg macht der Verteidiger eine schlechte Figur, denn er kann nur reagieren, alle Vorteile sind auf Seite des Angreifers. Es ist eine Taktik der Nadelstiche, des "hit and run". Deshalb ist Guerillakrieg so effektiv. Ein Angreifer kann mit einer Handvoll Scharfschützen eine ganze Armee terrorisieren, kann sie in Alarmzustand bringen, kann sie nicht mehr zur Ruhe kommen lassen.

Natürlich waren die Germanen keine Übermenschen, aber Arminius und seine Mannen konnten sich in aller Ruhe auf die Lauer legen, wussten, wann der Gegner wo mit wie vielen Mann auftauchen wird. Es liegt in der Natur der Sache, dass im Guerillakrieg der Verteidiger, wenn er erst mal im Sack steckt immer eine schlechte Figur macht. Ob im "klassischen Morast" des Teutoburger Waldes oder am Little Bighorn River. Wenn der Verteidiger erst mal im Sack steckt, dem Gegner erlaubt hat, ihn zuzumachen, bleibt dem Verteidiger nur noch der heroische Untergang um überhaupt auch nur noch einigermaßen das Gesicht zu wahren.

Von Sturm und Unwetter berichtet nur Cassius Dio. Aber hat er da wirklich fabuliert? Hat er da dem dramatischen Szenario nicht widerstehen können? Oder stoßen wir bei Berichten von Überlebenden in anderen Kriegen, aber vergleichbaren Situationen nicht auf ganz ähnlich Berichte, ähnliche Erfahrungen wie Cassius Dio sie geschildert hat?
 
Von Sturm und Unwetter berichtet nur Cassius Dio. Aber hat er da wirklich fabuliert? Hat er da dem dramatischen Szenario nicht widerstehen können?
Es wäre ja nicht das einzige Mal, wo Cassius Dio das ihm vorliegende Material dramatsich umdeutet (siehe die Unterschiede in der Schwimmszene bei Alexandria zwischen Sueton und ihm).

Beim dritten jakobitischen Aufstand gab es im Übrigen mehrere Szenen, die ganz ähnlich verliefen, wie von Ewald beschrieben. Ob das nun der erste Schusswechsel zwischen Jakobiten Und Rotröcken bei Speanbridge an der High Bridge war oder die Rout of Moy: Es waren immer wieder wenige Jakobiten gegen eine Übermacht an Rotröcken, welche die Rotröcke in die Flucht schlugen, weil sie denen die Illusion vermittelten, sie seien eine ganze Armee, bei der Rout of Moy sollen 5 oder 6 Jakobiten 1.500 Reiter aus Inverness in die Flucht geschlagen haben, nur weil sie sich auf beiden Seiten des Tals verteilt hatten, die Schlachtrufe verschiedener Clans riefen und Schüsse abgaben.
 
Das habe ich auch nicht geschrieben, dass Caesar bei Sueton immer gut weggekommen sei, ich habe komparativ über diese eine Szene, wie sie sich in drei verschiedenen Quellen präsentiert geschrieben.



Wiederholen wir noch mal:
  1. Im bellum Alexandrinum springt Caesar, als das Boot (navicula) von Feinden geentert wird, ins Wasser, schwimmt zu den Schiffen und schickt Hilfe in Form von scaphae.
  2. Suteon greift diese Geschichte auf. Auch hier springt Caesar - diesmal von einer scapha - ins Wasser, hat aber dabei die Staatspapiere in der Hand und schwimmt einhändig zu den Schiffen, den Mantel hinter sich her ziehend, damit dieser nicht in die Hände der Feinde fällt. Die Staatspapiere bleiben trocken. Ein Heldenstück, bei dem Caesar jederzeit die Kontrolle hat.
  3. Cassius Dio erzählt im Kern die Geschichte die auch Sueton erzählt, aber mit drastischen, dramatisierenden Unterschieden: Bei ihm fällt Caesar ins Wasser und ertrinkt beinahe - also er hat explizit die Kontrolle verloren. Obwohl Caesar eine Sekunde zuvor noch beinahe ertrunken ist, hat er auch her plötzlich wieder die Staatspapiere in der Hand, die er einhändig schwimmend trocken überbringt. Des Mantels entledigt wer sich, um nicht die Aufmerksamkeit der Feinde auf sich zu ziehen.
Das sind Unterschiede zwischen den drei Überlieferungen, die eigentlich nicht zu übersehen sind.



Ich verstehe die Argumentation, um ehrlich zu sein, nicht. Ich habe doch nicht geschrieben, dass ich Sueton für glaubwürdig hielte, sondern dass seine Erzählung runder sei, als die von Cassius Dio. Denn immerhin hat hier Caeaar das Heft des Handelns noch in der Hand, das hat er bei Cassius Dio nicht, da fällt er ins Wasser und trotzdem bleiben die Staatspapiere trocken. Das ist schon bei Sueton nicht gerade glaubwürdig, bei Cassius Dio mit dem fast ertrinkenden Caesar ist das praktisch unmöglich!

Ich denke, ich habe deinen Gedankengang schon verstanden. Ich weiß auch, dass du weißt, dass Sueton als Vertreter der senatorischen Historiographie dem Prinzipat kritisch gegenüber stand. Sueton erwähnt das Ereignis unter der Rubrik Caesar der Feldherr, persönlicher Mut, in dem Kapitel beschreibt er Caesar als geistesgegenwärtigen, charismatischen Anführer und zitiert mehrere Anekdoten, die Caesars Qualitäten als Feldherr, persönlichen Mut, Geistesgegenwart Caesars unterstreichen sollen.

Bei Cassius Dio findet man nicht ein solches Psychogramm, keine Aufzählung von Anekdoten, die das unterstreichen sollen. Cassius Dio berichtet eher beiläufig darüber. Er erwähnt ein Ereignis, das auch Sueton erwähnt und er unterscheidet sich nur in einem relativ geringen Detail von Suetons Schilderung. Cassius Dio berichtet aus einer anderen Intention. Caesar fliegt in den Bach und entkommt leicht lädiert mit den (leicht lädierten, etwas feuchten, aber noch brauchbaren (?) Staatspapieren ?). Auch wenn man Cassius Dio längst nicht alles glauben muss, muss man deshalb aber auch nicht grundsätzlich seine Glaubwürdigkeit in Frage stellen.
Dieser Thread heißt aber nicht "Cassius Dio als Überlieferer zeitgenössischer Geschichte", sondern "Cassius Dio als Überlieferer älterer Quellen". Abgesehen davon sind Quellen mal glaubwürdig, mal unglaubwürdig. Nimm Arnold von Harff und dessen Reiseberichte nach Santiago, Rom und Jerusalem. Die sind seitenweise recht nüchtern. 5 Lijgen von A nach B, sieben Lijgen von B nach C, 6 Lijgen von C nach D usw. Am interessanten sind die Stellen, wo er gewissermaßen aus seinem Reisebericht einen Reisesprachführer macht (französisch, okzitanisch, baskisch, aragonesisch, spanisch, galicisch, arabisch, aramäisch, türkisch, griechisch, albanisch...). Bei seinem Aufenthalt in Kairo lernt er zwei deutsche Renegaten kennen, die für den dortigen Mamlukensultan arbeiten. Nachdem Arnold von Harff Kairo verlassen hat, biegt er spontan nach Süden ab - keine Lijgenangaben mehr -und begegnet allen möglichen Fabelwesen. Dann kehrt er wieder auf seine Route nach Jerusalem und zu seiner ursprünglichen Nüchternheit zurück. Muss man jetzt, weil seine sprachlichen Angaben und seine Entfernungsangaben sonst plausibel sind, auch den Teil mit dem Umweg über Afrika und der Begegnung der Fabelwesen glauben?
Und so ist es eben bei Cassius Dio auch: Es gibt glaubwürdigere Passagen und unglaubwürdigere Passagen.


Auch du, Brutus? Seit wann macht einen Schwalbe den Sommer?

Da sind aber auch noch Plätze wie Haltern oder Markbreit und das sind immerhin schon drei Schwalben, die vielleicht noch keinen Sommer machen, aber doch eine gewisse Strahlkraft ausgeübt haben müssen.
Darum geht es nicht. Natürlich sind Reden in der Regel erfunden. Aber sie erfüllen einen Zweck: Sie sollte den Text auflockern, Perspektiven verdeutlichen, informieren. Niemand würde meinen, dass die Reden, die etwa Tacitus jemanden in den Mund legt, authentisch seien.
Ich werfe Cassius Dio nicht vor, dass er seine Texte gestaltet durch Reden auflockert etc. Ich werfe ihm vor, dass er Dinge weiß, die niemand vor ihm weiß und dass er Geschichten verändert. (Hier dann wieder Raveniks Einsatz: "Aber wir wissen ja gar nicht aus welche Quellen er das hat..." - aber als Jurist weiß auch Ravenik um die Beweiskraft einer Mutmaßung.)

Cassius Dio lebte gut 100 Jahre nach Velleius Peterculus, und er schreibt ein gutes Menschenalter nach dem älteren Plinius, Tacitus und Sueton. Wir können nur vermuten, welche Quellen Cassius Dio benutzt hat, und es ist auch nicht völlig unwahrscheinlich, dass er Quellen verwendete, die andere Autoren (noch) nicht vorlagen. Wir wissen es eben nicht ganz genau.

Es ist ja auch nicht so, dass Cassius Dio mit einem völlig verschiedenen Narrativ um die Ecke kommt, er unterscheidet sich nur in relativ unbedeutenden Details von Autoren wie Sueton. Cassius Dio schreibt gut 100 Jahre später als Velleius Paterculus und mehr als ein Menschenalter nach dem älteren Plinius und Tacitus.
Es ist nicht völlig unwahrscheinlich, dass er vielleicht dann doch die ein oder andere Publikation kannte und verwendete, die frühere Autoren noch nicht kannten oder die nicht verwendet wurden von früheren Autoren. Cassius Dio unterscheidet sich in Details von anderen Autoren.

Was er tut, ist dass er Institutionen, Ämter oder Titel in frühere Zeiten zurück projiziert, in der sie noch nicht existierten. Da würde ich aber zweifeln, dass das wirklich in manipulativer Absicht geschah. Gerade das, bewusste Umdeutung von Ereignissen und manipulative Veränderung von Narrativen kann man Cassius Dio eigentlich nicht vorwerfen. Wenn man bedenkt, wie dünn die Quellenlage an schriftlichen Quellen und historiographischen Quellen in der hohen Kaiserzeit wird, da kann man eigentlich nur froh sein, dass man auf historiographische Quellen von der Qualität eines Cassius Dio zurückgreifen kann.

Naja, die Germanen können ja sogar noch mehr: Beim dicksten Sturm im Wald gezielt auf Römer schießen. Während die Römer wie die Trottel gegeneinanderstoßen und vor Bäume laufen. Wie Legolas gegen die Orks.
....Oder die Trümmer der 7. Kavallerie, die sich im Todeskampf auf Custer Hill mit den Lakota und Cheyenne herumbalgt.

Militärautoren und Reporter berichteten im Bürgerkrieg oder in den Indianerkriegen von Soldaten, die in Gefechtspanik ein Gewehr nicht mehr richtig laden konnten. Die unsinnig handelten, zuweilen auf eigene Leute schossen, die sechs oder sieben Kugeln in den Lauf rammten, aber vergaßen zu feuern. Da könnte man auch vermuten, dass es sich um Phantasie-Beschreibungen, um Entschuldigungen handelt. Archäologische Funde auf Schlachtfeldern des Bürgerkrieges oder der Indianerkriege haben aber solche Beschreibungen von Gefechtspanik bestätigt.

Eine Armee die im Sack steckt, wenn ihn der Gegner zugemacht hat, macht selten eine gute Figur. Es handelt sich um einen vorbereiteten Hinterhalt. Der Angreifer kann sich in die Tiefe des Waldes zurückziehen, der Verteidiger nicht.
 
Es wäre ja nicht das einzige Mal, wo Cassius Dio das ihm vorliegende Material dramatsich umdeutet (siehe die Unterschiede in der Schwimmszene bei Alexandria zwischen Sueton und ihm).

Sueton erstellt sozusagen ein Psychogramm Caesars und zählt unter der Rubrik "Caesar der Feldherr", persönlicher Mut mehrere Anekdoten auf, die das Bild eines charismatischen, geistesgegenwärtigen Anführers unterstreichen sollen.

Cassius Dio berichtet eher beiläufig davon, er setzt andere Akzente.


Wie gesagt, es ist ja nun auch nicht so, dass Cassius Dio mit einem ganz anderen Narrativ um die Ecke kommt und ein ganz anderes Fass aufmacht. Er deutet das ihm vorliegende Material, (das wir eben nicht genau kennen) auch nicht dramatisch um.

Inhaltlich unterscheidet sich Cassius Dios Schilderung gar nicht so dramatisch von der Version Suetons. Die Versionen unterscheiden sich nur darin, dass Caesar bei Sueton in den Bach springt und nicht fällt oder geschubst wird und dass er nicht nur die (leicht lädierten?) Staatspapiere, sondern auch noch den (kaum lädierten?) Mantel rettet, während ein leicht lädierter Caesar bei Cassius Dio die (kaum lädierten?) Staatspapiere rettet und den Mantel fahren lässt.

Inhaltlich unterscheiden sich die Versionen Suetons und Cassius Dio nur in einem relativ unbedeutenden Detail. Wenn man die nackten Tatsachen abgleicht, ob Caesar nun gesprungen ist, ob er gefallen oder geschubst wurde, so ganz freiwillig wird er wohl nicht im Bach gelandet sein.

An so relativ geringfügigen Unterschieden in der Darstellung grundsätzlich eine geringere Glaubwürdigkeit eines Autors abzuleiten, der ein gutes Menschenalter nach Sueton und Tacitus schreibt, geht mir zu weit.
 
Caesar fliegt in den Bach und entkommt leicht lädiert mit den (leicht lädierten, etwas feuchten, aber noch brauchbaren (?) Staatspapieren ?).
Ich weiß nicht, wie du auf einen Bach kommst. Die Brücke, um die die Schlacht geht, ist die Brücke, die den Pharos von Alexandria mit Alexandria verbindet, die Szene spielt sich in einem der Seehäfen Alexandrias ab. Caesar ertrinkt laut Cassius Dio beinahe, wohingegen er nach dem Verfasser des bellum Alexandrinum ins Wasser springt und schwimmt. Die Staatspapiere, von denen weiß der Verfasser des bellum Alexandrinum nichts, vermutlich Aulus Hirtius. Da ist nix mit Bach.


Cassius Dio lebte gut 100 Jahre nach Velleius Peterculus, und er schreibt ein gutes Menschenalter nach dem älteren Plinius, Tacitus und Sueton.
Velleius 20 v. - ca. 30 n.
Plinius d. Ä. 24 - 79
Tacitus 56 - ca. 120
Sueton 69 - ca. 122
Cassius Dio ca. 165 - ca. 235

Wir können nur vermuten, welche Quellen Cassius Dio benutzt hat, und es ist auch nicht völlig unwahrscheinlich, dass er Quellen verwendete, die andere Autoren (noch) nicht vorlagen. Wir wissen es eben nicht ganz genau.
Eben und mit solchen Spekulationen kann man alles behaupten - denn wer will einem das Gegenteil beweisen?


Cassius Dio schreibt gut 100 Jahre später als Velleius Paterculus und mehr als ein Menschenalter nach dem älteren Plinius und Tacitus.
Siehe oben: Du kannst 100 Jahre drauf rechnen.

Es ist nicht völlig unwahrscheinlich, dass er vielleicht dann doch die ein oder andere Publikation kannte und verwendete, die frühere Autoren noch nicht kannten oder die nicht verwendet wurden von früheren Autoren. Cassius Dio unterscheidet sich in Details von anderen Autoren.

Was er tut, ist dass er Institutionen, Ämter oder Titel in frühere Zeiten zurück projiziert, in der sie noch nicht existierten. Da würde ich aber zweifeln, dass das wirklich in manipulativer Absicht geschah. Gerade das, bewusste Umdeutung von Ereignissen und manipulative Veränderung von Narrativen kann man Cassius Dio eigentlich nicht vorwerfen. Wenn man bedenkt, wie dünn die Quellenlage an schriftlichen Quellen und historiographischen Quellen in der hohen Kaiserzeit wird, da kann man eigentlich nur froh sein, dass man auf historiographische Quellen von der Qualität eines Cassius Dio zurückgreifen kann.
Denk das mal logisch zu Ende: hatte er nun ältere Quellen, bei denen er abschrieb, oder erfand er selbst und genau daher rühren die Anachronismen in Bezug auf Ämter, Titel und Institutionen?
 
Inhaltlich unterscheidet sich Cassius Dios Schilderung gar nicht so dramatisch von der Version Suetons. Die Versionen unterscheiden sich nur darin, dass Caesar bei Sueton in den Bach springt und nicht fällt oder geschubst wird und dass er nicht nur die (leicht lädierten?) Staatspapiere, sondern auch noch den (kaum lädierten?) Mantel rettet, während ein leicht lädierter Caesar bei Cassius Dio die (kaum lädierten?) Staatspapiere rettet und den Mantel fahren lässt.

Inhaltlich unterscheiden sich die Versionen Suetons und Cassius Dio nur in einem relativ unbedeutenden Detail. Wenn man die nackten Tatsachen abgleicht, ob Caesar nun gesprungen ist, ob er gefallen oder geschubst wurde, so ganz freiwillig wird er wohl nicht im Bach gelandet sein.

Ich weiß nicht, was du immer mit deinem Bach hast. Es ist das eines der Hafenbecken von Alexandria. Beim Verfasser des bellum Alexandrinum springt Caesar ins Wasser und schwimmt zu den Schiffen rüber. Sein überfülltes Boot (die Römer sind auf der Flucht vor dern Alexandrinern) geht unter und eine Menge der Männer darauf, da äußert sich der Verfasser des bellum Alexandrinum nicht sehr klar, ertrinkt vermutlich.

Sueton bringt dann die Staatspapier ins Spiel. Auch hier springt Caesar noch. Cassius Dio macht aus dem Sprung einen Sturz, Caesar ertrinkt beinahe. Und obwohl er eine Sekunde zuvor noch beinahe ertrunken ist, bringt er die Staatspapiere trocken an Bord des ihn aufnehmenden Schiffs.

An so relativ geringfügigen Unterschieden in der Darstellung grundsätzlich eine geringere Glaubwürdigkeit eines Autors abzuleiten, der ein gutes Menschenalter nach Sueton und Tacitus schreibt, geht mir zu weit.
Es ist nur ein Beispiel. Und es sind ca. 100 Jahre nach Sueton und Tacitus.
Ich verstehe gar nicht, wie man das überlesen kann, dass Caesar von Bord stürzt, beinahe ertrinkt und dennoch, nachdem er unter Lebensgefahr den Ägypto-Makedoniern entkommen ist, die Staatspapier noch trocken an Bord bringt. Dafür muss man sich doch aktiv entscheiden, um eine so unglaubwürdige Erzählung für bare Münze anzunehmen. Schon bei Sueton ist sie nicht glaubhaft, aber Cassius Dio dreht noch mehr an der Fantasy-Schraube, als Sueton.
 
Cassius Dio macht aus dem Sprung einen Sturz, Caesar ertrinkt beinahe. Und obwohl er eine Sekunde zuvor noch beinahe ertrunken ist, bringt er die Staatspapiere trocken an Bord des ihn aufnehmenden Schiffs.
Man kann die Stelle so verstehen, dass er, bevor er ins Wasser fiel, sich zur Sicherheit seines Feldherrnmantels entledigt hatte. Nur wenn er das nicht getan hätte, wäre er fast ertrunken.
Caesar hat ja, ähnlich Merkel, die Dinge meist vom Ende her denken können.
 
Ich weiß nicht, wie du auf einen Bach kommst. Die Brücke, um die die Schlacht geht, ist die Brücke, die den Pharos von Alexandria mit Alexandria verbindet, die Szene spielt sich in einem der Seehäfen Alexandrias ab. Caesar ertrinkt laut Cassius Dio beinahe, wohingegen er nach dem Verfasser des bellum Alexandrinum ins Wasser springt und schwimmt. Die Staatspapiere, von denen weiß der Verfasser des bellum Alexandrinum nichts, vermutlich Aulus Hirtius. Da ist nix mit Bach.

Ich bin mir über die Lokalität sehr wohl bewusst. Die Brücke ist der Damm (Heptastadium), der die Insel Pharos mit Alexandria und dem Festland verband und der die beiden Hafenbecken des "Alten" und des Großen Hafen trennte.

Im " Bach landen" ist doch nur eine Redensart für "über Bord gehen

Denk das mal logisch zu Ende: hatte er nun ältere Quellen, bei denen er abschrieb, oder erfand er selbst und genau daher rühren die Anachronismen in Bezug auf Ämter, Titel und Institutionen?

Das ist aber schon ziemlich abschätzig formuliert. Der Quellenwert seines ( soweit erhaltenen Geschichtswerks ist ja nun doch recht hoch.


Ich bin Griechisch sehr schwach auf der Brust, und wirklich intensiv quellenkritisch habe ich mich bei Cassius Dio vor allem mit den späten Büchern aus der Severerzeit und mit den "Räubergeschichten" beschäftigt, und meiner Meinung resultieren Unklarheiten oder Missverständliche Passagen vor allem daraus, dass er Griechisch schreibt und nicht Latein. Cassius Dio benutzt zwar viele Latinismen, aber ich denke, wenn er in Latein geschrieben hätte, wären nicht so große Interpretationsspielräume im Text. Cassius Dio schreibt, dass Bulla Felix gastfrei "technitai" bewirtete und bezahlte. Da ist fraglich, ob es sich um Handwerker oder Künstler handelte.
 

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