Man kann die Stelle so verstehen, dass er, bevor er ins Wasser fiel, sich zur Sicherheit seines Feldherrnmantels entledigt hatte. Nur wenn er das nicht getan hätte, wäre er fast ertrunken.
Das steht da so aber nicht.
Die Reihenfolge laut Text:
- Caesar fällt (mit anderen) ins Meer und ertrinkt beinahe
- Seine Kleidung macht ihn schwer, er wird beschossen.
- Er wirft die Kleidung ab, um nicht unterzugehen oder erkannt zu werden.
- Er schwimmt zu einem kleinen Boot.
- Dabei hält er die Dokumente mit seiner linken Hand über Wasser.
Das ist aber schon ziemlich abschätzig formuliert. Der Quellenwert seines ( soweit erhaltenen Geschichtswerks ist ja nun doch recht hoch.
Du hast ja selber gesagt, dass er bei der Darstellung älterer Sachverhalte Ananchronismen einbringt. Woher kommen diese, wenn er sich doch treu an seine älteren Vorlagen hält?
Wenn Sueton seine Quelle für die Ereignisse im Hafen von Alexandria ist,
dann verändert er Sueton. Caesar wird vom Springenden (aktiv) zum Stürzenden, in Suetons Variante spielt der Feldherrenmantel eine Rolle, weil Held Caesar ihn mit den Zähnen hinter sich her zieht, damit er den Feinden nicht in die Hände fällt und als Fahne der Schmach Caesar gehisst wird, in der Variante Cassius' spielt er eine Rolle, weil Caesar sich seiner entledigen muss, um a) schwimmen zu können und b) nicht von den Feinden als präferenziertes Ziel erkannt zu werden.
Und ich bitte noch einmal zur Kenntnis zu nehmen, dass derselbe Quellentext mal mehr mal weniger glaubwürdig ist. Noch einmal: Ich habe diesen Thread damals "Cassius Dio als Überlieferer älterer Quellen" genannt, nicht "Verdammung von Cassius Dio in Bausch und Bogen". Ich brachte das Bsp. von Arnold von Harff, der in 99,9 % seines Textes absolut verlässlich ist. Aber da ist eben
diese eine Stelle, die 0,1 % seines Textes ausmacht und die offensichtlicher Quatsch ist. Hier ändert sich aber auch gleichzeitig der Stil Arnolds.
Ich habe auch darauf hingewiesen, wie die Schlacht von Sagrajas/az-Zallaqa in den Quellen, je weiter diese sich vom Ereigns entfernen, ausgeschrieben wird. Wir haben zwei zeitgenössische Quellen: 'Abdallah in Buluggin berichtet nur von Streitigkeiten im muslimischen Lager zwischen den andalusischen Kleinkönigen, die der aus Marokko zur Hilfe gerufene Almoraviden-Emir Yusuf ibn Tashufin bitte (salomonisch) lösen soll. Über die Schlacht selbst berichtet er nichts. Ibn Bassam zitiert in seinem "Schatzkästlein", einer literaturhistorischen Quelle aus dem 12. Jhdt. über das 11. Jhdt. den in Reimprosa geschriebenen Brief eines Ministers aus Sevilla am Morgen nach der Schlacht, der noch nicht weiß, ob Alfonso gefallen ist oder überlebt hat. In den christlichen Quellen kommt die Schlacht so gut wie nicht vor. Lediglich in den Zweiten kastilischen Annalen wird sie in einem Satz erwähnt:
in era MCXXII die VI feria scilicet X kalendas nouembris in die sanctorum Seruandi et Germani fuit illa arrancada in Baduzo, idest Sacralias, et fuit uictus rex dompnus Adefonsus
Im Jahr der Ära Hispanica 1122 (Ära Hispanica - 38 = AD, ergo 1086) am Freitag (sexta feira ist noch heute im Portugiesischen Freitag), nämlich den zehnten Kalenden des November (23. Oktober), am Tag der Heiligen Servandus und Cerman, war jenes Reißen (das ist ein iberoromansiches, kein lateinisches Wort) in Badajoz, das ist Sagrajas und es wurde der König Herr Alfons besiegt.
Alfonso hat überlebt und hat wahrscheinlich bereits im Jahr darauf eine Burg im Territorium des Königreichs Sevilla mit Rittern bestückt und noch ein Jahr später die Burg Aledo/Halahet. Beide Burgen lagen tief in andalusischem Territorium. Also die Niederlage war heftig aber nicht nachhaltig.
Was passiert nun in den arabischen Quellen nach den zeitgenössischen?
Es wird eine Geschichte erzählt, die ziemlich empörend ist, von der aber die Zeitgenossen nichts wissen. Alfonso habe Yusuf vorgeschlagen, das Wochenende verstreichen zu lassen, bevor die Schlacht stattfände. Am Freitag, dem heiligen Tag der Muslime, und am Sonntag, dem heiligen Tag der Christen solle man nicht kämpfen. Natürlich greift Alfonso die Muslime am Freitag an. In einer dramatischen Variante der Erzählung überrennen die Christen das Lager der Truppen von Sevilla, bevor die Almoraviden den WIderstand organisieren. In einer anderen Variante (aus der den Almoraviden feindlich gesonnenen Almohadenzeit) wartet Yusuf - der natürlich geahnt hat, was Alfonso vorhat - mit seinen Truppen sogar extra, bis das Lager von Sevilla überrannt ist, bevor er in die Schlacht eingreift. In weiteren Varianten kommen dann noch die Juden und der Samstag hinzu. Weil der Freitag der heilige der Tag der Muslime sei, und der Samstag der heilige Tag der Juden und sich in beiden Heeren, dem muslimischen wie dem christlichen, Juden befänden, und der Sonntag der heilige Tag der Christen, solle die Schlacht also erst am Montag stattfinden.
Im Kern bleibt die Geschichte dieselbe: eine Schlacht zwischen dem kastilisch-leonesischen König Alfons VI. und dem vereinigten Heer der andalusischen Kleinkönige und marokkanischen Almoraviden (vier Jahre, bevor die die Macht in al-Andalus übernehmen), die für Alfonso eine heftige Niederlage wird, aber sie wird mit immer neuen Details angereichert, so ähnlich, wie die Hafenszene in Alexandria. Im
Bellum Alexandrinum springt Caesar, voraussehend, dass sein Boot nicht ablegen kann, weil zu viele Leute, darunter auch Gegner, auf das Boot drängen ins Wasser, schwimmt zu den Schiffen und organisiert Hilfe. Bei Sueton wird diese Story angereichert durch die Staatspapiere. Bei Cassius Dio erfährt sie die Veränderung, dass Caesar nicht aktiv ins Wasser springt, sondern hineinfällt, sie wird dramatisiert - als wäre die Situation nicht Drama genug - dass Caesar fast ertrinkt, aber er entledigt sich seines Mantels und auch hier, nachdem er kurz zuvor noch beinahe ertrunken war, bringt er die Staatspapiere trocken über. Wieso die Staatspapiere in einem "Landungsboot" waren oder Caesar, der zuvor noch drei Kohorten aufgestellt hatte, um die Brücke zu sichern, Staatspapiere mit sich trug, ist völlig unklar.
Ich bin Griechisch sehr schwach auf der Brust, und wirklich intensiv quellenkritisch habe ich mich bei Cassius Dio vor allem mit den späten Büchern aus der Severerzeit und mit den "Räubergeschichten" beschäftigt, und meiner Meinung resultieren Unklarheiten oder Missverständliche Passagen vor allem daraus, dass er Griechisch schreibt und nicht Latein. Cassius Dio benutzt zwar viele Latinismen, aber ich denke, wenn er in Latein geschrieben hätte, wären nicht so große Interpretationsspielräume im Text. Cassius Dio schreibt, dass Bulla Felix gastfrei "technitai" bewirtete und bezahlte. Da ist fraglich, ob es sich um Handwerker oder Künstler handelte.
Wie gesagt: Dieselbe Quelle - siehe obiges Bsp. von Arnold von Harff - kann in ihrer Glaubwürdigkeit
von Satz zu Satz unterschiedlich eingestuft werden müssen.
Eigentlich lautet mein Einwand in etwa so: "Wir wissen doch gar nicht, ob Cassius Dio Sachen selbst erfunden oder nicht doch (heute verlorenen) Quellen entnommen hat."
Und als Jurist weißt du, was Mutmaßungen sind und wie es um deren Beweiswert gestellt ist (ich weiß, dass das Elemente von einer ad personam-Argumentation beinhaltet, ich halte sie aber in diesem Fall für licit, weil sie dich ja nicht als Person angreift, sondern Parallelen zwischen Juristerei und Historisiererei aufzeigt). Lege artis würdest du Mutmaßungen als Jurist zurückweisen.
Von der Varusschlacht haben wir [....] eine (einzige) echte Schlachtbeschreibung bei Cassius,
Gibst du hier nicht implizit zu, was ich immer schreibe, nämlich dass an Cassius Dio nur festgehalten wird, weil er uns
suggeriert uns endlich mal Details zu dem zu liefern, wovon wir anderswo nur dürftige Nachrichten erhalten (wobei ich es schon so sehe, dass die Schalchtfeldbegehung des Germanicus bei Tacitus durchaus zwei Ebenen hat)?
während mutmaßlich Dutzende Werke, die die Varusschlacht behandelten, leider verloren sind (was in ihnen stand, wissen wir naturgemäß nicht), aber weil vom Unwetter und Segimers Beteiligung an der Verschwörung im Teaser und in der Schlachtfeldbeschreibung nichts steht, müssen sie von Cassius erfunden sein. ??????
Merkste selbst, oder? Mutmaßliche Werke, in denen noch mutmaßlicher vielleicht etwas gestanden haben könnte...
Es wird immer so getan, als seien die Germanen schon wegen des Klimas den Römern gegenüber im Vorteil gewesen. Also ob die Römer nicht schon 20 Jahre in Germanien verbracht hätten, als ob es in Gallien klimatisch so anders gewesen wäre, also ob es in Italien keinen Herbst und Winter, keinen Regen, Wind und Schnee gegeben hätte... Von den Gesetzen der Physik befreite Legolas-Germanen gegen tollpatschige Römer aus Zucker - das ist die Opposition, die Cassius Dio uns auftischt.