Christentum - Stütze des Reiches oder Anfang vom Ende?

Caracalla1980

Mitglied
Welche Rolle das Christentum im spätrömischen Reich gespielt hat, ist ein vieldiskutiertes Thema!
Hat das Christentum dem Römischen Reich in einer Zeit der Krise Halt gegeben, oder war diese Religion, die für Pazifismus und für die Abkehr vom weltlichen stand, für seinen endgültigen Untergang verantwortlich? Fand hier eine Transformation oder eine allmähliche innere Zersetzung des Weltreiches statt?
Ich habe mich bereits zu diesem Thema, das schon einmal am Rande angesprochen wurde, geäußert, möchte nun aber die Dikussion zu dieser Frage in den Mittelpunkt stellen! Um es vorweg zu nehmen, meine bereits als "Blödsinn" abgewertete These war, dass das Christentum dem Römischen Reich seiner ursprünglichen Identität und damit seiner Stärken beraubt hat und die letzten Funken republikanischen Geistes in einer Zeit äußerer und innerer Unruhen erstickt hat!
Ich hoffe um eine rege Diskussion!:motz:

Grüsse Caracalla
 
Ich würde eher behaupten, dass das Christentum wieder das nötige Bindesglied zwischen den Reichsteilen geschaffen hat und somit eine Stärkung des Reiches herbeiführte. Der Untergang hingegen hatte weniger mit dem Christentum als viel mehr mit einer Verkettung vieler unglücklicher Ereignisse und Beschlüsse zu tun.

Obwohl mich mal interessieren würde was das Christentum dem Reich deiner Meinung nach genommen hat?
 
Wulfnoth schrieb:
Ich würde eher behaupten, dass das Christentum wieder das nötige Bindesglied zwischen den Reichsteilen geschaffen hat und somit eine Stärkung des Reiches herbeiführte. Der Untergang hingegen hatte weniger mit dem Christentum als viel mehr mit einer Verkettung vieler unglücklicher Ereignisse und Beschlüsse zu tun.

Obwohl mich mal interessieren würde was das Christentum dem Reich deiner Meinung nach genommen hat?

Sehe ich genau so, siehe Oströmisches Reich. Westrom konnte IMHO -trotz Untergang- nur durch das Christentum in anderer Form wieder auferstehen.

Mike
 
Caracalla1980 schrieb:
Um es vorweg zu nehmen, meine bereits als "Blödsinn" abgewertete These war, dass das Christentum dem Römischen Reich seiner ursprünglichen Identität und damit seiner Stärken beraubt hat und die letzten Funken republikanischen Geistes in einer Zeit äußerer und innerer Unruhen erstickt hat!
Da solltest du aber deine These mal begründen. So ist es eine Behauptung auf Stammtisch-Niveau. :motz: :motz:
 
Um welchen Zeitraum soll es denn grob gehen, sonnst würden sinnige belegte Antworten wohl den Rahmen des Forums sprengen.

Da sich das Christentum wie die Organisation des röm. Reichs von der Mitte des 3.Jh bis hin ins Mittelalter hinen durchaus stark gewandelt hat. Ohne Belege oder etwas detailiertere Argumente deinerseits seh ich keinen Grund mich an einer Diskussion zu beteiligen.
 
Römisches Reich

Wieso kam es überhaupt zur inneren Zersetzung des Westreiches? Ich denke dazu sollte man sich erst mal klar machen, was das Römische Reich überhaupt war und wie es zusammengesetzt war. Da dies ein Forum ist, fasse ich mich knapp, ich bitte um Verständnis.
Zuerst war das Römische Reich nicht mehr als ein (um es überspitzt zu sagen) Zusammenschluß autonomer Stadtgemeinden, ein Konglomerat heterogener Traditionen - von ethnischen bis ökonomischen - von der jeder "Teil" des Imperiums seine eigene hatte. Diese Traditionen wurden jedoch dadurch überlagert, da das Imperium dafür sorgte, dass die Lebensverhältnisse (materiell wie auch die der sicherheit) gesichert waren. Schon in der Soldatenkaiserzeit taten sich Bruchstellen auf, da das Imperium nicht mehr in der Lage war, diese Bedürfnisse zu befriedigen. Was folgte waren Abtrennungen vom Reich... Während dieser Epoche stand die Einheit des Reiches als politische Universalmacht mehrmals in Frage, ohne Einfluss des Christentums. Die Krise wurde schließlich gelöst, ebenfalls ohne Einfluss des Christentums. Fazit: Das Reich als politische Universalmacht stand schon bevor das Christentum anerkannt wurde vor dem Untergang; es wurde aber auch davor gerettet.
 
Den Trend zur Weltflucht gab es schon vor dem Sieg des (zunächst arianischen) Christentum- siehe Neuplatonismus (wahrscheinlich ein Trend, der durch die Krise des Imperiums imn 3. Jh. enorm verstärkt wird- Krisenzeiten sind immer gut für Irrationalismen aller Art)

Auch der Trend zur Eingottregligion zeigt sich schon relativ früh (Sol invictus)- dass letztlich das Christentum das Rennen gemacht hat, ist mehr oder weniger Zufall

"republikanischer Geist" dürfte die Zeit der Soldatenkaiser nicht überlebt haben

dass dass Christentum zu pazifistisch gewesen wäre, war meines wissens nie ein problem.

Wesentliche Ursache war wohl die Privatisierung der Macht bei den reichsten und mächtigsten Senatorenfamilien (im Westen stärker als im Osten)- sie überlebten auch das Ende des Westreiches und verschmolzen später mit den germanischen Eliten
Mächtige Senatorenfamilien bedeuteten: geringere Steuereinnahmen des Reiches, geringere Rekrutierungszahlen (wegen Privatarmeen), kein Rückhalt vor Ort- wie gesagt, alles stärker im Westen als im Osten ausgeprägt
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich denke auch dass das Christentum eher eine Stütze des Reiches und dessen Macht war.
Das kommt halt dann erst in Ostrom richtig zur Geltung.

Das Christentum trug in mancher Hinsicht zwar viel dazu bei, Patriotismus und Militär auszulöschen (ein Christ kämpft nicht), aber andererseits verbesserte es die Moral der Gesellschaft – und dies letztlich auch durch den Pakt zur gegenseitigen Unterstützung zwischen Kirche und Konstantin, der die Strukturen eher wirkungsvoll festigte. Die Christianisierung der Barbaren war beispielsweise eine der positiven Folgen dieser Übereinkunft. Auf diese Weise überlebten das Bildungssystem und die Kultur die Auflösung des Reiches.

Erst Kaiser Konstantin der Große stellte ja 311 n. Chr. die Christenverfolgung ein. Zunächst wurde das Christentum den alten römischen Kulten gleichgestellt, dann sogar zur Staatsreligion erhoben. Jeder Bürger des Imperiums hatte den christlichen Glauben anzunehmen, das Heidentum und die alten orientalischen Nationalkirchen wurden fortan unterdrückt. Der Pakt mit der Macht hat die sich entwickelnde christliche Kirche von Anfang an geprägt. Auch in Staaten außerhalb des Imperium Romanum wurde sie dann später als machtbildend und machtstabilisierend entdeckt. Von Karl dem Großen z. B. in seinem Karolingerreich und auch in den slawischen Ländern des Ostens. Könige und Kaiser ließen sich taufen und bedienten sich des Einflusses der Kirche auf ihre Völker. Die Kirche lehrte Gehorsam gegen die Obrigkeit. Die Herrschenden schützten dafür die Kirche und erhielten dafür aus den Händen der Bischöfe Krone und Segen. Viele Regenten und selbst der Kaiser wurden abhängig von der Macht der christlichen Kirche.


Es war also ein Leben und Leben lassen oder abwechselndes Geben und Nehmen.
 
ich möchte hervorheben, und da habe ich mich anfangs nicht klar genug (bzw. falsch)ausgedrückt, dass das christentum meiner ansicht nur eine ursache unter vielen ist! ich möchte das christentum nicht als einziges und größtes übel hervorheben!
allerdings hat diese neue religion herhebliche kulturelle und innenpolitische veränderungen und umwälzungen zu verantworten. diese umwälzungen waren dem reich, das auf einer heidnischen antiken kultur fußte, die von altrömischen, hellenistischen und orientalischen einflüssen geprägt war, keinesfalls dienlich.
die gottähnliche stellung des kaisers, der seine herrschaftslegitimation von den segen der götter und seinem militärischen virtus erhielt, war nun in frage gestellt, seine position geschwächt. das gesamte antike selbstverständnis, auf dem die klassische römische herrschaft ruhte, löste sich im laufe des 3. und 4. jahrhunderts allmählich auf! die römische welt war nun, nachdem das reich von äußeren drangsalen heimgesucht wurde, auch von innen heraus aus den fugen geraten. je stärker das christentum an einfluss gewann, desto mehr spaltete es die innere einheit, sei es kulturell oder politisch. dass das christentum anfangs auch unter den zeitgenossen als bedrohung angesehen wurde, beweisen ja auch die ständigen christenverfolgungen bis unter diokletian. als das christentum unter konstantin staatsreligion wurde, war der erste schritt getan, der den idealen und tugenden der altvorderen, die das geistige lebenselixier der weltmacht waren, den endgültigen todesstoß versetzen sollte. in den nächsten jahrzehnten waren nun die heiden die verfolgten und diskriminierten, heidnische tempel wurden zerstört, ranghohe und fähige offiziere, staatsbeamte, senatoren, wichtige administrative stützen des reiches die heiden waren, wurden ihrer ämter beraubt bzw. entlassen. das christliche reich setze die heidnische intelligenz, die bis zum ende des westlichen reiches noch ganz erheblich war, in den ruhestand. dieser katastrophale aderlaß, vor allem für die führungstellen des heeres, sollten durch zum grossen teil religiöse wirrköpfe ersetzt werden. diese jedoch, oftmals geblendet durch christliche dogmen, erwiesen sich in vielen entscheidungen, seien sie militärisch, administrativ oder beratend, als unfähig!
meiner meinung nach ist daher nur obeflächlich von einer stabilisierung durch das christentum zu sprechen, und kaiser konstantin (der große) ist nicht der wirklich erneuerer des römischen reiches, sondern vielmehr der eigentliche begründer des ostreiches! wenn hier von einer großen persönlichkeit zu sprechen ist, der dem reich noch einmal ein hauch von leben eingefügt hat und das rad der geschichte nochmals wenden wollte, dann war das julian! doch seine großen taten und ideen zu verwirklichen, war ihm nicht vergönnt; doch steht damit der letzte heidnische kaiser nicht minder als grosser historischer akteur da!
 
"da das glück eines künftigen lebens das große ziel einer religion ist, mögen wir ohne überraschung oder ärgernis vernehmen, daß die einführung oder besser der mißbrauch des christentums nicht ohne einigen einfluß auf das sinken und den sturz des römischen reiches gewesen ist. die geistlichkeit predigte mit erfolg die lehren der geduld und untätigkeit. die tätigen tugenden der bürgerlichen gesellschaft wurden entmutigt und die letzen reste kriegerischen geistes im kloster begraben.(...) die aufmerksamkeit der kaiser ward von den lagern auf die synoden abgelenkt, die römische welt durch eine neue art von tyrannei unterdrückt, und die verfolgten sekten die geheimen feinde ihres vaterlandes." - eduard gibbon
 
-"Die Christianisierung der Barbaren war beispielsweise eine der positiven Folgen dieser Übereinkunft."-

das die missionierung von barbaren nicht wirklich etwas gebracht hat, sieht man daran, das dass weströmische und byzantinische reich trotzdem untergegangen ist. die barbaren identifizierten sich dadurch kein deut mehr mit dem reich, auf dessen boden sie hausten! ausserdem wurde hier nicht die frage gestellt, inwieweit das christentum bestimmte elemente des spätrömischen reiches in das mittelalter hinübergerettet hat, sondern ob das christentum für den direkten erhalt des römischen reiches geeignet war!

-"Auf diese Weise überlebten das Bildungssystem und die Kultur die Auflösung des Reiches."-

ausserdem ist es falsch, dass die kultur des reiches überlebt hat, sondern nur bestimmte formeln und rituale, sowie instrumente der herrschaftsausübung, die das christentum transformiert bzw. ins ma hinübergerettet hat. die antike kultur war bis auf bestimmte gegenden in südfrankreich ausgelöscht durch den sturm der völkerwanderung!
 
@ mercy

meine THESE zu begründen, wollte ich ja genau im rahmen einer dikussion, wie du hoffentlich gerade siehst, nachholen! wenn ich dies alles vorab tun würde, wäre es ja keine diskussion, sondern ein monolog. ob es nun trotzdem stammtisch-niveau ist oder nicht, soll nun deine entscheidung sein...
 
"Ich würde eher behaupten, dass das Christentum wieder das nötige Bindesglied zwischen den Reichsteilen geschaffen hat und somit eine Stärkung des Reiches herbeiführte."

ich denke eher, dass eben diese religion keineswegs bindeglied war, sondern gar für verwürfnisse gesorgt hat! seitdem es zwei reichshälften gab, woran konstantin nicht ganz unschuldig ist, haben sich diese mit der zeit immer weiter voneinander entfernt
 
Caracalla1980 schrieb:
-"Die Christianisierung der Barbaren war beispielsweise eine der positiven Folgen dieser Übereinkunft."-

das die missionierung von barbaren nicht wirklich etwas gebracht hat, sieht man daran, das dass weströmische und byzantinische reich trotzdem untergegangen ist. die barbaren identifizierten sich dadurch kein deut mehr mit dem reich, auf dessen boden sie hausten!
Die Zerstörer des Oströmischen Reiches konnten sich ja auch nicht mit dem christlichen Ostrom oder Byzanz identifizieren, die Araber waren ja schließlich keine Christen.


Caracalla1980 schrieb:
ausserdem wurde hier nicht die frage gestellt, inwieweit das christentum bestimmte elemente des spätrömischen reiches in das mittelalter hinübergerettet hat, sondern ob das christentum für den direkten erhalt des römischen reiches geeignet war!

Ich wollte mit dem Bsp. Karl der Große aufzeigen dass auch spätere "Riesenreiche" durch das Christentum eher gestärkt als geschwächt wurden.
 
"Die Zerstörer des Oströmischen Reiches konnten sich ja auch nicht mit dem christlichen Ostrom oder Byzanz identifizieren, die Araber waren ja schließlich keine Christen."

die araber haben dem reich vielleicht den "knock out" versetzt, aber schon vorher haben "missionierte" slawen den byzantinern auf dem balkan zu schaffen gemacht!
ich will damit sagen, das die angehörigkeit einer religion keine rolle für die feinde eines reiches spielt!
 
Caracalla1980 schrieb:
ich will damit sagen, das die angehörigkeit einer religion keine rolle für die feinde eines reiches spielt!

ja das stimmt schon. Du meinst also die gleiche Religion ist für eine Partei kein Hindernisgrund die andere Partei anzugreifen. Oder?
 
Valao schrieb:
Das Christentum trug in mancher Hinsicht zwar viel dazu bei, Patriotismus und Militär auszulöschen (ein Christ kämpft nicht), aber andererseits verbesserte es die Moral der Gesellschaft – und dies letztlich auch durch den Pakt zur gegenseitigen Unterstützung zwischen Kirche und Konstantin, der die Strukturen eher wirkungsvoll festigte. Die Christianisierung der Barbaren war beispielsweise eine der positiven Folgen dieser Übereinkunft. Auf diese Weise überlebten das Bildungssystem und die Kultur die Auflösung des Reiches.
Für das Militär des spätantiken Roms galten wohl nach wie vor primär Machtinteressen, religiöses "Getue" dürfte hierbei eine geringe Rolle gespielt haben. Insgesammt gab es wohl bis zu Theodosius' Erhebung des Christentums nicht mehr als 40% Christen in der röm Gesamtbevölkerung und zu dieser Zeit war das Militär schon stark von Sölderneinheiten und Föderaten bestimmt.
Welche Christianisierung meinst du bitte? Die der Goten, die allesamt Arianer waren und somit dem "falschen" Christentum anhingen oder die der Franken die erst um 500 mit der Taufe Chlodwigs die Richtung zum Christentum einschlugen? Oder meinst du die geringe Zahl der Burgunder die sich von Aetius ansiedeln lies, was auch erst Anfang des 5.Jhdts stattfand?

Valao schrieb:
Erst Kaiser Konstantin der Große stellte ja 311 n. Chr. die Christenverfolgung ein. Zunächst wurde das Christentum den alten römischen Kulten gleichgestellt, dann sogar zur Staatsreligion erhoben. Jeder Bürger des Imperiums hatte den christlichen Glauben anzunehmen, das Heidentum und die alten orientalischen Nationalkirchen wurden fortan unterdrückt. Der Pakt mit der Macht hat die sich entwickelnde christliche Kirche von Anfang an geprägt. Auch in Staaten außerhalb des Imperium Romanum wurde sie dann später als machtbildend und machtstabilisierend entdeckt. Von Karl dem Großen z. B. in seinem Karolingerreich und auch in den slawischen Ländern des Ostens. Könige und Kaiser ließen sich taufen und bedienten sich des Einflusses der Kirche auf ihre Völker. Die Kirche lehrte Gehorsam gegen die Obrigkeit. Die Herrschenden schützten dafür die Kirche und erhielten dafür aus den Händen der Bischöfe Krone und Segen. Viele Regenten und selbst der Kaiser wurden abhängig von der Macht der christlichen Kirche.
Es war also ein Leben und Leben lassen oder abwechselndes Geben und Nehmen.

Zuerst einmal etwas spitzfindig gesagt: Die Diokletianische Christenverfolgung war wohl praktisch schon 307 zu Ende, das "Toleranzedikt" von Mailand dürfte hauptsächlich von Licinius gewünscht worden sein um gegen Maximinus Daia freie Hand zu haben. Konstantin hatte selbst nach seinem Sieg über Maxentius nur in Italien eine etwas größere Gemeinde an Christen unter seiner Herrschaft. Erst als Konstantin Alleinherrscher im Reich war, beschäftigte er sich genauer mit dem Christentum und fast seine gesamten Aktion richteten sich an einer "inneren Ruhe" aus, sei es Nicaea, der Donatistenstreit in Nordafrika oder die ewigen Probleme mit Arius Athanasius oder anderen Ostgelehrten. Das sich die Kirche im Mittelalter zu der bestimmenden Konstante entwickelt hat beruht auf mehreren Entwicklungen, zu denen der Verfall der weltlichen Macht im römischen Reich gehört, hat aber nicht wirklich mit dem Thema hier zu tun.

Eigentlich woltle ich auch Caracalla in dem Post hier antworten, aber das dauert glaub ich noch ne ganze Weile bis ich das gelesen und beantwortet habe...
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich werfe mal ein paar Thesen in die debatte:cool: :

1.) die Gegenüberstellung Christentum- Heidentum ist irreführend, denn es gab über lange Zeit gegenseitige Beeinflussung. Das Christentum als ursprünglich jüdische Sekte war u.a. erfolgreich, weil es römische, hellenistische und orientalische Elemente in sich aufnahm (von römischen, orientalischen und hellenistischen Einflüssen geprägt wurde). Das Christentum beendet die klassische Antike, setzt sie aber zugleich fort.

2.) Der Vormarsch des Christentums war eine soziale Revolution. Für die unteren Schichten war das Christentum eine Aufwertung ihrer Stellung in der Gesellschaft. Der senatorische Adel wollte dagegen seine Position halten, und setzte daher auf die "römische Tradition". Am Ende stand eine Neuverteilung der Machtverhältnisse.

Caracalla1980 schrieb:
die gottähnliche stellung des kaisers, der seine herrschaftslegitimation von den segen der götter und seinem militärischen virtus erhielt, war nun in frage gestellt, seine position geschwächt.

Eher ein Tauschgeschäft: die Herrschaft des Kaisers wurde religiös durch das Christentum stärker begründet, aber er mußte dafür seine Macht mit dem Klerus teilen.

Caracalla1980 schrieb:
dass das christentum anfangs auch unter den zeitgenossen als bedrohung angesehen wurde, beweisen ja auch die ständigen christenverfolgungen bis unter diokletian.

Es wurde durch die senatorische Elite als Bedrohung angesehen (aus deren Sicht zurecht) und verfolgt. (Wie würden wir eigentlich heute Leute betrachten, die sich nachts auf friedhöfen treffen und unverständliche riten ausführen?:grübel:) Gibbon hat größtenteils die Perspektive der Geschichtsschreiber übernommen, auf die er sich stützt, und das waren meist Adlige.

Caracalla1980 schrieb:
als das christentum unter konstantin staatsreligion wurde...

wurde es nicht. soweit ich weiß erst unter theodosius.
 
so ich versuch nun mal erst Caracallas Punkte aufzuarbeiten:

vorne weg: Staatsreligion wurde das Christentum, wie von Saint-Just schon erwähnt unter Theodosius.

erst einmal war das Christentum auch eine orientalische Religion wie hier schon gesagt wurde, zum anderen gab es zur Zeit der Spätantike auch heidnische monotheistische Bewegungen, welche wohl ähnliche Veränderungen wie das Christentum gebracht hätten. Um der wachsenden Schar von Christen gerecht zu werden wurde schon von Konstantin ein Begriff eingeführt, der für jede Religion verträglich war, Begriffe wie die "instinctu deii" (zu sehn auf Inschriften wie den Konst.Bogen) oder summum deus. Damit fällt ein Problem mit der sakralen und militärischen Aura des Kaisers schon mal weg.

Die Christenverfolgungen basierten hauptsächlich auf lokalen Begebenheiten, erst unter Decius (Opferzwang) gab es eine großangelegte Verfolgung. Das die Christen eher als ein verschwörerischer Verbund gegen den Staat Rom angesehen wurden, denn als Religion, ist auch noch erwähnenswert. Hinzu kommt noch die eher mangelhafte Umsetzung der Kaisergesetze, was sowohl für die Verfolgung und das Verbot von Christen gilt, wie auch die vermeindlichen antiheidnischen Aktionen, di e wohl erst unter Theodosius richtig zunahmen.

Caracalla1980 schrieb:
in den nächsten jahrzehnten waren nun die heiden die verfolgten und diskriminierten, heidnische tempel wurden zerstört, ranghohe und fähige offiziere, staatsbeamte, senatoren, wichtige administrative stützen des reiches die heiden waren, wurden ihrer ämter beraubt bzw. entlassen. das christliche reich setze die heidnische intelligenz, die bis zum ende des westlichen reiches noch ganz erheblich war, in den ruhestand. dieser katastrophale aderlaß, vor allem für die führungstellen des heeres, sollten durch zum grossen teil religiöse wirrköpfe ersetzt werden. diese jedoch, oftmals geblendet durch christliche dogmen, erwiesen sich in vielen entscheidungen, seien sie militärisch, administrativ oder beratend, als unfähig!

Willst du mir hierfür ein paar Beispiele nennen? Selbst die Heermeister vor dem entgültigen Zerfall des Reiches würde ich nicht als Christen sehen, sie waren bestenfalls Arianer, was sich aber nicht in die orthodoxe Kirche eingliedern läßt.

Inwiefern Konstantin der Begründer des Ostreichs sein soll, wüssste ich auch gerne, vllt kannst du da mal einige Argumente liefern, die dich zu dieser Annahme verleiten.

Es ist auch toll das du Gibbon zitierst, aber man sollte nicht vergessen wer Gibbons Quellen waren und in welcher Zeit er geschrieben hat.

Saint-Just schrieb:
Der Vormarsch des Christentums war eine soziale Revolution. Für die unteren Schichten war das Christentum eine Aufwertung ihrer Stellung in der Gesellschaft. Der senatorische Adel wollte dagegen seine Position halten, und setzte daher auf die "römische Tradition". Am Ende stand eine Neuverteilung der Machtverhältnisse.

Sorry aber das ist einfach falsch. Die einzige Neuerung die das Christentum in sozialer Sicht brachte, war das sich die Zuwendungen in Form von Almosen und Nahrung nun nicht nur auf die Klientel der römischen Nobilität erstrecken konnte. Es gab weiterhin Sklaven, auch im Kirchenbesitz, die Aufstiegsmöglichkeiten für die Mittel und Unterschicht waren nach wie vor sehr bescheiden, da auch die Priesterämter von den Curialen besetzt wurden. Der Adel blieb nach wie vor Adel, erst mit dem untergegangen römischen Reich gab es eine gewisse Machtverschiebung, welche aber hauptsächlich in der Oberschicht stattfand. Die nun "arbeitslosen" Senatoren strömten nun nur noch wehementer in die Kirchenämter bzw versuchten sich eine Machtposition zur Repräsentation in diesem Bereich zu sichern ( vgl. Gallien spätes 5. u 6. Jh).
 
@ sheik

"Willst du mir hierfür ein paar Beispiele nennen?"

ich zeige einmal eine entwicklung des christentums unter mehreren kaisern auf, beispiele gibt es genug!

Unter Julian: Der Kaiser hatte erkannt, wie gross die Kluft zwischen den Menschen geworden war. Viele Menschen waren nur oberflächlich christianisiert und huldigten insgeheim immer noch den Gottheiten ihrer Vorfahren. Die Brutalität, mit der die christliche Religion manchmal verbreitet worden war, hatte ihn abgeschreckt und so drängte er deren Lehre und bevorzugte Organisation zurück. Bei Bewerbungen um hohe Ämter wurden nun heidnische Kandidaten konsequent bevorzugt.

Die Wiedereinführung der Kulte war indes kein Kinderspiel, denn jahrzehntelange konstantinische Vernichtungspolitik hatten ihre Spuren hinterlassen. Heiligtümer mussten wieder instand gesetzt bzw. neue errichtet werden. Um Opfer darzubringen benötigte man Priester und alle Vermögenswerte waren ja schon lange beschlagnahmt worden. So gab Iulianus den Kollegien die alten Privilegien der Vorzeit zurück und versuchte eine Restitution der Tempelschätze.

Es waren vor allem Erfahrungen aus seiner Jugend, die ihn zu den alten Göttern hingeführt hatten. Entsetzt hatte Iulianus mit ansehen müssen, dass trotz der Bekenntnis zum Christentum seine Verwandten nicht vor brutalen Verbrechen zurückschreckten. Da die Kirche bereits eine grosse Machtposition besass, übte sie diese auch aus. Zudem brodelten immer noch die innerkirchlichen KONFLIKTE um die WAHRE LEHRE des Christentums; eine Idee, DIE DEN ALTEN RELIGIONEN FREMD WAR.

Unter Gratian:Als Gratianus die Regierung übernehmen musste, war er gerade einmal 17 Jahre alt. Seine erste Aufgabe war diplomatischer Natur. In einer wohl von seinem Lehrer Ausonius überarbeiteten Rede wandte er sich Anfang 376 an den Senat in Rom. Die innenpolitische Eiszeit sollte beendet werden. Das Schreiben löste im Gremium Erleichterung aus und der sowohl bei Christen als auch Heiden angesehene Senator Symmachus sah tatsächlich ein neues Goldenes Zeitalter auf die Römer zukommen. Eine grossangelegte Amnestie für die religiös-politisch Verurteilten der letzten Jahre sorgte zudem für Aufbruchstimmung.
Von Valentininanus I. den Senatoren verwehrte Posten wurden ihnen wieder zugänglich gemacht.

Gratianus erliess zwar vorerst keine Verbote gegen die alten Kulte, besetzte die hohen und höchsten militärischen und zivilen Ämter jedoch ausschliesslich mit Christen. Damit wurde der Westen des Römischen Reiches erstmals mehrheitlich von Christen verwaltet. Heidnische Amtsträger tauchen von nun an kaum mehr auf.

Das Jahr 382 brachte so die endgültige Wende in der Religionspolitik. Die heidnischen Kulte wurden von zahlreichen Senatorenfamilien im Schutze der Reichshauptstadt Rom - jedermann schien bislang ohne gross nachzudenken akzeptiert zu haben, dass Konstantinopel der Hort des Christentums und Rom das Zentrum des Heidentums war - beinahe schon mit liebevoller Hingabe gepflegt. Viele in Rom sahen darin auch den Rest einer Grösse des Imperiums, wie sie nur unter heidnischen Kaisern existiert hatte.

Im Herbst/Winter 382/383 liess Gratianus ohne Vorwarnung den Altar der Siegesgöttin Victoria aus dem Senatsgebäude entfernen, der bereits zu Augustus’ Zeiten die Siege der römischen Zivilisation verkörpert hatte. Dem folgten andere Massnahmen gegen die alten Kulte. Schwerwiegend war etwa der Entzug der staatlichen Unterstützung für die das heilige Feuer hütenden Vestalinnen. Auch die Finanzierung stadtrömischer Feste, die mit Götterkulten in Zusammenhang standen wurde eingestellt. Die Steuerbefreiungen für heidnische Priester gingen ebenso verloren. Der enttäuschte heidnische Senator Symmachus sammelte während dieser Zeit eine Delegation und zog an den Hof von Gratian in Mediolanum (Mailand), wurde aber nicht einmal vorgelassen. Damit war das Schicksal der heidnischen Kulte besiegelt und die bislang einmalige religionspolitische Sonderstellung von Rom beendet.

Unter Valentinianus II.: Als Einzelperson konnte Valentinianus nicht uneingeschränkt handeln. Einige Male mischten sich seine Mitkaiser in Einzelentscheidungen ein und die Kirche trat als Machtfaktor immer offener zu Tage. 384 flammte die Diskussion über die Victoriastatue im Senatsgebäude wieder auf und Valentinianus neigte in diesem Streitfall eher den Heiden zu.

Unter dem wachsenden Einfluss von Iustina, die dem Arianismus anhing, hatten sich die Beziehungen zum Bischof Ambroisus verschlechtert. Der einflussreiche fränkische Magister militum Flavius Bauto versuchte seinen Kaiser ebenfalls in diesem Sinne zu stützen. Der aktuelle Stadtpräfekt Quintus Aurelius Symmachus und Anführer der Heiden in diesem Streit konnte zudem auf die Hilfe des Prätorianerpäfekten von Italien, Illyrien und Africa, Vettius Agorius Praetextatus, zählen.

Doch die Macht der Bischöfe unter der Führung von Ambrosius war stärker als die der offiziellen Träger der Staatsgewalt. Die Kirche bestanden auf den Totalitätsanspruch des Christentums. Die Heiden resignierten und Symmachus trat von seinem Amt zurück. Ein Jahr später starb zudem Praetextatus und von nun an gab es keine heidnischen Wünsche oder Aufbegehren mehr.


Unter Valens: Nicht nur aussenpolitisch standen die Zeichen auf Sturm; ein Religionsstreit lähmte das Leben in Syrien und hatte Auswirkungen bis nach Konstantinopel. Für Unruhe sorgten die Anhänger der homöischen Kirche, die besonders von Constantius II. gefördert worden war. Valens konnte derartige innere Streitereien nicht dulden und entliess deren Anhänger aus ihren Ämtern, ohne sie allerdings weiter zu verfolgen.



Unter Valentinian I.: Valentinian I. war einer der letzten römischen Kaiser, dem grössere militärische Erfolge beschieden waren. Auch in Sachen Religionspolitik kann er als der letzte Vertreter einer ausgleichenden Politik angesehen werden. Nie mehr sollten die Einwohner des Römischen Reiches Religionsfreiheit erhalten.

Der Senat in Rom verstand sich zu diesem Zeitpunkt als heidnischer Gegenpol zu Konstantinopel, wodurch die alten Kulte von den einflussreichen Senatorenfamilien besonders gepflegt wurden.


Unter Theodosius: Auch innenpolitisch wollte Theodosius einen Schlussstrich ziehen. Die ständigen Konzile sowie die schwankende Haltung seiner Vorgänger im Verhältnis zwischen Christen und Heiden hatten eine permanente innenpolitische Krise erzeugt. Am 27. Februar 380 erliess der Kaiser sein berühmtes Edikt, das den Bürgern des Reiches nur mehr einen Glauben erlaubte - den christlich-nicaenischen.

Die Pattsituation zwischen Kirche und Staat liess den Kaiser sich verstärkt um die Bekämpfung des Heidentums bemühen. Sie machten trotz aller Christianisierungsversuche seit Konstantin immer noch einen erheblichen Anteil an der Bevölkerung aus. 391 bat der Senat - vertreten durch den heidnischen Senator Symmachus - erneut um die Wiederaufstellung des Victoriastandbildes in der Curia sowie um die staatlichen Zuwendungen für die alten Kulte. Bereits 384 war Symmachus gescheitert - vor allem am Widerstand des Ambrosius.

Auch diesmal war ihm und seiner Delegation beim Kaiser kein Erfolg vergönnt. Vielmehr reagierte Theodosius härter als zuvor. Am 24. Februar 391 kam es zu einem Erlass, wonach heidnische Opfer und der Besuch von Tempeln untersagt wurden. Schrittweise wurden die Verbote verschärft und am 8. November 392 kam es zu einer völligen Aufhebung aller Götterkulte. Im Gegensatz zu den Massnahmen gegen christliche Abweichler, sollten die gegen die Heiden gerichteten Erlasse mit aller Härte durchgesetzt werden.

Diese Repressalien führten dazu, dass sich die mehrheitlich heidnische Senatsaristokratie nach einem potenziellen Thronkandidaten umsah. Als sich Valentinan II. im Mai 392 das Leben genommen hatte, erkannte der Senat drei Monate später den, durch den Feldherrn Arbogast ins Rennen geschickten, Flavius Eugenius als legitimen Kaiser an. Dieser war früher Grammatik- und Rhetoriklehrer gewesen und hatte sich in der Verwaltung bis in die Position eines magister scrinii (Kanzleichef) hochgearbeitet. Für Theodosius gefährlich wurde die Sache vor allem dadurch, dass auch Bischof Ambrosius mit diesem gut auskam und die Franken ihm Unterstützung zusagten.

Infolge seiner Verdienste um den christlichen Glauben, wurde er von der Kirche alsbald „der Grosse“ genannt. Sein religiöses Engagement war indes geprägt von der Einführung des wahren Glaubens. Dabei nahm er sich selbst als Massstab. Das Heidentum wollte er unbedingt ausmerzen und büssen lassen, für die Christenverfolgungen seiner Vorgänger. Im Gegensatz zum Westen erkannten die Bischöfe des Ostens den Kaiser als oberste Autorität in Glaubensfragen an.



Unter Honorius: Nun erlies Honorius aber ein Gesetz, wonach Heiden der Zugang zum Militärdienst verwehrt wurde.

407/408 folgte ein Erlass, wonach jede Abweichung von der Staatsreligion als Majestätsverbrechen zu werten sei, und alljene die nicht dem Kurs der offiziellen Kirche folgten wurden vom Hof verbannt. Bereits ein Jahr später musste Honorius diesen Erlass wieder zurücknehmen, da ansonsten grosse Kontingente der Armee hätten entlassen werden müssen.

Sehr konservativ erzogen und während seiner Jugend unter dem Einfluss von Bischof Ambrosius, bestätigte er von sich aus die Privilegien der Kirche. Die Erlasse gegen die Heiden wurden ebenso erneuert, wie Ketzer verfolgt. Zugeständnisse an die heidnische Senatsaristokratie gab es nur, wenn es politisch unbedingt notwendig war. Sie wurden später alle wieder rückgängig gemacht. Auch Sozial- und Finanzgesetzgebung orientierten sich an der kaiserlichen Religionspolitik.
 
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