Colonel House und die Möglichkeit einer Allianz im Jahr 1913

Wenn Riezler ein Scharfmacher gewesen wäre, was er nicht war, dann hätte er ja versuchen müssen Bethmann in der Julikrise in diesem Sinne zu beeinflussen. Soweit erkennbar, hat Riezler dies aber gar nicht getan. Riezler war über das Bild, über welches Bethmann ihm am 07.Juli 1914 informierte, überrascht. Riezler war also zumindest zu Beginn der Julikrise auch gar nicht hinreichend informiert.
 
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Eine kritische Sicht auf die Tagebücher habe ich bei Evans in "Defence of History" (Kap 1, FN 7) gefunden, der auf Fischer verweist. Liegt mir aber nicht vor.

Fischer, Fritz (1983): Juli 1914. Wir sind nicht hineingeschlittert ; das Staatsgeheimnis um die Riezler-Tagebücher ; eine Streitschrift. 8.-10. Taus. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, S. 49-54 und 75-82

Gab ein Medienecho in der "Zeit" (paywall!) Im Prinzip spiegelt es den Konflikt zwischen Fischer und Erdmann wider.

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Ein kurzer - verwunderter - Einwurf. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, wenn man Riezler als "Scharfmacher" hinstellt.

So weit mir bekannt hat der Mann doch anno 1914 kräftig am Zustandekommen des "Septemberprogramms" mitgewirkt?

Das würde ich als die Position eines Hardliners im Krieg und als die eines Scharfmachers im Hinblick auf Kriegszielvorstellungen etc. bezeichnen wollen, denn bescheiden war diese Skizze ja nun nicht unbedingt ausgefallen.
 
Das ist ja nun irgendwie Blödsinn. Du unterstellst einfach mal so nebenbei, das Riezler vorsätzlich Bethmann falsch wiedergegeben hat. Und das ohne dafür ein Beleg zu haben und weist stattdessen aber daraufhin, das ich kein Beleg für die Richtigkeit hätte. Wie soll deiner Meinung Geschichtsschreibung ohne Quellen funktionieren?

Nein, ich weise darauf hin, dass es mit Riezlers Aufzeichnungen so einige Probleme gibt, die man nicht einfach ignorieren kann, womit es ziemlich gewagt ist, sie als Beleg für irgendwas heranziehen zu wollen, sofern man keine Referenzquellen vorweisen kann.
Es ist doch nun wirklich nicht von der Hand zu weisen, das Memoirenliteratur an und für sich eine nicht ganz unproblematische Literaturgattung ist, eben weil sie sehr gerne mal Rechtfertigungszwecken dient.

Wenn sie dann noch Jahrzehnte nach den eigentlichen Ereignissen veröffentlicht wurde, zu einem Zeitpunkt, an dem die darin erwähnten Personen, denen diese oder jene Rolle zugeschrieben wird, längst tot sind und dem nicht mehr widersprechen können, ist dreimal Vorsicht angebracht.

Und dem trägst du mMn zu wenig Rechnung, wenn du Inhalte daraus ohne Referenzquellen als Totschlagargumente anführen willst.


Die Abmachung von 1913 war also nicht rechtskräftig geworden.

Was, ich wiederhole mich, aber nicht daran lag, dass man in Großbritannien nicht zum Abschluss oder zur Veröffentlichung bereit gewesen wäre, das lag an der deutschen Seite.

An der Stelle muss ich sagen, dass ich es höchst interessant finde, wie du hier versuchst dieses projektierte Kolonialabkommen als völlig unbedeutend vom Tisch zu wischen, während du dich aber an der ebenfalls projektierten, aber nicht finalisierten englisch-russischen Marinekonvention hochziehst.

Meinst du nicht, dass du da ein wenig mit zweierlei Maß misst?
 
Nö.

Für mich wiegt eine militärische Abmachung schwerer, die hat doch ein ganz anderes Gewicht, als eine eventuelle Aufteilung der portugiesischen Kolonien.

Bei dem Marineabkommen zwischen England und Russland sprach u.a. auch man darüber, ob die englische Handelsmarine im Kriegsfalle in die Ostsee einfährt, um russische Truppen einzuladen und dann an der pommerschen Küste an Land zu setzen. Das ist ein anderes Kaliber, als der eventuelle, ggf. Erbe von Angola.
Du sagst aber gar nichts zum Windsor Vertrag oder dazu, das Paris über dieses nicht zustande gekommene Abkommen im Bilde war. Denn du hast ja das englische Opfer bezüglich Frankreich so betont; es war gar kein Opfer. Ebenso äußerst du dich nicht zum Windsor Vertrag. Warum nicht? Ist das nicht etwas einseitig?

Das Septemberprogramm war der kleineste erreichbare Nenner. Es waren ganz andere, größenwahnsinnigere, Zielvorstellungen im Umlauf. Bethmann wurde bombardiert mit surrealen "Wünschen" der Industrie. Daran kannst du doch keine Scharfmacherei festmachen. Riezler hatte Bethmann nicht in der Julikrise versucht zu manipulieren und das hätte ein Scharfmacher ganz gewiss getan. Mir scheint, du bist doch etwas einseitig.

Ich weise auch auf die Ausführungen von @thane hin:

In "Tagebücher, Aufsätze, Dokumente" positioniert er sich, dabei Bethmann folgend (vgl. 7.7. 1914), als klarer Gegner - 3. OHL - gegen die Scharfmacher. Am 15.4. 1918 "Kaum mehr verschleierte Militärdiktatur".

Folgt man Riezler, dann (7.7.1914) ist der Vertrauensbruch mit England durchaus relevant. Aber die Frage der nicht zustandegekommenen Verständigung - seit 1912 - wird auch sehr deutlich an der Person von Tirpitz festgemacht (vgl. 20.07.1914)

Auch hierzu hast du nichts ausgeführt; so äußerst sich ein Scharfmacher nämlich nicht.

Und noch etwas zur Geschichtsklitterung von Riezler: Der wollte m.W. nach gar nicht, das seine Tagebücher veröffentlich werden.

Wenn Riezler als Quelle fragwürdig oder nicht geeignet wäre, steht die Frage im Raume, weshalb er dann eigentlich immer wieder in den entsprechenden Geschichtswerken zitiert wird? Vielleicht weißt di hierzu eine Antwort?

Wilhelm Deist führt beispielsweise aus, "Im Übrigen ist die Quelle mit großer editorischer Sorgfalt bearbeitet, worüber die Vorbemerkung prägnant Auskunft gibt. Die Edition ist ein Beispiel dafür, daß wissenschaftliche Exaktheit mit einem Minimum am drucktechnischen Aufwand zu erreichen ist."

Fritz Fellner führte aus, das seine Einwände "nicht die Bedeutung der Tagebücher als Quelle für die deutsche Politik der Kriegszeit minderten." (1)

(1) Riezler, Tagebücher, Vorwort Holger Afflerbach, Seite VII
 
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Für mich wiegt eine militärische Abmachung schwerer, die hat doch ein ganz anderes Gewicht, als eine eventuelle Aufteilung der portugiesischen Kolonien.

Wie kommst du zu der Annahme?
Das Kolonialabkommen konnte zu handfesten geopolitischen Verschiebungen in Afrika führen, demgegenüber war die Marinekonvention eine nicht durchführbare militärische Luftnummer.

Bei dem Marineabkommen zwischen England und Russland sprach u.a. auch man darüber, ob die englische Handelsmarine im Kriegsfalle in die Ostsee einfährt, um russische Truppen einzuladen und dann an der pommerschen Küste an Land zu setzen.

Was technisch, ich wiederhole mich, überhaupt nicht möglich gewesen wäre.
Du hast mir bis dato noch nicht erklären können, wie das angesichts der Kräfteverhältnisse in der Ostsee ohne Unterstützung eines Großteils der schweren britischen Einheiten hätte funktionieren können.

Dito hast du mir bis dato nicht erklären können, wie man gerade die schweren Einheiten im Sund und der unmittelbaren Nähe der deutschen Küsten vor deutschen Tausch- und Torpedobooten hätte schützen sollen.

Das einzige was man von deutscher Seite hätte tun müssen um das von vorn herein zu vereiteln wäre gewesen den Sund zu vermienen, das wäre militärisch keine besonders schwere Aufgabe gewesen.
Und selbst wenn man das nicht getan hätte, wäre das Einlaufen der britischen Einheiten in die Ostsee und der Versuch an den deutschen Küsten zu landen in nichts anderem resultiert, als in einem hübschen Zielschießen für die Tauch- und Torpedoboote.

Vorrichtungen für die Anlandung schweren Geräts gab es nicht, spezielle Landungsboote für amphibische Landeunternehmungen à la Weltkrieg Nr2. ebenfalls nicht.

Dementsprechend hätten nur sehr leicht ausgerüstete, entsprechend wenig schlagkräftige Truppen ohne weiteres transportiert werden können und deren Anlandung hätte wahrscheinlich Tage gebraucht, wenn sie überhaupt durchführbar gewesen wäre.

Unterm Strich hätten die Briten, wenn sie das tatsächlich versucht hätten mit ziemlicher Sicherheit substanzielle Teile ihrer Flotte eingebüßt und alles was dabei zu gewinnen gewesen wäre, wäre allenfalls ein wenig Diversion gewesen, aber nichts wirklich entscheidendes.

Das ganze ist deutlich eher ein symbolisches Entgegenkommen, als eine tatsächlich sinnvolle militärische Option.
Grenzverschiebungen in Afrika wären demgegenüber eine geopolitische Tatsache gewesen.


Du sagst aber gar nichts zum Windsor Vertrag
Weil der für meinen Punkt überhaupt nicht relevant ist.
Mein Punkt ist nach wie vor, dass man in GB auch 1913 durchaus noch bereit war den Status Quo in den Kolonien zu verändern und Deutschland daran partizipieren zu lassen.
So geht man nicht mit jemandem um den man als Feind betrachtet.


Das Septemberprogramm war der kleineste erreichbare Nenner. Es waren ganz andere, größenwahnsinnigere, Zielvorstellungen im Umlauf.
Die Tatsache, dass mit der Zeit auch noch größenwahnsinnigere Vorstellungen gab, macht das Septemberprogramm in sich nicht weniger größenwahnsinnig als es war.
Schön, nachdem der Krieg einmal da war und es für einen Moment so aussah, dass man ihn von deutscher Seite gewinnen würde, war die Gesamtstimmung nicht nach einem Verständigungsfrieden auf Basis des Status Quo und irgendein Gewinn, musste präsentiert werden, dem ist sicherlich Rechnung zu tragen.

Aber man wird die Absicht mal eben halb Afrika umzuverteilen, Belgien halb zu annektieren und den Rest um französische Gebiete erweitert zu einem lupenreinen Satelitenstaat zu machen, nebst Annexion weiterer französischer Gebiete und ggf. Abtrennung der russischen Westprovinzen und vollständige wirtschaftliche Verdrängung Großbritanniens aus Europa, bzw. dessen Umgestaltung in eine de facto Exportkolonie des Deutschenn Reiches wohl kaum als mäßig verkaufen können.
Das war schon ziemlich starker Tobak.
 
Die Marinekonvention eine Luftnummer?
Ich zitiere hier einmal den deutschen Botschafter Lichnowsky:

"Schließlich wollte er (Bethmann; Anmerkung von mir) mir noch vertraulich mitteilen, daß nach geheimen, aber zuverlässigen Meldungen ein Marineabkommen zwischen Rußland und England im Gange sei, demzufolge mit Hilfe englischer Frachtdampfer russische Truppen an der Küste landen sollten."

Schröder, Die englisch-russische Marinekonvention, S.599
 
Weil der für meinen Punkt überhaupt nicht relevant ist.

Krass. Ein völkerrechtlich verbindlicher Vertrag ist für dich nicht relevant. Und das obwohl die angedachte Veröffentlich desselben das Zustandekommen 1913 verhindert hatte. Und dass das Abkommen die Abmachung von 1898 schlicht unterlaufen hatte. Du bist recht großzügig.
 
Und noch etwas zur Geschichtsklitterung von Riezler: Der wollte m.W. nach gar nicht, das seine Tagebücher veröffentlich werden.

Wenn er es nicht wollte oder nicht zumindest damit rechnete, dann erklär mir doch mal, warum die Aufzeichnungen nur fragmentarisch vorhanden sind.

Wenn Riezler als Quelle fragwürdig oder nicht geeignet wäre, steht die Frage im Raume, weshalb er dann eigentlich immer wieder in den entsprechenden Geschichtswerken zitiert wird? Vielleicht weißt di hierzu eine Antwort?

Was hat die Zitation einer Quelle mit ihrer grundsätzlichen Glaubwürdigkeit in Einzelfragen zu tun?
Ich hatte mich auch dazu schon geäußert.
Natürlich sind Quellen, so sie vorhanden sind nicht zu ignorieren, sondern zu zitieren.

Aus dem Umstand, dass sie zitiert werden, ist aber längst nicht zu schließen, dass sie objektive Tatsachen widergeben, dafür sind Entstehungs- und Veröffentlichungskontexte etc. zu berücksichtigen und die machen bei Riezler Sorgen.

Dadurch wird Riezler als Quelle sicher nicht unbrauchbar.

Indess wozu er brauchbar ist, das ist eine ganz andere Frage.

Riezler bietet einen ganz brauchbaren Ausblick auf Möglichkeitsräume, nicht auf Tatsachen für sich genommen und wenn er so behandelt wird, ist das auch vollkommen in Ordnung.
Ebenfalls ist es vollkommen in Ordnung, wenn verschiedene Historiker ohne das en detail beweisen zu können seine Darstellungen für authentisch halten und das als ihre persönliche Ansicht so vertreten, aber es kann schwerlich, wie du das gerne hättest als obligatorisch betrachtet werden.
Darüber hinaus haben Riezlers Ausführungen sicherlich auch im Besonderen an den Stellen ihren Wert, an denen es entsprechende Referenzquellen gibt.

Wo ist also das Problem?
 
Die Tatsache, dass mit der Zeit auch noch größenwahnsinnigere Vorstellungen gab, macht das Septemberprogramm in sich nicht weniger größenwahnsinnig als es war.
Schön, nachdem der Krieg einmal da war und es für einen Moment so aussah, dass man ihn von deutscher Seite gewinnen würde, war die Gesamtstimmung nicht nach einem Verständigungsfrieden auf Basis des Status Quo und irgendein Gewinn, musste präsentiert werden, dem ist sicherlich Rechnung zu tragen.

Aber man wird die Absicht mal eben halb Afrika umzuverteilen, Belgien halb zu annektieren und den Rest um französische Gebiete erweitert zu einem lupenreinen Satelitenstaat zu machen, nebst Annexion weiterer französischer Gebiete und ggf. Abtrennung der russischen Westprovinzen und vollständige wirtschaftliche Verdrängung Großbritanniens aus Europa, bzw. dessen Umgestaltung in eine de facto Exportkolonie des Deutschenn Reiches wohl kaum als mäßig verkaufen können.
Das war schon ziemlich starker Tobak.


Also im Verteilen des noch nicht erlegten Löwen, da waren alle Spieler im Zeitalter des Imperialismus gleich habgierig. Es ist ja nun nicht so, das die Alliierten im Weltkriege Lämmer waren. Erinnert sei nur an das Sykes-Picot Abkommen. Da verdient die deutsche Gier nicht soo sonderliche Erwähnung.
 
Krass. Ein völkerrechtlich verbindlicher Vertrag ist für dich nicht relevant.
Gehört es neuerlich zum guten Ton einem Mitdiskutanten das Wort im Mund umzudrehen?

Ich habe Postuliert:

Ausweislich des projektierten Kolonialabkommens von 1913 waren die Briten zu diesem Zeitpunkt durchaus bereit den Status Quo in Afrika zu verändern und Deutschland daran zu beteiligen.

Daran ändert der von dir angesprochene Windsor-Vertrag 0,0.

Ich habe mit keiner Silbe behauptet, das der von die angesprochene Vertrag völlig unbedeutend gewesen wäre oder die Briten das aus selbstlosigkeit so verhandelt hätten und nicht etwa mit dem Hintergedanken vorherige, für sie ungünstigere Verträge durch eine neue, günstigere Regelung abzulösen.

Das mag ja alles sein.
Ändert aber nichts daran, dass man nach wie vor bereit war diese Fragen so zu behandeln, dass auch Deutschland einen Gewinn davon haben konnte.

So behandelt man keinen Feind.
 
Die Tatsache, dass mit der Zeit auch noch größenwahnsinnigere Vorstellungen gab, macht das Septemberprogramm in sich nicht weniger größenwahnsinnig als es war.

Du argumentierst, so scheint mir, ein wenig von der hohen moralische Warte der heutigen Zeit. 1914 tickten die Uhren aber doch ein wenig anders und bei der Bewertung, müssen wir aus der Zeit heraus bewerten und die Umstände mit berücksichtigen.
 
Also im Verteilen des noch nicht erlegten Löwen, da waren alle Spieler im Zeitalter des Imperialismus gleich habgierig. Es ist ja nun nicht so, das die Alliierten im Weltkriege Lämmer waren. Erinnert sei nur an das Sykes-Picot Abkommen. Da verdient die deutsche Gier nicht soo sonderliche Erwähnung.

Entschuldigung, aber das ist whataboutism.

Die Tatsache dass auch so manche andere Vorstellungen der reinen Gier entsprungen sind (was nie jemand besstritten hat) macht das Septemberprogramm nicht mäßiger.
 
Ausweislich des projektierten Kolonialabkommens von 1913 waren die Briten zu diesem Zeitpunkt durchaus bereit den Status Quo in Afrika zu verändern und Deutschland daran zu beteiligen.

...und dabei blendest du eben den Windsor Vertrag aus. Den kannst du aber nicht ausblenden, weil der die Engländer gegenüber Portugal verpflichtete.
 
Entschuldigung, aber das ist whataboutism.

Die Tatsache dass auch so manche andere Vorstellungen der reinen Gier entsprungen sind (was nie jemand besstritten hat) macht das Septemberprogramm nicht mäßiger.

Wenn , dann bitte Butter bei der Fische. Nicht nur den einen Teilnehmer kritisieren, dieselben Schandtaten des anderen aber ausblenden.
 
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