Das Deutsche Reich in China

S

Stephman

Gast
Hallo, ich muss etwas über die Rolle von Deutschland in China herrausfinden.Vor dem ersten Weltkrieg.Aber ich habe dazu nichts gefunden. Könnt mir vielleicht weiterhelfen?Oder mir irgend einen Link zu einer Quelle sagen?
 
Forsche mal nach:
Tsingtao (Tsing Tao, Tsingtau, Tsing Tau, Qingdao, Qing Dao)
Hunnenrede
Boxeraufstand
 
Und als Ergänzung:
Tsingtau - Auf deutschen Spuren in China
3Sat, 8.Juni 2009, 13.15 Uhr. Doku von 2008, 45 Minuten.
 
Zufällig habe ich bei Ludendorff (Kriegserinnerungen, S. 60) gelesen, dass 1914 behauptet wurde, das japanische Ultimatum 1914 betreffend Tsingtao habe "fast wörtlich" einem deutschen Schreiben vor dem Frieden von Shimonoseki (zu Port Arthur) geglichen. Daraus sei die Revanche ersichtlich.

Weiss da jemand mehr?
 
Zufällig habe ich bei Ludendorff (Kriegserinnerungen, S. 60) gelesen, dass 1914 behauptet wurde, das japanische Ultimatum 1914 betreffend Tsingtao habe "fast wörtlich" einem deutschen Schreiben vor dem Frieden von Shimonoseki (zu Port Arthur) geglichen. Daraus sei die Revanche ersichtlich.

Weiss da jemand mehr?

Damit ist wahrscheinlich nur das gemeint, was wir bereits in http://www.geschichtsforum.de/f58/japan-23259/index2.html#post401791 (ab #57) diskutiert haben, nämlich die deutsche Beteiligung an der Drei-Mächte-Intervention 1895. Japan wurde damals der freundliche Rat ("friendly advice") erteilt, sich von einem Teil seiner Kriegserfolge wieder zu trennen, und genau so erteilte 1914 die japanische Regierung der deutschen den freundlichen Rat, Tsingtau an Japan zu übergeben (englischer Text z. B. in III, 179. Schreiben des japanischen Botschafters an Grafen Berchtold, 20. August 1914 - World War I Document Archive).
 
@jschmidt: vielen Dank.

Ja, das ist der Hintergrund.

Besonders interessant fand ich nun den Hinweis auf das "wörtlich"; Ludendorff führt aus, dass hierdurch die Quittung für 1895 plastisch würde.
 
Besonders interessant fand ich nun den Hinweis auf das "wörtlich"; Ludendorff führt aus, dass hierdurch die Quittung für 1895 plastisch würde.

Irgendwie ließ mir die Sache doch keine Ruhe, Nachdem ich deshalb bei Rolf-Harald Wippich (Japan und die deutsche Fernostpolitik 1894-1898) nachgeschaut habe, folgende Ergänzung:

Der "freundschaftliche Rat" wurde deutscherseits doppelt erteilt, einmal als Beteiligter an der Tripelintervention vom 23.4.1895, aber schon vorher im Alleingang! "Am 6. März entschied sich das Auswärtige Amt ..., das Tokioter Kabinett in Form eines 'freundschaftlichen Rats' auf eine drohende Intervention hinzuweisen und ihm 'Beschleunigung des Friedens und Mäßigung in den Bedingungen' anzuraten." (S. 108)

Der Gesandte Gutschmid übergab diesen Rat am 8.3. an den Vize-Außenminister Hayashi, welcher im Namen der japanischen Regierung "für die ihre gemachten außerordentlich wertvollen Mitteilungen dankte" (S. 109). Japanischerseits lag hierbei ein Mißverständnis vor: Man glaubte, "daß der Rat nur eine Warnung vor Rußland darstelle. Da Japan sich inzwischen mit Rußland über die Unabhängigkeit Koreas geeinigt hatte, glaubte das Kabinett, dem Rat keine weitere Beachtung schenken zu müssen" (ebd.).
 
Zuletzt bearbeitet:
derzeit freier download im Journal of Enterprise and Society, Dez. 2019: Besprechung der (mit Preisen ausgezeichneten, und als Paper schon auf mehreren Konferenzen vorgestellten) Dissertation zur Falldarstellung der Deutsch-Asiatischen Bank.

Publikation:
Networks of Capital: German Bankers and the Financial Internationalisation of China (1885–1919) | Enterprise & Society | Cambridge Core

Klingt sehr interessant. Wohl ein neues "Muss" zur deutschen Kolonial-, Wirtschafts- und Imperialismusgeschichte des Kaiserreichs.
 
Besonders interessant fand ich nun den Hinweis auf das "wörtlich"; Ludendorff führt aus, dass hierdurch die Quittung für 1895 plastisch würde.
Völlig wörtlich scheint es nicht gewesen zu sein, zumindest laut der Literatur, die mir vorliegt:
"[...] Der Wortlaut der Erklärung gibt Auskunft: Offenbar saß die Enttäuschung und das Entsetzen über die deutsche Beteiligung an der Intervention von Shimonoseki 1895 tief: der Wortlaut der Kriegserklärung folgt den Spuren der deutschen Erklärung von 1895. Allerdings war Japan 1902 auch auch zum Verbündeten Englands geworden und verpflichtet, England im Kriegsfall beizustehen. (1) Die inkonsistente, als wenig japanfreundlich wahrnehmbare deutsche Politik tat ihr übrigens, die damalige Regierung zumindest nicht davon abzubringen, in den bevorstehenden Krieg einzutreten, eine Tatsache übrigens, die Wilhelm II. in seinen schon erwähnten Memoiren ausdrücklich bedauert."
(Curt-Engelhornstiftung für die Reiss-Engelhorn-Museum (Hrsg.): Ferne Gefährten - 150 Jahre deutsch-japanische Beziehungen, Regensburg 2011, S. 85)

Das deutsche Verhalten 1895 ist aber ein gutes Beispiel für den Unterschied der wilhelminischen und der bismarkschen Außenpolitik. Als die japanische Iwakura-Mission zwischen 1871 und 1873 durch Nordamerika und Europa reiste, hielt Bismarck bei einem Abendessen mit der japanischen Delegation eine Rede über Zivilisation und Völkerrecht:
"Alle Staaten der Erde verkehren höflich und freundschaftlich, aber das ist alles nur rein äußerlich. In Wahrheit denken die Regierungen ganz anders: Von dem stärkeren Staate wird immer ein Druck auf den schwächeren ausgeübt, der kleine wird vom großen verachtet. [...] Das Völkerrecht bezweckt, die rechtliche Ordnung der einzelnen Staaten zueinander aufrecht zu erhalten; wenn aber ein großes Reich Differenzen mit einem anderen Staate hat, dann wird es alles dem Völkerrecht entsprechend machen, vorausgesetzt, dass dies für es vorteilhaft ist; wenn dies aber nicht der Fall ist, dann will es vom Völkerrecht nichts wissen und vertritt seine Ansprüche mit Gewalt. [...] Das kleine Reich befindet sich deshalb immer im Nachteil und in einem traurigen Zustande und kann sich nicht mit eigener Macht schützen. [...] Die Zustände in Ihrem Lande, meine Herren, sind so, wie sie vor Jahren hier [in Preußen] waren. Ich kann mich in die Verhältnisse ganz gut hineindenken, weil ich in einem kleinen und schwachen Lande, das sich langsam auf den heutigen Standpunkt emporgeschwungen hat, geboren bin. Wir schützen unsere Rechte und unsere Selbsterhaltung. Japan befindet sich in derselben Lage, und wegen dieser Verhältnisse müssen wir besonders freundlich verkehren."
Die Rede hinterließ bei den Gästen einen großen Eindruck. Die Japaner waren überzeugt, dass Bismarck die Wahrheit gesprochen und nicht geheuchelt habe.
(ebenda, S. 80)

(1) Ob der Allianzvertrag von 1902 (bzw. die Erneuerung von 1905) Japan wirklich zum Kriegseintritt verpflichtete, ist fraglich. Durch Artikel 3 könnte man darauf schließen. Allerdings bezieht sich der Geltungsbereich des Vertrages m.E. auf China bzw. Ostasien und nicht auf einen Krieg in Europa. Nun könnte man sich fragen, ob der deutsche Kreuzerkrieg (z.B. SMS Emden) als Casus Belli im Sinne des Allianzvertrages herhalten kann. Zumindest konnte die Allianz mit Großbritannien für Japan als legaler Anlass dienen, Deutschland den Krieg zu erklären.
(Primary Documents - Anglo-Japanese Alliance)
 
Der Vertrag von Shimonoseki bzw. der Erste Japanisch-Chinesische Krieg führten in Deutschland erstmals zu konkreten Planungen und Entscheidungen hinsichtlich eines deutschen Stützpunktes in China. Da das Reichsmarineamt und das Auswärtige Amt aber unterschiedliche Standorte für einen deutschen Stützpunkte favorisierten (Reichsmarineamt: Zhousan-Inseln vor Shanghai; Auswärtiges Amt: Jiaozhou-Bucht (Kiautschou), da Zhousan zum britischen Einflussgebiet gehörte), konnte die Frage der Festsetzung an der chinesischen Küste kurzfristig aufgrund amtlicher Umstimmigkeiten nicht weiterverfolgt werden.


Im amtlichen Verkehr Deutschlands wurden für die Erwerbung einer Kohlen- und Flottenstation in China im Zusammenhang mit dem Ersten Japanisch-Chinesischen Krieg folgende Gründe angegeben:

Schreiben des Staatssekretärs des Reichsmarineamtes, Friedrich von Hollmann, an den Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Adolf Marschall von Bieberstein am 17.04.1895
"[...]Der gegenwärtige Krieg hat in dieser Hinsicht ernste Erfahrungen an die Hand gegeben. Wiederholt hat unseren Schiffen die Kohlen- und Proviantversorgung große Schwierigkeiten bereitet, erstere war zeitweilig ganz unterbrochen; die Kohlenlieferungsverträge haben gekündigt werden müssen, weil die Lieferanten ihren Pflichten nicht nachkommen konnten; die Werft-Etablissements in China und Japan, auf deren bereitwillige Hilfe sonst zu rechnen war, versagten gänzlich, da vollauf mit ihren eigenen Schiffen beschäftigt.[...] In solchem Falle sind Flottenstationen geradezu eine Existenzbedingung für Schiffe. Wer nicht auf solche zurückgreifen kann, wird sich gezwungenermaßen aus den vom Kriege in Mitleidenschaft gezogenen Gebieten zurückziehen und damit seine Interessen zu einer Zeit preisgeben müssen, in der sie Schutzes am dringendsten bedürfen [...] Es genügt nicht, was eingewandt werden könnte, dass wir Handel und Schifffahrt gegen Schädigung europäischer Mächte schützen, wir müssen auch China und Japan gegenüber mächtig dastehen, und das ist nur zu erreichen, wenn wir dort festen Fuß fassen. Nur so kann dem Einfluss der konkurrierenden Mächte in den dortigen Gewässern mit Erfolg die Spitze geboten und die im Interesse unseres Nationalwohlstandes so notwendige Wechselwirkung zwischen Handel und Macht hergestellt werden. [...]"

Gibt es denn noch Hinweise auf deutsche Begehrlichkeiten betr. Port Arthur bzw. den Text der zweiten Note?

Soweit mir bekannt, existierten keine deutsche Begehrlichkeiten betreffend Port Arthur. Zur Diskussion standen nach meiner Kenntnis:
- Die Insel Zhousan (als nördlicher Stütpunkt) und die Insel Amoy mit Gulangshan (als südlicher Stützpunkt)
- Die Jiaozhou-Bucht (nördl.) und die Mirs-Bay [Dapengwan] (südl.)
- Die Montebello-Inseln [Jizhou] (nördl.) und die Pescadores [Penghuduo] (südl.)
Es waren also ursprünglich sogar zwei Stützpunkte geplant, da man der Meinung einer würde nicht genügen.
Deutschland hatte zwar (scheinbar) kein Interesse an Port Arthur, aber Russland, das 1898 Port Arthur erhielt, hatte mindestens bis August 1897 Interesse an der Jiaozhou-Bucht, wie Zar Nikolaus gegenüber Kaiser Wilhelm II. deutlich machte:
"[...] dass Russland sich solange Zutritt zur Jiaozhou-Bucht offenhalten wollte, bis ein besserer Hafen im Norden wie z.B. Pingjiang, gefunden worden sei." (2)


Im Gegensatz zu Russland, Frankreich und Deutschland gab England am 8. April zu erkennen, dass es keinen Grund zu einem Protest gegen Friedensvertrag von Shimonoseki sähe. Interessanterweise war es aber England, das unter dem Eindruck der überraschenden Kriegserfolge Japans ursprünglich die Idee einer Intervention geäußert hatte (im Oktober 1894). Diese kam aber nicht zustande, da Deutschland eine Beteiligung ablehnte. Zu diesem Zeitpunkt verfolgte Deutschland noch eine Neutralitätspolitik gegenüber Japan. Weiterhin rechnete man deutscherseits damit, dass aus einer solchen Aktion unter der Führung Englands für Deutschland keine konkreten Gegenleistungen resultieren würden.

(Leutner, Mechthild (Hrsg.): "Musterkolonie Kiautschou": Die Expansion des Deutschen Reiches in China, Berlin 1997, S. 61 ff. bzw. S. 84 ff.)


Interessant ist auch, dass die chinesische Seite die deutschen Absichten frühzeitig erkannte:

Schreiben des chinesischen Gesandten Xu Jingcheng an die Prinzen und Minister des Zongli Yamen (30.12.1895)
"Bitte um ein Antworttelegramm in einer heiklen Angelegenheit. Der Staatssekretär von Marschall lud mich zu einer Unterredung ein. Dabei führte er aus, dass Deutschland China bei der Zurückerlang der Liaodong-Halbinsel sehr geholfen habe und nun darum bitte, dass China seinerseits den deutschen Handelsinteressen Unterstützung zuteil werden lässt. [...] Außerdem wäre es äußerst ungünstig, dass die deutschen Schiffe in China über keinen Ankerplatz verfügen. Deshalb bitte man darum, China möge Deutschland pacht- oder leihweise eine Kohlestation überlassen. [...] Es ist zu befürchten, dass der Herr Staatssekretär weitergehende Pläne hat und auf die Angelegenheit noch ausführlicher zu sprechen kommen wird. Die Angelegenheit ist äußert heikel."
(ebenda, S. 89 f.)

China setzte als Antwort auf Selbstverstärkungsmaßnahmen, auch in der Jiaozhou-Bucht. Allerdings führten die Kriegsentschädigungen und der Verlust der Tarifautonomie zum chinesischen Haushaltsdefizit, wodurch die Selbstverstärkungs- und Modernisierungsmaßnahmen nicht umgesetzt werden konnten.
(ebenda S. 67 f.)

(2) ebenda, S. 102
 
Dass China eine höhere Kriegsentschädigung an Japan zahlen musste, geht offensichtlich auf eine deutsche Initiative während der Tripel-Intervention zurück:

Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes von Marschall an Kaiser Wilhelm II. (5. Mai 1895)
"Gestern früh habe ich nochmals mit dem Vicomte Aoki den ganzen Ernst der Lage dargelegt und ihm bestimmt erklärt, dass der Verzicht auf die ganze Halbinsel Liaotung mit Port Arthur unumgänglich notwendig erscheine, um die drei Mächte zu befriedigen; dagegen wünsche Eure Majestät Regierung, in der Form Japans berechtiges Selbstgefühl zu schonen, und sei daher eventuell bereit, der chinesischen Regierung zu raten, dass sie sich direkt an Japan mit der Bitte wende, letzteres möge nach Austausch der Ratifikationen in einem zusätzlichen Abkommen die Halbinsel gegen entsprechende Erhöhung der Kriegsentschädigung an China zurückzugeben, sodass nach außenhin der Verzicht Japans sich als eine großmütige Handlung gegenüber dem Besiegten darstelle."
(Die Große Politik der Europäischen Kabinette 1871 - 1914, 9. Band: Der nahe und der ferne Osten, 1. Auflage, Berlin 1923, Nr. 2262, S. 285.)

Ab 1905 änderte Deutschland seine Politik gegenüber China allmählich:
"[...]Ungeachtet seiner Einbindung in diese Strukturen des "informellen Imperialismus", der zwischen 1911 und 1931 seinen Höhepunkt in China erreichte, hatte das Deutsche Kaiserreich 1905 seine Angriffspolitik aufgegeben und eine auf Kooperation angelegte Haltung gegenüber China eingenommen. (So zog Deutschland nach 1905 u.a. die deutschen Truppen aus der Stadt Kiautschou (die außerhalb des Pachtgebiet Kiautschous lag) und Gaomi ab, stellte das Postsystem der chinesischen Verwaltung wieder her, verzichtete auf Zollvergünstigungen und 1911 auf einen großen Teil seiner Rechte und Konzessionen).
(Leutner, Mechthild: Deutsch-chinesische Beziehungen 1911 - 1927 - Vom Kolonialismus zur "Gleichberechtigung" - Eine Quellensammlung, Berlin 2006, S. 36.)

Seitens China hat sich dadurch auch das Deutschlandbild gewandelt:
"Das Deutsche Reich war, bedingt durch sein Festhalten an der Einheit Chinas, die Betonung wirtschaftspolitischer Interessen und die Ausweitung der Kulturarbeit zu einem politisch interessanten Bündnispartner Chinas aufgestiegen. Deutlich zeigte sich dies an der deutschen Beteiligung der von Yuan Shikai wieder aufgenommenen Modernisierungsprojekte, im Waffenhandel und im deutschen Eisenbahnbau. Diese Standbeine staatlich organisierter deutscher Wirtschaftsexpansion in China forcierten die militärische Stärkung Chinas, erweckten aber auch den Eindruck einer Ausweitung deutscher Kolonialinteressen in Shandong und im Yangzi-Gebiet. [...] Pläne des Auswärtigen Amtes, Chinas Industrialisierung aufbauend auf den engen rüstungswirtschaftlcihen Beziehungen zu fördern und durch eine weitreichende partnerschaftliche Kooperation an Deutschland zu binden, waren vor diesem Hintergrund durchaus erfolgreich und verfolgten zugleich das Ziel, Russland von Europa abzulenken und Japans Expansionsstreben in Asien einzudämmen. Die chinesische Regierung hatte nicht nur deutsche Berater eingestellt, sondern auch verschiedene Anleihe- und Rüstungsgeschäfte getätigt und am 31. Dezember 1913 ein Abkommen über zwei Eisenbahnlinien unterzeichnet, für welches Deutschland auf im Vertrag von 1898 zugesicherte Rechte verzichtete. Nicht ganz unbegründet bemerkte der deutschfreundliche Verkehrsminister Liang Dunyan im Juni 1914 gar, 'er kenne Deutschlands Uneigennützigkeit gegenüber China und würde Deutschland lieber am chinesischen Bahnbau beteiligen als irgendein anderes Land.' Angesichts der sich verschärfenden internationalen Spannungen und des politischen Drucks, den Japan, Russland und England auf China ausübten, stieß diese Kooperation auf scharfe Kritik. Als direkte Nachbarländer wandten Russland und Japan sich entschieden gegen eine Aufrüstung Chinas. Um eine militärische Konfrontation zu vermeiden, hatte Yuan Shikai 1913 in einem Abkommen mit Russland die Teilautonomie der Äußeren Mongolei und in einem weiteren mit England der faktischen Selbstregierung Tibets zugestimmt. Diese Zugeständnisse, die nicht zuletzt an die Frage der Anerkennung und die Gewährung finanzieller Unterstützung geknüpft waren, ermutigten auch Japans Regierung zu imperialistischen Aktionen und führten zu heftigen Protesten im ganzen Land. Im Zuge dieser Entwicklungen befürchtete Deutschland seine Verdrängung aus China, sodass der Gedanke einer Aufgabe der Kolonie Kiautschou verworfen wurde und der sonst eher kritische Reichstag 1914 einer Weiterentwicklung Kiautschous als wirtschaftliche Ausgangsbasis in China zustimmte. [...] Schließlich hatte sich für Deutschland auch in China eine mit der "Einkreisung" in Europa vergleichbare Situation ergeben, in der lediglich das gute Verhältnis zu China Bestand zu haben schien."
(ebenda S. 114)
 
Allerdings war Japan 1902 auch auch zum Verbündeten Englands geworden und verpflichtet, England im Kriegsfall beizustehen.
Aber nur für den Fall, das Großbritannien angegriffen würde, was jedoch 1914 nicht der Fall war.

(1) Die inkonsistente, als wenig japanfreundlich wahrnehmbare deutsche Politik tat ihr übrigens, die damalige Regierung zumindest nicht davon abzubringen, in den bevorstehenden Krieg einzutreten, eine Tatsache übrigens, die Wilhelm II. in seinen schon erwähnten Memoiren ausdrücklich bedauert."
Das dürfte weniger an der Politik gelegen haben, als vielmehr daran, dass es für Japan einfach die Gelegenheit war die Positionen einer europäischen Kolonialmacht in Ostasien mit Billigung der Anderen zu übernehmen.

Hier dürften mehrere Aspekte eine Rolle dafür gespielt haben, sich Deutschland als Gegner auszusuchen:

- Deutschland sah sich in Europa einer deutlichen Übermacht gegenüber und war von dieser Warte aus ein Kandidat dafür diesen Krieg zu verlieren oder jedenfalls nicht zu gewinnen.
- Deutschland würde sich mit seinen Kräften voll auf Europa konzentrieren müssen und verfügte über kein ausreichendes Stützpunktnetz um auf sich selbst gestellt größere Verstärkungen in den Fernen Osten schicken zu können, weder an Schiffen noch an Bodentruppen, somit war es wahrscheinlich, dass Auseinandersetzung lediglich mit den einigermaßen schwachen Garnisonstruppen vor Ort stattfinden würden.
- Neben Qingdao verfügte das Deusche Reich mit den Marianen, Palau, den Marschall-Inseln und den Karolinen (sprich dem gesamten kolonialen Komplex in der Südsee abgesehen vom nördlichen Neuguinea, über Kolonialgebiete, die für die Sicherheit Japans und seinen Einfluss selbst eine bedeutende Rolle spielen konnten.

Errichtung einer größeren Marinestation auf den Marianen hätte eine militärische Gefahr aus Sicht Japans bedeuten können, die Übernahme dieses Gebietes durch Japan selbst, musste für Japan wiederrum die Möglichkeit bieten, den Amerikanern den Weg nach Guam und auf die von den USA dominierten Philippinen zu erschweren und das Seegebiet zwischen Japan und Neuguinea in Nord-Südrichtung mehr oder weniger exklusiv zu beherrschen, was auf eine massive Stärkung der eigenen Position hinauslaufen musste.

Unter diesen Umständen, dürfte Japans Kriegseintritt gegen das Deutsche Reich unter der Vorraussetzung Deutschlands fernöstliche und in der Südsee gelegenen Besitzungen übernehmen zu können mehr oder weniger ein "no-brainer" gewesen sein.

Es war von Deutscher Seite nicht viel Widerstand zu erwarten, es war kein deutscher Nachschub aus Europa zu erwarten und die Gebiete waren für Japan strategisch interessant.
Diese Intervention hätte bei der Kriegskonstellation in Europa auch eine ausgesprochen japan-freundliche deutsche Außenpolitik wahrscheinlich nicht verhindert.

Das deutsche Verhalten 1895 ist aber ein gutes Beispiel für den Unterschied der wilhelminischen und der bismarkschen Außenpolitik.
Der größere Unterschied dürfte sein, dass man in der Wilhelminischen Zeit die Vergrößerung des Kolonialreiches um jeden Preis vorrantreiben wollte und sich dazu hinreißen ließ 1899 im Windschatten des Krieges der USA gegen Spanien, den Spaniern ihre Südseekolonien abzukaufen.

Ohne auch die Philippinen übernehmen zu können, die mehr oder weniger an die USA gingen, war das wirtschaftlich nicht viel wert, musste aber über kurz oder lang, vor allem auch im Zusammenhang mit der Wilhelminischen Flottenpolitik zum Konflikt mit Japan führen.

Die Marianen waren nah genug drann um von dort aus prinzipiell gegen die japanischen Inseln operieren zu können, mit dem Flottenbau wurde eine Politik betrieben, die neben Großbritannen auch in Japan einige Skepsis ausgelöst haben dürfte, war man doch in ähnlicher Weise wie Großbritannien von der Beherrschung der Gewässer im Umfeld der eigenen Hauptinseln sicherheitspolitisch abhängig.

Die Gefahr, die in dieser Hinsicht von Großbritannien her ausging, hatte Japan 1902 dadurch gebannt, sich mit der größten vorhandenen Seemacht zu verbünden, womit man in the long run auch Frankreich als Sicherheitsrisiko ausschaltete, weil Frankreich als in Europa auf Großbritannien angewiesene Macht London nicht dadurch vor den Kopf stoßen konnte, sich mit dessen Verbündeten anzulegen. Mit der nun aufstrebenden zweiten großen Seemacht, was die Flottenstärke angeht, Deutschland, musste sich aber zunehmend ein Problem ergeben.

Mit der völlig unsinnigen Stoßrichtung der kolonialen Expansion in der Südsee, hat es Berlin seinerzeit verstanden, sowohl Japan, als auch den USA Gründe zu liefern, strategisch eher gegen Deutschland eingestellt zu sein und dass für ein paar Kokosnüsse.

Schönes Beispiel dafür, wie die Jagd nach Prestige blind machen kann für strategische Überlegungen.
 
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