Dauerhaftes Bündnis Sowjetunion/Deutsches Reich?

Wenn die Expansion absolute Priorität gehabt hätte, dann wäre Stalin nicht 1934 in den Völkerbund eingetreten, hätte nicht den Briand-Kellogg-Pakt 1929 oder im selben Jahr das Litwinow-Protokoll unterzeichnet. Daher ist es müßig über eine militärisch scheinbar günstige Gelegenheit 1935/36 für die Sowjetunion zu spekulieren und steht im Widerspruch zu den diplomatischen Fakten, die vorher geschaffen wurden, um die UdSSR ein Stück weit aus der internationalen Isolation zu lösen.
Mit der Diplomatie ist es halt so eine Sache ...

Hitler griff keine zwei Jahre nach Abschluss des Hitler-Stalin-Pakts die Sowjetunion an.
Davor gab es u. a. einen deutsch-polnischen Nichtangriffspakt und ein deutsch-britisches Flottenabkommen.
Trotzdem wird niemand behaupten wollen, dass Hitler 1934-1939 Pazifist war und keine Pläne für Krieg und Expansion hatte.

Also diplomatische Aktivitäten sagen nicht zwingend etwas über die wahren Absichten aus. Sie können im Gegenteil auch der Verschleierung dienen oder zumindest nur vorübergehendes Mittel zum Zweck sein.
 
Hitler griff keine zwei Jahre nach Abschluss des Hitler-Stalin-Pakts die Sowjetunion an.
Da war aber die Büchse der Pandora in Form des 2.Weltkrieges schon geöffnet. Hitler hatte sich für diesen Vertragsbruch aber auch auf diplomatischen Weg Verbündete gesucht: Italien, Rumänien, Ungarn z.B.

Aber welchen Sinn hätte es für die UdSSR ergeben, 1934 dem Völkerbund beizutreten, wenn man ab 1935 ohne Verbündete einen Expansionskurs hätte einschlagen wollen und jahrelange außenpolitische Arbeit zur schrittweisen Lösung aus der internationalen Isolation, damit über den Haufen zu werfen.
Und ob die kurze Verschnaufpause 1935-36 zwischen Hungersnot und großem Terror tatsächlich eine militärisch so "günstige Gelegenheit" war, Krieg in Osteuropa zu führen, bleibt nach wie vor äußerst zweifelhaft.
 
Hallo,

Für Hitler war der Pakt mit Stalin 1939 nur ein kurzfristiges Zweckbündnis, um im Osten den Rücken für den Krieg gegen Polen frei zu haben. Er hatte aber wohl von Anfang an die Absicht, dieses Bündnis bei der erstbesten Gelegenheit zu brechen, um seinen Wahn vom Lebensraum im Osten zu verwirklichen.

Wäre aber ein dauerhaftes Bündnis zwischen der Sowjetunion und dem 3. Reich realistisch möglich gewesen? Wäre die Sowjetunion an soetwas interessiert gewesen?

Hätten beide Länder sich realistisch einigen und sich z.B. Osteuropa einvernehmlich aufteilen können? Oder hätten sie sich gegenseitig unterstützen können, z.B. bei einer Invasion Grossbritanniens oder ein russisches Vorgehen gegen Japan?

Oder war es von beiden Seiten einfach unumgänglich, dass man irgendwann Krieg gegeneinander führen würde? War es nur eine Frage der Zeit und eine Frage, wer den ersten Angriff setzt?

Wenn Hitler die Sowjetunion 1941 nicht angegriffen hätte, müsste man dann annehmen, dass Stalin dann in zwei, drei, vier Jahren wahrscheinlich seinerseits angegriffen hätte, sobald er eben einen günstigen Zeitpunkt ausgemacht hätte?

Ich meine mal gelesen zu haben, dass es in der NSDAP auch eine Strömung gab, die aussenpolitisch eine Partnerschaft mit den Sowjetunion befürwortete. Gehörte nicht sogar Goebbels mal dazu?

Der Krieg gegen die Sowjetunion war Hitlers Krieg. Er wollte ihn unbedingt. Das war kein "normaler Krieg", das war ein Weltanschauungskrieg, das war ein Rassenkrieg "gegen den sowjetischen Untermenschen" und den sogenannten jüdischen Bolschewismus, als dessen Träger Hitler die UDSSR ausgemacht hatte. Es war ein Vernichtungsfeldzug! Da war nichts mit rationalen Argumenten zu wollen, das war der nackte Wahnsinn.
 
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Man kann fiktive Szenarien diskutieren, die einigermaßen nah an der historischen Realität drann sind und die einigermaßen realistische Handlungsoptionen abdecken.

Wie sah die sowjetische Führung den deutsch-sowjetischen Pakt von 1939? Sah man in diesem Pakt eine Zukunft? Wollte man ihn vielleicht sogar ausbauen zu einem noch engeren Bündnis? Sah man in Deutschland einen möglichen Verbündeten auf Dauer? Oder einen Feind, den man erstmal besänftigt, solange man ihn wegen seiner militärischen Stärke fürchtete? Oder hoffte man einfach Zeit zu gewinnen um möglicherweise selbst irgendann einmal in einem günstigen Moment loszuschlagen?

Dazu müsste es doch historische Quellen und eine historische Bewertung geben. Und auf dieser Grundlage kann man doch auch begründete Spekulationen anstellen, wie sich die 40er Jahre zwischen Deutschland und der Sowjetunion hätten entwickeln können ohne den Überfall Hitlers.
 
Da war nichts mit rationalen Argumenten zu wollen, das war der nackte Wahnsinn.

Wie sah es denn z.B. die Wehrmachtsführung? Klar, es gab da die Speichellecker Hitlers, aber wohl auch genügend fähige und rational denkende Offiziere, die doch den für Deutschland selbstmörderischen und irren Feldzug gegen die Sowjetunion als Irrweg gesehen haben müssen.

Man hatte die Erfahrung des Zweifrontenkrieges im 1. Weltkrieg. Man hatte die Erfahrung der Zusammenarbeit mit der Roten Armee schon während der Weimarer Republik.
 
Und? Was hat es genutzt mit der Erfahrung des ersten Weltkrieges? Blitzkrieg, um Frankreich niederzuringen. Was auch geklappt hat. Warum hat die Sowjetunion mit dem dritten Reich zusammenarbeitet? Weil sie ebenso wie Deutschland Außenseiter waren. Und die Sowjetunion unter Stalin hatte gerade mal die eigene Bevölkerung und das Offizierskorps massakriert.

Und nicht zu vergessen, der Fahneneid, denn die Soldaten leisten mussten. Und nicht wie heute auf den Staat und die Verfassung, sondern auf Hitler persönlich.
 
Wie sah es denn z.B. die Wehrmachtsführung? Klar, es gab da die Speichellecker Hitlers, aber wohl auch genügend fähige und rational denkende Offiziere, die doch den für Deutschland selbstmörderischen und irren Feldzug gegen die Sowjetunion als Irrweg gesehen haben müssen.
Das hat zunächst mal nichts mit Speichelleckerei, sondern vor allem mit Unkenntnis des Gegners zu tun.

Professionelle Nachrichtendienste im modernen Stil entstanden gerade erst und man hatte wenig Vorstellung von der im und um den Ural entstehenden, neuen sowjetischen Industrie, außerdem schätzte man die sowjetischen Streitkräfte auf nur etwa 2/3 ihrer tatsächlichen Stärke.
Auf Basis dieser Informationslage konnte man ein solches Unternehmen für militärisch grundsätzlich machbar halten.
Und die Vorstellung, dass die Briten ohne potentiellen Großmacht-Verbündeten auf dem Kontinent früher oder später kleinbei geben würden, war so absurd sicher auch nicht.

Allein die Daten und damit die Prämisse das Ganzen stimmten nicht. Aber das wusste damals noch niemand.


Wie sah die sowjetische Führung den deutsch-sowjetischen Pakt von 1939? Sah man in diesem Pakt eine Zukunft?
Es ist im Grunde egal, ob man darin eine längerfristige Zukunft sah, weil zu einem Pakt immer zwei gehören und man diese Zukunft eben in Deutschland nicht sah.
Ansonsten ließ sich nicht genau absehen, wohin das wohl führen würde, weil man dafür die Reaktion der Westmächte hätte voraussehen können müssen.
 
Aber welchen Sinn hätte es für die UdSSR ergeben, 1934 dem Völkerbund beizutreten, wenn man ab 1935 ohne Verbündete einen Expansionskurs hätte einschlagen wollen und jahrelange außenpolitische Arbeit zur schrittweisen Lösung aus der internationalen Isolation, damit über den Haufen zu werfen.

Ich könnte jetzt zurück fragen, welchen Sinn es für Hitler machte, sich Ende September 1938 auf das "Münchner Abkommen" einzulassen um es dann bereits im März des kommenden Jahres wieder zu brechen?

Ganz einfach weil sich dadurch die Beistandspakte der Sowjetunion und Frankreichs mit der Tschechoslowakei faktisch entwerten ließen und militärisch interessante Positionen dazugewonnen werden konnten.

Als die Sowjetunion im Herbst 1934 dem Völkerbund beitrat, gab es noch keine Wiedereinführung der Wehrpflicht in Deutschland und Frankreich hatte seine außenpolitische Handlungsunfähigkeit noch nicht unter Beweis gestellt.
Beides veränderte die Gegebenheiten.
Nachdem Frankreich binnen eines Jahres zwei mal vor Intervention zurückgeschrekt war, konnte man es 1936 als potentiellen Akteur in Mittel-Osteuropa ausklammern.
Gleichzeitig musste die Wiederaufrüstung Deutschlands aber ein Zeitlimit setzen, wie lange ein potentielles Ausgreifen noch möglich sein würde, ohne sich deswegen mit Berlin ins Benehmen setzen und eine Einigung ausverhandeln zu müssen.



Und ob die kurze Verschnaufpause 1935-36 zwischen Hungersnot und großem Terror tatsächlich eine militärisch so "günstige Gelegenheit" war, Krieg in Osteuropa zu führen, bleibt nach wie vor äußerst zweifelhaft.

Die Frage ist, durfte Stalin, wenn man ihm mal Expansionsabsichten unterstellen wollte mit Blick auf die Zukunft auf eine bessere hoffen?
1936 war Deutschland noch kein ernsthafter militärischer Faktor, der die Sowjets vor übermäßige Probleme stellen konnte.
Es war aber vollkommen klar, dass es mit der Aufrüstung mittelfristig zu einem Faktor werden würde.
Und wenn man sich Hitlers politische Einlassungen einmal zu Gemüte führte und auch den Deutsch-Polnischen Nichtangriffsvertrag von 1934 mit ins Kalkül zieht, konnte ein Stalin zu diesem Zeitpunkt wohl eher nicht damit Planen, mit Hitler mittelfristig zu einem Arrangement zu Lasten Polens und der Baltischen Staaaten zu kommen.

Wie ich das sehe hätte sich für einen Stalin mit tatsächlichen Expansionsabsichten durch die 1935 und 1936 manifest gewordene außenpolitische Ohnmacht Frankreichs ein Zeitfenster geöffnet, während ihn die beginnende Aufrüstung in Deutschland gleichzeitig unter Zeitdruck hätte setzen müssen.
Beides zusammen hätte, wenn tatsächlich Expansionspläne gegeben gewesen wären ein zeitnahes Losschlagen nahegelegt, bevor Deutschland so weit aufrüsten konnte, dass man es für so eine Unternehmung mit an den Tisch holen musste, was angesichts Hitlers Haltung zur Sowjetunion schwierig erscheinen musste.
 
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Wie sah es denn z.B. die Wehrmachtsführung? Klar, es gab da die Speichellecker Hitlers, aber wohl auch genügend fähige und rational denkende Offiziere, die doch den für Deutschland selbstmörderischen und irren Feldzug gegen die Sowjetunion als Irrweg gesehen haben müssen.

Man hatte die Erfahrung des Zweifrontenkrieges im 1. Weltkrieg. Man hatte die Erfahrung der Zusammenarbeit mit der Roten Armee schon während der Weimarer Republik.

Nach dem sehr schnellen Sieg gegen Frankreich wagte keiner der Generäle mehr zu mucken. Des Weiteren wurde die die Leistungs- und Leidensfähigkeit der Sowjetunion grandios unterschätzt. Auch die rein numerische Stärke der Roten Armee wurde falsch eingeschätzt.

Die Wehrmachtsführung ging ebenfalls von einem schnellen Sieg gegen die UDSSR aus. Man hatte vor allem die Erfahrung des Blitzkrieges gegen Frankreich im Hinterkopf, denn da hatte es wirklich erhebliche Bedenken, gerade im OKH, gegeben.
 
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Hallo,

Für Hitler war der Pakt mit Stalin 1939 nur ein kurzfristiges Zweckbündnis, um im Osten den Rücken für den Krieg gegen Polen frei zu haben. Er hatte aber wohl von Anfang an die Absicht, dieses Bündnis bei der erstbesten Gelegenheit zu brechen, um seinen Wahn vom Lebensraum im Osten zu verwirklichen.

Bereits am 31.07.1940 stand Hitlers Entschluss, die Sowjetunion anzugreifen, endgültig fest. Er teilte dies den Spitzen der Wehrmacht auf dem Obersalzberg mit. Begründung: Russland sei Englands letzte Hoffnung. Ach ja.

Stalin selbst wollte zu jenem Zeitpunkt, also 1941, sicher kein Krieg gegen Deutschland, da die Rote Armee hierzu noch nicht in der Lage war. Die großen Säuberungen waren gerade erst vorbei. Stalin wollte durch Verhandlungen Zeit gewinnen. Seit Herbst 1940 haben sich die Pioniere der Roten Armee damit abgemüht, die Grenze zu befestigen. Es wurden auch Pläne für den Falle einer Invasion aus dem Westen entwickelt.
 
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