Der Begriff "Deutsches Reich"

Für Italien ist das nachvollziehbar...
Wie steht es beispielsweise mit dem Königreich Böhmen? Wurde das auch einfach als "Deutschland" vereinnahmt, da Teil des deutschen regnums, oder gab es da auch Unterscheidungen?

Seit der Jahrtausendwende wurde Böhmen als Reichslehen betrachtet, seit 1114 war der Böhmenherrscher Inhaber des Schenkenamtes und 1356 zählte ihn die Goldene Bulle zu den sieben Kurfürsten. Somit war Böhmen fest eingebunden ins Reich, zumal es nach dem Aussterben der Premysliden 1306 zunächst luxemburgischer und später mehere Jahhunderte habsburgischer Besitz wurde.

Allerdings bin ich mir nicht sicher, wie man mit dem Deutschordensland umging, ob das auch zu "Deutschland" gezählt wurde, also vor dem 19.Jhd.

Staatsrechtlich zählte der Staat des Deutschen Ordens nicht zum Heiligen Römischen Reich, was die Goldbulle von Rimini von 1226 ausdrücklich bestätigte. Der Hochmeister erhielt von Kaiser Friedrich II. alle landesherrlichen Hoheitsrechte, wurde durch die Verleihung der künftigen Ordensgebiete aber kein Vasall des Kaisers. Der Deutschordensstaat lag also stets außerhalb der Reichsgrenzen.
 
Staatsrechtlich zählte der Staat des Deutschen Ordens nicht zum Heiligen Römischen Reich, was die Goldbulle von Rimini von 1226 ausdrücklich bestätigte. Der Hochmeister erhielt von Kaiser Friedrich II. alle landesherrlichen Hoheitsrechte, wurde durch die Verleihung der künftigen Ordensgebiete aber kein Vasall des Kaisers. Der Deutschordensstaat lag also stets außerhalb der Reichsgrenzen.
...wobei ich einwerfen möchte, daß wir darüber schon mal eine hitzige Diskussion hatten und mir scheint das Thema in der Wissenschaft zumindest strittig zu sein.
Lies dazu hier: http://www.geschichtsforum.de/f77/kaiser-fuersten-bistuemer-14301/index3.html
 
Hi,
mich beschäftigt derzeit noch eine andere (formale) Sache:
nämlich der Gebrauch des Königstitels "rex teutonicorum".

Ich weiß zwar sicher, dass Heinrich IV während des Investiturstreites vom Papst so genannt wurde, wohl um seine Stellung zu schmälern, aber mich interessiert, ob der Begriff sonst überhaupt noch Anwendung fand...

Die deutschen Könige selbst pflegten sich nach dem Investiturstreit "rex romanorum" zu nennen, und selbst davor finde ich nur "rex francorum" oder "rex francorum orientalum" als offizielle (Eigen-)Bezeichnung.

Gab es überhaupt jemals speziell diese Begrifflichkeit als Eigenbezeichnung eines deutschen Königs?

Die meisten Sekundärquellen, die ich finde, berichten lediglich, dass es wohl "später" öfter zur begrifflichen Gleichsetzung dieser Königstitel gekommen sei...
 
Ich denke, man kann getrost sagen, dass "Germania" und "Dutschelant" gleichbedeutend sind. Wüsste nicht, wo da jemals ein Unterschied gemacht wurde.

Also, für Mittelalter und Neuzeit trifft dies zu. Aber in Bezug auf "WANN JEMALS?" muß man vorsichtig sein. Jedenfalls kann man 'die Germanen' der Völkerwanderungszeit nicht mit "den Teutschen/Deutschen" der Frühneuzeit gleichsetzen.

Aber ganz klar ist die geographische Bezeichnung GERMANIA die lateinische Übersetzung von Teutschland/Deutschland. Die alten Römer hatten das so aufgebracht und man hatte diese Ländernbezeichnung beibehalten. Auf alten Karten findet man die Bezeichnung GERMANIA zuhauf.
Das GERMANIA der Römerzeit ist mit dem GERMANIA von Spätmittelalter und Neuzeit geographisch auch nicht identisch. Vergessen wir z.B. nicht, daß die Slaven (Wenden) bis an die Havel saßen!

Zu beachten ist dabei aber, daß diese Bezeichnung eben nur als Ländername verwendet wurde, denn "teutsch/deutsch" wurde lat. mit TEVTONICVS übersetzt.

Es entsprang also lediglich einer formellen, alten Gewohnheit, in die man nicht zu viel Bedeutung hineininterpretieren muß.
 
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Aber ganz klar ist die geographische Bezeichnung GERMANIA die lateinische Übersetzung von Teutschland/Deutschland. Die alten Römer hatten das so aufgebracht und man hatte diese Ländernbezeichnung beibehalten. Auf alten Karten findet man die Bezeichnung GERMANIA zuhauf.
Das GERMANIA der Römerzeit ist mit dem GERMANIA von Spätmittelalter und Neuzeit geographisch auch nicht identisch. Vergessen wir z.B. nicht, daß die Slaven (Wenden) bis an die Havel saßen!
... und sitzen! Die Germania Magna war auch schon für die Römer kein so ganz genau definierter Raum, im Gegensatz zu den rhenanischen Provinzen Germania Superior und Inferior/Secunda.

Zu beachten ist dabei aber, daß diese Bezeichnung eben nur als Ländername verwendet wurde, denn "teutsch/deutsch" wurde lat. mit TEVTONICVS übersetzt.

Wobei das eine Volksetymologie (=falsche Herleitung) ist.
 
@Demoiselle: Schon klar, ich bezog mich auch aufs Mittelalter und danach. Eine "Deutschland" ähnliche Volksbezeichnung gab es in der Antike sowieso nicht.

Was "teutonicus" angeht: ich war der Meinung, das war anfangs nur eine Art Diffamierungsbezeichnung in Anspielung auf die Kimbern und Teutonen, sowie die moderne englische Bezeichnung "Hunnen" für Deutsche.

Wäre nett, wenn jemand noch etwas zu meiner "rex teutonicorum" Frage sagen könnte.
 
... und sitzen! Die Germania Magna war auch schon für die Römer kein so ganz genau definierter Raum, im Gegensatz zu den rhenanischen Provinzen Germania Superior und Inferior/Secunda.
Ja, natürlich war Germania für die Römer ein vager geographischer Raum. Das macht es ja unmöglich, hier von 'Deutsch' zu sprechen. Ich gehe immer noch davon aus, daß die Römer unsere Nationalidentität maßgeblich befördert haben und daß wir ansonsten 'nobody' wären.

Falsche Herleitung hin oder her : volkstümlich ist in der Neuzeit am ehesten das D (dolle deutsche Deubel danzen im Dollhaus), sodaß Teutsch eigentlich besser ist (und dem Lateinischen ja auch näher).
Zumal gar der Vatican maßgeblich an unserer teutonischen Identität mitgebastelt haben soll (s. Königslandschaften).

@MacX: Wir haben wohl verschiedene Schwerpuncte. Wie ich schon oft bekannte, sehe ich eher 1700centrisch. Aber es ist ja gut, daß es hier viele Perspectiven gibt, die sich ergänzen.
Wir wissen letztlich nur von den Römern genaues. Was wüßten wir sonst von den Teutonen? Ob und wo eine Parallele zu denen Leuten im Teutoburger Wald existiert, ist offenbar nicht auszumachen. Man streitet ja sogar über den Verbleib der Teutonen. Was mir herzlich egal ist, denn weil die Germanen keine Bücher schrieben, interessieren sie mich als Bücherfetischistin wenig.

Was die Römer alles verzerrt sahen, darstellten und womöglich bewußt entstellten, ist auch die große Frage. Unsere Geschichtsschreibung verzerrt ja auch. Warum also den Römern 100%ig trauen??
Am Ende wissen wir so gut wie gar nichts über unsere Vorfahren - abgesehen von dem was man ausgegraben hat.
 
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Das GERMANIA der Römerzeit ist mit dem GERMANIA von Spätmittelalter und Neuzeit geographisch auch nicht identisch. Vergessen wir z.B. nicht, daß die Slaven (Wenden) bis an die Havel saßen!.

Im späten Mittelalter, d.h. im 14./15. Jh., war die slawische Bevölkerung längst assimiliert. Liutizen, Wilzen, Heveller, Pomoranen, Lusitzer usw. hatten ihre Identität aufgegeben und waren in der deutschen Bevölkerung aufgegangen.

Die kleinen slawischen Sprachinseln wie das Wendland an der unteren Elbe und die Sorben in der Lausitz spielten keine nennsenswerte Rolle mehr.

Dass die "Germania" der Römer nicht mit dem mittelaterlichen "Deutschland" vergleichbar war, versteht sich von selbst.
 
Bin noch nicht zufrieden mit der Etymologie des Teutschen.

Was die gewissen etymologischen Herleitungen angeht, kann ich nur meinen Unglauben bekennen. Habe mir das alles angehört, auch alles tuitsch, tysk.., tedesk... etc- hin und hergewendet : allein sehe ich keinen zwingenden Grund dafür, anzunehmen, daß nicht das lateinische TEVTONICVS das Wort "Teutsch" entscheidend geprägt hätte. Vor allem sehe ich immer noch keine schlüssige Abfolge von Quellen, welche einen anderen Schluß erzwingen wollten ...

In einer älteren Bewertung, behauptete gar jemand, die Illyrerkönigin Teuta wäre der Urgrund alles Deutschen. Diese Dame war mir gar nicht geläufig gewesen, aber jetzt finde ich's doch reichlich abwegig. - Nun waren aber die Illyrer ein recht ungestümes Seeräubervolk. Es könnte vielleicht ja sein (reine Mutmaßung!), daß die Römer besonders renitente Barbaren gern mit der Silbe TEVT- versahen und vielleicht hieß die Dame in Wirklichkeit ganz anders ... - Jedenfalls erfährt man auch über die Illyrer nur aus griechischen und römischen Quellen.

Vom Klang her drängt sich die Beziehung Teutonisch - Teutsch einfach auf (dazwischen könnte man die Variante Teutonsch erschließen). Bislang glaube ich immer noch, daß Teutsch in der Tat eine Kurzform von Teutonisch ist. Als wahrscheinlich nehme ich aber auch an, daß volkstümliche Begriffe sich mit dem lateinischen TEVTONICVS vermischt haben.
Insofern ist "Teutsch" sicher eine mangelhafte Bezeichnung, welche die alten Stämme Germanias reduciert. Sprachgeschichten wimmeln aber ja nur so von unlogischen Verknüpfungen.
Excurs: Ich finde das jedenfalls nicht so fatal, wir etwa "merkwürdig", was ja positiv : "des Merkens würdig" bedeutete - heute aber ins unlogisch Negative verkehrt wird. Ein anderes Beispiel: Die Unterscheidung von Holz- und Blechblasinstrumenten ist ein einziges Chaos, das jeder Logik entbehrt.
Hingegen ist doch die Übersetzung "teutsch" für "tevtonicvs" sprachlich weit weniger problematisch, als die Reducierung auf einen offenbar untergegangenen Stamm. Das haben die Römer uns übergeholfen und unsere Vorfahren haben es braf gefressen (weil sie offenbar nichts merkten). Warum da noch verzweifelt dran herum deuteln?

Ich meine das nicht gehässig, aber bislang kommt die Etymologie mir vor wie die reine Goldmacherei. Eigentlich aber als ein sandiger Grund, auf den ich nicht bauen wollte. Es gibt ganz sicher Bereiche, wo diese Wissenschaft wichtige Erkenntisse liefert, die absolut schlüssig sind, aber hier scheint mir das nicht der Fall zu sein.
 
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Nur heißt es nicht "teutsch", sondern "deutsch".
"Teutsch" ist meines Wissens nur 17./18. Jahrhundert und auch nur in Oberdeutschen Gebieten gebräuchlich.
Im Niederdeutschen haben wir heute noch "düütsch".
Im Annolied hieß es "diutschi", in der Goldenen Bulle "dutsche".

Aber möglicherweise ist diese Bezeichnung mit dem "Teutonen" Begriff verschmolzen, was das "EU" angeht. Der Teutonenbegriff wird ja heute auch noch umgangssprachlich mit Deutschen gleichgesetzt.
 
Nur heißt es nicht "teutsch", sondern "deutsch".
"Teutsch" ist meines Wissens nur 17./18. Jahrhundert und auch nur in Oberdeutschen Gebieten gebräuchlich.
Im Niederdeutschen haben wir heute noch "düütsch".
Im Annolied hieß es "diutschi", in der Goldenen Bulle "dutsche".

Aber möglicherweise ist diese Bezeichnung mit dem "Teutonen" Begriff verschmolzen, was das "EU" angeht. Der Teutonenbegriff wird ja heute auch noch umgangssprachlich mit Deutschen gleichgesetzt.

Zur Zeit Luthers findet man die Variante "Deutsch" auch häufiger. Consequenterweise begegnet man hier dem d häufiger: Z.B. vnderscheiden (unterscheiden). In Dialecten begegnet man heute noch etwa dem "Windermandel" (Wintermantel).
Das ändert aber nichts daran, daß tevtonicvs verteutscht stets "Teutsch/teutsch/deutsch" lautete. Der Begriff wurde auch etwa in der Zeit geläufig, als auch tevtonicvs geläufiger wurde.

Allgemein tendiert unsere Sprache umso stärker zu Dialectformen, je weiter man zurück geht. Gleichzeitig nimmt der Variantenreichtum an orthographischen Möglichkeiten zu (mhdt. Wörterbücher sind ja voll davon).

Das Dudendeutsch übernimmt später etliche d-Varianten und schreibt sie fest: Heute sagt man nicht mehr tumm, sondern dumm; nicht Tonner, sondern Donner; nicht tichten, sondern dichten. Man sagt ja auch: "Es regnet ganz doll", obwohl es exact eigentlich lauten müßte: "Es regenet wie toll."

Was ich hier also herleite, ist der neudeutonesische Schludrian. Wahrscheinlich wollte man mit dem Abschied vom alten hl. röm. Reich auch orthographisch einen Schlußstrich ziehen. Und womöglich wollte man ganz bewußt die volkstümlichere Note D und eben nicht das lateinische Tevt...

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Nachtrag: Man darf bei diesen Fragen Dialect und gehobendes Litteraturdeutsch nicht vermengen. "Deutsch" ist im 20./21.Jahrhundert freilich gültiges Hochdeutsch.
Selbst die Herzogin Elisab.Charlotte v. Orleans, "v.d. Pfalz" schreibt für ihre Zeit noch recht volkstümliche Orthograpievarianten wie "vnderscheiden". Vielfach verwendet sich ja auch noch die alte Rechtschreibung vor ca. 1660, wo man v und w noch als Umlaute für das u verwendete.
In der gehobenen Litteratur ihrer Zeit ist das anders, deswegen ist die Frau eben auch nicht Beispielgebend für die Musterschreibung ihrer Zeit. Ihr Personal orthographiert indes gar so wild, daß Madame dagegen noch als Muster erscheint.
:)
 
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Mir fallen noch die "Durcken" ein, wie z.B. Guthenberg sie setzte oder setzen ließ.
Was Teutsch/Deutsch angeht cursierten vor dem 17.Jahrhundert schon beide Versionen. Im 17./18.Jahrhundert begegnet man dem "Deutsch" vereinzelt, was aber recht selten zu finden ist.

Was meine Zweifel an volkssprachlichen Herleitungen angeht, möchte ich mal das Bohrsche Atommodell heran ziehen: Heute, wo man in Atome hinein schauen kann, ist gewiß, daß dieses Modell die Wirklichkeit eben nicht zutreffend beschreibt. Aber es functionierte doch; man konnte Berechnungen damit anstellen, die stimmig waren, sowie darüber hinaus auch physicalisch eine Menge vorantreiben. - Nicht alles was functioniert und scheinbar stimmig ist, entspricht also der Wirklichkeit.

Volkssprachliche Entwicklungen gehorchen ganz bestimmt keinen logischen Regelmäßigkeiten - das zeigt ja schon das Beispiel "merkwürdig": Obschon eigentlich auf der Hand lag, daß es positiv um die Würdigung des Merkenswerten ging, hat man die Bedeutung verkehrt. Volkssprache richtet sich eben nicht nach Logik.
Man kann aus gewissen wiederkehrenden Structuren eine Regelmäßigkeit heraus interpretieren. Das gleiche könnte man auch vornehmen, indem man nacheinander Flaschen zerschellen ließe, um jedesmal die Anordnungen der Splitter zu photographieren: Wer will, findet da Regelmäßigkeiten!

Ich erinnere mich noch an meine blutigen Anfänge, als ich versuchte, frühneuhochdeutsch zu formulieren. Als Anfänger hat man noch zu wenig Vocabular, nebst Lese- und Schreiberfahrung - und so ist man versucht, sich Formen zu erschließen. Ich habe dieses Verhalten später bei all jenen beobachtet, die sich von mir anregen ließen. Aber das functioniert sehr, sehr schlecht. Ja, ich muß sagen, daß ich dies sogar heute noch viel weniger wage, als damals, weil ich immer wieder die Erfahrung gemacht habe, daß Nachschlagen in Originalwörterbüchern einen meißt eines anderen belehren.

Wo ja selbst der Duden unlogische Bedeutungsentwicklungen festschrieb und nach wie vor festhält ("des Merkens würdig" = "wunderlich" u.a.) : um wie viel unlogischer muß der Sprachgebrauch vor 1200 Jahren gewesen sein! Und in der Tat liest man in der Geschichte eine Qualitätsentwicklung ab: Je früher die Quellen, desto weniger logisch, beredt, ausdrucksvoll - bei Mangel an sprachlichem Variantenreichtum (mittelalterliche Quellen neigen oft zum monoton wiederkehrenden grundschulaufsatzartigen "und dann ... und dann ... und dann".

Was die Frage "Teutsch" oder "Deutsch" angeht, sehe ich durchaus eine Linie vom Plattdeutschen "düütsch" (ähnlich dem Holländischen übrigens), über Mittelhochdeutsche Formen wie "diutsch/tiutsch". Ob aber diese Linie bis hin zum italenischen "tedesco" reicht, halte ich für fragwürdig. Theodiscus hieß einfach volkstümlich - ich schließe daraus aber nicht, daß der Begriff "Deutsch" wirlklich das gleiche meint. Ich fürchte einfach, daß die Etymologie sich hier allzuleicht verfranz, bzw. in Scheinregelhaftigkeiten verzettelt und möchte dem nicht folgen.

Warum auch? Die Vorsilbe "Teut-" zeigt eine viel überzeugendere Übereinstimmung zwischen "Teutsch" und "Tevtonicvs" auf. Hier ist das kein Zufall, denn, wie gesagt, wurde entsprechend vom Lateinischen ins Deutsche übersetzt. Und beide Begriffe wurden etwa zur gleichen Zeit in Deutschland geläufig. Warum von hinten herum durch die Brust ins Auge construieren, wenn's ganz einfach auf der Hand liegt?

Was diese Illererkönigin angeht, könnte man übrigens vieles mutmaßen. Warum sollte sie Teuta geheißen haben, wo doch die scandinavische Form "tysk" dem sogen. 'allthochdeutschen' (gab es das wirklich??) viel näher ist? Hätte sie z.B. "Tyske" geheißten, dürfte man vielleicht gar orakeln, die Illerer seien nach Scandinavia gezogen, um dort ihr Seeräuberhandwerk fortzusetzten (als Normannen oder so...) ...
Wenn aber Teuta wirklich Teuta hieß (warum eine lateinische und keine griechische Endung, wo die Illerer doch griechisch beeinflußt waren?!), müßte einem die Ähnlichkeit mit den Teutonen ins Auge springen. Aber wie gesagt, alle Culturen fabulieren vor allem dann, wenn es darum geht, das Fremde zu beschreiben. Und so traue ich eben auch den römischen Geschichtsschreibern schlecht, wenn sie über ein Barbarenvolk 'berichten'.
Vor 300 Jahren schrieb man immer noch von "West=Jndien", obschon man doch wußte, daß es gar nicht Indien ist. Und heute noch rufen die Bleichgesichter in unseren Westernfilmen engeistert, aus, daß die Inder kämen. Eigentlich waren die "Indianer" ja keine Indianer/Inder, sondern schlicht Americaner! Aber nein, der Unfug resitiert!! - Warum also solchen Quellen vertrauen, wo man weiß, daß die Menschheit das Fremde gern verfremdet?

Was bleibt, ist die Feststellung, daß wir über unsere Vorfahren so gut wie nichts wissen. Und da wir nichts wissen, kann die Etymologie ungemolestiert ihre Gedankengebäude construieren.

@El Quijote: Ich sehe ja, daß Du über einen sehr großen Kenntnisschatz verfügst, den ich auf keinen Fall schmälern möchte. Aber ich schlucke die Teutschen Sachen ungern, wenn man mir bedeutet, die Etymologie bedeute dem 'Laien' dieses oder jenes zu glauben, ohne zu hinterfragen.
Vor vielen Jahren hatte ich einen ähnlichen Streit mit eine Dentistin, die meinte, eine alte Füllung sei cariös. Ich hielt gegen ihren academisch geweihten Mund und bekam vom Uniclinicum später prompt recht: Die haben alles mögliche saniert, aber nicht diesen Molaren! Erstere Dentistin war ganz schön sauer. Zu unrecht!
Der academische Grad kann niemals absolutistisch über das Laienvolk gebieten, um Letzterem das selbständige Denken zu nehmen. Das will ich mir auf jeden Fall bewahren ...
 
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Eine Ableitung von teutonisch hätte sich aber leider nicht in die Richtung > *deutonisch > deutsch entwickelt, sondern eher in ein *zeutsch/*tseutsch. Wir würden also heute von *zeutsch sprechen, lebten in *Zeutschland, wären *Zeutsche etc. Zumal der Diphthong eu im ahd und mhd nicht belegt ist, dafür der nhd Diphthong eu sich aus dem mhd Diphthong iu entwicklet hat. Die Verbindung zwischen þ/ð, dem englischen th und dem deutschen d ist dagegen mehr als offensichtlich. Die Romanen hatten dagegen für das th keinen entsprechendes Graphem in ihrem Buchstabenschatz bzw. kein Phon in ihrem Lautschatz und gaben den Namen dann irgendwann in ihrem eigenen Idiom wieder, was dann zu tesdesco führte. Woher die Schweden ihr tysk haben, weiß ich nicht, eine Vermittlung über das italienische wäre aber prinzipiell denkbar.
 
@El Quijote: Daß Du gar so viel Geduld mit mir hast, rechne ich Dir hoch an!

"Deutonisch" ist eine alte Satyre von mir.

Ich gehe davon aus, daß die Ableitung "Teutonisch" dierct vom Lateinischen kommt, was Du vermutlich unterschreiben wirst.

Ich sage ja die ganze Zeit, die Entwicklung vollzog sich: tevtonicvs -> teutsch und erst dann variierte der Volksmund mit dem d, was wohl frühestens ab dem Hochmittelalter geschah, aber eher viel später, im Spätmittelalter. Wobei die Übersetzung "teütsch" genauso jung ist. In Gewissen Gegenden kann ich mir sogar gut vorstellen, daß man das Lateinische "devtonicvs" ausgesprochen haben mag - wenn nicht gar "devdonigvs". Weil die Leute das kaum anders, als mit ihrem Dialect, heraus kriegten.
Der Volksmund hatte da nie Skrupel, die haben ihre dialectische Färbung überall drauf gebatscht und später hat man dann teils auch so geschrieben.

Und so sehe ich eben das plattdeutsche düütsch (ich komm von der Nordsee) als eine Mundarvariante des Wortes Teutsch an. Auch auf die Gefahr, daß es freilich auch anders gewesen sein könnte : ich halte das für naheliegend und niemand hat hier bislang stichhaltig einen plausibleren Weg vorgestellt, der wirklich lückenlos schlüssig wäre.

Das ist ja keine intellectuelle Großtat von mir, es ist im Gegenteil sehr einfach. Bei einigen Mitgliedern habe ich immer den Eindruck, daß sie möglichst complicierte Sachverhalte darlegen wollen, weil sie meinen, daß dies den Poster irgendwie erhübe. Das Complicierte geht aber oft an der Wirklichkeit vorbei.

Ich hatte wochenlang zu dieser Frage geschwiegen, habe aber öfters darüber nachgedacht. Nun, ich will der ehrbaren etymologischen Zunft nicht Unrecht tun - wirklich nicht. Und so dachte ich eben länger nach. Dabei wuchsen allerdings die Zweifel, welche ich nun hoffentlich maßvoller darlegen kann.

Ganz ehrlich: Ich glaube fest, daß unsere Vorfahren sozusagen kaum bis 3 zählen konnten, daß es erbärmliche Hinterwäldler waren und daß alles was uns bleibt Aussagen der Römer sind, die vermutlich voller Vorurteile und Verzerrungen stecken (wie alles was über Fremde geschrieben wird).
 
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Nochmal: wir haben thiudisk belegt.
Gemäß der Lautgesetze wird þ/ð/th im Deutschen zu d.
Der Diphthong iu wird im Deutschen zu eu.[SIZE=-1]
Das d wird in der zweiten Lautverschiebung zu t. [/SIZE]
Das -isk wird im Deutschen zu sch (vgl. z.B. [SIZE=-1]walhisk > welsch).

Thiudisk wird also nach den Lautgesetzen zu deutsch.

Demgegenüber steht das Teutonisch: Teutonisch ist eine moderne deutsche Ableitung von dem Stammesnamen [/SIZE][SIZE=-1]teutones[/SIZE][SIZE=-1], der bei den römischen Schriftstellern genannt wird. Ich weiß nicht, wann dieser Begriff in die deutsche Sprache eingeflossen ist. Ich schätze mal, im 15. Jahrhundert, als man langsam anfing, die alten Klosterbibliotheken zu entstauben. Das wäre jedenfalls zu untersuchen, wann der Begriff teutonisch ins Deutsche eingegangen ist, und wann er erstmalig als - ich wiederhole mich - volksetymologische Herleitung von deutsch/teutsch verwendet wurde.



[/SIZE]
 
Nochmal: wir haben thiudisk belegt.
Gemäß der Lautgesetze wird þ/ð/th im Deutschen zu d.
Der Diphthong iu wird im Deutschen zu eu.[SIZE=-1]
Das d wird in der zweiten Lautverschiebung zu t. [/SIZE]
Das -isk wird im Deutschen zu sch (vgl. z.B. [SIZE=-1]walhisk > welsch).

Thiudisk wird also nach den Lautgesetzen zu deutsch.

Demgegenüber steht das Teutonisch: Teutonisch ist eine moderne deutsche Ableitung von dem Stammesnamen [/SIZE][SIZE=-1]teutones[/SIZE][SIZE=-1], der bei den römischen Schriftstellern genannt wird. Ich weiß nicht, wann dieser Begriff in die deutsche Sprache eingeflossen ist. Ich schätze mal, im 15. Jahrhundert, als man langsam anfing, die alten Klosterbibliotheken zu entstauben. Das wäre jedenfalls zu untersuchen, wann der Begriff teutonisch ins Deutsche eingegangen ist, und wann er erstmalig als - ich wiederhole mich - volksetymologische Herleitung von deutsch/teutsch verwendet wurde.[/SIZE]
Der Glaube an Gesetzmäßigkeiten fällt mir hier schwer. Aber consequent anzweifeln kann und will ich eure Lautverschiebungsgesetze nicht - dazu gibt die Quellenlage nicht genug her.
Eine Entwicklung von iu nach eu ist leicht vorstellbar, weil die phonetische Trennung zwischen i und e ohnehin nicht eindeutig ist. Geschulte Sänger wissen, daß das i bei "bitte" eigentlich ein e ist - wenn man's lange aushält, muß man darauf achten, damit nicht "biete" draus wird. Hinzu kommt, daß man die modernen Umlaute und andere Vocalverbindungen ursprünglich mehr von einander abgesetzt hat, wie es heute noch im italienischen der Fall ist.

Hinwieder hat man es bei TEVTONICVS leicht: Lt. den Königslandschaften taucht es spätestens ab dem frühen 9.Jahrhundert auf. Im späten 9.Jahrhundert ist es dann klar, denn im Ludwigslied habe ich's ja gesehen.
Lt. Königslandschaften breitete sich der Begriff zur Zeit Heinrich IV. aus, weil die deutschen Fürsten es aufgriffen, um das Kaisertum auf eine nationale Ebene abzuwerten und somit zu schwächen.
 
Eine Entwicklung von iu nach eu ist leicht vorstellbar, weil die phonetische Trennung zwischen i und e ohnehin nicht eindeutig ist.
Soweit ich weiß, wird iu gesprochen wie ü, sprich "düütsch".
Was "teutonicus" angeht: die korrekte lateinische Aussprache ist glaube ich "te-u-tonicus", aber dafür verbürge ich mich nicht.
 
Soweit ich weiß, hat man Vocale ursprünglich nicht gar so zu Umlauten gemischt. Ähnlich wie man ja Aida ausspricht - eben nicht Eida*. Unsere Sprache ist einst vocalreicher gewesen und damit gesanglicher. Caruso hat sich geweigert, Deutsch zu singen; ansonsten sang er ja unheimlich viele Sprachen.

Verschluckte Consonanten verstecken sich auch in v und w. Die Schwaben waren einst Suaben und der Löwe wurde alternativ Leüe ausgeschrieben.

Was Vocalcombinationen mit u ganz allgemein angeht, so kamen die im Mittelalter öfter vor - denken wir z.B. an das Buoch (Buch).

Also, ich glaube kaum, daß man diutsch wie düütsch ausgesprochen hat. Aber vielleicht kann El Quijote was Gewissers darzu reden ...

* Davon abgesehen, daß man das Hühnerei eigentlich auch mit ai schreiben müßte, wollte man's phonetisch genau nehmen. Im Deutschen schreibt man ja ganz und gar nicht so, wie man spricht.
 
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Der Glaube an Gesetzmäßigkeiten fällt mir hier schwer.
Diese Gesetzmäßigkeiten musst Du nicht glauben, Du kannst sie überprüfen!

Hinwieder hat man es bei TEVTONICVS leicht: Lt. den Königslandschaften taucht es spätestens ab dem frühen 9.Jahrhundert auf. Im späten 9.Jahrhundert ist es dann klar, denn im Ludwigslied habe ich's ja gesehen.

Ich habe mir das Ludwigslied angeschaut. Tatsächlich steht es dort und die Handschrift ist sogar zeitgenössisch. Das finde ich wirklich interessant! Nur ein wichtiges Detail hast Du übersehen: es handelt sich hierbei um eine lateinische Überschrift:

RITH MUS TEUTONICUS DE PIAE MEMORIAE HLUDUICO REGE FILIO HLUDUICI AEQUE REGIS.

Es wäre zu fragen ob der Verfasser der lateinischen Überschrift mit dem Verfasser des deutschen Gedichtes überhaupt identisch ist. Da der Text in einem ganzen Codex ist, u.a. mit dem französischen Eulalialied, scheint mir die Überschrift mehr das abstract eines Kompilators zu sein.


P.S.: Das Ludwigslied eignet sich sogar imho recht gut, die Lautgesetze mal daran abzuarbeiten...
 
Also, ich glaube kaum, daß man diutsch wie düütsch ausgesprochen hat. Aber vielleicht kann El Quijote was Gewissers darzu reden ...

Das behauptet jedenfalls die Zeitschrift "Karfunkel", auf einer Seite, auf der mittelhochdeutsche Aussprache erklärt wird.

Im Gegensatz zum modernen Deutschen werden in diesen Editionen Vokallängen gekennzeichnet: â - ê - ô - û. Diese gilt auch für die langgesprochenen Umlaute: æ für ä; oe für ö, iu entspricht einem langen ü; ie steht jedoch für den Diphtong i-e.
 
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