Der Grassodenwall von Kalkriese

Hier mal ein Zeitungsartikel, welcher uns auf den Vortrag am 13.11.2016 durch den derzeitigen Grabungsleiter in Kalkriese vorbereitet

http://www.noz.de/lokales/osnabruec...lkriese-mit-ueberraschung-ueber-varusschlacht

Also weiter warten ist angesagt. Irgendwann in 2017 nach einer weiteren Grabungskampagne wird die Öffentlichkeit ein Stück schlauer sein.

Danke flavius-sterius für den Link

Es geht um die Interpretation des Walls:

Bei einem Suchschnitt von 160 Meter Länge habe es auf vier Metern einen Befund gegeben, der dem weiter südlich beim bisherigen „Germanenwall“ ähnele, stellt Professor Salvatore Ortisi fest. Also ein Hinweis auf die Umwehrung eines römischen Lagers? Der wissenschaftliche Leiter der Ausgrabungen ist da extrem zurückhaltend. „Der Ausschnitt ist viel zu klein, um dies mit Sicherheit behaupten zu können“. – Hypothese „Römerlager“ im Fokus: Grabung in Kalkriese mit Überraschung über Varusschlacht | noz.de - Lesen Sie mehr auf: http://www.noz.de/lokales/osnabruec...lkriese-mit-ueberraschung-ueber-varusschlacht

Dann warten wir auf Pfingsten 2017!
 
@El Quijote

in dem aktuellen von flavius-sterius verlinktem Artikel (danke dafür)
steht etwas von "drei Lagern" ein großes/vollständiges (du hast ja schon auf die Textstellen mit dem Drei-Legions-Lager verwiesen - danke für den Sachinput) Lager, ein kleines und ein nochmals kleineres Lager.
Ich weiß, dass du zu diesen Textinterpreationen immer mitgemischt hast.

wie viele Denkschulen rund um die Anzahl der Tacitus-überlieferten gibt es überhaupt? Ich will jetzt nicht die pro/contra Diskussion neu aufwärmen (dafür ist mir der Stil dieses Forums zu aggresiv), sondern nur die sachliche Aussage, wieviele Theorem bzw. Interpretationsmodelle im Umlauf sind.

Insgesamt vermisse ich bei der ganzen Kalkriese-Diskussion die militärische Bewertung.
Einfach nur zu behaupten, dass die Römer halt in Panik waren und sich abschlachten ließen wie Schafe, halte ich für viel zu bequem.
Diese Bequemlichkeit im Denken erklärt ja schließlich nicht, wie es Drusus wenige Soldatenjahrgänge vorher überhaupt bis zur Elbe schaffte (von den beschriebenen Hinterhalten/Aufständen der Jahre kurz vor Varus mal komplett zu schweigen)

Mal wild eine Palette Spekulatius in den Raum gestellt - aber ausgehend davon, dass die Römer als auch Germanen Profis im Krieg wahren.

Oberesch ist ein Engpass auf einer parallel zu einem Moor laufenden Trasse.
Es gibt nördlich einen Bohlenweg.

Auf dem Bohlenweg ließ Varus seinen trägen (von den leichter ausgerüsteten Germanen überholbaren) Tross/Verwundete/Kriegsmaterial rollen.

eine Kampfgruppe wird abkommandiert, eine Riegelstellung am Oberesch aufzubauen und für X Stunden/"halben Tag" zu halten.

So soll ein Überflanken durch leichte (Berittene, Plänkler, Streifkorps) germanische Truppenteile so weit verzögert werden, dass der Tross eine gefährliche Passage wie ein Bohlenweg im Moor überwinden könnte.

Nach Ablauf der Zeit X marschiert die Kampfgruppe dem Hauptheer nach - nimmt also eine flankierende Nachhutposition ein.

Um leichter marschieren zu können, wird die Kampfgruppe entlastet. Sprich, sie verzichtet auf einen Teil ihrer Ausrüstung: etwa keine/weniger Schanzpfähle/Handmühlen/Zelte und weniger Pionierwerkzeug, weil bei der Absetzbewegung ist Marschbeweglichkeit wichtiger als der nur kurzzeitig wichtige Wall am Oberesch.

Warum bei einer Riegelstellung mit einem schwachen Wall arbeiten?
Krieg ist kein Wunschkonzert! Es wird im Rahmen der Ressourcen geschanzt und befestigt - und es reicht erstaunlich wenig Zeit, um sich vor einem Handstreich zu schützen. Im Nachhutgefecht ist das schon die relevante Größe.

Schanzen ist aber nicht alles - Varus führte keine Abwehrschlacht, er führte einen Bewegungskampf, ja sogar womöglich eine Durchbruchsschlacht (er strebte dem Rhein mit dem Winterlager/Magazinen zu - war er womöglich wegen Nahrungsmittelknappheit im Zugzwang?).
Bevor ein schwacher Wall sich als "schwach" "erweist", muss er erstmal geprüft werden - das kostet Blut.

Ein niedriger, nur mit Knüppeln und Ast/Dornenwerk bewehrter Wall (Pfosten sind ja stellenweise nachgewiesen - aufgeworfene Brombeerdornengestrübe als Hindernisse wurden auch schon in der Diskussion genannt) mit Legionären als Sicherung - sind das jetzt 4 Kohorten nur - oder lauert dahinter eine komplette Legion für einen örtlichen Stoßangriff (siehe Pontos longi, wo über die Flanke zurückgeschlagen wurde)?

Eine germanische Vorhut wird das nicht so ohne weiteres ausprobieren wollen. Also Spähstopp, Patrouillen aussenden, Auflären etc.pp. = Zeitverlust = verpasste Überflankung
Etabliertes militärisches Vorgehen.

Wie passt das zu den Funden? Nägel der Legions-Stiefel - ok
Geldmünzen - waren das Opfer der Legionäre an die Götter? Gold/Silber/Kupferstücke in die Erde treten/vergraben, um die Götter milde für das eigene Überleben zu stimmen?
Ein Kriegslist, um die Goldgier der Germanen anzusprechen? (ist aber nicht im Kriegslistenreport aufgeführt, also geringe Wahrscheinlichkeit)
Ansonsten wird viel Kriegsschrott bzw. einzelne Schließen gefunden. Haben die Germanen hier überhaupt erst nach der gewonnen Schlacht geschrottet (jedem Stamm gemäß seiner Verdienste beute zu bemessen)?
Musste der Sperriegel einige Abtastangriffe überstehen?
Wurde die alte Sperrstellung im Rückzug erneut besetzt und war dann erst Schauplatz eines Gemetzels?
Das im Baubefund zu unterscheiden, ist sehr schwierig.

kurzum, die zur Zeit (noch) verfolgten Theoreme bieten Angriffsfläche (so wie so häufig bei historischen Belangen - ist also nicht überzubewerten)
Teilweise sind es eh Fragen, die die Archäologie niemals beantworten kann.
Welcher Stiefelnagel sagt schon, ob er westwärts marschierend oder ostwärts fliehend verloren ging?! Es wäre unseriös, solche Antworten zu erwarten.

Ob Kalkriese also Finale, Etappe oder sonstwas in diesem Zusammenhang war - Spekulatius und Glühwein für alle!

in der Hinsicht will ich hier also keinen neuen Glaubenskrieg ausrufen, sondern einfach nur "Interpretationen unter militärischen Gesichtspunkte" einfließen lassen.

Irrationelles militärisches Handeln, gar Panik, will ich ja nicht ausschließen - der Mangel an taktischen/operativen/strategischen Sichtweisen auf eine Schlacht/Anhäufung von Scharmützeln während des Marsches empfinde ich aber als Erörterungsmangel.
 
...
Insgesamt vermisse ich bei der ganzen Kalkriese-Diskussion die militärische Bewertung.
Einfach nur zu behaupten, dass die Römer halt in Panik waren und sich abschlachten ließen wie Schafe, halte ich für viel zu bequem. ...


Neue "Interpretationsmodelle" zu konstruieren ist ja gut und schön, aber ist es denn so abwegig, dass es (weitestgehend) so gelaufen ist, wie es in den Quellen beschrieben wurde???

Ist es so abwegig, dass ein allzu selbstsicherer Varus in Friedenszeiten seine Truppen unbedacht führt? Ist es so abwegig, dass Legionäre in Panik verfallen, wenn sie überfallartig angegriffen werden und sich nicht so formieren können, wie sie es gelern haben?
 
in dem aktuellen von flavius-sterius verlinktem Artikel (danke dafür)
steht etwas von "drei Lagern" ein großes/vollständiges (du hast ja schon auf die Textstellen mit dem Drei-Legions-Lager verwiesen - danke für den Sachinput) Lager, ein kleines und ein nochmals kleineres Lager.
Ich weiß, dass du zu diesen Textinterpreationen immer mitgemischt hast.
Wenn Ortisi das tatsächlich so gesagt hat und hier nicht mal wieder durch die Presse was falsch wiedergegeben wurde, dann verstehe ich nicht so ganz, wie Ortisi auf die drei Lager kommt. Aber bei meinen Erfahrungen mit der Presse (beruflich war ich häufiger bei Pressekonferenzen dabei und hinterher relativ verwundert darüber, was die Journalisten daraus gemacht haben; die Mechanismen zu erklären, ist hier aber nicht der Platz; wir reden hier wohlgemerkt nicht über investigativen Journalismus) würde mich das überhaupt nicht wundern, wenn da ein Lokalreporter nach vier Terminen Nachmittags in der Redaktion einfach nicht mehr seine krakeligen Notizen übereinander kriegt.

Einfach nur zu behaupten, dass die Römer halt in Panik waren und sich abschlachten ließen wie Schafe, halte ich für viel zu bequem.
Wer behauptet das denn?
 
Zuletzt bearbeitet:
Wer behauptet das denn?

hallo El Quijote
es würde im Rahmen dieses Forums beim Komplex

germanische Wall - von den Römern nicht als Hinterhalt erkannt und einfach reinmarschiert, bis es zu spät war

auch auf solche Dinge wie Panik, hastige Flucht der Römer (Augen zu und durch Mentalität), mangelnde Spähtätigkeit verwiesen.

wie schon gesagt, auszuschließen ist es ja nicht, dass die Legionen schon längst als Truppenkörper zusammengebrochen waren und im Enghals am Kalkrieser Berg nur noch das Massengemetzel stattfand.

Ist es so abwegig, dass ein allzu selbstsicherer Varus in Friedenszeiten seine Truppen unbedacht führt?

der Vorwurf an Varus, den Marsch zum Rhein zu sorglos, sprich nicht als Kriegsmarsch angetreten zu haben, ist ja nicht neu.
Aber ab dem wievielten Scharmützel am Wegesrand setzt ein Umdenken ein? Ab wann wird Kriegsgliederung (Trossreduktion) eingenommen? Am ersten Tag überrascht und am zweiten dann umgliedern und schauen, wie man als Römer das beste drauß macht?
Selbst wenn Varus schon verletzt war. Es gab Legaten. Es gibt Tribune, Centurione etc.pp. Es gab eine Befehlskette mit professionellen Stellvertretern, damit nicht alles gleich zusammenfällt.

Ist es so abwegig, dass Legionäre in Panik verfallen, wenn sie überfallartig angegriffen werden und sich nicht so formieren können, wie sie es gelern haben?
wenn wir einen Schlachtbericht hätten, der von einmalig einem eintägigen Sturmangriff zehntausender Germanen auf eine zig Kilometer lange Kolonne redet, woraufhin in 1 -3 blutigen Stunden die Legionen zerschlagen und ausgelöscht wären, würde ich dir sofort zustimmen. :winke:

Als die ersten Befunde des Walls längs zur Trasse kamen, wurden sie als erhöhte Kampfstellungen zum Angriff auf die Kolonne interpretiert.
Frage:
welche Fernwaffen schreibt man den Germanen zu?
wie groß ist die Wirkreichweite dieser Waffen?
was liegt in diesem Radius?
- das sind jetzt nur militärtechnische Fragen, aber so schwer dürfte die doch nicht sein. Aber so recht argumentiert damit keiner.

was hat man da nun vor dem Wall gefunden?
Eine Beinschienenschließe? ein Sandalennagel?
oder Speerspitzen/Schleuderbleie/Pfeilspitzen?

ja, irgendwo am Oberesch ist genau das alles gefunden worden.
Aber in den Veröffentlichten Skizzen von Position Wall und dann den markierten Metallfunden davor tauchen sie nicht prominent in der Waffenreichweite auf.
Alles aufgelesen? ja, möglich wäre es.:grübel:

wenn die These vom germanischen Hinterhalt am Wall aufgestellt wird, warum gibt es den inzwischen dazu keine militärisch lesbare Aufstellung zu?
Soundsoviel Durchlässe im Wall pro Länge X = Anzahl X Kämpfer durchschleusbar. (siehe Notfallevakuierung von Stadien)
Wenn innerhalb von X Minuten X*500 Germanen auf 400 Meter durchschleusbar und formierbar wären, dann ist das eine Bedrohung selbst für eine Legion.
Das ist darlegbar. Wer hat dazu belastbares?
 
@El Quijote

in dem aktuellen von flavius-sterius verlinktem Artikel (danke dafür)
steht etwas von "drei Lagern" ein großes/vollständiges (du hast ja schon auf die Textstellen mit dem Drei-Legions-Lager verwiesen - danke für den Sachinput) Lager, ein kleines und ein nochmals kleineres Lager.
Ich weiß, dass du zu diesen Textinterpreationen immer mitgemischt hast.

Die Lager ergeben sich aus den Werken Tacitus und Cassius Dio (s. Internet-Portal "Westfälische Geschichte" / Arminius - Varus > 9. Quellen)


Falls es in Kalkriese ein Marschlager gegeben hat, so ließe es sich dann mit den Quellen in Übereinstimmung bringen.

So steht in dem Artikel der NOZ:

Die Grabungsergebnisse 2016 stützen nach Meinung der Verantwortlichen alle bisherigen Deutungen zur Varusschlacht. „Wäre es ein Lager, würde das sogar sehr gut zu den Schriftquellen passen.“ Denn als der römische Feldherr Germanicus Jahre nach der Vernichtung der Varus-Legionen zum Rachefeldzug aufgebrochen sei, habe er zunächst ein großes, dann ein kleines und ein noch kleineres Lager gesehen“, zitiert Ortisi historische Quellen. – Hypothese „Römerlager“ im Fokus: Grabung in Kalkriese mit Überraschung über Varusschlacht | noz.de - Lesen Sie mehr auf: http://www.noz.de/lokales/osnabruec...kriese-mit-ueberraschung-ueber-varusschlacht#

Aber zunächst einmal ist abzuwarten, ob dieser Wall nun bei folgenden Untersuchungen wie bisher als germanisches Bauwerk oder als Teil eines römischen Lagers zu interpretieren sein wird.
 
Die Lager ergeben sich aus den Werken Tacitus und Cassius Dio (s. Internet-Portal "Westfälische Geschichte" / Arminius - Varus > 9. Quellen)

Falls es in Kalkriese ein Marschlager gegeben hat, so ließe es sich dann mit den Quellen in Übereinstimmung bringen.
So steht in dem Artikel der NOZ:
Aber zunächst einmal ist abzuwarten, ob dieser Wall nun bei folgenden Untersuchungen wie bisher als germanisches Bauwerk oder als Teil eines römischen Lagers zu interpretieren sein wird.
Also, nehmt es mir nicht übel, in der angegebenen Quelle lese ich:
(2) Das erste Lager des Varus erwies sich dem weiten Umfang und den Ausmaßen des Hauptquartiers nach als das Werk dreier Legionen; dann erkannte man an dem halbzerstörten Wall und dem flachen Graben (die Stelle), an der sich die bereits dezimierten Reste niedergelassen hatten. Auf der Ebene dazwischen lagen die bleichenden Gebeine, zerstreut oder haufenweise, je nachdem, ob sie geflohen waren oder Widerstand geleistet hatten."
Wo ist das dritte Lager?
 
Also, nehmt es mir nicht übel, in der angegebenen Quelle lese ich:
(2) Das erste Lager des Varus erwies sich dem weiten Umfang und den Ausmaßen des Hauptquartiers nach als das Werk dreier Legionen; dann erkannte man an dem halbzerstörten Wall und dem flachen Graben (die Stelle), an der sich die bereits dezimierten Reste niedergelassen hatten. Auf der Ebene dazwischen lagen die bleichenden Gebeine, zerstreut oder haufenweise, je nachdem, ob sie geflohen waren oder Widerstand geleistet hatten."
Wo ist das dritte Lager?

Ich vermute, dass man das aus Cassius Dio ableitet:

Dieser berichtet, dass die Schlacht vier Tage gedauert hat (21,3: So brach der vierte Tag ihres Marsches an). Da die Römer auf den Marsch waren, mußten sie in jeder Nacht ein neues Lager bauen, das macht dann drei.
 
Ich vermute, dass man das aus Cassius Dio ableitet:

Dieser berichtet, dass die Schlacht vier Tage gedauert hat (21,3: So brach der vierte Tag ihres Marsches an). Da die Römer auf den Marsch waren, mußten sie in jeder Nacht ein neues Lager bauen, das macht dann drei.
Aber zwischen dem noch fast perfekten Lager und dem Notlager war "auf der Ebene nur bleichendes Gebein". Es könnte sich beim angenommenen Dritten also nur um das letzte normale Marschlager gehandelt haben, um welches es noch keine Kämpfe gab. Oder es gab gar kein Lager mehr in der Nacht vor dem letzten Kampftag.
 
Hatten die Römer nach Dio nicht in einer Nacht auf dem Weg gerastet, weil die Anlage eines Lagers nicht möglich war?

@Opteryx: Es ist anzunehmen, dass es schon vor dem ersten Lager des Tacitus Kämpfe gab. Sonst wäre Dio komplett zu verwerfen.
 
Aber zwischen dem noch fast perfekten Lager und dem Notlager war "auf der Ebene nur bleichendes Gebein". Es könnte sich beim angenommenen Dritten also nur um das letzte normale Marschlager gehandelt haben, um welches es noch keine Kämpfe gab. Oder es gab gar kein Lager mehr in der Nacht vor dem letzten Kampftag.

Cassius Dio und Tacitus waren ja keine Augenzeugen der Schlacht bzw. Begehung des Schlachtfeldes. Sie waren ja nicht mal Zeitzeugen. Von daher sind ihre Berichte auch bestenfalls so gut wie die Quellen, auf die sie sich stützen.

Dieses "erste Lager", von dem Tacitus schreibt, kann ja auch das erste Lager sein, das aufgefunden wurde. Wir wissen ja nicht, wie hoch die Verluste der Legionen pro Tag waren.

Hier haben wir übrigens noch einen Thread zu dem Thema:
http://www.geschichtsforum.de/f28/c...r-w-hrend-der-varusschlacht-45527/index2.html
 
Aber zwischen dem noch fast perfekten Lager und dem Notlager war "auf der Ebene nur bleichendes Gebein". Es könnte sich beim angenommenen Dritten also nur um das letzte normale Marschlager gehandelt haben, um welches es noch keine Kämpfe gab.

Dass zwischen dem "ersten" Lager und dem (letzten) Notlager nur bleichendes Gebein und sonst nichts war, lässt sich der Tacitus-Darstellung genau genommen nicht entnehmen.
 
Wobei man noch berücksichtigen muss, dass campus auch die Bedeutungen Schlachtfeld, für eine rangierte Schlacht geeignetes Gelände hat. Da stehen wir dann wieder vor der Bedeutungsvielfalt Lateinischer Vokabeln. Günstig für einen Autor wie Tacitus, schlecht für den Historiker.

Vor allem stehen wir vor der Frage, ob das Gebiet der gesamten Niederlage gemeint ist, oder nur der Ort, an dem es endete.

Die Fundstellen verteilen sich so weit um den Oberesch, dass es dort 2 oder 3 Lager gegeben haben muss. Wenn man von einem Lager am Oberesch ausgeht, sollten es 3 sein. Alle 20-30 Meilen ist ja ein Lager zu erwarten. Vielleicht haben sie also nur im Geschichtsforum gespickt und sind dabei auf die 9/10-Leugen-Theorie gestoßen. ;)
 
Dass zwischen dem "ersten" Lager und dem (letzten) Notlager nur bleichendes Gebein und sonst nichts war, lässt sich der Tacitus-Darstellung genau genommen nicht entnehmen.

Die Gegenüberstellung zwischen den beiden Lagern mag auch ein Stilmittel sein:

Aber das ist es doch gerade, Tacitus arbeitet hier mit einem Oppositionspaar: Hier das intakte Lager der intakten Armee, dort das Lager der eigentlich schon besiegten Truppen, welches nur noch halbherzig (niedriger, instabiler Wall) errichtet wurde.

Wobei man noch berücksichtigen muss, dass campus auch die Bedeutungen Schlachtfeld, für eine rangierte Schlacht geeignetes Gelände hat. Da stehen wir dann wieder vor der Bedeutungsvielfalt Lateinischer Vokabeln. Günstig für einen Autor wie Tacitus, schlecht für den Historiker.

Vor allem stehen wir vor der Frage, ob das Gebiet der gesamten Niederlage gemeint ist, oder nur der Ort, an dem es endete.

Die Fundstellen verteilen sich so weit um den Oberesch, dass es dort 2 oder 3 Lager gegeben haben muss. Wenn man von einem Lager am Oberesch ausgeht, sollten es 3 sein. Alle 20-30 Meilen ist ja ein Lager zu erwarten. Vielleicht haben sie also nur im Geschichtsforum gespickt und sind dabei auf die 9/10-Leugen-Theorie gestoßen. ;)

Ich hatte hier schon den Versuch gemacht, den mögliche Zugstrecke des Varus zu diskutieren: http://www.geschichtsforum.de/f28/zugstrecke-des-varus-45010/
 
Ergebnis-Vortrag Kalkriese

Bei dem heutigen (sehr gut besuchten) Vortrag von Grabungsleiter Marc Rappe kam folgendes heraus:
Die im Nord-Süd-Grabungsschnitt in der westlichen der drei Waldschneisen auf der Nordseite des Parks gefundene Struktur ist eine Wall-Graben-Anlage. Der genaue Verlauf und die Länge sind natürlich mit einem einzigen Schnitt nicht festzulegen (2017 wird weitergegraben), aber wenn der Wall keine Zacken macht, dann läuft er ziemlich genau Ost-West parallel zum Oberesch, in etwas mehr als 100 m Entfernung zu diesem (also einige Meter jenseits des nördlichen Weges). Der Graben befindet sich nördlich des Walls.
Die Funde (auch Waffenteile, u.a. Geschossbolzen von Artillerie) sind spät-augusteisch und deuten darauf hin, das am Wall gekämpft wurde. Die Fundverteilung habe ich nicht zur Hand.
Profile und Fundverteilung sind ähnlich einem Römerlager. Festlegen will man sich natürlich noch nicht, dazu sind die Befunde noch nicht ausreichend. In der anschließenden, kurzen Diskussion ging es aber vornehmlich um das Thema "Marschlager". Klare Dementis kamen nicht von Rappe, im Gegenteil: Gesprächsweise vermutet Rappe max. 3.000-4.000 Mann in dem Lager (wenn es denn eines ist ;-). Dies wäre das Endstadium der Varuslegionen. Er erklärte auch noch auf Anfrage, dass das Lager von den schanzgeübten Legionären auch noch auf dem Zahnfleisch kriechend in wenigen Stunden errichtet werden konnte und dass die kurzen Lagerseiten in West und Ost nicht notwendig Wälle aufweisen, sondern erfahrungsgemäß auch durch Verhaue oder Wasserläufe begrenzt worden sein könnten. Möglicherweise floss dmaals ein Bach von Süd nach Nord genau durch den heutigen Park - dies könnte die die Wasserversorgung des möglichen Lagers gewesen sein.
Mein Eindruck: Man muss noch graben, bevor man etwas Abschließendes sagen kann, aber derweil lässt sich wunderbar über das (wohl) letzte Marschlager des Varus plaudern.
Nachwort: Dies hier ist ein notizengestütztes Gedächtnisprotokoll, alle Angaben ohne Gewähr.
 
Schaut wohl so aus, als müsste ich so allmählich von meiner favorisierten Auffassung abrücken, dass es sich bei der Wallanlage um einen Hinterhalt handelte.
 
Jetzt hab ich richtig Gänsehaut bekommen. So lange gegraben wird, ist kein Thema wirklich ausgelutscht :yes:
 
Bei dem heutigen (sehr gut besuchten) Vortrag von Grabungsleiter Marc Rappe kam folgendes heraus:
Die im Nord-Süd-Grabungsschnitt in der westlichen der drei Waldschneisen auf der Nordseite des Parks gefundene Struktur ist eine Wall-Graben-Anlage. Der genaue Verlauf und die Länge sind natürlich mit einem einzigen Schnitt nicht festzulegen (2017 wird weitergegraben), aber wenn der Wall keine Zacken macht, dann läuft er ziemlich genau Ost-West parallel zum Oberesch, in etwas mehr als 100 m Entfernung zu diesem (also einige Meter jenseits des nördlichen Weges). Der Graben befindet sich nördlich des Walls.
Die Funde (auch Waffenteile, u.a. Geschossbolzen von Artillerie) sind spät-augusteisch und deuten darauf hin, das am Wall gekämpft wurde. Die Fundverteilung habe ich nicht zur Hand.
Profile und Fundverteilung sind ähnlich einem Römerlager. Festlegen will man sich natürlich noch nicht, dazu sind die Befunde noch nicht ausreichend. In der anschließenden, kurzen Diskussion ging es aber vornehmlich um das Thema "Marschlager". Klare Dementis kamen nicht von Rappe, im Gegenteil: Gesprächsweise vermutet Rappe max. 3.000-4.000 Mann in dem Lager (wenn es denn eines ist ;-). Dies wäre das Endstadium der Varuslegionen. Er erklärte auch noch auf Anfrage, dass das Lager von den schanzgeübten Legionären auch noch auf dem Zahnfleisch kriechend in wenigen Stunden errichtet werden konnte und dass die kurzen Lagerseiten in West und Ost nicht notwendig Wälle aufweisen, sondern erfahrungsgemäß auch durch Verhaue oder Wasserläufe begrenzt worden sein könnten. Möglicherweise floss dmaals ein Bach von Süd nach Nord genau durch den heutigen Park - dies könnte die die Wasserversorgung des möglichen Lagers gewesen sein.
Mein Eindruck: Man muss noch graben, bevor man etwas Abschließendes sagen kann, aber derweil lässt sich wunderbar über das (wohl) letzte Marschlager des Varus plaudern.
Nachwort: Dies hier ist ein notizengestütztes Gedächtnisprotokoll, alle Angaben ohne Gewähr.


@Malan: zunächst einmal danke für die quasi Live-Berichterstattung von der Pressekonferenz.

Eine Frage noch zu dem Graben: wenn ich Römerlager und Graben höre, vermute ich zunächst den Graben als ein Annäherungshindernis. Aber wenn der Graben nördlich des Walls verläuft, würde er doch im Inneren des möglichen Lagers verlaufen. Das ist ja auch ein wenig seltsam. Oder ist das ein Drainagegraben (irgendwo hier haben wir das auch schon x-mal diskutiert)? Oder ist das mögliche Lager auf dem Berg?:confused:

Ich bin verwirrt. Kann mich jemand entwirren?

EDIT: moment, wir haben doch zwei parallele Wälle, oder? Den bisher bekannten fast am Fuße des Berges und dann einen "neuen" parallel dazu?

Haben wir irgendwo eine vernünftige Karte mit den neuen Erkenntnissen (sonst werde ich noch verwirrter)?
 
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