Der nationalkonservative Widerstand - Täter und Attentäter?

Cliomara

Aktives Mitglied
Vor einigen Jahren gab es in den Vierteljahresheften für Zeitgeschichte, aber auch in der FAZ eine Diskussion um die Verstrickung von Angehörigen des konservativen Widerstands in Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes.

In der Tat: Stauffenberg, von Hassel, von Tresckow, um nur einige bekannte Namen zu nennen, hatten Funktionen inne, in denen sie am Funktionieren des Regimes mitwirkten.

Tresckow zum Beispiel war von 1941 bis 1943 Generalstabsoffizier im Generalstab der Heeresgruppe Mitte und 1944 bis zu seinem Tode Chef des Generalstabes der 2. Armee. Zu seinem Zuständigkeitsbereich gehörten auch Maßnahmen der Partisanenbekämpfung, ein Bereich, in dem die Grenze zwischen völkerrechtlich zulässiger Repressalie und Kriegsverbrechen teilweise verschwamm.

Dass die Ziele des nationalkonservativen Widerstandes mit unseren Vorstellungen einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung wenig gemein haben, hat Hans Mommsen schon Ende der sechziger Jahre nachgewiesen.

Ist aber nun eine neue Einordnung und Bewertung des 20. Juli erforderlich? Ich muss gestehen, diese Diskussion in den Vierteljahresheften nicht ganz nachvollziehen zu können. Die Männer des 20. Juli sind für mich keine Helden, sondern Menschen, die möglicherweise zuerst das NS-Regime begrüßt hatten, aber dann feststellen mussten, dass sie einer mörderischen Diktatur dienten. Sie hätten einfach weiter Karriere machen können, statt ihr Leben zu riskieren. Dass macht für mich ihre Größe aus, auch wenn Befehle existieren, in denen Tresckow die Erschießung von Partisanen billigte.

Falls es einen solchen thread schon einmal gab, möge der Moderator bitte die Löschtaste drücken.
 
Ich erdreiste mich mal, Dir das Wort auf dem Bildschirm zu verdrehen (Umkehrung der Reihenfolge):

Hans Mommsen: "Der Nationalkonservative Widerstand hat wenig mit unseren Vorstellungen einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung gemein." (Eigentlich auch recht akademisch: Wie hätten dessen Angehörige diese Vorstellungen auch kennen sollen?)

also

War ein Teil des Zuständigkeitsbereiches von Tresckows die Partisanenbekämpfung, innerhalb derer [möglicherweise auf niedrigeren Kommandoebenen?] "die Grenze zwischen völkerrechtlich zulässiger Repressalie und Kriegsverbrechen teilweise verschwamm". [Hervorhebungen von mir].

das belegt, dass

Stauffenberg, von Hassel, Tresckow Funktionen innehatten, in denen sie am Funktionieren des Regimes mitwirkten,

und das wiederum beweist

das Angehörige des nationalkonservativen Widerstandes in die Verbrechen des Nationalsozialismus verstrickt waren.


Bei dieser Argumentationskette läuft es mir eiskalt den Rücken hinunter. Ohne, dass irgend eine der getroffenen Aussagen in irgendeiner Weise falsch ist, suggeriert diese kaskadierende Argumentation den Nachweis, dass jemand, der damals kein Demokrat im Sinne der 60er Jahre war, unmittelbaren Anteil an den Verbrechen des NS-Regimes hatte. Wohlgemerkt, ich polarisiere mittels Holzschnitt mit Spaten, aber ich sehe das als die Essenz der Argumentation. Mit diesem Behelf kannst Du ebensogut nachweisen, dass ich als deutscher Verbraucher unmittelbare Schuld an der Vertreibung und Ermordung indonesischer Kleinbauern zur Intensivierung der lokalen Palmölerzeugung trage - eine Unterstellung, die ich - wie jeder andere meiner Landsleute auch - entrüstet von mir weisen würde. (Ich weiß, jetzt wird's ethisch und darum höre ich hier auf.)

Es ist, und das ist mein Beitrag zu dieser Diskussion, einfach zu viel verlangt, von Männern, die im Adel einer gedemütigten, adelslastigen Militärmacht aufwachsen und erzogen werden, zu erwarten, dass sie sich per Jungfernzeugung mit 16 Jahren zu Demokraten im Sinne des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland verwandeln. Dieses Grundgesetz hat die Lehren aus dem ziehen dürfen, was diese Männer in ihrer subjektiven Zukunft erst noch erfahren mussten. Was war aus ihrer Sicht daran verwerflich, wenn ihnen - abenteuerlustigen jungen Weltenstürmern - Karriere und Erfolg winkten? Ich finde, dass es eine ganz erstaunliche persönliche Leistung ist, aus der "mittleren Führungsebene" (der Elite des Reiches!) heraus das alles aufzugeben, um unter Einsatz des eigenen Lebens ein inzwischen als erfolglos?/kriminell?/verrückt?/überholt? erkanntes Regime beseitigen und weiteren Schaden VON ANDEREN abwenden zu wollen. Wieviele gesetzestreue lupenreine Demokraten würden das heute tun?
 
@Cliomara: Für Deine Argumentation wäre es für Dich selber hilfreich, nicht aus der heutigen Sicht ein moralisches Urteil zu fällen, sondern zunächst und das sollte das genuine Interesse eines Historikers sein, aus den spezifischen Umständen der damaligen Zeit zu argumentieren.

Neddy hat bereits auf eine Reihe von Punkten hingewiesen, die es Berufsoffizieren sehr schwer gemacht hat, einen politischen Standort zu beziehen, der sie in einen deutlichen Widerspruch zu ihrem Kanzler, Führer und später auch Oberbefelshaber gebracht hat.

Diesen Widerspruch kann man am deutlichsten an der Position des Generalquartiermeisters Wagner verdeutlichen. Zuerst in Opposition in Übereinstimmung mit Beck bzw. Halder, dann funktionierendes Rädchen im Rahmen der Operation Barbarossa und zum Ende hin wieder unter den Männern des 20 Juni zu finden.

Generalquartiermeister des Heeres Eduard Wagner – Arbeitsstelle Frieden und Abrüstung e.V.

Es müssen eine Reihe rivalisierender Einflüsse gesehen werden, die sich zu den unterschiedlichen Phasen anders auf den Personekreis ausgewirkt haben.

Den Männern des 20 Juni ein Mitschwimmen auf der revisionistischen Welle vorzuwerfen abstrahiert von den sozialen Zwängen, die eine Unterstützung geradezu erforderten.

Patriotismus, Ehre eines Preußischen bzw. Deutschen Offiziers, Antikommunismus, Revisionismus, Hierarchisches Denken und Loyalitätsstrukturen, Korsgeist der Armee um nur einige der Einflüsse zu nennen.

Dem standen entgegen, ein differenziertes politisches Urteil über die außenpolitischen Möglichkeiten Deutschlands oder ein Bewußsein über die Rechtmäßigkeit eines moralisch legitimierten Widerstands, um auch Aspekte zu diesem Thema anzuführen. Und man sieht sofort wie schwach gerade dieser Bereich im Offizierkorps entwickelt war angesichts der Entwicklung der Weimarer Republik.

Es wäre eigentlich noch sehr viel zu schreiben, um die Einflussgrößen in den unterschiedlichen Perioden deutlicher zu differzieren.

Ganz interessant fand ich persönlich ein kürzlich erschienenes Buch. Mueller: Canaris. Hitlers Abwehrchef. Alternativ das Tagebuch von Groscurth, auf das sich viele beziehen, sofern sie die Umstände beschreiben wollen.

Auch in diesem Fall wird die ausgesprochen komplizierte Situation deutlich.

Sicher ist, dass sie keine Helden waren, aber für mich persönlich steht auch fest, dass sie Zivilchourage hatten. Spät, aber sie haben sie gezeigt und jedem war klar, welche Konsequenzen das für jeden einzelnen und auch für die Familien im Rahmen der Sippenhaftung hatte.

Deswegen wäre ich mit moralischen Urteilen über diesen Personenkreis etwas vorsichtiger.
 
Ich versuche angesichts der Polemik sachlich zu bleiben und mich kurz zu fassen.

Auch für mich - und das war der Sinn des threads - wird der Widerstand des 20. Juli nicht dadurch entwertet, dass Männer wie Stauffenberg, Tresckow oder Hellmuth Stieff Kommandoposten innehatten, in denen sie durch ihre Professionalität dazu beitrugen, eine Kriegsmaschine am Laufen zu halten, die ein Regime stützte, das Millionen von Menschen dahin mordete. Sie durchlebten sicher einen Gewissenskonflikt. Die Niederlage Deutschlands konnten sie nicht wollen, aber einem so verbrecherischen Regime wollten sie nicht mehr dienen. Sie waren als Angehörige einer Schicht aufgewachsen, die sich als staatstragend empfand. Nun planten sie Hochverrat aus ethischen Gründen.

Der Verweis auf Hans Mommsen sollte nur darlegen, dass Ende der sechziger Jahre, als er seine Forschungen veröffentlichte, niemand auf die Idee kam, deshalb die "Männer des 20. Juli" nicht mehr zu würdigen.

Fast vierzig Jahre später scheint das anders zu sein. Christian Gerlach hat in seinem Buch "Kalkulierte Morde" 1999 eine Neubewertung der militärischen Tätigkeit Tresckows vorgenommen und wurde dafür fast mit Verachtung gestraft: Bodo Scheurig, Verfasser einer Biographie über den Generalmajor, hält die Forschungen für indiskutabel. In einem Aufsatz stellte Gerlach die These auf, der Generalstab der Heeresgruppe Mitte - dem gehörte T. an - hätte sich gar nicht gegen den "Kommissarbefehl" gewehrt.

Ich habe aber mittlerweile auch entdeckt, dass ein User namens "Donnersberg" schon mal eine solche Diskussion angeregt hatte. Vielleicht können die Moderatoren diesen thread da einordnen.

Ansonsten hoffe ich auf eine seriöse Diskussion.
 
Ich weiß nicht, ob du meinen Beitrag gelesen hast; wahrscheinlich liegt es aber an meinem Unvermögen, mich angemessen auszudrücken.

Die Delegitimierung des Widerstandes, die in der von mir angedeuteten Diskussion in einigen Fachzeitschriften zum Ausdruck kam, hat auch mich überrascht. An keiner Stelle meines Beitrages habe ich Kausalketten konstruiert. Der Gedankensprung vom deutschen Verbraucher zum indonesischen Produzenten ist sicher originell, hat aber nichts mit dem Thema zu tun.

Beschränken wir uns auf die Militärs. Stauffenberg gehörte dem Generalstab des Heeres an, wurde nach seiner schweren Verwundung in Nordafrika Chef des Generalstabes im Allgemeinen Heeresamt, um dann ab dem 1. Juli 1944 Chef des Generalstabes beim Befehlshaber des Ersatzheeres zu werden. Das waren herausgehobene Funktionen, in denen der "Dienstposteninhaber" dafür zu sorgen hatte, dass die deutsche Militärmaschinerie lief, obwohl sich klar abzeichnete, dass der Krieg verloren war.

Henning von Tresckow war Chef der Operationsabteilung im Generalstab der Heeresgruppe Mitte. Die Einsatzgruppen, die hinter der Front im Operationsgebiet operierten, hatten sich auf dem Dienstwege mit den Generalstäben der Heereseinheiten abzustimmen, in deren Zuständigkeitsbereich sie agierten. Die Befehle an die Einsatzgruppen kamen vom Chef der Sicherheitspolizei; Marschbewegungen, Verpflegung und Unterkunft waren mit dem Heer abzustimmen. Im rückwärtigen Heeresgebiet entfiel dieser Dienstweg - das war das Ergebnis einer Absprache zwischen dem Heer und der SS vom 26. März 1941.

Dies alleine begründet keine Verstrickung oder Beteiligung, wohl aber ein Wissen, dass ihn möglicherweise dazu bewogen hat, die Attentatspläne zu forcieren.

Eine nachweisebare Verstrickung erwächst aber aus seiner Dienststellung als Chef der Operationsabteilung im Generalstab der Heeresgruppe Mitte. Diese Abteilungen waren seit dem Frühjahr 1942 für die so genannte Partisanenbekämpfung zuständig. Und dabei kam es zu Kriegsverbrechen, was mittlerweile eindeutig belegt ist, und ich meine hier seriöse Untersuchungen und nicht die erste Wehrmachtssausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung.
 
Jetzt ist ein Beitrag aufgetaucht, der schon "abgestürzt" war.

Also ein letztes Mal: Mir geht es nicht um moralische Urteile. Mich erinnert diese Diskussion an meine Studienzeit in den neunziger Jahren, als die - in der Tat unseriöse Wehrmachtsausstellung von Hannes Heer - die Gemüter erhitzte. Wir hatten ältere Kommilitonen, die nun im Ruhestand Geschichte studierten und denen es schwer fiel, im Seminar das Problem sachlich zu diskutieren. Da tauchte dann immer der Vorwurf auf, Historiker säßen über die Wehrmacht zu Gericht (und Sie als Frau wissen gar nicht, was passiert ist!). Dass die Diskussion von Verbrechen der Wehrmacht keineswegs jeden deutschen Soldaten - die ja meistens zwangsweise Kriegsdienst leisten mussten - zum Verbrecher erklärt, war den Herren nicht zu vermitteln.
 
Stauffenberg gehörte dem Generalstab des Heeres an, wurde nach seiner schweren Verwundung in Nordafrika Chef des Generalstabes im Allgemeinen Heeresamt, um dann ab dem 1. Juli 1944 Chef des Generalstabes beim Befehlshaber des Ersatzheeres zu werden. Das waren herausgehobene Funktionen, in denen der "Dienstposteninhaber" dafür zu sorgen hatte, dass die deutsche Militärmaschinerie lief, obwohl sich klar abzeichnete, dass der Krieg verloren war.

Henning von Tresckow war Chef der Operationsabteilung im Generalstab der Heeresgruppe Mitte. Die Einsatzgruppen, die hinter der Front im Operationsgebiet operierten, hatten sich auf dem Dienstwege mit den Generalstäben der Heereseinheiten abzustimmen, in deren Zuständigkeitsbereich sie agierten. Die Befehle an die Einsatzgruppen kamen vom Chef der Sicherheitspolizei; Marschbewegungen, Verpflegung und Unterkunft waren mit dem Heer abzustimmen. Im rückwärtigen Heeresgebiet entfiel dieser Dienstweg - das war das Ergebnis einer Absprache zwischen dem Heer und der SS vom 26. März 1941.

Meine Hinweise sind ausdrücklich nicht auf Cliomara bezogen, sondern auf die von ihr zitierten, so in der Literatur zu findenden Ausführungen. Wie Neddy oben schon ausführte, bei solchen "Ketten" stehen einem die Haare zu Berge (wobei ich diese Aussage treffe, indem ich überschlägig sämtliche relevanten Publikationen zu der Thematik kenne):

Auf dieser Verständnisbasis von Einrichtungen, Funktionen und Tätigkeitsfelder, Kompetenzen und Veantwortlichkeiten ist kaum eine angemessene Diskussion möglich. Ein weiteres Beispiel oben ist die Sicht des Partisanenkrieges (derjenige der Wehrmacht, nicht die Deckmäntel der Einsatzgruppen), der in Rußland von beiden Seiten und im Wesentlichen außerhalb jeder kriegsrechtlichen Schranken geführt.

Das ist übrigens etwashäufig Beobachtbares, was ich nicht kapiere: wie offensichtlich ohne jede Detailkenntnis der komplexen und variierenden Wehrmachtsstrukturen und Befehlslagen solche Argumentationsketten gebaut und einfach übernommen werden. Der zweite Aspekt, der auch schon in dem Kriegsverbrechen-Thema aufkam: es wird in bestimmten Bereichen nicht zeitlich differenziert. Zur Erläuterung ein Beispiel:

Bevor man sich über den "Chef des Stabes A.O.K. 2" unter Generaloberst Walter Weiss ausläßt (Tresckow), wäre eine Information über minimal 10% von dessen Tätigkeit sinnvoll, um beispielsweise abgezeichnete Aktenvermerke zu kontextualisieren (für die improvisierte Besatzungspolitik - soweit die Kommandogewalt des AOKs reichte, und das waren rückwärtig einige zehn Kilometer - war übrigens der Ib des AOK 2 unter Tresckow zuständig - Name?, daneben KoRück 580 sowie die Abgrenzung zu den 3-5 Armeekorps im fraglichen Zeitraum, zu beachten wäre im Übrigen die rückwärtige Lage im Gebiet des AOK 2 im Frühjahr 1944). Falls jemanden die Schnittpunkte zu den Einsatzgruppen interessieren:
Angrick, Andrej: Besatzungspolitik und Massenmord, Die Einsatzgruppe D in der südlichen Sowjetunion 1941-1943, 2003.
Btw: kriegsrechtliche Kenntnisse wären bzgl. Partisanenkrieg erforderlich, insbesondere zur Situation 1942/44. Dieser Teilaspekt des Ostkrieges ist - soweit Wehrmacht und Partisaneneinheiten, nicht Einsatzgruppen betroffen sind - in weiten Teilen von beiden Seiten außerhalb jeder kriegsrechtlichen Basis geführt worden. Das (einseitige) Aufziehen kriegsrechtlicher Maßstäbe unter diesen Aspekten halte ich schlicht für Blödsinn. Wenn man hierzu eine problemorientierte Vertiefung möchte:
Hartmann, Christian: Wehrmacht im Ostkrieg - Front und militärisches Hinterland 1941/42, dort zur rechtlichen Problematik ab S. 707. Dort ist auch die Frage "der ersten Schritte" beantwortet, aus denen sich der Leser die Eskalationsspirale und die Frage späterer personeller Verantwortlichkeiten erschliessen kann.


Eine hervorragend recherchierte neue Arbeit, bei der der Autor die oben kritisierten fehlenden Kenntnisse eben nicht vermissen läßt:
Hasenclever, Jörn: Wehrmacht und Besatzungspolitik in der Sowjetunion - Die Befehlshaber der rückwärtigen Heeresgebiete 1941-43, 2010.

Eine Klarstellung zum Schluss: die Kritik ist auschliesslich auf die Sache und sachliche Mängel der Diskussion bezogen. Der Hinweis erscheint mir prophylaktisch erforderlich, damit nicht der häufige sichtbare, oben schon angedeutete Reflex angelegt wird: "es fiele schwer, sachlich zu diskutieren", sofern an Publikationen eben mangelnde Kenntnis und Beschäftigung mit dem Kontext vorzuwerfen ist.

Auf den jüngstens Diskurs in der VfZ 2010 hatte ich schon einmal hingewiesen:
http://www.geschichtsforum.de/527807-post15.html

Über "herausgehobene Posten" eines Stauffenberg "für die Kriegsmaschine" lassen sich in der Sache ähnlich kritische Äußerungen finden. Eine "Schlüsselstellung" gab es allenfalls für den Plan des Widerstandes, aufgrund der vorgesehenen Verwendung des Ersatzheeres für den Umsturz.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich versuche angesichts der Polemik sachlich zu bleiben und mich kurz zu fassen.

Ansonsten hoffe ich auf eine seriöse Diskussion.

Solltest Du das, was ich geschrieben habe als Polemik auffassen, dann haben zumindest wir beide ein deutlich unterschiedliches Verständnis von Polemik.

Wenn ich auf eine immanente Betrachtung und nicht auf eine retrospektive Beurteilung hinweise, dann ist es für mich sachlich und konstruktiv. Zumal ich die Zeit aufgebracht habe und Dir sachlich geantwortet habe.

Da meine Art der Argumentation von Dir als polemisch wahrgenommen wird, werde zumindest ich durch meine "Polemik" nicht weiter zur Dikussion beitragen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Jetzt sind wir bei der Diskussion, die ich vor Jahren schon einmal erlebte, aber bitte - ein letztes Mal. Wobei der Beitrag meines Vorredners sich auf die Beteiligung und Mitwirkung von Angehörigen der Wehrmacht an Kriegsverbrechen der Wehrmacht bezieht.

Dass der "Arbeitstag" (wenn diese bürokratische Formulierung auf die Tätigkeit eines Chefs des Generalstabes einer Armee überhaupt zutrifft) nicht hauptsächlich darin bestand, die Ermordung von russischen Zivilisten zu planen, ist mir schon klar.

Unbestritten ist auch, dass innerhalb der Jahre 1941 bis 1944 - als der Krieg auf russischem Boden stattfand (und den hatte das Deutsche Reich begonnen) - wechselnde Bedrohungslagen vorlagen. Unbestritten sei auch, dass ein hoher Offizier in einem höheren Befehlsstab das Kriegsgeschehen anders erlebte als ein einfacher Soldat im Schützengraben. Der Vorzug der Studie von Christian Hartmann, Wehrmacht im Ostkrieg, Front und militärisches Hinterland 1941/42, München 2009, besteht ja gerade darin, dass nicht nur die militärischen Zentralstellen, sondern die konkreten Verhältnisse in mehreren Divisionen näher untersucht werden. Da geraten dann örtliche Faktoren in den Blickwinkel der Betrachtung und es ist ein Unterschied, ob man über die Jahre 1941/42 spricht oder über das Jahr 1944.

Diese Tatsache darf aber nicht die Rolle der Führungsinstitutionen ausklammern, die auf Heeresgruppen- und Armeebene existierten und sich zwischen dem "Führerhauptquartier" und den örtlichen Kampfeinheiten befanden. In die Zuständigkeit dieser Funktionsebenen fiel ab 1942 der so genannte Partisanenkrieg. Tresckow nahm diese Funktion zwischen 1941 und 1943 bei der Heeresgruppe Mitte wahr. Und dass Historiker und Historikerinnen diesen Teilaspekt des Krieges an den zur damaligen Zeit geltenden völkerrechtlichen Regelungen messen, ist kein Blödsinn.

Repressalien waren völkerrechtlich zulässig, wenn sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachteten. Viele Kommandeure plädierten schon aus pragmatischen Gründen für Zurückhaltung, denn das sinnlose Niederbrennen von Dörfern auf Verdacht stärkte nur die zweifellos vorhandene Partisanenbewegung, die - das sei auch eingeräumt - keine Zweigstelle des Vereins christlicher junger Männer war.

Jetzt allerdings so zu tun, als hätte ein General nur Vermerke abzuzeichnen gemäß der Geschäftsordnung, halte ich für naiv. Und auch als Chef des Generalstabes der 2. Armee war Tresckow Vorgesetzter des "Ib", hätte entweder Weisungen geben oder den Sachverhalt Generaloberst Weiß vortragen können.

thanepower: Diese Bemerkung galt Neddy und nicht dir.
 
Zuletzt bearbeitet:
@ Cliomara
Es wäre für uns Mitdiskutanten hilfreich, wenn Du direkte Antworten auf jeweilige Beiträge den Originatoren zuordnen könntest. Mit der Polemik fühle ich mich durchaus angesprochen - auch wenn ich meinen Beitrag durchaus nicht als solche gemeint habe, aber dazu später. Bei den übrigen Aussagen (die man schon fast als Vorwürfe auffassen könnte) wird die zielgerichtete Stelungnahme ein Ratespiel.

[Enters the ghost: Metadiskussion:]
Ich habe den Eindruck, Du fühlst Dich falsch verstanden. Ich habe in der Tat Dein Eingangsposting so gelesen, dass Du eine "Kriminalisierung" der namentlich genannten Personen nicht für angebracht hälst. Allerdings sollte der Eingangspost doch eine Diskussion anstoßen, oder? Hier wurden eingangs vier Fakten genannt werden, die alle "im Sinne der (einer) Anklage" sind. Die einzige Frage lautet:
Ist aber nun eine neue Einordnung und Bewertung des 20. Juli erforderlich?
Du lässt im Anschluss durchblicken, dass Du diese Frage verneinen würdest. In Ordnung. Damit ist die Diskussion mit dem Eingangspost beendet. Es sei denn, es findet sich jemand, der sagt: "Oh, um Himmels willen, die wollten ja gar nicht die Bundesrepublik Deutschland gründen, so wie wir sie kennen, sondern eine Militärdiktatur, einen Kaiser, eine Räterepublik, eine konstitionelle Monarchie, eine präsidiale Demokrate nach US-Vorbild oder was weiß ich. Also sind sie gar nicht so gut, wie das MGFA stets behauptet, sondern haben Blut und Dreck an den Fingern und sind damit böse. Verdammt sie!!!"
Der Grund für meine Entgegnung war also, die im Eingangspost auftauchende mögliche Munition für solche *hüstel* gleich mal zu entschärfen. Wir hatten schon mal eine Buchbesprechung, die knapp zusammengefasst argumentierte: Der Beweis, dass G.W. Bush schon immer böse war ist dadurch erbracht, dass ich herausgefunden habe, dass Opa Bush Anteile an einer Firma hielt, die in der Zwischenkriegszeit im Reich Geschäfte machte, mit Firmen, die später Waffen bauten. Damit war die Bush-Familie dann auch unmittelbar in den Nationalsozialismus verstrickt." Krude, gell?
Also: Erleichtere uns allen bitte das Leben, sag bzw. frage klar, was Du diskutieren willst und sei einstweilen (bittebittebitte) nicht so dünnhäutig. Die meisten hier wollen nichts Böses und selbst der Neddy ist nur hin und wieder eine Ausnahme.:devil:
[Ende Metadiskussion.]

Zurück zum Topic, zur "Polemik" und weit hergeholten Beispielen: Der "Polemik" ersten Teil habe ich gerade versucht zu erläutern. Der Polemik zweiter Teil: Ein großer Teil der Verführungskraft von dem Adolf seiner Bewegung lag darin, dass er den nach militärischer Niederlage, verlorenem Krieg nebst erheblicher Gebietsabtretung unter Mißachtung der 14 Punkte Wilsons, Versailler Diktat, innerer Unruhen, Weltwirtschaftskrise, Rheinlandbesetzung sich zutiefst ungerecht behandelt fühlenden Deutschen (ja, hier schere ich bewusst vereinfachend über einen Kamm!) Wirtschaftswachstum, politische Bedeutung, Ruhm und Ehre und Rache brachte. Dass viele das - zumindest Anfangs - großartig fanden: wen wundert's. Ja, es gab von Anfang an genügend Menschen, die gegen die Bewegung waren und den ganzen Mist von Anfang an durchschaut haben. Aber - meine These - bei weitem nicht so viele, wie es nach dem Krieg behauptet haben und noch viel mehr, die sich - aus wohlverstandenem Eigeninteresse (von Desinteresse über was juckt's mich/bin zu faul bis zu "am Leben bleiben!") nicht offen gegen das Regime gestellt haben. Und es gab viele, die haben sich einfach nicht interessiert: so lange es mir besser / nicht schlechter / nicht wesentlich schlechter geht, arrangiere ich mich mit den Umständen. Es gab ja auch einen schleichenden Prozess: Adolf Nazi ist ja nicht eines Tages mit SS, SD, Gestapo, Parteibonzen und KZs vom Himmel gefallen, sondern es hat durchaus eine schleichende Eskalation des Ausmaßes der Verbrechen stattgefunden. Jedenfalls: nicht alle Menschen waren und sind moralisch einwandfreie Helden mit politischer Weitsicht. Das - und damit zu den "weit hergeholten" Beispielen - ist genauso wie mit den negativen Folgen, die unser Wirtschaftssystem in der Welt anrichtet, vor dem wir alle (nun ja, die meisten oder die Mehrzahl, Neddy mit eingerechnet) hübsch fein die Augen verschließen, so lange wir unterm Strich gefühlt davon profitieren. Und wir sind heutezutage potentiell besser informiert als ein Landbwohner aus einem mit dem meinem vergleichbaren Dörflein vor 70-80 Jahren.
Letztes Beispiel, ehe ich die Klappe halte: Neddys Opa war Handwerker und (m. W.) nicht im aktiven Widerstand. Warum auch? Mer lebt halt. Neddys Opa wurde eines Tages eingezogen, zum Sanitäter ausgebildet und ging mit seiner Einheit an die Ostfront. Ab hier war er dann in den Partisanenaufstand und dessen Bekämpfung verstrickt, weil er zu einer der beteiligten Partien gehört. Vielleicht hat er Kameraden zusammengeflickt, die später wieder auf die Jagd gingen, wer weiß. Ein Rädchen im Getriebe. Unzweifelhaft! Mit Sicherheit wußte er auch, was da abgeht. Er dürfte genug gesehen und gehört haben. Und m. W. brachte auch das ihn nicht dazu, aktiv Widerstand zu leisten. "Sie oder wir" und der Feind (die Partisanen) ist heimtückisch, gnadenlos und grausam. Mitgefangen, mitgehangen: eines Tages ging Neddys Opa anläßlich einer "großzügigen Frontbegradigung" verloren. Der Regimentskommandeur schrieb Neddys Oma (sinngemäß): "Wenn er Glück hatte, ist er in einem Sumpf ums Leben gekommen. Wenn nicht - sie wissen ja, wie die Partisanen mit denen umgehen, die ihnen in die Hände fallen."
Was jetzt kommt, ist auch nicht so polemisch, wie es sich vielleicht anhören mag. Nach der Eingangs skizzierten Argumentation kann man Neddys Opa als böse bezeichnen, denn seine politischen Überzeugungen standen mit Sicherheit nicht im Sinne unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung (wieder: woher auch), er sorgte durch seine Tätigkeit als Sani dafür, dass die Wehrmacht ein klein wenig besser kämpfen konnte, damit unterstützte er unmittelbar die Partisanenbekämpfung, die sich ja 'nicht immer' ans Kriegsrecht hielt und damit war er zutiefst in die Machenschaften der Nationalsozialisten verstrickt. Und jetzt kommt's (und wird jetzt wirklich etwas polemisch, ich geb's zu): Selbst wenn er irgendwann, bevor er im Partisanenkochtopf verschwand, in den aktiven Widerstand eingetreten wäre, hätte er seine Verstrickung - und da ist das im Eingangsbeitrag suggerierte moralische Urteil wieder drin - nie nie nie wieder gut machen können.
Und mit dieser Argumentation hätten wir nachgewiesen, dass jeder sich schuldig macht, der von mehr oder weniger rechtswidrigen, kriminellen oder mörderischen Handlungen irgendwo in der Welt weiß oder gar davon profitiert. Und diese Schuld geht nicht mehr ab, auch wenn man sich eines Tages gegen solche Vorgänge stellt. Da wünsche ich uns allen einen guten Nachtschlaf!!

(Ich merke gerade, dass es wieder mit mir durchgegangen ist, weswegen ich betonen möchte, dass in diesem, wie in meinen übrigen Beiträgen KEIN persönlicher Angriff beabsichtigt ist.)
 
J
Jetzt allerdings so zu tun, als hätte ein General nur Vermerke abzuzeichnen gemäß der Geschäftsordnung, halte ich für naiv. Und auch als Chef des Generalstabes der 2. Armee war Treskow Vorgesetzter des "Ib", hätte entweder Weisungen geben oder den Sachverhalt Generaloberst Weiß vortragen können.

Ja sicher ---wenn es Ereignisse gab , welche ausserhalb der etablierten
" Routinen " lagen - dann schon.
Also falls es neue Befehle zum Vorgehen im Hinterland des AOK gab oder
gravierende Vorkommnisse eintraten - sagen wir mal , der gesamte
Panzerersatz einer PD wurde durch Partisanen vernichtet.

Üblicherweise jedoch - also innerhalb der Routine beschäftigte sich mit der
" Routine " des Partisanenkrieges die Divisionsebene - soweit ich das
weiss. Zt. in Abstimmung mit den Einsatzkommandos , Polizei - und
SS- Sonderkommandos etc.
Auf Ebene des AOK war der Zuständige in erster Linie der Ic -
Tresckow war mW. jedoch 1a- also nicht ständig damit befasst -
auch als Stabschef dann nicht ständig.

Sicher kam die befohlende zusammenfassende Berichterstattung zur Kenntnisnahme und/ oder Abzeichnung auch auf seinen Tisch.
Vorlauf gab es bei Befehlsausgabe und da hat er mW. gegen den
"Kommissarbefehl " schon versucht zu opponieren. Ohne Erfolg , wie
wir wissen.

So sehe ich die Vorgänge und meine , schon eine über das übliche
hinausgehende Haltung v. Tresckows zu erkennen.
Daher kann ich die jetzt anliegende Argumentation der tiefverwurzelten
Stützung des Regimes nicht nachvollziehen.

Die Autoren solcher Vorwürfe haben mglw. nie unter einem totalitären
Regime gelebt - daher werden sie auch kaum abschätzen können , welches
Risiko es bedeutet , gegen einen Befehl zu opponieren.
Ich kann das und sage - sie haben unrecht.

.
 
Vorab: die Kenntnisnahme der Vorgänge bei Treskow wie im jüngsten Disput in der VfZ ist unumstritten, sie ist vielmehr Bestandteil der Veränderung in der Haltung.
Jetzt sind wir bei der Diskussion, die ich vor Jahren schon einmal erlebte, aber bitte - ein letztes Mal.
Zu anderen Diskussionen kann ich keine Beurteilung abgeben.
Wobei der Beitrag meines Vorredners sich auf die Beteiligung und Mitwirkung von Angehörigen der Wehrmacht an Kriegsverbrechen der Wehrmacht bezieht.
... der Bezug waren hier bestimmte Angehörige, es geht nicht um "die" [Hartmann] Wehrmacht, also um kein Gesamturteil.
Dass der "Arbeitstag" ...nicht hauptsächlich darin bestand, die Ermordung von russischen Zivilisten zu planen, ist mir schon klar.
Dazu ist die Perspektive der HG Mitte bzw. des AOK 2 zu untersuchen, in zu definierenden Zeiträumen. Konkretisiere bitte den auf solche Aktionen entfallenden Zeitanteil beim Stab HG Mitte im Herbst 1941 [Hartmann: "Radikalisierung auf beiden Seiten" in dem entsprechenden Sammelband], bzw. 1944 beim AOK 2?
Der Vorzug der Studie von Christian Hartmann, Wehrmacht im Ostkrieg, Front und militärisches Hinterland 1941/42, München 2009, besteht ja gerade darin, dass nicht nur die militärischen Zentralstellen, sondern die konkreten Verhältnisse in mehreren Divisionen näher untersucht werden.
Ganz genau. Die Aufgaben eines Stabes bestanden bzgl. der in Rede stehenden Facette des Ostkrieges im Durchleiten von Befehlen [nehmen wir mal Keitels "Repressalien" in der Radikalisierungsphase 1941], im Zuordnen von Truppen, Ressourcen, Informationen auf Räume [-> der Streit um die Kenntnisnahme der Vorgänge] und Aufgaben, schlußendlich Operationsplanung [Kontext zB Juli/August 1941: Smolensk und Jelnja-Bogen.

Bei Letzterem kann man mal konkret werden, ein Beispiel zur HG Mitte und Treckow:
Bfh. H. Geb. Mitte, Nr. 40/41., Anl. 521 z. KTB 2, 221 Div. 16748/10
Anl. 492 z.KTB 2, 221 Sich. Div., 12.VIII.41. 16748/10: Russische Soldaten, die nach dem 15.8.1941 [danach geändert auf 31.8.1941] westlich der Beresina angetroffen werden, werden als Freischärler angesehen und entsprechend behandelt.
siehe Howell: the Soviet Partisan Movement 1941-1944.

Welche Verantwortlichkeit ist Tresckow [Ia unter GFM v. Bock] für diesen Befehl beizulegen? Im welchen Kontext steht er zu den unmittelbar vorhergehenden Kesselbildungen, in welchem Kontext zu "umherziehenden Kavallerieeinheiten" [Halder-KTB, 4.8.1941]?

Kriegsrechtliche Würdigung dieses Befehls?

Welche Verantwortlichkeit [Mitwirkung] hat der Stab der Heeresgruppe für die berüchtigte Fortbildung des KoRück 580 "Bekämpfung von Partisanen" in Mogilew im September 1941? "Die" Wehrmacht wurde hier übrigens von den rückwärtigen Sicherungseinheiten vertreten.
Diese Tatsache darf aber nicht die Rolle der Führungsinstitutionen ausklammern, die auf Heeresgruppen- und Armeebene existierten und sich zwischen dem "Führerhauptquartier" und den örtlichen Kampfeinheiten befanden.
Welches ist denn die konkrete Rolle?
In die Zuständigkeit dieser Funktionsebenen fiel ab 1942 der so genannte Partisanenkrieg. Tresckow nahm diese Funktion zwischen 1941 und 1943 bei der Heeresgruppe Mitte wahr.
Welche Funktion genau? Wie nahmen er oder andere in dergleichen Stellung diese wahr?
Und dass Historiker und Historikerinnen diesen Teilaspekt des Krieges an den zur damaligen Zeit geltenden völkerrechtlichen Regelungen messen, ist kein Blödsinn. ...Jetzt allerdings so zu tun, als hätte ein General nur Vermerke abzuzeichnen gemäß der Geschäftsordnung, halte ich für naiv.
Beide Zitate sind falsch. Sofern die Hinweise oben von mir mißverständlich waren, würde ich die noch einmal erläutern.

Und auch als Chef des Generalstabes der 2. Armee war Tresckow Vorgesetzter des "Ib", hätte entweder Weisungen geben oder den Sachverhalt Generaloberst Weiß vortragen können.
Du müsstest hier konkreter werden: Welchen Sachverhalt genau? Oder meinst Du: die Kenntnis weitergeben? Genau das ist anhand der jüngst diskutierten, abgezeichneten Berichte geschehen.


Ganz richtig, diese Informiertheit ist auch Gegenstand der jüngsten Diskussion:
Treibsand schrieb:
Sicher kam die befohlende zusammenfassende Berichterstattung zur Kenntnisnahme und/ oder Abzeichnung auch auf seinen Tisch.
Dabei wird man davon ausgehen müssen, dass auch entsprechende Befehle [auch von Tresckow] durchgeleitet worden sind, bzw. Aufgaben zum Partisanenkrieg im Rahmen der Befehlskette an die Sicherungseinheiten und Wehrmachtsverbände im rückwärtigen Gebiet der HG Mitte weitergeleitet wurden. Die Kenntnis von diesen Abläufen und anderen dürften Bausteine in der Veränderung der Haltung gewesen sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
Neddy: Ein Beitrag von mir war zwischendurch "verschwunden", dann meldete sich thanepower und so entstand das Missverständnis, dass ich ihn mit dem Begriff Polemik bedachte, der eigentlich dir galt. Nun haben sich ja Missverständnisse geklärt - ich dachte in der Tat, du meintest, ich würde auch diese Herabsetzung von Männern wie Tresckow begrüßen, und das tue ich ja gerade nicht. Ich werde mich auch bemühen, in Zukunft meine Fragen deutlicher zu formulieren. Den Rest deines Postings verstehe ich nicht so ganz.

Silesia: Meines Wissens hat Winfried Heinemann, Historiker und Offizier im MGFA, in Band 9 des Reihenwerks über den Zweiten Weltkrieg diese Diskussion einmal angesprochen. Das, was ich bis jetzt von ihm gelesen habe, hat mir gut gefallen; er weiß zu differenzieren. Nach meiner Erinnerung - ich hatte die beiden Bände vor einem Jahr mal in der Hand - behandelt er einzelne Beispiele, an die ich mich aber jetzt nicht erinneren kann.

Vielleicht noch ein anderes Beispiel: Generalmajor Hellmuth Stieff. Horst Mühleisen hat Briefe aus dem Nachlass zu Beginn der neunziger Jahre im Siedler-Verlag veröffentlicht.

Aus diesen Briefen geht klar hervor, in welchem Dilemma sich ein Mann befand, der seinen Beruf mit Freude und Stolz ausübte, der ehrgeizig war und der sein Vaterland liebte (ich kann damit nichts anfangen, aber diese Generation empfand so).

Im Herbst 1939 hatte er Warschau besucht und zeigte sich bestürzt über die Zerstörungen und das Verhalten der deutschen Besatzer. Im Frühjahr 1941 begrüßte er den Angriff auf die Sowjetunion - aus militärischen und ideologischen Gründen.

Als Generalstabsoffizier einer Armee an der Ostfront erlebte er die Winterkrise 1941/42 und sein Zorn auf Hitler wuchs. Im November 1942 wurde er als Oberst Chef der Organisationsabteilung im Generalstab des Heeres und stürzte sich mit Feuereifer auf diese neue Aufgabe. Objektiv trug er damit zum Funktionieren der deutschen Kriegsmaschinerie bei, deren Missbrauch er verabscheute.

In einem Aufsatz für die Vierteljahreshefte (den Band mit den Briefen habe ich nicht in meiner kleinen Bibliothek) resümiert Mühleisen:

"Er litt mit dem geschundenen Volk, und er, Hellmuth Stieff war mitschuldig geworden und nun bereit, dafür zu sühnen". Horst Mühleisen, Hellmuth Stieff und der deutsche Widerstand, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 39 (1991), S. 345
 
Silesia: Ich bin keine Militärhistorikerin, forsche über Liberalismus und Verfassungsgeschichte, interessiere mich stark für den Widerstand und weil manchmal Schüler und auch Studenten mit Fragen nach dem Zweiten Weltkrieg an mich heran treten und da meine Kollegen sich vor der Beantwortung drücken, habe ich als geborene Zivilistin mich damit befasst. Das soll jetzt keine Ausrede sein, denn wenn man sich zu einem Thema äußert, sollte man Ahnung haben.

Aber bestand die Funktion eines Stabes nur in der Weiterleitung von Befehlen? Wohl kaum. Gerade was völkerrechtliche Repressalien anging, gab es einen Meldeweg nach oben und da konnten höhere Stäbe eingreifen. Beim Kommissarbefehl hatte ein Offizier vor Ort zu entscheiden.

Im Bereich des Oberbefehlshabers West beispielsweise mussten bestimmte Vergeltungsmaßnahmen zumindest Keitel vorgelegt werden. General Wagner berichtet in einem Brief an seine Frau, dass vor allem General Jodl sich um die Herabsetzung von Erschießungsquoten bemüht hätte. Ich hoffe, in der nächsten Woche mal den bereits erwähnten Band mit den Beiträgen von Heinemann in die Hand zu bekommen.
 
Vielleicht noch ein anderes Beispiel: Generalmajor Hellmuth Stieff. Horst Mühleisen hat Briefe aus dem Nachlass zu Beginn der neunziger Jahre im Siedler-Verlag veröffentlicht.
Aus diesen Briefen geht klar hervor, in welchem Dilemma sich ein Mann befand, der seinen Beruf mit Freude und Stolz ausübte, der ehrgeizig war und der sein Vaterland liebte (ich kann damit nichts anfangen, aber diese Generation empfand so).
Im Herbst 1939 hatte er Warschau besucht und zeigte sich bestürzt über die Zerstörungen und das Verhalten der deutschen Besatzer. Im Frühjahr 1941 begrüßte er den Angriff auf die Sowjetunion - aus militärischen und ideologischen Gründen.
Als Generalstabsoffizier einer Armee an der Ostfront erlebte er die Winterkrise 1941/42 und sein Zorn auf Hitler wuchs. Im November 1942 wurde er als Oberst Chef der Organisationsabteilung im Generalstab des Heeres und stürzte sich mit Feuereifer auf diese neue Aufgabe. Objektiv trug er damit zum Funktionieren der deutschen Kriegsmaschinerie bei, deren Missbrauch er verabscheute.

Das ist eine gute Zeichnung einer widerstandstypischen Vita, jedenfalls bezogen auf den militärischen Widerstand 1944. Es lassen sich noch schwärzere Fälle bzw. Graustufen finden, zB Nebe (sicher mit Mischungen der Motive).

Wie gesagt: es waren oben ausdrücklich keine Vorwürfe oder Polemik gegen Dich, sondern ein Rundumschlag in der Sache.

Worauf ich nun wieder aufmerksam machen möchte: die kritische Analyse des "objektiven Funktionierens". Das sind Schlagwörter mit inzischen inflationären Gebrauch, mit denen niemand etwas konkret anfangen kann, der sich mit der Militär"maschine" der Wehrmacht nicht eingehend befaßt hat, aber jeder assoziiiert an der Stelle.

Aber bestand die Funktion eines Stabes nur in der Weiterleitung von Befehlen? Wohl kaum. Gerade was völkerrechtliche Repressalien anging, gab es einen Meldeweg nach oben und da konnten höhere Stäbe eingreifen. Beim Kommissarbefehl hatte ein Offizier vor Ort zu entscheiden.
Im Bereich des Oberbefehlshabers West beispielsweise mussten bestimmte Vergeltungsmaßnahmen zumindest Keitel vorgelegt werden. General Wagner berichtet in einem Brief an seine Frau, dass vor allem General Jodl sich um die Herabsetzung von Erschießungsquoten bemüht hätte.
Wir sind zunächst wieder beim Thema "Wissen", was aber oben überhaupt nicht streitig war.

Sodann: "Arbeitsablauf" in den höheren Stäben. Hier möchte ich mal anders ansetzen und einen Titel als Andeutung bilden: der Historiker, der Staatsanwalt, der Professionelle und der (berühmte) abgezeichnete Vermerk. Der Vierklang ist Absicht, ergibt drei relevante Kombinationen in Tat und Wissen, und ich habe einige praktische Erfahrungen in einer der dreien, und konsumiere recht viel in den beiden anderen. Dazu habe ich oben eine - zugegeben rhetorische - Frage gestellt: nach den realen Abläufen. Dabei hatte ich aber durchaus einen Hintergedanken. :winke:
 
Ist aber nun eine neue Einordnung und Bewertung des 20. Juli erforderlich?


Ich würde gerne auf diese Frage zurückkommen.

In der Widerstandsforschung ist nach 1990 viel geschehen. Nicht nur um die Männer rund um den 20. Juli. Um deine Frage zu beantworten, muss man aber die Geschichtsschreibung vor 1990 in beiden deutschen Staaten anschauen.

Das Attentat wurde im Westen als "das andere Deutschland" bezeichnet. Stauffenberg wurde als Aushängeschild/Held des nationalkonservativen Widerstandes dargestellt. Die sog. Verschwörer waren das Sinnbild des Widerstandes. Der Kommunistische Widerstand zum Beispiel wurde ausgeblendet. In der DDR sah dies natürlich anders aus, da machte man aus dem Kommunistischen Widerstand ein Heldenepos. Das beides nicht der historischen Wahrheit entspricht wurde ausgeblendet, man instrumentalisierte die Geschichtsschreibung des Widerstandes für die jeweilige Politik.

Nach 1990 und der Öffnung zahlreicher Archive kam ein anders Geschichtsbild auf. Quellen wurden zugänglich die man davor nicht kannte. Das eröffnete natürlich eine neue Perspektive auf den Widerstand.

Ich denke man muss den 20. Juli nicht neu bewerten, sondern versuchen die historische Wahrheit rund um dieses Datum anhand der Quellen herausfinden. Dazu ist es sicher auch gut, dass eine neue junge Historikergeneration sich diesem Thema annimmt und so einen andern Blickwinkel aufzeigt.
 
Silesia: Natürlich gibt es auch "Sicherungsvermerke". Ein Aktenvermerk kann die Funktion haben, sich abzusichern und nach dem Bundesbeamtengesetz ist man sogar verpflichtet, seine abweichende Meinung darzulegen.

Für die historische Forschung sind solche schriftlichen Dokumente auch nicht unproblematisch. Manchmal habe ich den Eindruck, dass schriftlichen Quellen ein objektiver Wert beigemessen wird, während Zeitzeugen als rein subjektiv eingeordnet werden. Und selbst diese Subjektivität hat ihren Quellenwert.

Wer in der Schlussphase des Krieges ein hohes Kommando innhatte, der konnte zu seinen Soldaten nicht sagen: "Meine Herren, ich glaube, wir verlieren den Krieg und wenn ich so bedenke, was die SS alles so getan haben soll, ja, da bin ich so betroffen, da fühle ich mich richtig schuldig..."

Das war nicht der Sprachduktus dieser Generation, und du kennst besser als ich die Erlasse gegen "Miesmachertum" oder eine auch in höheren Stäben verlangte Siegesgläubigkeit, die in offiziellen Schriftstücken ihren Ausdruck fand.

Der Historiker steht dann vor der spannenden Aufgabe, dieses "Puzzle" so weit wie möglich zusammen zu setzen und dann auch ehrlich zu sagen, wo die Grenzen der Erkenntnis sind.
 
Für die historische Forschung sind solche schriftlichen Dokumente auch nicht unproblematisch. Manchmal habe ich den Eindruck, dass schriftlichen Quellen ein objektiver Wert beigemessen wird, während Zeitzeugen als rein subjektiv eingeordnet werden. Und selbst diese Subjektivität hat ihren Quellenwert.

Deshalb arbeitet man ja auch mit der historisch kritischen Methode. Man soll sich, wenn man Quellenstudium macht, muss man sich folgende Fragen stellen:

Wann und wo wurden die Dokumente aufgezeichnet?
Wie viel Zeit verging zwischen den tatsächlichen Geschehen und der Aufzeichnung?
Wer hat sie für wen aufgezeichnet?
Welche Perspektive und mit welcher Absicht wurde das Dokument verfasst.

Die Oral History ist ein wichtiger Bestandteil in der Forschung. Aber eben die Aufzeichnungen sind Subjektiv. Das heisst aber nicht, dass sie weniger Wert für Historiker haben. Man muss aber auch diese "Quelle" überprüfen. Denn die meisten Zeitzeugen wurden ja Jahrzehnte nach dem erlebten befragt, da vermischen sich, was absolut kein Vorwurf ist, weil es Menschlich ist, tatsächlich erlebtest mit anderem. So gibt es Zeitzeugenberichte die etwas erzählen, weil sie natürlich glauben dass es so geschehen ist wie sie es erzählen. Bei einer Überprüfung man dann aber feststellt, dass es zwar Geschehen ist, aber an einem andern Ort. Der Zeitzeuge hat Hörensagen weitererzählt.
Oral History ist eine Herausforderung an den Historiker, da er ja mit "lebenden Quellen" arbeitet - was sehr spannend und interessant ist.

Wie gesagt, egal ob schriftliche oder bildliche Quellen oder Zeitzeugen, man muss seine Quellen immer überprüfen und kritisch hinterfragen.
 
Zurück
Oben