Die Ablehnung der Friedensnoten Ende 1916 durch die Alliierten und ihre Motive

Aber nicht weil man prinzipiell gegen den Frieden gewesen wäre, sondern weil eine solche Konferenz ein totsicheres Mittel gewesen wäre ihr Bündnis zu spalten ohne indes Erfolg zu garantieren und somit als Verhandlungsmodus den Ententemächten nicht passen konnte.

Woher nimmst du diese Information?

Die Auskünfte der damaligen Akteure lauten ganz anders und zwar in den von mir benannten Sinne.

Die Bevölkerung sollte nicht auf den Gedanken kommen, sich Hoffnungen zu machen, man hatte weitreichende Ziele und Friedensgespräche würden "bedauernswerte Kampagnen hervorrufen" können. Die deutsche Note wurde als gefährlich eingestuft etc.etc. .
 
@Turgot Die von Dir aufgeführten Zitate betreffen allesamt die Regierungsvertreter der Alliierten. Gab es eigentlich auch in den jeweiligen Parlamenten Debatten über die Aufnahme von Verhandlungen? Ich vermute, dass in den Medien der allierten Länder auch über die Friedensnoten Deutschlands berichtet wurde.
 
Für 1916 hatten die Alliierten koordinierte Offensiven an allen Fronten beschlossen. Die erste Offensive war aber "Unternehmen Gericht" Die Schlacht von Verdun. Die Deutschen hatten nach wenigen Tagen Fort Douaumont eingenommen, und es entwickelte sich eine enorm blutige Abnutzungsschlacht. 377.000 Franzosen und 333.000 Deutsche war die Bilanz dieser Materialschlacht. Militärisch ein Patt, so war Verdun moralisch und psychologisch ein Sieg Frankreichs. Die Franzosen hatten einem beispiellosen Ansturm standgehalten-und sie hatten das ohne Hilfe eines Verbündeten geschafft. Ils ne passeront pas (Sie kommen nicht durch und Courage on les aura (Nur Mut! Wir werden sie kriegen) wurden zum Schlagwort. Verdun schlug sich tief im Bewusstsein der französischen Armee nieder. Durch das Paternostersystem der Franzosen, kamen sehr viele Einheiten wenigstens einmal nach Verdun. Für die Moral der Armee und der Zivilbevölkerung war Verdun ein Fanal,, ein Bewusstsein, dass es die französische Armee mit den gefürchteten Deutschen aufnehmen konnte und nicht zuletzt auch die Überzeugung, den Krieg letztlich siegreich beenden zu können. Oktober 1916 eroberten die Franzosen schließlich auch Fort Douaumont und Fort Vaux zurück. Die waren freilich nur noch Trümmer, nur noch aus der Luftaufnahme als solche zu erkennen, und die Deutschen hatten ohnehin vor, sie zu räumen. Verdun muss insgesamt als Erfolg der Franzosen gewertet werden, auch wenn sie diesen Erfolg noch teurer bezahlten, als die Deutschen.

Bei den Deutschen entstand das Gefühl einer sinnlosen Schlacht. Wie die Franzosen 1917 am Chemin des Dames, die Briten im Juli 1916 an der Somme, die Italiener 1916/17 am Isonzo und die Russen 1917 mussten sie den Eindruck gewinnen, sinnlos verheizt zu werden.
Die Kriegsfolgen waren schwer für Frankreich, noch aber funktionierte die union sacreé, das französische Pendant zum "Burgfrieden". Ende 1916 war die Moral in Frankreich hoch. Die Überzeugung, den Krieg zu gewinnen und ihn bald entscheiden zu können, war weit verbreitet. Der "Hled von Verdun", Robert Nivelle wurde Oberbefehlshaber. Das änderte sich erst mit dem Debakel der Aisne/Champagne-Offensive. Wirklich vorwerfen kann man den Franzosen wohl kaum, dass sie auf dieser Basis keine Lust hatten, sich ohne konkrete Vorschläge , wo man aber von ausgehen konnte, dass die keineswegs moderat ausfallen würden, auf Friedensverhandlungen mit den doch recht angeschlagenen Mittelmächten einzulassen, und denen damit auch Zeit zu geben, sich zu regenerieren. Die Somme-Schlacht hatte die Deutschen fast 1/2 Millionen Verluste gekostet, Verdun 333.000. Österreich-Ungarn hatte im Sommer-Herbst nur deutsche Unterstützung vor dem Zusammenbruch gerettet. Österreich-Ungarn hatte in der Brussilow-Offensive ca. 1 Millionen Mann verloren, darunter viele durch Desertion und Überlaufen . Das Ansehen der Monarchie hatte nicht zuletzt bei den Völkern der Monarchie selbst gelitten. Österreich-Ungarn hatte bildlich gesprochen nur der Gongschlag vor dem K.O. bewahrt. Deutschland allein hatte die Verbündeten stabilisiert. Wenn Verdun ein moralischer Sieg der Franzosen war, konnte man die Somme-Schlacht als Defensiverfolg der Deutschen betrachten. Es war aber ein furchtbar blutiges Abringen gewesen. Die Neigung, nutzloses Gelände halten oder zurückerobern zu wollen kostete enorme Verluste. Vor allem war die materielle Überlegenheit der Alliierten immer deutlicher geworden. Deutschland wehrte 1916 wie 1917 alle Offensiven ab, beschloss das Jahr 1916 wie 1917 mit beeindruckenden Siegen 1916 in Rumänien und 1917 gegen Italien. (Nicht zu vergessen, der Gegenschlag Dezember 1917 bei Cambrai, der die Erfolge der Briten in der berühmten Tankschlacht nivellierte). So eindrucksvoll diese Erfolge auch waren, wenn man sich die Materialüberlegenheit der Alliierten ansieht, so war doch allzu deutlich, dass die Mittelmächte nicht mehr um den Sieg, sondern gegen die Niederlage kämpften.

GB hatte ein durchwachsenes Jahr erlebt. Die alte Friedens-Berufsarmee, die Old Contemptables war fast völlig auf den Schlachtfeldern aufgerieben worden. Es war die allgemeine Wehrpflicht eingeführt worden, die neuen "Kitchner-Truppen waren aber noch recht unerfahren. Die mit so großen Erwartungen begonnene Somme-Offensive hatte anfangs zum Debakel geführt. Die frischen Kitchner-Soldaten mussten blutige Erfahrungen sammeln. Man experimentierte mit neuen Taktiken wie der "Bite and hold"_Taktik, dem creeping barage. Man trainierte die Feuerwalze, die Artillerie verlegte das Feuer vor, und die Infanterie folgte sehr nah den Einschlägen der Artillerie, so dass man Gräben eroberte, während die Grabenbesatzungen noch in den Unterständen Deckung vor dem Trommelfeuer suchten. Es war eine blutige Lehrzeit für die Briten. In Irland kam es zum Osteraufstand. Ansonsten aber standen die Dominions und Kolonien loyal zum Mutterland. Kanadier und die ANZAC-Truppen der Australier und Neuseeländer zeichneten sich mehrfach aus. Die Blockade zeigte 1916/17 große Auswirkungen bei den Mittelmächten. Der Krieg war unpopulär geworden in GB und auch die Briten erlitten an der Somme ca. 400.000 Mann Verluste. Die Moral war aber insgesamt gut, es gab Rationierungen von Lebensmitteln und Genussmitteln. Wirkliche Engpässe in der Versorgung von Grundnahrungsmitteln gab es aber in GB nicht. Die Hoffnung auf einen Durchbruch und den Endsieg hatte sich 1916 nicht erfüllt. So erschöpft, dass es vor dem Zusammenbruch stand, war GB nicht, auch nicht die Dominions. Die Hoffnung lag auf dem Kriegseintritt der USA.

Um Italien zum Kriegseintritt bzw. zum Raushalten zu motivieren, machten beide Seiten große Zugeständnisse. Österreich Ungarn bot das Trentino an, D war bereit, zur Kompensation Ö-U-einen Teil Schlesiens abzutreten. Italien wurde Istrien, Dalmatien und ganz Tirol versprochen worden. GB und F hatten große materielle Zugeständnisse gemacht, um Italien und Rumänien zum Kriegseintritt auf Seiten der Entente zu bewegen. Rumänien war die Dobrudscha, die Bukowina und Transsilvanien zugesagt worden. Auf Russland, das 1915 heftige Niederlagen erlitten hatte, war immer wieder Druck ausgeübt worden, um es in der Allianz zu halten und auf keinen Fall einen Separatfrieden zu schließen. Russlands Wirtschaft war völlig überfordert mit einem industrialisierten Krieg . Vor dem Hintergrund, musste es den Alliierten schwerer fallen, sich auf Friedensverhandlungen einzulassen. Zumal wenn keine konkreten Vorschläge mit der Initiative der Mittelmächte verbunden waren. Friedensverhandlungen können ja durchaus dazu beitragen, eine Koalition aufzuhebeln, und ein Waffenstillstand kann ja auch durchaus eine Möglichkeit sein, Zeit zu gewinnen, sich regenerieren zu können, aufgeriebene Einheiten wieder aufzufüllen, Truppen zu verschieben, sich von eignen Verlusten zu erholen.
 
@Turgot Die von Dir aufgeführten Zitate betreffen allesamt die Regierungsvertreter der Alliierten. Gab es eigentlich auch in den jeweiligen Parlamenten Debatten über die Aufnahme von Verhandlungen? Ich vermute, dass in den Medien der allierten Länder auch über die Friedensnoten Deutschlands berichtet wurde.

Ja, das stimmt. Der Grund hierfür liegt an meiner Themenstellung; eben die Ablehnung der Friedensnoten durch die Alliierten und deren Motivierung. Ein Thema, welches nun eben die alliierte Seite betrifft, ist auch keine die mit unterstellte Einseitigkeit.

Am Abend des 11.Dzember hatte Bethmann die Parteichefs von Westarp, Spahn, Bassermann und Wiemer in die Reichskanzlei geladen. Als der Kanzler ihnen mitteilte, er werde mit einer Erklärung die Kriegsgegner zu Verhandlungen auffordern, erhoben sie Protest. Schon war der Stress da.
Die Parteien seien nicht gefragt worden. Erst am nächsten Morgen, vor der Sitzung, erfuhren sie und auch die Fraktionsvorsitzenden der Sozialdemokraten, Philipp Scheidemann, und Hugo Haase, Führer der von der SPD abgespaltenen Sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft, Einzelheiten über Bethmann Hollwegs Rede. Als die Reichstagsitzung am 12. Dezember um 13.48 Uhr von Präsident Johannes Kaempf eröffnet wurde, wußte schon ganz Berlin Bescheid. Die Abgeordneten auf der rechten Seite und in der Mitte des Plenarsaales, wo die Nationalliberalen und Zentrum ihre Plätze hatten, reagierten mit eisigem Schweigen. Bethmanns Rede hatte hier nichts bewirkt. Stürmische Bravorufe hörte er aus den Reihen der Linksliberalen und der SPD. Albrecht v. Graefe, Rechtsaußen unter den Konservativen, schrie laut "Skandal, Skandal."
Gegenüber den Parteiführen und Vertretern des Bundesrates stellte Bethmann Hollweg immer wieder seine Verantwortung und Pflicht gegenüber dem deutschen Volk heraus. (Ernst Albert Seils)

Im Berliner Tageblatt wurde die Sitzung des 12. Dezember 1916 mit Recht die "denkwürdigste" seit der am 4. August 1914 genannt.

Die Aufnahme in Europa bei den Neutralen war günstig. Echtheit und Ehrlichkeit wurden anerkannt. Es wurde von der Morgenröte des Friedens gesprochen. Die Presse der Entente reagiert wenig günstig. Die neutrale Presse machte klar, das die Verantwortung für weitere Tote auf die Entente fallen würde, wenn sie das Angebot ablehne. (Müller Meinigen, Diplomatie und Weltkrieg).

Ich weiß jetzt aber leider nicht, ob in den englischen oder französischen Parlament die Note zum Gegenstand der Diskussion geworden war.
 
Zuletzt bearbeitet:
Am Abend des 11.Dzember hatte Bethmann die Parteichefs von Westarp, Spahn, Bassermann und Wiemer in die Reichskanzlei geladen.

Moment, wer gehört jetzt zur welcher Partei? Aufgrund des Protests vermute ich, dass das eher die "Falken" waren.

gerade gegoogelt:

Kuno von Westarp – Wikipedia - Deutsche Konservative Partei
Peter Spahn (Politiker) – Wikipedia - Zentrum
Ernst Bassermann – Wikipedia Nationalliberale
Otto Wiemer – Wikipedia - Fortschrittliche Volkspartei


Erstaunlich, dass das Zentrum (Partei der Katholiken) sich nicht dem Beifall angeschlossen hat, sondern auch eher mit Ablehnung reagiert hat.

Das Reichstagsprotokoll müßte doch irgendwo zu finden sein. Irgendwann hatte ich da schon im anderen Zusammenhang festgestellt, dass die Reichstagsprotokolle digitalisiert im Internet zu finden sind.

(Aber jetzt sind wir schon wieder bei der deutschen Innenpolitik und nicht bei der Reaktion der Alliierten)
 
(Aber jetzt sind wir schon wieder bei der deutschen Innenpolitik...

Um die werden wir nicht herumkommen.

Am Abend des 11.Dzember hatte Bethmann die Parteichefs von Westarp, Spahn, Bassermann und Wiemer in die Reichskanzlei geladen. Als der Kanzler ihnen mitteilte, er werde mit einer Erklärung die Kriegsgegner zu Verhandlungen auffordern, erhoben sie Protest. Schon war der Stress da.

Es wurde ja geargwöhnt Bethmanns Friedensbemühung habe letztlich den unausweichlichen totalen U-Boot-Krieg diplomatisch stützen sollen um die USA nach Möglichkeit neutral zu halten.
Doch so wie es aussieht, war sein Bemühen aufrichtig.
Gleichzeitig aber schloss sich die Tür für dieses.
Der Jagow ist schon zurückgetreten, aus Protest gegen den anstehenden U-Boot-Krieg, und nun ist der Zimmermann sein Nachfolger. Und wer bestimmt das eigentlich? Er, der Kaiser, Ludendorff und Hindenburg?
(Die beiden letztgenannten werden bald über sein politisches Schicksal bestimmen)

Gerade zu dieser Zeit wird David Lloyd George PM, der die Auffassung vertritt, dass der Krieg bis zum Ende durchgefochten werden muss. Jetzt wärs noch interessant wie die Entwicklung in Frankreich war. Ich hab keine Ahnung. (Wenn jemand was herausfindet, wär prima.)

Die Reaktion des Satire-Blattes Punch am 20.12. ist nicht ohne Hohn, und die Antwortnote vom 30.12 auch nicht.
 
Die Stimmung war unterschiedlich. Dort wo es Versorgungsschwierigkeiten mit Lebensmitteln und Kohle, zumal der Winter streng war und eine schlechte Ernte befürchten ließ, war die Stimmung nicht gut.

Auch bei der Truppe gab es Anzeichen von Überdruss und Entmutigung, wie das französische Hauptquartier erstmals im Juni 1916 feststellte. Verantwortlich hierfür wurde die Presse mit ihren "unheilvollen Einfluß" gemacht.
 
Noch vor seinem Amtsantritt als Premier hatte Lloyd George gefordert, das ein Sieg durch die Westmächte errungen werden muss, damit diese sich in der stärkeren Positionen befinden, wenn es um die Friedensbedingungen geht. Andere Sorgen hatte er wohl keine.

Ende November 1916 ließ Lloyd George US Präsident Wilson warnen, jeden Friedensversuch zu unterlassen. Wilson kam trotzdem mit seiner Note heraus. Es war das England LLoyd George das über seine Botschafter und Gesandten die Neutralen eindringlich warnte, das sie sich einer scharfen Abweisung aussetzen, wenn sie sich einer Demarche zur Unterstützung Wilsons erlaubten.

Lloyd George heftige Rede am 19.Dezember 1916 erfolgte nach der Note von Wilson. Sie erklärte der der Krieg für ein hohes Ziel erst ende, wenn dieses erreicht sei und er hoffe, er werde niemals enden vor dieser Zeit.

Klare und unmissverständliche Worte.
 
Aber nicht weil man prinzipiell gegen den Frieden gewesen wäre, sondern weil eine solche Konferenz ein totsicheres Mittel gewesen wäre ihr Bündnis zu spalten ohne indes Erfolg zu garantieren und somit als Verhandlungsmodus den Ententemächten nicht passen konnte.

Nochmals nachgefragt: Woher nimmst du diese Information?
 
Die Reaktion des Satire-Blattes Punch am 20.12. ist nicht ohne Hohn, und die Antwortnote vom 30.12 auch nicht.
Vielen Dank für den Link auf den sehr speziellen Humor der Engländer.

Übrigens: Auf der Seite 442 (HEART-TO-HEART TALKS.) wird das Friedensangebot der Deutschen auseinandergenommen in der gleichen Weise wie das auch hier in den nunmehr 2 Threads geschieht. Und das 3 Tage bevor die Entente offiziell antwortete.
 
Vielen Dank für den Link auf den sehr speziellen Humor der Engländer.

Übrigens: Auf der Seite 442 (HEART-TO-HEART TALKS.) wird das Friedensangebot der Deutschen auseinandergenommen in der gleichen Weise wie das auch hier in den nunmehr 2 Threads geschieht. Und das 3 Tage bevor die Entente offiziell antwortete.

Und da bleiben wir hier die ganze Zeit stecken. Das Friedensangebot ist bis zum Abwinken durchgehechelt worden.
 
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