Die arabische Expansion - Tours und Poiters

Rovere, in deiner Aufzählung hast du noch das Perserreich der Sassaniden vergessen, das 633/51 von den Arabern vernichtet wurde, ferner Armenien, das Reich des Choresm Schah sowie natürlich weite teile Ostroms mit Palästina, Syrien, Ägypten usw. Schließlich nicht zu vergessen das Reich der Westgoten, dessen romanisierte Bevölkerung zum Zeitpunkt der islamischen Eroberung immerhin fast 700 Jahre zum Römischen Reich gehört hatten.

Die Vermutung, das Klima hätte die Araber von weiteren Expansionen abhalten können, finde ich etwas putzg. Ich kann mir kaum vorstellen, dass ein muslimischer Feldherr fröstelnd aufgestanden wäre, und beschlossen hätte, die Eroberung Westeuropas abzublasen.
 
Da im Thread "Wut der arabischen Welt" eine interessante Nebendiskussion entstanden ist die aber nicht mehr zum Ursprungsthema ganz gepasst hat habe ich mir erlaubt, ein neues Thema zu eröffnen und die Beiträge hier her zu verschieben.
 
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auffällig ist es doch schon, dass die arabische expansion zwar eine breit ost-west-ausdehnung hatte, aber eine vergleichsweise "schmale" nord-süd-ausdehnung.

das klima konnte sicher kein arabisches heer am vorstoß und plündern hindern (razzien eben), es konnte aber durchaus die etablierung einer dauerhaften herrschaft verhindern, weil die ackerbaumethoden des mittleren ostens nicht beliebig nach norden ausdehnbar waren- und das hatte auswirkungen auf die möglichkeiten der besteuerung, und damit die gesamte struktur der herrschaft.

und da zu dieser zeit die herrschaft des islam eben nur von arabischen heeren verbreitet wurde, und deren gesellschaften auf asiatischer produktionsweise beruhten, hätte entweder die arabisch-islamische herrschaft ihren charakter ändern müssen oder eben an dieser stelle nicht mehr expandieren können (und letzteres ist eingetreten)

(außerdem sollte man noch berücksichtigen, dass europa im 8. Jhd. kaum eine wertvolle beute gewesen ist. man vergleiche mal das ausmaß der kaiserpflaz von aachen mit cordoba oder bagdad. da fehlt wohl auch der anreiz zur weiteren expansion)
 
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Was mich interessieren würde warum die Araber die Eroberung Italiens sein liessen und sich mit Sizilien und gelegentlichen Plünderungszügen begnügten?
Das fruchtbare Italien (dem ja erst die Araber die später so gepriesenen Zitronen brachten....) muss ja mindestens so attraktiv wie Spanien gewesen sein. Warum brachen die Araber ohne Problem den westgotischen Widerstand und errichteten dort ihre Herrschaft, in Italien überlassen sie das Feld aber den Byzantinern und Langobarden.
 
Die Araber haben ja zwei sehr gewichtige Vorstöße unternommen, die sich in den Jahren 667 und 720 zunächst gegen Sizilien richteten, das dann 827 auch wirklich erobert wurde. Weitere Vorstöße gegen Mittel- und Süditalien (841, 846, 882 usw.) konnten von den Byzantinern abgewehrt werden, später dann von den Normannen. Dennoch gab es an der südfranzösischen Küste weitere muslimische Brückenköpfe, was aber nur zu Plünderungszügen, nicht zu einer weiträumigen Eroberung reichte.

Hinzu kamen wohl auch innenpolitische Schwächephasen wie z.B. der blutige Dynastiewechsel von den Omaijaden zu den Abbasiden, zugleich auch Vorstöße an anderen Fronten, z.B. im ganzen 7./8. Jh. gegen oströmisches Gebiet. Das mögen einige Faktoren sein, die eine drohende Eroberung Italiens verhinderten.
 
Dieter schrieb:
. Wenn die Franken bei Tours und Poitiers verloren hätten, wäre sofort ein Machtvakuum entstanden. Ich geb dir Brief und Siegel, dass muslimische Heere nicht lange gezögert hätten, um diesen strategischen Vorteil auszunutzen. Ein Frankenreich hätte dann Europa nicht mehr vor der Islamisierung bewahrt.

die neuere Geschichtsschreibung bemißt meinem Eindruck nach diese Schlacht nicht mehr als "Wendepunkt" der epochalen Auseinandersetzung zw. Islam und abendl. Christentum.
Die fränkische +päpstliche Propaganda hat den Sieg sehr hochgehängt, um dem Ruhm der Franken als "erstgeborenes"Volk der Kirche Roms zu mehren."
Taktisch gesehen liegt noch ein weiterer Grund vor ; Der byzant. Basileus Leon III. Isaurikos hat es 718 geschafft, eine im Jahr zuvor begonnene Belagerung Konstantinopels durch die Muslime zu beenden, überhaupt verteidigte der Basileus seine Hoheit über das schw. Meer, die ägäis und d. zentr. Mittelmeer und stoppte das islam. Vordringen auf die anatol. Halbinsel für längere Zeit.
Für den röm. Klerus war es undenkbar , Verdienste eines Repräsentanten des byz. Kulturkreises anzuerkennen, noch dazu eines Ikonoklasten.
Daher mußte der "Sieg " bei Poitiers des "Frankenhammers" Martell um so leuchtender, entscheidender dastehen.
Muslim. Quellen räumen Poitiers nur eine durchschnittl. Bedeutung bei.
 
Tja, leider muß ich mich hier doch noch einmal zu Wort melden...

Liebe(r) anonyme(r) Bewerter(in),

timotheus schrieb:
Gut, dann nenne mir die Fakten, welche explizit für eine haushohe Überlegenheit eindeutig sprechen... :cool:

Bewertungskommentar schrieb:
sie konnten lesen und wussten das man vom Waschen nicht krank wird

soll das heißen, die Christen konnten allesamt nicht lesen?
Das ist schon einmal falsch, wenngleich natürlich Lesen und Schreiben bis ins 12. Jh. nahezu ausschließlich an den Klerus als Bildungselite gebunden war.
Soll dies weiterhin heißen, daß man im christlichen Europa im Mittelalter Waschen für ungesund hielt?
Stimmt so eben leider auch nicht; und die benannte Sichtweise ist mW sogar spätmittelalterlich.

Mal ernsthaft: ich wollte darauf - wie ich schrieb - Antwort in Form von Fakten, nicht in Form von weiteren Klischees...



Und noch etwas zum aktuellen Diskussionsstand...

Arcimboldo schrieb:
Muslim. Quellen räumen Poitiers nur eine durchschnittl. Bedeutung bei.

Andererseits heißt die Schlacht aber auch in der muslimischen Geschichtsschreibung Schlacht der Millionen Tränen...

In diesem Sinne

Timo
 
timotheus schrieb:
soll das heißen, die Christen konnten allesamt nicht lesen?
Das ist schon einmal falsch, wenngleich natürlich Lesen und Schreiben bis ins 12. Jh. nahezu ausschließlich an den Klerus als Bildungselite gebunden war.
Soll dies weiterhin heißen, daß man im christlichen Europa im Mittelalter Waschen für ungesund hielt?
Stimmt so eben leider auch nicht; und die benannte Sichtweise ist mW sogar spätmittelalterlich.

Natürlich waren auch Christen des Lesens mächtig und sind es auch heute noch. Waschen tun sich die Christen auch heute noch! Weiss ich genau, hatte früher mal ´ne deutsche Freundin! :yes:

Was aber fakt ist: Hygiene wurde bei den Christen nicht gross geschrieben, was bei den Muslimen, allein durchs rituelle fünfmalige Gebet geboten war. Und ich meine mich auch an eine erzählte Gegebenheit zu erinnern in dem Umar (2. Kalif) eine Stadt nicht eingenommen hatte, weil in ihr eine Epidemie herrschte. Man war sich auf islamischer Seite, also der Gefahr von ansteckenden Krankheiten durchaus bewusst. Und dass im siebten Jahrhundert.
 
Seldschuk schrieb:
Was aber fakt ist: Hygiene wurde bei den Christen nicht gross geschrieben...

Vorsicht mit Verallgemeinerungen - ich verweise an der Stelle auf eine Diskussion dazu incl. weiterführender Links: http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=520
Grundtenor: Die "unhygienischen" Zeiten brachen im 16. und 17. Jh. an - also in der Frühen Neuzeit...

Anm.: Eine Diskussion darüber führt aber doch etwas von dem eigentlichen Thema weg...
 
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Wenn man vom hohen Stand der Naturwissenschaften bei den Arabern spricht, so muss man sich eins vor Augen halten: Im großen und ganzen ererbte die muslimische Welt die in der Antike gemachten Erfindungen und Techniken, die im islamischen Mittelalter weiter verbreitet und zum Teil vervollkommnet wurden, und – im Rahmen der damaligen Möglichkeiten – große Bedeutung erlangten.

Den antiken Errungenschaften wurden etliche neue hinzugefügt, z.B. das Papier, ursprünglich eine chinesische Erfindung, die bis zur Übernahme durch die Araber auf China beschränkt blieb. Die Bedeutung des Papiers für das intellektuelle Leben und für den Bereich der Verwaltung war beträchtlich. Andere Fortschritte wurden auf den Gebieten des Hüttenwesens, der Keramik, der Glasproduktion und der Textilherstellung erzielt.

Insgesamt war die Technik eine empirische Angelegenheit des Handwerkers und nicht Gegenstand wissenschaftlicher Forschungen, wie in der Moderne. Naturwissenschaft und Technik gingen getrennte Wege, und da nur die Gelehrten schreiben konnten, wurden technische Dinge kaum Gegenstand schriftlicher Abhandlungen. Sie waren Werkstattgeheimnisse, die man nur innerhalb des Berufsstandes weitergab.

Die arabische Astronomie und Mathematik baute auf der spätgriechischen, indischen und persischen auf. Von Anfang an findet man hier neben Arabern auch Perser, Juden, Chwaresmier u.a. Es gab zahlreiche bedeutende arabische Astronomen und Mathematiker, denn die Planetenastronomie begann schon unter dem Kalifen al-Mansur (754–775) und erreichte unter al-Mamun (813–833) eine erste Blüte. Das setzte sich fort noch bis ins 14. Jh. und begann dann allmählich zu erlahmen.

Die arabische Medizin fußt besonders auf persischen und griechischen Grundlagen und entwickelte sich bereits früh eigenständig weiter. Man kannte in Bagdad um das Jahr 1000 schon zahlreiche Krankenhäuser, zu denen ein Stab von Fachärzten – Internisten, Orthopäden, Augenärzte – zählte. Auch die Chirurgie war fortgeschritten, da man häufig besser mit der menschlichen Anatomie vertraut war als im Westen. Das lag unter anderem daran, dass die christliche Kirche die Sezierung von Menschen aus Glaubensgründen ablehnte, und drakonisch bestrafte. Viele abendländische Ärzte waren daher bis zur frühen Neuzeit nur unvollkommen mit der menschlichen Anatomie vertraut. Was das für chirurgische Eingriffe bedeutet, kann man sich vorstellen.

Weitere zivilisatorische und kulturelle Leistungen der Araber erstreckten sich auf die Literatur, die Baukunst, die Landwirtschaft usw. Man kann sagen, dass das Abendland bis ins 15. Jh. hinter den Arabern herhinkte und erst danach den Vorsprung aufholte, der dann nach der Industriellen Revolution im 19. Jh. (zunächst) uneinholbar wurde.
 
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Einige bescheidene Anmerkungen dazu - bitte nicht persönlich nehmen, Dieter... ;)

Dieter schrieb:
Man kann sagen, dass das Abendland bis ins 15. Jh. hinter den Arabern herhinkte und erst danach den Vorsprung aufholte, der dann nach der Industriellen Revolution im 19. Jh. (zunächst) uneinholbar wurde.

Wie ich bereits mehrfach erwähnte, widerspreche ich nicht, daß die arabisch-islamische Welt einen Vorsprung hatte, sondern bitte lediglich zu bedenken, daß dieser nicht so groß war wie oftmals gern angenommen wird.

Dieter schrieb:
Die arabische Medizin fußt besonders auf persischen und griechischen Grundlagen und entwickelte sich bereits früh eigenständig weiter. Man kannte in Bagdad um das Jahr 1000 schon zahlreiche Krankenhäuser, zu denen ein Stab von Fachärzten – Internisten, Orthopäden, Augenärzte – zählte. Auch die Chirurgie war fortgeschritten, da man häufig besser mit der menschlichen Anatomie vertraut war als im Westen. Das lag unter anderem daran, dass die christliche Kirche die Sezierung von Menschen aus Glaubensgründen ablehnte, und drakonisch bestrafte. Viele abendländische Ärzte waren daher bis zur frühen Neuzeit nur unvollkommen mit der menschlichen Anatomie vertraut. Was das für chirurgische Eingriffe bedeutet, kann man sich vorstellen.

Hierzu noch eine Ergänzung, um klarzumachen, wie gefährlich Verallgemeinerungen sein können...
Ich hatte bereits in früheren Beiträgen auf die Geschichte des christliche Hospitalwesens hingewiesen; und gerade hier relativieren sich auch die Aussagen zu einer grundsätzlichen christlichen Unvertrautheit bezüglich der Anatomie.
Richtig ist, daß Sezierungen aus Glaubensgründen verboten waren; andererseits aber verfügten bspw. die Johanniter (Hospitaliter) über entsprechende Studientafeln u.ä. und auch über ausgezeichnete anatomische Kenntnisse.
Lit.: Jonathan Riley-Smith "Hospitallers. The History Of The Order Of St. John"
 
Es lag mir fern, Timo, die besagte "haushohe Überlegenheit" zu postulieren. Ich wollte lediglch an einigen konkreten Beispielen verdeutlichen, wo die wissenschaftlichen und kulturellen Stärken der arabischen Welt lagen. Das wird, glaube ich, ohne besondere subjektive Wertung deutlich.
 
Dieter schrieb:
Es lag mir fern, Timo, die besagte "haushohe Überlegenheit" zu postulieren. Ich wollte lediglch an einigen konkreten Beispielen verdeutlichen, wo die wissenschaftlichen und kulturellen Stärken der arabischen Welt lagen. Das wird, glaube ich, ohne besondere subjektive Wertung deutlich.

Das ist mir durchaus bewußt; ich bin mir nur noch immer nicht sicher, ob dies anderen ebenso deutlich geworden ist.
So wollte ich auch das "bitte nicht persönlich nehmen" verstanden wissen... :friends:

Aber egal - wir drohen, uns vom Thema "Tours und Poitiers" zu entfernen... weshalb ich mir erlaube, auf die Auswirkungen jener arabischen Niederlage zurückzugehen...

Letztendlich ist es mE zweitrangig, ob die Araber in das entstandene Machtvakuum (welches nach einer fränkischen Niederlage zweifellos entstanden wäre) vorgestoßen wären und/oder eine arabische Eroberung Frankreichs stattgefunden hätte oder nicht - oder ob es überhaupt lohnenswerte Beute dort für die Araber gegeben hätte oder nicht.
Viel vordergründiger steht doch, daß das Frankenreich zu dieser Zeit bereits ein politisch gewichtiges Territorium im westlichen Europa war - das Langobardenreich hatte verglichen dazu begrenzte und geringere Macht, das Reich der Angeln und Sachsen war peripher.
Eine fränkische Niederlage hätte demnach wohl v.a. das Fehlen einer späteren Großmacht (zu denen das Frankenreich neben Byzanz und dem Kalifat um 800 von Historikern gerechnet wird) und damit eines wichtigen Konsolidierungsfaktors für das spätere abendländische Europa bedeutet.
 
In der Beurteilung der Schlacht von Tours und Poitiers findet man gegenwärtig unterschiedliche Bewertungen. Während die einen sie für bedeutend – wenn nicht gar entscheidend – halten, meinen andere, die Schlacht würde "häufig überbewertet". Es gibt also keine klare Lehrmeinung, sodass es uns durchaus überlassen bleibt, eigene Maßstäbe anzulegen.

Man muss sich vor Augen halten, dass die Araber erst 711 die Westgoten besiegt hatten und unaufhaltsam nach Norden bis zu den Pyrenäen vorgestoßen waren. Bereits 719 gab es arabische Vorstöße über die Pyrenäen hinweg, die mit der Besetzung von Narbonne endeten. Dann folgten neue Einfälle in Aquitanien und Burgund, die zur Eroberung von Carcassonne und Nimes führten. 732 rückte der arabische Statthalter Abdarrahman dann weiter nach Norden vor und es liegt nahe zu vermuten, dass er nunmehr den einzigen noch verbleibenden Gegner – nämlich das Frankenreich – ausschalten wollte. Das liegt einfach in der Logik dieses unablässigen Vordringens von Gibraltar gen Norden begründet!

Natürlich folgten auf die Schlacht bei Poitiers noch andere Abwehrschlachten, die Karl der Große erfolgreich gegen die Araber bestritt. Man könnte daher auch sagen, dass erst die Summe dieser Abwehrhandlungen einen weiteren Vorstoß der Araber vereitelte. Das hätte aber ebenso gut anders ausgehen können, und es bleibt der Fantasie überlassen, wie die europäische Geschichte dann wohl verlaufen wäre.
 
Dieter schrieb:
Man muss sich vor Augen halten, dass die Araber erst 711 die Westgoten besiegt hatten und unaufhaltsam nach Norden bis zu den Pyrenäen vorgestoßen waren [...] und es liegt nahe zu vermuten, dass er nunmehr den einzigen noch verbleibenden Gegner – nämlich das Frankenreich – ausschalten wollte. Das liegt einfach in der Logik dieses unablässigen Vordringens von Gibraltar gen Norden begründet!

Ich sehe das nicht so. Der rasche Zusammenbruch des Westgotenreiches dürfte die Mauren (ethnische Araber waren in der Tat die wenigsten, die meisten waren Berber) genauso überrascht haben, wie die Westgoten selber. Was musste auch ein Flügel des Westgotenheeres mitten in der Schlacht zum Feind überlaufen? Die Crux lag im westgotischen Wahlkönigtum. Hier hatten sich inzwischen bis aufs Blut verfeindete Parteien gebildet und nun liefen die die Söhne des vorletzten Königs, die sich die Nachfolge erhofft hatten, statt Roderich, einfach über. Vermutlich erhofften sie sich so den Thron zu bekommen. Tariq dagegen schien gut informiert. Die Quellen zumindest berichten (wobei das vergleichsweise junge Alter dieser Quellen, zwei Jahrhunderte nach den Ereignissen, für den Historiker problematisch ist), dass Julian, Statthalter der Byzantiner oder Westgoten in Tingis (heute Tanger), Tariq nach dem ersten Erfolg am Guadalete sehr genau informierte, was er nun zu tun habe. So befand sich der westgotische Adel auf der Flucht, oder schloss Verträge mit den Eroberern, während diese Toledo den Ort der Könisgwahl besetzten. Der uneinige westgotische Adel konnte sich natürlich nicht auf eine andere Stätte einigen. Und plötzlich war Spanien bis auf einen kleinen Streifen an der Nordküste auf der politischen Landkarte des frühen achten Jahrhundets grün eingefärbt.
 
Deine Argumentation ist durchaus korrekt, El Quijote. Die Tatsache bleibt aber unverändert bestehen, dass sich die Araber (oder Mauren) nach der problemlosen Eroberung des Westgotenreichs weiter nach Norden wandten. In welchen Feldzügen das geschah, habe ich oben geschildert.

Die leichte Eroberung des Westgotenreichs sagt auch überhaupt nichts über den stetigen Expansionsdrang der Araber aus. Immerhin brachten sie in knapp 100 Jahren ein Reich zusammen, das vom Indus bis zur Atlantikküste reichte. Manche Staaten fielen dabei den muslimischen Heeren wie eine reife Frucht in den Schoß – so z.B. die ostgotischen Gebiete in Vorderasien und Nordafrika oder die chwaresmischen Staaten – andere mussten in mehrjährigen Kriegen erobert werden, wie z.B. das sassanidische Perserreich 633–651.

Die "Leichtigkeit" oder "Schwere" der Eroberungen sagt also nichts über das ungebremste Expansionsstreben aus und wenn man eine Geschichtskarte um das Jahr 600 mit einer von 750 vergleicht, wird erst das ganze Ausmaß der explosionsartigen Ausweitung des islamischen Machtbereichs sichtbar.

Ich bin somt unverändert der Meinung, dass nur das stabile Frankenreich ein weiteres Vordringen der Muslime nach Zentraleuropa hinein verhinderte.
 
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Nun ja, Dein vorletzter Beitrag las sich so, als sei das alles von langer Hand geplant gewesen, und das war es nicht.
Was auch zu bedenken ist, ist dass Tariq und Musa nach Damaskus abberufen wurden und dort für ihr eigenmächtige Vorgehen bestraft wurden. Musa hatte seinen Sohn 'Abd al-'Aziz als Statthalter in Sevilla zurückgelassen, nach dessen Ermordung bis zur Ankunft des Umayyaden 'Abd ar-Rahman I. befand sich al-Andalus in einem beständigen Bürgerkrieg zwischen Arabern und Berbern bzw. zwischen Nordarabern und Südarabern. Die vielen wechselnden Statthalter wurden nur selten von Kairouan oder gar Damaskus bestätigt, die Herrschaft der Kalifen über das vollkommen peripher gelegene al-Andalus war bloß nominell. Von einem geplanten sukzessiven Vorgehen weiter nach Norden können wir daher imho nicht reden. Deshalb bin ich der Meinung: Raubzüge ja, mehr nicht.
 
Die ungebremste Expansion der Araber geriet erst Ende des 8. Jh. in ein ruhigeres Fahrwasser, nicht jedoch schon in der Zeit zwischen 700 und 750, in der nicht nur das Westgotenreich vernichtet, sondern zahlreiche Vorstöße nach Byzanz und Sizilien vorgetragen wurden.

Die Schlacht bei Tours und Poitiers kann man auch nicht als Ergebnis eines "kleinen Raubzugs" bezeichnen und eine derartige Verniedlichung habe ich noch nie vernommen. Angesichts der Tatsache, dass ein Statthalter an der Spitze eines nicht gerade kleinen muslimischen Heers stand, verbietet sich das.
 
Also ich schrieb "Raubzug", der Zusatz "klein" stammt von Dir. Wikipedia (nein, ich will das nicht als Beweis verstanden wissen) stützt meine Behauptung vom Raubzug:
http://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_bei_Tours_und_Poitiers
Es handelte sich eher um das raubzugmäßige Ausziehen einiger hunderter bis tausender Soldaten durch eine dünn besiedelte Landschaft, die solchen Gruppen faktisch kaum Widerstand bot, die auch - selbst im Falle militärischer Erfolge - damit längst noch nicht in der Lage gewesen wären, ihre örtliche Vorherrschaft mittelfristig zu sichern.

http://de.wikipedia.org/wiki/Abd_ar-Rahman_(Militär)
Unklar ist, ob von ihm die Eroberung des gesamten Frankenreiches geplant war; tatsächlich war sein Vormarsch wohl eher als ein Raubzug gegen die reiche Stadt Tours gedacht, allerdings wurde im Oktober sein Heer auf halbem Wege zwischen Tours und Poitiers nahe Chatellerault von den Truppen Karl Martells gestellt.

Es ist natürlich zu vermuten, dass an beiden Artikeln dieselben Schreiber mitgewirkt haben.
Ulrich Nonn meint in seinem Beitrag zur Schlacht in Höhepunkte des MAs, dass es sich im wesentlich um eine Strafexpedition gehandelt habe: ein Berberführer Munnuz, ein Gegenspieler 'Abd ar-Rahman al-Ghafiqis, habe die Tochter des fränkisch-aquitanischen Herzogs Eudo von diesem zur Frau erhalten und sich schließlich auch dorthin zurückgezogen. Auf der anderen Seite sieht Nonn die Loire als Interessengrenze der Mauren.
 
Ich habe selbst Beiträge in Wikipedia verfasst und dabei festgestellt, dass man sich nicht blindlings auf die historische Glaubwürdigkeit und Seriösität aller Artikel verlassen kann. Wir sollten also besser Meinungen austauschen und versuchen, uns ein eigenes Bild zu machen.

Ich habe die Geschichte um den Berber Munnuz draußen vor gelassen, um die Debatte nicht unnötig zu komplizieren. Sie spielt in diesem Zusammenhang auch keine sonderlich große Rolle. Also nur kurz:

Der neue Statthalter Abdarrahman hatte als Gegenspieler den Berberfürsten Munnuz, mit dem sich Herzog Eudo von Aquitanien nach seinem Sieg 721 vor Toulouse verbündete. Munniz, der sogar Eudos Tochter heiratete, konnte sich aber gegen den arabischen Statthalter nicht durchsetzen und musste auf dessen Zug nach Tours im Jahr 731 eine schwere Niederlage bei Bordeaux hinnehmen. Herzog Eudo floh anschließend hilfesuchend zu Karl Martell. Wenig später trafen das christliche und arabische Heer bei Poitiers im Oktober 732 aufeinander.

Karl trat den Arabern (bzw. Mauren) mit einem Heer aus Franken und Burgundern entgegen. Nach 7 Tagen gegenseitiger Beobachtung und kleinerer Manöver trafen die Heere an einem Samstag im Oktober 732 aufeinander. Die arabische Reiterei zerbrach "an der unbeweglichen Menschenmauer der Franken " (Isidori cont.). Der Statthalter Abdarrahman fiel, seine Truppen flohen zu ihrem festen Stützpunkt Narbonne. Karl blieb in zahlreichen weiteren Kämpfen mit den Arabern siegreich und drängte sie aus Südgallien heraus. Lediglich Septimanien blieb in arabischer Hand.

Somit steht die Schlacht bei Tours und Poitiers in einer Reihe bedeutender Erfolge Karls bei der Abwehr der A raber und hat gewiss eine zentrale Bedeutung. Wie man das auch sieht: Nur von einem "Raubzug" kann gewiss keine Rede sein."
 
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