Dass Südniedersachsen vor Karl dem Großen zum Frankenreich zählte, möchte ich stark bezweifeln. Vor mir liegen einige Geschichtsatlanten, die durch die Bank das Frankenreich zur fraglichen Zeit erst südlich vom Zusammenfluss von Werra und Fulda beginnen lassen, d.h. ab einer Linie auf der Höhe von Fritzlar und Büraburg.
Um 700 reicht das Gebiet der Sachsen von Ostsee, Eider und Schlei bis zu Ijssel, Rhein, Sieg, Diemel, Werra, Unstrut und Saale (vgl. Großer Atlas zur Weltgeschichte, Lexikon der deutschen Geschichte usw.)
Die Stammesbildung der Sachsen ist in der Forschung bis heute umstritten, doch wird vielfach angenommen, dass Chauken, Angrivarier, Langobarden, Cherusker, Thüringer und andere zu ihr beitrugen. Ich sage ausdrückllich "beitrugen", da z.B. von den 490 n. Chr. von der Elbe abgewanderten Langobarden nur noch wenige zurückgebliebene Stammesangehörige vorhanden waren, die mit den Sachsen verschmelzen konnten, und die Cherusker kaum mehr als unbedeutende Reste aufwiesen (vgl. meine Ausführungen oben).
Man muss sich immer wieder klar machen, dass die Vorstellung ethnisch einheitlicher Völker, wie sie durch das 19. und die erste Hälfte des 20. Jh. geprägt wurde, ein unhaltbares Konstrukt ist. Entscheidend war oft nicht die Abstammung im biologischen Sinn, sondern der Glaube an eine gemeinsame Herkunft. Deshalb war es möglich, als Gote geboren zu werden, als Hunne aufzuwachsen und später als Wandale zu kämpfen. Zu Recht sprechen deshalb manche von der "Polyethnie" der Völker in dieser Zeit.
Von einer Beherrschung durch Franken kann wohl keine Rede sein, höchstens - wie Cherusker oben bemerkt - von Bündnissen oder aber auch Keilereien zwischen Sachsen und Franken.
Was zu beweisen wäre. Ich sage ja, es gibt einmal die im 19. Jh. unter dem Historiker Leo aufgekommene Theorie der sächsischen Eroberungslehre und es gibt zum anderen, die schon seit dem 17. Jh. bestehende Theorie (von Rancke u.a.) der fränkischen Oberhoheit über Sachsen seit der Beseitigung des Thüringer Königreiches, welches militärisch weit besser organisiert war. Sachsen als geograpisches Gebiet von Niedersachsen war mehr ein Spielball zwischen fränkischem und thüringischem Königshaus, welche fast ebenbürtig waren. Die Zerschlagung dieses von der Ostsee bis an die Donau reichenden Einflußbereiches war für die Franken ein enorm wichtiger Schritt, bei dem die Sachen gleich mit erobert wurden. Das es nicht, wie wir es heute kennen, eine feste staatliche Struktur errichtet wurde, ist durchaus klar. Auch die Bezeichnung der im nördlichen Thüringen lebenden Gruppen unter dem fränkischen Sammelbegriff "Sachsen" macht diese ethisch nicht sächsisch. Bis ins 12. Jh. sind in Mecklenburg und in der Altmark keine sächsischen Siedlungen nachzuweisen. Auch die
Das Ost-und Nordharzgebiet und die Börde weisen durchweg thüringische Spuren mit zunehmend fränkischem Einfluß auf. Die -leben, -stedt , -ingen, -ungen, heim Siedlungen sind für diese gegend fast flächendeckend. Selbst das alte Gutingi hat trotz seiner späten Erwähnung im 9. Jh. einen thüringisch/fränkischen Wortstamm.
Die fränkischen Reichsklöster Fulda und Hersfeld wurden im Werra-Fulda Raum errrichtet zur Missionierung Thüringens.