Der Kolonialismus entstand aus der technologischen und/oder soziökonomischen Überlegenheit gegenüber Völkern, die in diesen Bereichen auf einer niedrigeren Stufe standen. Das hat es in der Geschichte schon immer gegeben, siehe zum Beispiel die Expansion des alten Ägyptens in die Nachbarländer oder die römische Expansion und Kolonisierung des Mittelmeerraumes und halb Europas. Die eroberten Ländereien samt der Bevölkerung waren dazu da, zum Wohle Ägyptens/Roms ausgebeutet zu werden. Die Ägypter/Römer konnten das tun, weil sie technologisch, ökonomisch und militärisch dazu in der Lage waren.
Auch Europäer der Neuzeit gingen so vor – weil sie es konnten. Aber während Ägypter und Römer bei ihren Sklaven keine Unterschiede bei der Hautfarbe machten – zum Sklaven konnte jeder kriegerisch Unterworfene gemacht werden – gibt es im Spätmittelalter und früher Neuzeit eine Unterscheidung zwischen den Weißen und den Schwarzen: Die letztgenannten wurden als zum Sklavensein geboren betrachtet Warum? Weil eine Stelle in der Bibel in jener Zeit so interpretiert wurde –
Zitat:
Auf Noachs drei Söhne Sem, Ham und Jafet geht nach Genesis 10,1–32 EU die Aufspaltung der Menschheit in die drei damals bekannten unterschiedenen Völkerschaften zurück.
Und
weiter:
Noach verflucht Kanaan, Hams Sohn, und sagt, dass dieser samt seiner Nachkommen „Sklave von Sklaven“ sein werde. Hebräische Gelehrte gebrauchten diese Passage, um die israelitische Unterwerfung Kanaans zu rechtfertigen. Diese Gelehrten, die im 6. Jahrhundert n. Chr. wirkten, führten die Idee ein, dass die Söhne Hams schwarze Haut besäßen. Christliche Gelehrte griffen im Mittelalter diese Idee auf, dass die Söhne Hams durch ihre Sünden „geschwärzt“ seien …
(…)
Die Hamitentheorie ist die Bestätigung eines abwertend gemeinten Gegensatzes des Eigenen gegenüber dem Konstrukt aus dunkel und fremd, schwarz und fern. Arabische Sklavenhändler und Europäer, die ab 1500 Sklaven nach Amerika brachten, konnten über den Mythos von Ham einen „beklagenswerten Zustand“ der afrikanischen Gesellschaft feststellen und daraus die moralische Akzeptanz der Verschleppung herleiten.
Auch der Papst hat das Seinige dazu beigetragen –
Zitat:
Anfang des 15. Jahrhunderts waren die Portugiesen auf ihren Entdeckungsreisen am Kap Blanco (Westafrika) erstmalig auf indigene Bewohner gestoßen. Mit der Bulle Dum diversas erhielten sie nun vom Heiligen Stuhls die Erlaubnis, diese Menschen zu versklaven. Diese Praxis war bereits schon länger üblich, war aber zuvor vom Papst sanktioniert worden.[1]
Aus heutiger Sicht sind diese Argumentationen absurd, aber damals war das die tägliche Praxis – bis in den 19. Jhdt. hinein und bei manchen noch darüber hinaus.
PS: Dass die Kirche so lange an einem geozentrischen Weltbild festhielt, ist auch der Dreirassen- bzw. Dreivölkerschaftentheorie geschuldet: Bei einer Erde als Planet, könnten auf anderen Planeten auch „Menschen“ leben, die einer vierten Rasse zugeordnet werden müssten, die es aber laut Bibel nicht gibt bzw. nicht geben kann.
PPS: Langsam nervt mich diese Herumreiterei auf Kolonialismus, der nur ein Ausdruck oder eine Folge des Kapitalismus ist, in dem das Gewinnstreben etwas Legitimes ist. Vor 2 Wochen war ich in einer Lesung, in der eine angehende Philosophin aus ihrem Essay las, den sie wohl veröffentlichen will. Sie reihte ein Klischee ans andere, bis es einem Zuhörer zu viel wurde und fragte: „Müssen wir uns jetzt schämen, wenn wir Tee oder Kaffee trinken, weil das auch eine Folge unserer Kolonialgeschichte ist?“ Und was antwortete sie? „Ja, das wäre ein guter Anfang.“
Ich habe nichts mit dieser Kolonialgeschichte zu tun, und sofern mir bekannt, auch meine direkten Vorfahren nicht. Und selbst wenn – soll ich mir dafür schämen, dass ich ein Weißer bin? Für meine Haut kann ich genauso wenig wie ein Schwarzer für seine. Außerdem ist das ein Denken, das den Rassengedanken weiter kreisen lässt: Hier die Weißen, dort die Schwarzen. Ich dachte, wir wollen das abschaffen?