Die Sarazenen in der Schweiz

Im Süden standen sie immerhin in Piacenza am Ostrand der Poebene. Also why not.

Und so erstaunlich ist das alles gar nicht. Bedenke, von Kalabrien an die Alpengrenze, das
ist für Schweizer/Westösterreicher eine Strecke die man mit halb geschlossenen Augen
abspult. Eine langweilige Gerade ohne Herausforderung. Also mit Blick auf die historischen Siedlungen und Moscheen dort unten.....ich denke man war einfach blitzschnell bei uns oben und vice versa, heute wie damals. Mit oder ohne Autobahn. Das war damals möglicherweise der endlose Strand. Meines Erachtens wäre der Weg von Kalabrien trotz der Länge bequemer gewesen als von St. Tropez.
 
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Die Sarazenen kamen doch mit dem Schiff.

Zur Zeit, als sie sich im Süden des Königreichs Burgund festsetzten und von dort aus Züge ins Landesinnere unternahmen, waren die Sarazenen in Süditalien außerdem schon selbst arg in Bedrängnis.
 
Ich bin der Letzte, der in Chroniken Fakten sieht;).
Oh, es ging gar nicht darum, die Angabe Liutprands in Bausch und Bogen zu verdammen, sondern darum, dass du aus Liutprands Angabe ein Privileg rekonstruiert hast, das von ihm nicht behauptet wird. Es steht zwar nciht im Widerspruch zur Quelle, aber wird eben von dieser auch nicht propagiert. Somit ist es eben kein Fakt sondern ein Faktoid. Das ist so ähnlich wie bei der in verschiedenen Fernsehdokus wiederholten und dadurch multiplizierten Legende, wonach der Cherusker Arminius als Kind von den Römern mit nach Rom genommen und dort erzogen wurde. In den Quellen steht nichts dergleichen, aber es wird von vielen als Tatsache geglaubt, es ist aber eben keine Tatsache (Fakt) sondern eine als Tatsache geglaubte Erzählung (Faktoid). Faktoide können mehr oder weniger plausibel sein, sie können sogar faktisch korrekt sein, nur dass wir das aus den uns bekannten Daten nicht belegen können.
 
es ist aber eben keine Tatsache (Fakt) sondern eine als Tatsache geglaubte Erzählung (Faktoid).
Das meine ich ja auch. Selbst wenn Liutprand geschrieben hätte, Hugo habe den Sarazenen ein Wegzollrecht erteilt, wäre es immer noch nicht sicher, ob er (Liutprand) dies auch nur aus dem Vertrag ableitete oder ob es tatsächlich so war.

Dazu fand ich eine interessante These, die basierend auf den al-Muqtabis des Ibn Hayyan annimmt, dass mit Liutprands foedus gar nicht ein Vertrag mit den sich in den Alpen befindenden Sarazenen gemeint ist, sondern ein Handelsvertrag mit ʿAbd ar-Rahmān III. Bei dessen Friedensverhandlungen mit dem Herrscher von Barcelona, einem gewissen Šunyīr ibn Ğunfrīd al-Ifranğī, soll ein Mann namens Unğuh, Regent von Neapel, anwesend gewesen sein, der ein Freihandelsabkommen erreichen wollte. Einige Historiker sehen in diesem Unğuh unseren Hugo.
Jedenfalls soll dieser Vertrag an Nasr ibn Ahmad, dem qa'id von Farahsanit (Fraxinetum?) geschickt worden sein.

Demzufolge hätten dann die Sarazenen in den Alpen das Freihandelsabkommen als Wir-dürfen-machen-was-wir-wollen-Abkommen interpretiert.
Auch Otto I. scheint später ʿAbd ar-Rahmān III. als Oberhaupt der Sarazenen betrachtet zu haben. Dessen Verhältnis zu den Leuten in Fraxinetum ist aber unklar.

Das passt auch gut zu Liutprands Aussage tu, ut obtineas, nocentes et morte dignos dimittis, also mehr ein Zulassen verbrecherischer Umtriebe als die Erteilung eines Privilegs.
Liutprand, Antapodosis,V 17 , Seite 139.

In diesem Sinne nehme ich mein Faktoid zurück, da es mir immer unwahrscheinlicher erscheint.

(PDF) The Arab Presence in France and Switzerland in the 10Th Century ,
Kees Versteegh, 1990, Seite 368-369
Fraxinetum: An islamic frontier state in tenth-century provence, Mohammad Ballan in Comitatus: A Journal of Medieval and Renaissance Studies, Vol.41 (2010)
La Méditerranée Occidentale et Al-Andalus de 934 à 941: Les données d'Ibn Ḥayyan, Pedro Chalmeta
 
dem Herrscher von Barcelona, einem gewissen Šunyīr ibn Ğunfrīd al-Ifranğī,
Dabei dürfte es sich um Suniário I, Sohn von Wilfred dem Haarigen (oder in Ibn Ḥayyāns Version Wilfred dem Franken) handeln.

soll ein Mann namens Unğuh, Regent von Neapel, anwesend gewesen sein, der ein Freihandelsabkommen erreichen wollte. Einige Historiker sehen in diesem Unğuh unseren Hugo.
Italienisch Ugone, mit dem -n- als Gleitlaut, warum nicht. Dagegen spricht, dass das <g> ein [g] ist und das wurde im andalusischen Arabisch normalerweise als [q] wiedergegeben, nicht als [ğ] Bsp: Gades > Qādis > Cádiz; Caesarea Augusta > Saraqusta > Zaragoza

Farahsanit (Fraxinetum?)
Faraḫšanīṭ. Fraxinetum!
 
Neapel wurde zu Hugos Zeit von Herzögen regiert und stand unter formeller Oberhoheit von Byzanz. König Hugos Macht konzentrierte sich auf Norditalien. Wenn er mit einem "Unğuh", Regent von Neapel, gemeint gewesen sein soll, würde das für eher vage Kenntnisse des arabischen Autors sprechen.
Der Herzöge von Neapel zu Abd ar-Rahmans III. Zeit allerdings hießen Gregor, Johannes und Marinus, passen also auch nicht besser.
 
Ibn Ḥayyān lebte im 11. Jhdt., seine Schaffensperiode lag nach Untergang des Kalifats von Córdoba, wir sprechen hier von einem Sachverhalt, der noch zur Zeit des Emirats bzw. in der Frühphase des Kalifats (ab 927) stattgefunden haben soll, also ca. 150 Jahre vor Abfassungszeit der Muqtabis.
 
Neapel ist nur die Übersetzung Chalmetas. Er sieht ein Nʾbl in den Muqtabis.
Pierre Guichard schreibt es phonetisch als Undjuh von Nâbil.
Enrica Salvatori sieht ein .ab.l und übersetzt das mit Arles, kommentiert mit Chalmeta traduce Napoli... mah!

https://esalvatori.hypotheses.org/files/2014/03/DocumentiMidianteXI1.pdf, Seite 184
Animation maritime et développement urbain des côtes de l'Europe orientale et du Languedoc au Xe siècle - Persée , Seite 196

@El Quijote kannst du dir darauf einen Reim machen?
 
Wenn ich mir die Mittelmeer-Karte des Ibn Hauqal – Wikipedia von ca. 950 anschaue File:Mapa do Magreb, Ibn Hawqal (c. 950).jpg - Wikimedia Commons und deren Übersetzung https://journals.openedition.org/belgeo/docannexe/image/8801/img-6.jpg , dann liegt Neapel (das dritte von links im schwarzen Bereich) schon dort, wo man den Herrschaftsbereich Hugos vermuten kann.
Er schrieb noch dazu:
Das Gebiet von Amalfi grenzt an das von Neapel; Das ist eine schöne Stadt, aber weniger wichtig als Amalfi. Der Hauptreichtum von Neapel besteht aus Leinen und seinen Stoffen (...). [Das Territorium] von Neapel grenzt an das von Gaeta, dann setzt sich das christliche Territorium entlang des Meeres bis zum Land der Franken fort ...

Vielleicht hatte Ibn Ḥayyān diese Karte im Kopf?
 
Wenn ich mir die Mittelmeer-Karte des Ibn Hauqal – Wikipedia von ca. 950 anschaue File:Mapa do Magreb, Ibn Hawqal (c. 950).jpg - Wikimedia Commons und deren Übersetzung https://journals.openedition.org/belgeo/docannexe/image/8801/img-6.jpg , dann liegt Neapel (das dritte von links im schwarzen Bereich) schon dort, wo man den Herrschaftsbereich Hugos vermuten kann.
Er schrieb noch dazu:
Das Gebiet von Amalfi grenzt an das von Neapel; Das ist eine schöne Stadt, aber weniger wichtig als Amalfi. Der Hauptreichtum von Neapel besteht aus Leinen und seinen Stoffen (...). [Das Territorium] von Neapel grenzt an das von Gaeta, dann setzt sich das christliche Territorium entlang des Meeres bis zum Land der Franken fort ...

Vielleicht hatte Ibn Ḥayyān diese Karte im Kopf?

Die Karte weist einige Probleme auf. Z.B. der Genil, der fließt bei Écija in den Guadalquivir. Hier auf der Karte fließt er bei Algeciras ins Meer. Málaga, eine Seestadt, liegt mitten im Land.

Da wo die übersetzte Karte Amalfi lokalisiert, sind eigentlich nur die Buchstaben -l-f zu erkennen.
Anerkennen kann ich Pisa, Neapel und u.U. auch Gaeta, wobei die Buchstaben hier unklar sind, die diakritischen Punkte sind etwas verwirrend.
 
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