Hallo El Quijote,
1. Das Geschlecht der verwendeten Namen für die Flüsse.
Allgemein gilt: Man erkennt das Geschlecht eines Nomens entweder aus der Bedeutung des Nomens (natürliches Geschlecht) oder aus dem Wortausgang (grammatisches Geschlecht). Bei menschlichen Wesen richtet sich das grammatische Geschlecht nach dem natürlichen (also: agricola= der Bauer); bei den übrigen ist das Geschlecht aus dem Wortausgang zu erkennen: -a = fem; -us= masc; -um = neutr. Die wichtigsten Ausnahmen sind im folgendem Verslein genannt:
Die Männer, Völker, Flüsse, Wind
und Monat Maskulina sind.
Die Frauen, Bäume, Städte, Land
und Inseln weiblich sind benannt.
Was man nicht deklinieren kann,
das sieht man als ein Neutrum an.
Der reinen Grammatik nach können Amisia und Lupia keine Flussbezeichnungen sein!
[...]
Aber wer will mir ernsthaft begründen, dass ausgerechnet diese beiden Flussnamen die berühmte Ausname von der Regel sind?
Die Ruhr (Rura), die Rur, die Ems (Amisia), die Weser (Visurgis), die Themse, die Lippe (Luppia), die Ijssel, die Unstrut, die Weichsel (Vistula), die Neisse, die Oder, die Spree, die Havel, die Loire (Ligara), die Seine (Sequana), die Maas (Mosa), die Mosel (Mosella), die Saale (Sala), die Donau...
2. Es existieren zur damaligen Zeit in Germanien zwei Städte/Ortschaften mit genau den gleichen Namen, zu sehen auf der Detailkarte der magna germania aus der Cosmographia des Ptolemäus.
Ich stellte die Frage heute Nachmittag bereits: Warum soll sich Tacitus vertan haben und nicht Ptolemaios? Mit welchem Recht wird das bei dem einen angenommen und bei dem anderen ausgeblendet?
3. Es gibt diesen "Verwechslungsfehler" bei Tacitus, wo statt an der "Ems" die Handlung an der "Weser" fortsetzt.
Wenn es sich denn um einen Verwechselungsfehler handelte. Zumal man normalerweise davon ausgeht, dass Tacitus sich nicht mit der Ems vertan hat, sondern mit einem westlich von dieser gelegenen Fluss.
4. Benutzung der Ems (relativ schmal, nicht in voller Länge schiffbar, eigentlich zu nahe am Rhein um einen deutlichen Anmarschvorteil zu Schiff zu erzielen) als Aufmarschbasis zum Angriff auf die Cherusker ist militärisch nicht erste Wahl.
Wie Riothamus schon feststellte, hätte Germanicus ins Irrenhaus gehört, wenn er die Weser hinaufgesegelt wäre.
Die Weser bietet in allen Belangen dafür wesentlich bessere Voraussetzungen (breiter, durchgängig schiffbar, führt direkt durch das Gebiet der Chauken in das Kernland der Cherusker. Somit ist das Überraschungsmoment deutlich gegeben, da viel schnellerer Anmarsch möglich, auch weil kaum Sümpfe zu umgehen sind.
Es kommt darauf an, wohin mal will. Wenn man allerdings Caecina mit vier Legionen in einem Gebiet opfern möchte, in dem sechs Jahre zuvor drei Legionen vernichtet wurden, dann könnte man deiner Hypothese Plausibilität abgewinnen. Wenn man das nicht möchte, sind allmähliche Vorstöße doch eher die erste Wahl.
1. Tacitus selbst, nichts von der Existenz der Orte, aber von den ähnlich klingenden Flüssen wissend, schreibt seinen Text nach dem ihm vorliegenden Einsatzberichten der Legionen oder anderer Historiker in etwa so, wie wir den Text vorliegen haben, indem er Amisia und Lupia als Flüsse bezeichnet.
Also ist die Flotte tatsächlich über Land gefahren?
Noch mal die Frage: Warum wird Tacitus der Fehler unterstellt, nicht Ptolemaios? Warum ignorierst du, dass der Ort Amisia am Rhein gelegen haben müsste, was deine Hypothese ad absurdum führt?
2. Ein beliebiger Kopist mit gleichem Kenntnisstand wie oben bei Tacitus beschrieben, nimmt seinerseits einen Abschreibfehler eines seiner Vorgänger an und korrigiert im ganzen Text die Stellen, wo Amisia und Lupia vorkommen, indem er sie zu Gewässern macht, natürlich in bester Absicht.
Und korrigiert zweimal die Flotte nebst Katastrophe im Wattenmeer hinzu...
Erstaunlicherweise ändert sich dadurch (natürlich) nichts am Ablauf der Aktionen, nur verlagerte sich das ganze Geschehen direkter ins Cheruskergebiet,
Es ist aber doch gar nicht vom Cheruskergebiet die Rede sondern vom Gebiet
der Brukterer.
Erst
im Jahr 16, wo Germanicus
wieder an der Ems landet, um von dort zur Weser zu marschieren, befindet er sich an der Weser.
wo es laut grundsätzlicher Aufgabe, die Varusschmach am Verräter zu sühnen, auch hingehört.
Nun, offenbar waren ja auch andere Stämme außer den Cheruskern an dem Verrat beteiligt, nicht war, weshalb man bei ihnen ausdrücklich Legionsadler wiedererobern und Gefangene befreien konnte. Und da fängt man normalerweise vor der Haustür mit dem kehren an, nicht dass man gerade die Cherusker bekämpft und die Chatten, Marser oder Brukterer einem in den Rücken fallen oder wahlweise den Rhein überqueren...
Einzelne Vorgehensweisen werden sogar etwas logischer, z.B. findet die Verwüstung des Landes zw. Amisia und Lupia im Wesentlichen beim Hauptfeind statt - schon um ihn zur Schlacht zu zwingen - und auch die Lokalisierung des bisher einzig entdeckten Schlachtfeldes würde logisch nur ein Ergebnis haben.
Ich dachte die Cherusker waren der Hauptfeind und nicht die Brukterer? Deren Land wurd doch verwüstet. Ganz ausdrücklich.
Außerdem, lieber El Quijote, brauchte Germanicus, dem beim Anblick des wiedergeholten Legionsadlers das Bedürfnis empfindend, die Gefallenen zu ehren und zu bestatten, nun nicht quasi in nordwestliche Richtung umzuschwenken um zum angenommenen Varusschlachtfeld bei Kalkriese zurückzumarschieren, wo er sich doch beim angeblichen Ausschiffen an der mittleren Ems nur einen guten Tagesmarsch entfernt befand.
So steht's ausdrücklich bei Tacitus: "Während des Mordens [bei den Brukterern] fand er den Adler de 19. Legion [...]. Dann führte er den Heereszug zu den äußersten Brukterern, nicht weit vom saltus teutoburgiensis, wo man sagte (wer sagte das plötzlich?), dass die Überreste des Varus und seiner Legionen unbestattet lagen und das ganze Gebiet zwischen den beiden Flüssen L und E wurde verwüstet.
Also drang in den Caesar [Germanicus] der Wunsch ein (cupido Caesarem invadit), den letzten Willen der Soldaten und ihres Anführers zu erlösen..." (Sontheimer: "Jenen Soldaten und ihrem Heerführer die letzte Ehre zu erweisen...").