Hallo Riothamus,
zum Verständlichmachen mir aufgefallener militärischer "Ungereimtheiten" hier noch ein paar Gedanken:
1. In der Kampagne in 14 gegen die Marser operiert Germanicus mit "zwölftausend Legionssoldaten, Sechsundzwanzig Kohorten der Bundesgenossen und acht Reiterschwadronen" (Übersetzung Sontheimer). Unter anderem passiert folgendes: "Der Caesar teilte die kampfbegierigen Legionen, um ein desto größeres Gebiet zu verwüsten in vier Kampfgruppen. Eine Strecke von fünfzig Meilen verheerte er mit Feuer und Schwert." Zwar gibt Tacitus hier nur die Länge an, aber die vier Kampfgruppen werden logischerweise ja nebeneinander tätig gewesen sein, so dass die Breite der Schneise der Verwüstung auch gern um die 15/20 Meilen betragen konnte, wenn nicht noch mehr. Insgesamt hatte er dafür etwa 27000 Mann zur Verfügung.
Ein Jahr später, im zweiten Feldzug, hatte Germanicus, inklusive Chauken etc. nahezu die drei- bis vierfache Anzahl Kämpfer zur Verfügung, eher mehr als weniger.
Die verwüsten aber ein Gelände zwischen Ems und Lippe, welches offensichtlich viel kleiner ist, wobei er hier kaum ernsthafte Gegner fürchten muss, da die Brukterer fliehen und den Rest Stertinius mit leichten Truppen erledigte.
Frage, warum benötigt der dafür solch ein Riesenheer?
Im ersten Feldzug in 15 hatte er mit ähnlich großer Truppe die Chatten erledigt und Segestes von seinen Belagerern befreit. Da war er sicher schon im Gebiet der Cherusker, führte sein Heer aber dann ohne weitere Kämpfe zurück.
Kommen wir zum Grund und Ziel seines zweiten Feldzuges.
Inzwischen war offenbar Arminius nicht untätig und warb Kämpfer an. Bei Tacitus lesen wir: "Dadurch wurden nicht nur die Cherusker, sondern auch die angrenzenden Völkerschaften aufgewiegelt und Inguiomerus, der Oheim des Arminius, der bei den Römern seit langem in Ansehen stand, zum Anschluss bewogen. So wuchs die Besorgnis des Caesar. Und damit nicht die ganze Wucht des Krieges auf einmal hereinbreche, schickte er Caecina mit vierzig römischen Kohorten, um den Feind zu zersplittern, durch das Gebiet der Brukterer an den Fluss Amisa (Ems)"
Ich lese klar heraus, besonders wenn ich das römische Aufgebot betrachte, dass es keineswegs darum ging, einzig die Brukterer zu maßregeln, sondern der Ursache allen römischen Übels, Arminius, an den Kragen zu gehen. Um jenen nicht misstrauisch zu machen, ist es listig, erst einen kleineren Teil der Truppen (Caecina) auftreten zu lassen. Außerdem kann so auf zwei mögliche Reaktionen des Arminius (der nach den kürzlichen Angriffen auf Marser und Chatten sicher die Römer beobachten ließ - ich denke, so klug wird er schon gewesen sein) reagieren.
1. Greift Arminius den Caecina an, kann Germanicus mit den auf dem Fluss nahenden Truppen ihm den Rückweg abschneiden und in die Zange nehmen. Na gut, die Ems wäre dann weniger geeignet, die Weser schon, oder? Es soll irre gewesen sein, auf der Weser anzureisen? Mit der Truppenmacht, inklusive der Chauken (und Friesen?) soll er sich im Nachteil befunden haben und riskant operieren? Im ersten Feldzug des Jahres war er doch auch schon in der Nähe oder bei den Cheruskern? Im Gegenteil, Caecina als Lockvogel mit vier Legionen loszuschicken um Arminius zu ermuntern ihn mit allen seinen Truppen anzugreifen um ihn dann von hinten zu überraschen, wäre, so er es denn vorgehabt hat, einfach militärisch genial! Möglicherweise hatte Arminius aber den Braten gerochen.
2. Wenn alles ruhig bleibt, trifft man sich halt am vorbestimmten Fluss. Hat sicher stilistische Gründe, hier den Namen nicht zu nennen. Wäre aber schon klug, wenn es denn gegen die Cherusker ginge, die Weser zu nehmen.
Ich weiß, ich weiß "Tacitus hat ausdrücklich von den Flüssen/Strömen Ems und Lippe geschrieben!"
Ich frage, hat er das wirklich? So ganz logisch wirkt der überlieferte Text nicht, aber sollte ja nur eine spekulative Vermutung von mir sein.
Obwohl Caecina schon teils durchs Bruktererland gezogen war, wird das nun nochmals besucht und erst, als sie bei den äußersten Brukterern sind, wird das ganze Land, nicht weit vom "teuto burgiensis saltu", zwischen Amisia und Lupia verwüstet. Jetzt erst gibt Tacitus eine Angabe zum Ort der Varusschlacht, den er offensichtlich kennt.
Wenn Kalkriese dieser Ort war, 30/40 km vom möglichen Treffpunkt an der Ems entfernt, warum gibt er den Hinweis nicht schon früher (Bsp: ..trafen am vorbestimmten Fluss ein, nicht weit erntfernt vom...), sondern erst jetzt, wo Germanicus davon weiter entfernt ist als zu Beginn? Spricht nicht besonders zwingend für Kalkriese als Varusschlachtfeld...
Grüße
Ostfale