Die wave-of-advance-Theorie

Hat es diese Götterintegration nicht auch bei den mitteleuropäischen Indogermanen gegeben?

Ja, das ist ein wesentliches Argument dafür, dass man unter der Schicht indogermanischer Götter noch Gottheiten der Vorbevölkerung erkennen kann - so jedenfalls eine ernsthaft vertretene Hypothese.

Insbesondere sind einige Wissenschaftler der Ansicht, dass der sogenannte Wanenkampf Ausdruck einer gesellschaftlichen Auseinandersetzung zwischen indoeuropäischen Invasoren und einer alteingesessenen bäuerlichen Bevölkerung ist. Während es sich bei den asischen Göttern vorwiegend um Kriegsgötter handelt, stehen ihnen auf wanischer Seite Fruchtbarkeitsgötter gegenüber, vor allem die Göttin Freyja und ihr Bruder Freyr sowie der Meeresgott Njörðr (Njörd).

Dass der Wanenkampf unentschieden endet, beweist für einige Forscher, dass es einen Ausgleich zwischen eingewanderten Indoeuropäern und autochthoner Bevölkerung gab, wobei aber die indoeuropäische Population ihre Sprache und das religiöse Fundament durchsetzte. Die einheimischen Götter sanken dabei - wie man das häufig findet - zu Dämonen oder Märchenfiguren hinab. Als Beispiele werden gern genannt Frau Holle, Berchtha oder Korndämonen wie die Roggenmuhme, die alle nicht zum patriarchalischen Glauben der indoeuropäischen Eroberer passen wollen.
 
Könnte die Titanomachie dann als Indiz dafür gewertet werden, dass es in Griechenland keinen Ausgleich zwischen Invasoren und Einheimischen gegeben hat? Kronos soll laut wiki ja auch zu den vorgriechischen Göttern gehören.
 
Könnte die Titanomachie dann als Indiz dafür gewertet werden, dass es in Griechenland keinen Ausgleich zwischen Invasoren und Einheimischen gegeben hat? Kronos soll laut wiki ja auch zu den vorgriechischen Göttern gehören.

Ich habe mich mit dem Mythos des Kampfes zwischen Titanen und olympischen Göttern bislang nicht beschäftigt. Was ich dazu eben in Wikipedia gelesen habe, deutet nicht sonderlich eindeutig auf einen religiösen Gegensatz zwischen Autochthonen und expandierenden Indoeuropäern hin.

Das Interessante am germanischen Wanenkampf ist, dass eine bäuerliche Bevölkerung mit typischen Fruchtbarkeitsgöttinnen einer patriarchalischen und kriegerischen Hirtenbevölkerung gegenübersteht, die von ebenfalls typisch männlichen Kriegs- und Himmelsgottheiten dominiert wird. Der Gegensatz zwischen einer vorindoeuropäischer Bauernbevökerung und halbnomadischen kriegerischen Invasoren wird dabei sehr deutlich - sofern man überhaupt diese Hypothese vertreten will.

In Griechenland gibt es nachweislich ebenfalls vorindoeuropäische Götter. Dazu zählen die aus Vorderasien stammenden Gottheiten Demeter, Artemis und Dionysos, ferner auch Aphrodite und möglicherweise sogar Apollon. Immer sind es also Fruchtbarkeits- und Erdgottheiten, wie es der vorindoeuropäischen bäuerlichen Bevölkerung angemessen ist.
 
Und was ist Kronos für einer? Hab recht wenig über ihn gefunden im Netz. Kennt ihr ausführliche Darstellungen über die Titanen?
 
Der Asen-/Vanenkampf spiegelt eigentlich nur den Kampf zwischen Fruchtbarkeitsgöttern und eher kriegerischen Göttern wieder. Natürlich kann man das mit den eindringenden Indogermanen erklären. Doch dies wäre ebenso durch spätere Konflikte germanischer Gesellschaften denkbar, in denen kriegerische Götter einen Aufstieg erfuhren, während eher friedliche abstiegen. Das es sich bei Asen und Vanen um zwei Familien/Göttergeschlechter handelt ist doch erst wikingerzeitlich überliefert. Im südgermanischen Raum ist mir das jetzt spontan nicht bekannt. Ebenso gut könnte man Zwerge/Dunkelelfen und Elfen und Riesen als ehemalige Götterfamilien deuten.

Ich war eigentlich immer ein Befürworter von Gimbutas und der Herkunft der Indogermanen aus dem Osten. Renfrews Idee einer Herkunft aus dem südlichen Kaukasusvorland fand ich befremdlich. Es gibt allerdings einige Punkte, die mich überlegen lassen, ob Renfrew nicht zumindest in Teilen Recht hat. Im Neolithikum breitete sich die Landwirtschaft von Kleinasien bis nach Mitteleuropa aus. Der westliche Teil Europas wird von diesen Wellen nicht berührt, gelangt erst mit der Urnenfelderkultur und der nachfolgenden Hallstatt stärker in den Einfluß dieser "donauländischen Bauernvölker". Erst die keltischen Wanderungen und das Imperium Romanum führen das westliche Europa dem indogermanischen Sprachkreis zu. Nun könnten wir für diese "donauländischen Bauernvölker" einen anatolischen Herkunftsraum annehmen und ihnen eine eigene Sprachfamilie zuweisen. Diese Sprachfamilie wäre dann von den indogermanischen Hirtenkriegern hinweggefegt worden. Letztere hätten dann aber über die westlichen Völker lange keinen Einfluß gewonnen. Meine Frage ist deshalb, wenn die Indogermanen von Osten einfielen, warum stimmt ihre westliche Sprachgrenze in etwa mit der der "donauländischen Bauernvölker" überein?
Ein zweites Problem ist auch, daß eine Reihe von Archäologen die These eine östlichen Ursprungs der indogermanischen Schnurkeramiker als zumindest zweifelhaft ansieht, eher auf eine mehr oder weniger kontinuierliche Entwicklung setzt. Als Reste einer vorindogermanischen Bevölkerung gelten die sogenannten Pelasger. Es mehren sich die Stimmen, die deren Sprache(n) zumindest in die Nähe der Indogermanen stellen.
Wir haben es während der eiszeit wohl nur mit einem spärlich besetzten Europa zu tun. Lediglich auf dem Balkan, in Italien und auf der iberischen Halbinsel wird mit größeren Gruppen zu rechnen sein. Niemand kennt ihre Sprachen. Allerdings gelten die Basken als Nachfahren dieser Völker. Ihre Sprache wird sogar mit dem Chinesischen, dem Dene der Athapasken und einigen Kaukasussprachen in Verbindung gebracht. Wir haben somit die Möglichkeit ganz Europa als "baskischen" Sprachraum zu sehen. Doch wann kamen diese Gruppen. Kamen sie schon vor 40.000 Jahren? Kamen sie erst vor dem letzten Optimum der letzten Eiszeit, also vor 20.000 Jahren? Sind die "Basken" vielleicht schon vor 20.000 Jahren nach Westen abgedrängt worden, als Folge er Eiszeit, während im Osten andere Völker langsam vorstießen? Wir wissen es nicht. Warum sollten die Indogermanen nicht Träger einer neolithischen Kultur gewesen sein, die vor 9.000 Jahren sich nach Europa langsam vorschob. Vielleicht waren ihre ersten Spitzen sogar noch mesolithische Gruppe? Warum sollten diese indogermanischen Neolithiker nicht ebenfalls die fruchtbaren Gebiete des nördlichen Schwarzmeerraumes aufgesucht haben. Eine Explosion indogermanischer Ausbreitung erfolgte doch erst mit der Zähmung des Pferdes und das vorerst nicht als Reittier, sondern als Zugtier. Was spricht dagegen, den mittelasiatischen Steppenraum nicht als späteren Expansionsraum zu sehen, der durch die mobileren Indogermanen erobert wurde? Aus diesem erfolgte dann Ende des 3./Anfang des 2. Jtsds der Einbruch nach Südasien und Indien. Dies führt uns wieder zurück in den Westen. Volk auf Volk, Kimmerer, Skythen, Sarmaten, Alanen und später Hunnen drangen entlang der selben Route immer wieder nach Mitteleuropa vor. Es spricht daher nichts dagegen, daß auch die Indogermanen diesen Weg nahmen. Letztlich beweist es aber auch nicht, daß es immer so gewesen sein muß. Würde man annehmen, daß Mittel- und Osteuropa schon vor dem Einfall von indogermanischen Reitervölkern bzw. Pferdebesitzenden Völkern von indogermanischen Bauernvölkern besetzt war, so würde man doch viele Probleme beseitigen, oder?
Ich bin immer noch zwiegespalten, vielleicht erhellt sich irgendwann dieser Themenkomplex. Möglicherweise habe ich aber auch ein paar Gedankenfehler in meinen Überlegungen. Vielleicht gibt es von euch ein paar Einwände dafür oder dagegen.
 
Kleine Nachfrage @beorna, wenn ich deinen Beitrag richtig gelesen habe, siehst du also in den Bandkeramikern, deren Kultur unzweifelhaft aus Kleinasien stammt und die entlang der Donau erstmalig die Landwirtschaft nach Europa brachten, die Vorfahren der Indogermanen? Meinst du das so, oder habe ich da was missgedeutet?
 
Ja und nein. Wie gesagt, ich komme eher von der Gimbutas-Seite her. Ich frage mich allerdings ob es nicht auch andere Möglichkeiten gibt, die Indogermanisierung Mitteleuropas zu erklären. In diesem Sinne frage ich mich, ob es in der Tat nicht möglich wäre, bereits die Bandkeramiker als Teil der indogermanischen Sprachfamilie anzusehen, sozusagen als bäuerlichen Ast neben dem der indogermanischen Völker des Steppenbereichs.
 
Genau das hält auch Cavalli-Sforza für wahrscheinlich. Durch seine Untersuchungen kam er ja auf 5 Hauptkomponenten der genetischen Landschaft Europas, die er versucht hat zu interpretieren:

1) Verbreitung des neolithischen Ackerbaus
2) Anpassung an die Kälte Nordeuropas oder Verbreitung der uralischen Sprache
3) Hirtennomaden der eurasiatischen Steppe
4) Griechische Expansion im zweiten und ersten Jahrtausend v. Chr.
5) Präneolithische Restpopulation mit dem Zentrum auf dem Baskenland
 
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Ich hab jetzt die schönen Bildchen von Cavalli-Sforza nicht mehr genau im Kopf, aber ich meine mit dieser griechischen Expansion hatte ich damals meine Schwierigkeiten. Zudem, betrachtet man die z.B.Basken, muß sich die sprachliche Zugehörigkeit nicht unbedingt genetisch wiederspiegeln. Baskische Gruppen, die sich der römischen oder späteren Kulturen zugehörig fühlten könnten, ohne nennenswerten Zuzug Fremder, genetisch nach wie vor "baskisch" sein obwohl spanischsprachig, während baskisch sprechende Regionen fremden Zuzug erhielten, genetisch also nicht mehr baskisch wären, aber ihre Sprache dennoch sich durchgesetzt hätte. Oh, Mann, kompliziert!
Von daher bin ich mit den Schlußfolgerungen Cavalli-Sforzas nicht immer einverstanden.
 
Laut einer Gen-Studie von IBM und National Geographics stellt sich die Situation etwa so dar:
Träger der Haplogruppe HV* seien vor 20000 Jahren nach Europa gekommen. Nach einem Kälteeinbruch habe sich ein Teil, Gruppe H, in die südlichen Regionen, Spanien, Balkan, Italien, zurückgezogen, der andere, Gruppe V, vor Allem nach Spanien. Die Population und die genetische Vielseitigkeit dieser Gruppen habe sich dann stark reduziert, bis sie vor etwa 15000 Jahren begannen, sich wieder über ganz Europa auzubreiten. 40-60% der Individuen in heutigen europäischen Populationen gehören der Gruppe H an.
Vor 10000 Jahren haben sich - vom nahen Osten aus - Träger der Haplogruppe J und T, die mit den ersten Bauern in Verbindung gebracht werden, in die Arabische Halbinsel, nach Indien und Pakistan und Osteuropa verbreitet. In Europa gehören in keiner Region mehr als 20% einer dieser Haplogruppen an. Nur auf der Arabischen Halbinsel gehören 25% zu der Gruppe J.

Wenn diese Bauern schon indeoeuropäische Sprachen gesprochen haben, müsste dann der Anteil der Haplogruppen J und T nicht heute höher in Europa sein? Warum ist der Anteil nicht überhaupt - unabhängig ihrer Sprache - heute nicht höher, wenn sie doch den Ackerbau nach Europa gebracht haben sollen? Ein wave-of-advance-Modell spräche doch wohl für einen höheren Anteil, oder nicht?
 
Ich hab jetzt die schönen Bildchen von Cavalli-Sforza nicht mehr genau im Kopf, aber ich meine mit dieser griechischen Expansion hatte ich damals meine Schwierigkeiten.
unten habe ich die Karte mal angefügt. Besonders der Norden Skandinaviens ist komisch (leider nicht auf dem Bild). Aber es muß ja nicht nur durch die Griechen zu dieser genetischen Veränderung gekommen sein.

Zudem, betrachtet man die z.B.Basken, muß sich die sprachliche Zugehörigkeit nicht unbedingt genetisch wiederspiegeln.
Das Kerngebiet geht auch über das Sprachgebiet hinaus und du hast natürlich dann recht, dass man es nicht nur mit den Basken gleichsetzen darf.

Also hier mal die Karten die ich im Netz gefunden habe, wenn es keine rechtlichen Probleme gibt, kann ich die anderen ja noch einscannen.

Hibernia Girl: "We are in a new phase of a very old war"
Sicilian Origins in Europe
 

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unten habe ich die Karte mal angefügt. Besonders der Norden Skandinaviens ist komisch (leider nicht auf dem Bild). Aber es muß ja nicht nur durch die Griechen zu dieser genetischen Veränderung gekommen sein.
Danke vielmals. Genau das meine, es müssen nicht die Griechen gewesen sein. Manchmal wird in genetische Daten etwas hineininterpretiert was fraglich ist.
 
@Witege: Genau das hält auch Cavalli-Sforza für wahrscheinlich. Durch seine Untersuchungen kam er ja auf 5 Hauptkomponenten der genetischen Landschaft Europas, die er versucht hat zu interpretieren.
Untersuchungen mit Sequenzierungen des Genoms hat Maestro C.-S. nicht selbst durchgeführt, das ist erst seit knapp 15 Jahren möglich und der Mann ist heute Mitte 80. Er kombinierte möglichst viele Merkmale (meist Blutgruppenfaktoren, es gibt ja nicht nur das AB0-System) und gewann daraus seine Verteilungen, später als Rentner sprang er auf den "Genetikzug" auf. Einige seiner Ergebnisse ("Verschieden und doch gleich") sind inzwischen widerlegt, so ging er noch von einer Dominanz der neolithischen Bauern in Europa aus. Das stimmt eindeutig nicht (vergl. B. Sykes: Die sieben Töchter Evas).
Mehr noch: Man hat inzwischen Bandkeramiker-Skelette untersucht und dabei einen relativ hohen Anteil Haplotypen gefunden, die heute in Europa so gut wie gar nicht (mehr) vorkommen. Bei Bedarf kann ich noch nach der genauen Quelle suchen. Bandkeramiker siedelten hauptsächlich in Lößgebieten, von der Donau über Mitteldeutschland bis ins Pariser Becken. Außerdem waren sie wesentlich früher präsent als die mutmaßlichen Proto-Indogermanen.

Im rekonstruierten Urindogermanischen (UIG) gibt es gemeinsame Wörter für Pferd, Joch, und Rad, deren "Erfindung" um 3000 v. Chr. stattfand. Alles Dinge, die den Bandkeramikern unbekannt waren, die Jahrtausende früher Europa erreichten. Eigenartigerweise aber gibt es im UIG keine Bezeichnungen für Kulturpflanzen.

Daraus kann man folgern, dass die Sprecher des UIG in erster Linie Hirten, weniger Bauern waren. Wo mag wohl die Weltgegend liegen, in der die natürlichen Voraussetzungen genau diese Wirtschaftsweise favorisieren?

Übrigens, von den heutigen lebendigen Sprachen entspricht das Litauische am ehesten dem UIG und es gibt Lehnworte zum Finno-Ugrischen hin. Alles Indizien, die nicht zu Anatolien passen.

EDIT: Wenn der Norden Skandinaviens "komische" Verteilungen aufweist, ist das keine Überraschung. Dort siedeln heute noch Sami (Lappen), die früher viel weiter südlich verbreitet waren.
 
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Mehr noch: Man hat inzwischen Bandkeramiker-Skelette untersucht und dabei einen relativ hohen Anteil Haplotypen gefunden, die heute in Europa so gut wie gar nicht (mehr) vorkommen. Bei Bedarf kann ich noch nach der genauen Quelle suchen. Bandkeramiker siedelten hauptsächlich in Lößgebieten, von der Donau über Mitteldeutschland bis ins Pariser Becken. Außerdem waren sie wesentlich früher präsent als die mutmaßlichen Proto-Indogermanen.
Das Haplotypen fehlen besagt nur, daß etwaige Linien bis heute weggezogen oder ausgestorben sind, mehr nicht. Über die Sprache der Bandkeramiker kann man nur spekulieren.

Im rekonstruierten Urindogermanischen (UIG) gibt es gemeinsame Wörter für Pferd, Joch, und Rad, deren "Erfindung" um 3000 v. Chr. stattfand. Alles Dinge, die den Bandkeramikern unbekannt waren, die Jahrtausende früher Europa erreichten. Eigenartigerweise aber gibt es im UIG keine Bezeichnungen für Kulturpflanzen.
Daraus kann man folgern, dass die Sprecher des UIG in erster Linie Hirten, weniger Bauern waren. Wo mag wohl die Weltgegend liegen, in der die natürlichen Voraussetzungen genau diese Wirtschaftsweise favorisieren?
Das ist sicherlich ein wichtiger Punkt. Wenn wir die Bandkeramiker aber sehr früh einwandern lassen, könnte eine große Bandbreite von Kulturpflanzen noch gar nicht bestanden haben. Das hieße die frühesten Indogermanen hatten noch keine ausgeprägte Landwirtschaft oder hatten sich bereits verzweigt. Die Begriffe aus der Weidewirtschaft wären dann von einer späteren Welle aus dem Osten aufgefrischt worden.

Übrigens, von den heutigen lebendigen Sprachen entspricht das Litauische am ehesten dem UIG und es gibt Lehnworte zum Finno-Ugrischen hin. Alles Indizien, die nicht zu Anatolien passen.
Das Isländische ist auch sehr archaisch und dennoch stammt es nicht direkt aus dem Ursprungsland der Germanen.
 
EDIT: Wenn der Norden Skandinaviens "komische" Verteilungen aufweist, ist das keine Überraschung. Dort siedeln heute noch Sami (Lappen), die früher viel weiter südlich verbreitet waren.
Und deswegen haben sie so viel mit den Griechen gemeinsam wie die Römer? Oder ist es doch komisch für die Zuteilung zur griechischen Expansion?

Im rekonstruierten Urindogermanischen (UIG) gibt es gemeinsame Wörter für Pferd, Joch, und Rad, deren "Erfindung" um 3000 v. Chr. stattfand. Alles Dinge, die den Bandkeramikern unbekannt waren, die Jahrtausende früher Europa erreichten. Eigenartigerweise aber gibt es im UIG keine Bezeichnungen für Kulturpflanzen.
Naja, vielleicht haben die anderen Indogermanen auch einfach nur diese Worte von den Erfindern bzw. Übermittlern übernommen...
 
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Das Isländische ist auch sehr archaisch und dennoch stammt es nicht direkt aus dem Ursprungsland der Germanen.
Weil das Isländische aufgrund der Isolation den Stand vor 1000 Jahren (Altnordisch) weitgehend konserviert hat.

Ich warte jetzt erstmal ein paar Beiträge ab, sicher haben auch andere, z.B. @Dieter, etwas beizutragen.
 
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@ Dieter:
Das Erscheinungsjahr eines Werkes/Buches ist eine der grundlegenden Herangehensweisen beim wissenschaftlichen Arbeiten.
Denn erst wenn ich weiß wann etwas geschrieben wurde, kann ich das Werk in seinen eignen zeitlichen Kontext setzen und auch diesem interpretieren.
Marija Gimbutas hat bis zu ihrem Tod fast weiterhin an ihren Thesen gearbeitet, insbesondere in den letzten Jahren an dem unsäglichem Thema desUrmatriarchat.
Wenn man sich ihr Wirken im ganzen betrachtet, so erscheint es mir das sie sich selbst nicht mehr aus ihren eignen Gedankengerüsten befreien konnten und zum Schluß eigentlich nur noch dogmatisch an ihren Theorien festhielt.
Ich stelle nach wie vor nicht das Thema der Kurgane und ihre grundsolide Diss. in Frage, aber die Thesen zu den Indogermanen und das tue ich eben nicht alleine sondern ein Großteil ernsthafter Archäologen/Historiker/Sprachwissenschaftler.
 
Weil das Isländische aufgrund der Isolation den Stand vor 1000 Jahren (Altnordisch) weitgehend konserviert hat.
Klar, aber darum könnte auch ein archaisches Litauisch andere Ursachen haben als eine geographische Nähe zum Ursprungsgebiet der Indogermanen.

Geist und Dieter, meint ihr nicht, es könnte sich hier mehr um die Sache drehen als um persönliche Animositäten?
 
Der Asen-/Vanenkampf spiegelt eigentlich nur den Kampf zwischen Fruchtbarkeitsgöttern und eher kriegerischen Göttern wieder. Natürlich kann man das mit den eindringenden Indogermanen erklären. Doch dies wäre ebenso durch spätere Konflikte germanischer Gesellschaften denkbar, in denen kriegerische Götter einen Aufstieg erfuhren, während eher friedliche abstiegen.

Dass es sich bei allem, was wir hier diskutieren, nur um Spekulationen handeln kann, ist völlig klar. Das gilt auch für den berühmten Wanenkrieg, der von einigen so gedeutet wird, wie ich das oben ausgeführt habe. Das alles hat natürlich nur Gültigkeit unter der Voraussetzung, dass man eine alteingesessene neolithische Bauernbevölkerung postuliert, die im 3. Jahrtausend v. Chr. von einer indoeuropäischen Population überschichtet wird, die man als halbnomadische kriegerische Hirten und Viehzüchter bezeichnen könnte. Schlüssig "beweisen" lassen sich derartige Hypothesen freilich nicht und natürlich gibt es auch andere Erklärungsmodelle für den Wanenkrieg.

Das es sich bei Asen und Vanen um zwei Familien/Göttergeschlechter handelt ist doch erst wikingerzeitlich überliefert. Im südgermanischen Raum ist mir das jetzt spontan nicht bekannt. Ebenso gut könnte man Zwerge/Dunkelelfen und Elfen und Riesen als ehemalige Götterfamilien deuten.

Wie weit wanische Gottheiten bzw. Fruchtbarkeitsgötter zurüchreichen, vermag niemand zu sagen. Der Zeitpunkt erster Erwähnung ist natürlich nicht mit dem Alter von Gottheiten identisch.

Ich war eigentlich immer ein Befürworter von Gimbutas und der Herkunft der Indogermanen aus dem Osten. Renfrews Idee einer Herkunft aus dem südlichen Kaukasusvorland fand ich befremdlich. Es gibt allerdings einige Punkte, die mich überlegen lassen, ob Renfrew nicht zumindest in Teilen Recht hat.

Zu Renfrew kann ich nur bereits gesagtes wiederholen:

Die Schwierigkeit bei Renfrews Spekulationen sind chronologische Probleme, die unauflösbar sind und die balticbirdy oben bereits ansprach. Hinzu kommen völlig unterschiedliche Gesellschaftsstrukturen bei den frühen Ackerbauern und den Indoeuropäern. Aus der hypothetisch erschlossenen indoeuropäischen Grundsprache und von historisch bezeugten indoeuropäischen Völkern wissen wir, dass die Indoeuropäer ein gegliedertes patriarchalisches Gesellschaftssystem hatten, das einen Adels- und Kriegerstand kannte. Zudem wird angenommen, dass sie Ackerbau nur rudimentär betrieben und eine halbnomadische Viehzucht hatten.

Demgegenüber lebten die frühen Ackerbauern, die sich seit dem 7. Jahrtausend v. Chr. vom Balkan aus über Europa ausbreiteten, in einer ungegliederten Gesellschaft, die in ihren kleinen Siedlungen lediglich Bauern und vermutlich einen Dorfältesten kannte. Zum Teil wird auch vermutet - soz.B. die bekannte amerikanische Archäologin Marija Gimbutas - dass diese Ackerbauern matrilinear ausgerichtet waren.

Gewicht hat schließlich ein archäologisches Argument: In Kleinasien gibt es keinerlei Funde, die auf ein indoeuropäisches "Urvolk" hindeuten, das dort im 7. Jahrtausend v. Chr. gelebt hätte.

Im Neolithikum breitete sich die Landwirtschaft von Kleinasien bis nach Mitteleuropa aus. Der westliche Teil Europas wird von diesen Wellen nicht berührt, gelangt erst mit der Urnenfelderkultur und der nachfolgenden Hallstatt stärker in den Einfluß dieser "donauländischen Bauernvölker".

Die Linearbandkeramiker haben Westeuropa - d.h. die Britischen Inseln, Westfrankreich und Spanien - nie berührt. Dort entwickelten sich mit der Seine-Marne-Oise-Kultur, der El-Argar-Kultur und der Food-Wessel-Kultur ganz eigernständige Formen, die von den aus Kleinasien über den Balkan nach Mitteleuropa vordringenden bäuerlichen Kulturen unberührt blieben. Die westeuropäischen Kulturen erhielten vermutlich Anregungen aus Nordafrika, was freilich kontrovers diskutiert wird.

Erst die keltischen Wanderungen und das Imperium Romanum führen das westliche Europa dem indogermanischen Sprachkreis zu. Nun könnten wir für diese "donauländischen Bauernvölker" einen anatolischen Herkunftsraum annehmen und ihnen eine eigene Sprachfamilie zuweisen. Diese Sprachfamilie wäre dann von den indogermanischen Hirtenkriegern hinweggefegt worden. Letztere hätten dann aber über die westlichen Völker lange keinen Einfluß gewonnen.

Das sehe ich auch so, falls ich dich richtig verstanden habe!

Die ersten Ackerbauern auf europäischem Boden werden Mitte des 7. Jahrtausend v. Chr. mit der Sesklo-Kultur im Raum Thessalien fassbar, wo es reichhaltiges archäologisches Material u.a. in Nea Nikomedia, Sesklo und anderswo gibt. Das ergrabene Fundgut deutet so eindeutig auf eine aus Kleinasien stammende bäuerliche Bevölkerung hin, dass die Herkunft unbestritten ist. Die weitere Ausbreitung nach Norden erfolgte über die Starcevo- und Vinca-Kultur hin zur LBK-Kultur (Linearbandkeramischen Kultur), die Mitteleuropa 5500 v. Chr. erreichte.

Der Einbruch der Indoeuropäer erfolgte wohl in mehreren Wellen und wird allgemein ins 3. Jahrtausend gelegt. Hier handelt es sich um eine eindeutig patriarchalische Gesellschaft mit rudimentärem Ackerbau und einer starken viehzüchterischen Komponente, die verschidentlich auch mit kriegerischen Hirten gleichgesetzt wird. Diese halbnomadische indoeuropäische Population tritt einer gesellschaftlich ungeschichtet bäuerlichen Bevölkerung entgegen, überschichtet sie und zwingt ihr - vermutlich kraft ihrer Dominanz - ein indoeuropäisches Idiom auf.

Nach Westeuropa gelangen Indoeuropäer erst in der Urnenfelderzeit. Dabei ist anzunehmen, dass Frankreich und Nordwestspanien lange vor der keltischen Expansion von indoeuropäischen Stämmen überschichtet wurden. Welche das gewesen sind, entzieht sich natürlich völlig unserer Kenntnis.

Meine Frage ist deshalb, wenn die Indogermanen von Osten einfielen, warum stimmt ihre westliche Sprachgrenze in etwa mit der der "donauländischen Bauernvölker" überein?

Die Sprachgrenze stimmt keineswegs mit derjenigen der frühen neolithischen Bauern überein. Die Bandkeramiker stießen im Westen bis etwa zur Rheingrenze vor, danach war Schluss. Weiter westlich begannen die oben angeführten autonomen westeuropäischen Kulturen. Im übrigen verschwanden die bekannten neolithischen Bauern spätestens Ende des 3. Jahrtausends und machten der bronzezeitlichen Hügelgräberkultur, Aunjetitzer-Kultur und Urnenfelderkultur Platz. Das muss zu einer derartigen Völkermühle in Europa geführt haben, dass etwaige Sprachgrenzen neolithischer Völker völlig irreal sind.

Ein zweites Problem ist auch, daß eine Reihe von Archäologen die These eine östlichen Ursprungs der indogermanischen Schnurkeramiker als zumindest zweifelhaft ansieht, eher auf eine mehr oder weniger kontinuierliche Entwicklung setzt. Als Reste einer vorindogermanischen Bevölkerung gelten die sogenannten Pelasger. Es mehren sich die Stimmen, die deren Sprache(n) zumindest in die Nähe der Indogermanen stellen.

Es sind ja keineswegs nur die Schnurkeramiker, die eine Einwanderung indoeuropäischer Stämme anzeigen. Hinzugezählt werden muss die nordische Streitaxtkultur, die osteuropäische Fatjanowo-Kultur sowie die südosteuropäische-südrussische Ockergrab- und Katakombenkultur.

Erst wenn man diese verschiedenartigen und dennoch untereinander sachlich und chronologisch verbundenen Kulturen betrachtet, erschließt sich einem die räumliche Weite einer postulierten indoeuropäischen Einwanderung, die man sich zudem in mehreren Wellen vorstellen muss.

Selbstverständlich gibt es noch lange nach der Indoeuropäisierung Europas beträchtliche Teile einer vorindoeuropäischen Bevölkerung, die man gern als "Alteuropäer" bezeichnet. Dazu zählen u.a. die Iberer, Ligurer, Etrusker, vermutlich auch die ominösen Pelasger als eine vorindoeuropäische mittelmeerische Bevölkerung Griechenlands. Hier gibt es aber auch Stimmen, die die Pelasger schon als Indoeuropäer betrachten und sie ab etwa 2000 v. Chr. von Proto-Griechen überschichtet sehen wollen.

Doch wann kamen diese Gruppen. Kamen sie schon vor 40.000 Jahren? Kamen sie erst vor dem letzten Optimum der letzten Eiszeit, also vor 20.000 Jahren? Sind die "Basken" vielleicht schon vor 20.000 Jahren nach Westen abgedrängt worden, als Folge er Eiszeit, während im Osten andere Völker langsam vorstießen? Wir wissen es nicht.

Es gibt die brachtenswerte Hypothese, dass die Basken ein letzter Rest der mesolithischen (oder sogar paläolithischen) europäischen Urbevölkerung sind. Es ist ja auch absurd anzunehmen, Völker seien immer "von woanders her" gekommen. Es muss die Meinung erlaubt sein, dass eine Bevölkerung einmal am Ort verblieben ist und dort ihre Ethnogenese erfolgte.

Warum sollten die Indogermanen nicht Träger einer neolithischen Kultur gewesen sein, die vor 9.000 Jahren sich nach Europa langsam vorschob.

Das können sie aus all den Gründen nicht gewsen sein, die ich bereits aufgezählt habe. Zweifelsfrei und unbestritten haben die Indoeuropäer eine geschichtete patriarchalische Gesellschaftsform gehabt, waren nach ihrer schnurkeramischen Hinterlassenschaft (auch Streitaxtkultur usw.) eine Viehzüchtergesellschaft mit rudimentärem Ackerbau (usw. usw.). Die hypothetisch erschlossene Grundsprache hat den Indogermanisten und Archäologen hier wertvolle Aufschlüsse über kulturelle Besonderheiten der Indoeuropäer vermittelt, die mehrheitlich unbestritten sind.

Von all dem waren die neolithischen Bauernvölker das genaue Gegenteil, nämlich sesshafte bauern in einer ungeschichteten Gesellschaft, die nach Ausweis der Archäologen keine Häuptlinge, Häuptlingsgräber, Waffenarsenale oder ähnliches kannten. Sie hatten vermutlich einen Dorfältesten (oder gar eine Dorfälteste, eine "weise Frau"?) und waren nach mancher Meinung sogar matrilinear ausgerichtet.

Und jetzt mache vor lauter Erschöpfung erst mal Schluss!! :confused:
 
nach Lektüre der spannenden Beiträge vom heutigen Tage ist mir der Gegensatz aufgefallen zwischen:
1. Bauernvölker: friedfertig, kaum gegliederte Hierarchie, matrilinear, eher immobil, Mutter/Fruchtbarkeitsgötter
2. Hirtennomaden: patriarchalisch, mobiler, das Pferd mind. als Zugtier nutzend, hierarchische Herrschaftsstruktur, vielleicht kriegerischer mit den entsprechenden Göttern
wobei 1. mit den Bandkeramikern im Zusammenhang gesehen werden und 2. mit den Indoeuropäern

aber sind denn nicht 1. und 2. nur verschiedene Lebens- und Wirtschaftsformen, die es auch anderswo und zu anderen Zeiten gegeben hat und sogar noch gibt.
Außerdem müssen doch beide aus der Urform der Jäger- und Sammlergesellschaft hervorgegangen sein.
Wäre es nicht möglich, dass sich ein Urvolk (schlechte Bezeichnung) abhängig von der Umwelt auseinanderentwickelt hat.
Ob das mit der Sprachforschung in Übereinstimmung zu bringen ist, weiß ich nicht.
Aber wenn die bandkeramische langsame Wanderung und Übertragung nach Westen ab ca. 6000 BC erfolgte, könnten doch andere Teile nach Nordosten um´s schwarze Meer gewandert sein und es anfangs mit der mitgebrachten frühen Landwirtschaft versucht haben, was aber anders als im feuchten Europa in den Steppengebieten Eurasiens nicht gut funktionierte. Diese Gruppen könnten sich dann in Anpassung an die Umwelt mehr auf die Viehzucht verlegt haben, dazu hatten sie doch mind. 3000 Jahre Zeit, liegen nicht ungefähr 3000 zwischen den Bandkeramikern und den Hirtennomaden, die in Wellen nach Westen vordrangen?
 
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