Die wave-of-advance-Theorie

@beorna8, rein theoretisch ist dein Ansatz schon möglich. Die Bandkeramiker sind relativ gut erforscht und haben sehr charakteristische Artefakte hinterlassen. Man hätte dann ihre Spuren auch nördlich des Schwarzen Meeres finden müssen und vielleicht sogar diesen totalen Wandel in Wirtschaftsweise und Lebensart anhand von Funden gesehen. Dafür gibt es aber keinerlei Hinweise.
Würden die Indogermanen sich von diesen Bauern herleiten, müssten sich im Wortschatz eher gemeinsame Bezeichnungen für Kulturpflanzen finden.

So ist es zum Beispiel, mal ein Vergleich, bei den Völkern Südostasiens und Polynesiens (Austronesier) der Fall, die sich als Bauern sich weit verbreiteten, die Aufspaltung ihrer "Ursprache" erfolgte etwa zur gleichen Zeit wie bei den Indogermanen.
Natürlich stammen letztendlich alle Menschen von Jägern und Sammlern ab, allerdings von verschiedenen Gruppen.

Unterm Strich lassen wir uns alle von einer kleinen Gruppe herleiten, die Afrika vor vielleicht 80000 Jahren verließ. Aber das ist schon wieder eine ganz andere Geschichte.
 
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Wäre es nicht möglich, dass sich ein Urvolk (schlechte Bezeichnung) abhängig von der Umwelt auseinanderentwickelt hat.
Ob das mit der Sprachforschung in Übereinstimmung zu bringen ist, weiß ich nicht.

Das Neolithikum setzt etwa um 8500 v. Chr. in Vorderasien ein, was Funde in Nordmesopotamien, Palästina und Kleinasien dokumentieren. Man muss davon ausgehen, dass sich Stämme und Völker in unterschiedlichen Regionen und Lebensräumen unter den verschiedenen klimatischen und Umweltbedingungen auch unterschiedlich entwickelten. Es existieren zudem völlig getrennte Sprachfamilien, d.h. semitische Sprachen in Vorderasien und indoeuropäische Sprachen im angenommenen Raum des noch ungeteilten indoeuropäischen Urvolks. Erst seit der Einwanderung der Hethiter nach Kleinasien um 2000 v. Chr. gibt es indoeuropäische Sprachen auch in Vorderasien.

Aber wenn die bandkeramische langsame Wanderung und Übertragung nach Westen ab ca. 6000 BC erfolgte, könnten doch andere Teile nach Nordosten um´s schwarze Meer gewandert sein und es anfangs mit der mitgebrachten frühen Landwirtschaft versucht haben, was aber anders als im feuchten Europa in den Steppengebieten Eurasiens nicht gut funktionierte.

Die Vorstellung ist unrealistisch, dass eine sesshafte bäuerliche Bevölkerung aus Vorderasien in die Steppen Südrusslands gezogen wäre, wo ein ertragreicher Ackerbau nahezu unmöglich war. Das umgekehrte ist allerdings häufig im Lauf der Geschichte passiert: Hirten und nomadische Reitervölker unternehmen Beutezüge in von Bauern besiedelte Gebiete.

Die aus Kleinasien nach Europa eingewanderten frühneolithischen Bauern besetzten nur fruchtbare Gebiete und ließen Sand- und Sumpfböden aus.
Im übrigen wird leicht übersehen, dass kolonisierende Bauern aus Kleinasien nur am Anfang standen. Das weitere Vordringen des Ackerbaus über den Balkan nach Mitteleuropa erfolgte vermutlich zunehmend durch Weitergabe des bäuerlichen Wissens an die mesolithische europäische Urbevölkerung. Der Vorgang wurde also zunehmend zu einer Kulturtrift, an der Bauern aus Kleinasien längst nicht mehr - oder nur unwesentlich - beteiligt waren.
 
@Dieter:
Ich bitte vielmals um Entschuldigung, aber bzgl. einer Sache muß ich Dich korrigieren...

... in die Steppen Südrusslands ..., wo ein ertragreicher Ackerbau nahezu unmöglich war...

Vorsicht mit derartigen Schlüssen: gerade in den betreffenden Steppengebieten findet man - global betrachtet - die fruchtbarsten (Bodenzahl 100 [Höchstwert]) und zugleich ältesten (3000 bis 7000 Jahre alt) Böden überhaupt (Schwarzerde/Tschernosem). Zwar sind sie unter anderen Bedingungen entstanden, aber für ihre Erhaltung ist die Bindung an Steppenbedingungen geradezu zwingend (weswegen Schwarzerde für Steppengebiete sowohl Normbodentyp als auch Reliktboden ist).
Vgl. dazu auch Schwarzerde - Wikipedia
 
Wie weit wanische Gottheiten bzw. Fruchtbarkeitsgötter zurüchreichen, vermag niemand zu sagen. Der Zeitpunkt erster Erwähnung ist natürlich nicht mit dem Alter von Gottheiten identisch.
Ich wollte mit meiner Bemerkung nicht das Alter der Vanen in Frage stellen, sondern lediglich darauf hinweisen, daß erst spätere Generationen Asen und Vanen als besonders voneinander getrennte Geschlechter gesehen haben.

Die Schwierigkeit bei Renfrews Spekulationen sind chronologische Probleme, die unauflösbar sind und die balticbirdy oben bereits ansprach. Hinzu kommen völlig unterschiedliche Gesellschaftsstrukturen bei den frühen Ackerbauern und den Indoeuropäern. Aus der hypothetisch erschlossenen indoeuropäischen Grundsprache und von historisch bezeugten indoeuropäischen Völkern wissen wir, dass die Indoeuropäer ein gegliedertes patriarchalisches Gesellschaftssystem hatten, das einen Adels- und Kriegerstand kannte. Zudem wird angenommen, dass sie Ackerbau nur rudimentär betrieben und eine halbnomadische Viehzucht hatten.
Diese Unterschiede sind letztlich richtig. Ich denke man muß sich dennoch fragen, sind diese patriarchalisch/matriarchalischen Gegensätze ursprünglich oder entwickelten sie sich durch die unterschiedlichen Lebensformen? Welche Gesellschaftsform besaßen die mesolithischen oder paläolitischen Völker?

Gewicht hat schließlich ein archäologisches Argument: In Kleinasien gibt es keinerlei Funde, die auf ein indoeuropäisches "Urvolk" hindeuten, das dort im 7. Jahrtausend v. Chr. gelebt hätte.
Dies gilt aber doch nur, weil die gängige Lehrmeinung die griechisch-westanatolischen Kulturen ihnen nicht zugewiesen hat. Eine Verbindung dieser Kulturen mit den vordringenden Ackerbauern ist doch unzweifelhaft.


Die Linearbandkeramiker haben Westeuropa - d.h. die Britischen Inseln, Westfrankreich und Spanien - nie berührt. Dort entwickelten sich mit der Seine-Marne-Oise-Kultur, der El-Argar-Kultur und der Food-Wessel-Kultur ganz eigernständige Formen, die von den aus Kleinasien über den Balkan nach Mitteleuropa vordringenden bäuerlichen Kulturen unberührt blieben. Die westeuropäischen Kulturen erhielten vermutlich Anregungen aus Nordafrika, was freilich kontrovers diskutiert wird.
Da sind wir völlig einer Meinung. Doch warum gelangen die Indogermanen auch lange Zeit nicht über die Ausdehnung dieser Bandkeramiker hinaus, waren sie doch den Bauernvölkern militärisch überlegen?

Der Einbruch der Indoeuropäer erfolgte wohl in mehreren Wellen und wird allgemein ins 3. Jahrtausend gelegt. Hier handelt es sich um eine eindeutig patriarchalische Gesellschaft mit rudimentärem Ackerbau und einer starken viehzüchterischen Komponente, die verschidentlich auch mit kriegerischen Hirten gleichgesetzt wird. Diese halbnomadische indoeuropäische Population tritt einer gesellschaftlich ungeschichtet bäuerlichen Bevölkerung entgegen, überschichtet sie und zwingt ihr - vermutlich kraft ihrer Dominanz - ein indoeuropäisches Idiom auf.
Hier stelle ich mitr halt die Frage, wie groß war(en) diese Invasionswelle/n. Alle späteren Völker endeten meist in der ungarischen Tiefebene und im Donautiefland. warum erreichten die Indogermanen das gesamte Mitteleuropa einschließlich des Balkans? Was belegt eindeutig, daß die Bandkeramiker in kleinen oder kleinsten bäuerlichen Gemeinschaften der Invasion nicht standhalten konnten?


Die Sprachgrenze stimmt keineswegs mit derjenigen der frühen neolithischen Bauern überein. Die Bandkeramiker stießen im Westen bis etwa zur Rheingrenze vor, danach war Schluss. Weiter westlich begannen die oben angeführten autonomen westeuropäischen Kulturen. Im übrigen verschwanden die bekannten neolithischen Bauern spätestens Ende des 3. Jahrtausends und machten der bronzezeitlichen Hügelgräberkultur, Aunjetitzer-Kultur und Urnenfelderkultur Platz. Das muss zu einer derartigen Völkermühle in Europa geführt haben, dass etwaige Sprachgrenzen neolithischer Völker völlig irreal sind.
Die Urnenfelderkultur ist die erste, die diese "Rheingrenze" nach Westen hin überschreitet. Erst Hallstatt und La-Tene drängen die westlichen Kulturen deutlich zurück. Warum so spät? Was für plausible Gründe würden dafürsprechen?


Selbstverständlich gibt es noch lange nach der Indoeuropäisierung Europas beträchtliche Teile einer vorindoeuropäischen Bevölkerung, die man gern als "Alteuropäer" bezeichnet. Dazu zählen u.a. die Iberer, Ligurer, Etrusker, vermutlich auch die ominösen Pelasger als eine vorindoeuropäische mittelmeerische Bevölkerung Griechenlands. Hier gibt es aber auch Stimmen, die die Pelasger schon als Indoeuropäer betrachten und sie ab etwa 2000 v. Chr. von Proto-Griechen überschichtet sehen wollen.
Wenn diese Pelasger tatsächlich Indogermanen wären, müßte die Einwanderung vorverlegt werden. Was auch nicht unproblematisch wäre.

Und jetzt mache vor lauter Erschöpfung erst mal Schluss!! :confused:
Dann gute Erholung und danke für dieine Beurteilung
 
@Dieter:
Ich bitte vielmals um Entschuldigung, aber bzgl. einer Sache muß ich Dich korrigieren...

Ah, danke, darauf wollte ich auch noch eingehen. Ich erwähne nur "Kornkammer". Selbst die Skythen, die uns vielleicht als Reitervolk vor Augen stehen, betrieben Landwirtschaft. Von daher sollte man es allso nicht sofort außer Acht lassen, daß bäuerliche Gruppen auch ins Steppengebiet vordrangen.

Übrigends, in Nordamerika wurden überwiegend seßhafte, landwirtschafttreibende Sioux-Völker nach Westen in die Prärie und die Plains abgedrängt. Sie entwickelten sich innerhalb kürzester Zeit zu Reitervölkern. Von daher -
 
@Dieter:
Ich bitte vielmals um Entschuldigung, aber bzgl. einer Sache muß ich Dich korrigieren...
Entschuldige @Timo und @beorna, ich muss auch korrigieren. Die Ukraine als Kornkammer existiert solange noch nicht, eigentlich erst seit Potemkin. Der sommertrockene Boden erfordert dort bestimmte Techniken wie Tiefpflügen mit Schollenwenden. Vorher war Getreide dort allenfalls grundwassernah in Flussnähe anbaubar. Mit dem hölzernen Hakenpflug ist da nichts zu machen. Die Bandkeramiker siedelten auf Löss in Flussnähe, nicht auf Hochflächen. Sie bearbeiteten den Boden kleinflächig von Hand, der Pflug war unbekannt. Später kam der Hakenpflug auf, man wich auf relativ ärmere, aber leichter zu bearbeitende Böden, ja sogar auf Sand aus. Das lässt sich an einer belegten Umstellung auf den anspruchslosen Roggen nachvollziehen, wie er bei den Germanen später dominierte.

Der Vergleich mit den Sioux ist nicht ganz kongruent. Diese hatten immerhin Reiter als Vorbilder vor Augen und mussten nicht erst das Wildpferd domestizieren.
 
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Entschuldige @Timo, ich muss auch korrigieren...

Kein Problem :cool:

Die Ukraine als Kornkammer existiert solange noch nicht, eigentlich erst seit Potemkin...

Ich hatte nichts anderes behauptet oder geschrieben :cool:

Der sommertrockene Boden erfordert dort bestimmte Techniken wie Tiefpflügen mit Schollenwenden. Vorher war Getreide dort allenfalls grundwassernah in Flussnähe anbaubar. Mit dem hölzernen Hakenpflug ist da nichts zu machen. Die Bandkeramiker siedelten auf Löss in Flussnähe, nicht auf Hochflächen. Sie bearbeiteten den Boden kleinflächig von Hand, der Pflug war unbekannt. Später kam der Hakenpflug auf, man wich auf relativ ärmere, aber leichter zu bearbeitende Böden, ja sogar auf Sand aus. Das lässt sich an einer belegten Umstellung auf den anspruchslosen Roggen nachvollziehen, wie er bei den Germanen später dominierte...

... was aber alles dennoch nichts daran ändert, daß der allgemeine Schluß, daß in den Steppen Südrußlands ein ertragreicher Ackerbau nahezu unmöglich war, zu kurz greift.
Darum ging es mir mit meinem Einwand... :fs:
 
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@Dieter: Die Vorstellung ist unrealistisch, dass eine sesshafte bäuerliche Bevölkerung aus Vorderasien in die Steppen Südrusslands gezogen wäre, wo ein ertragreicher Ackerbau nahezu unmöglich war

für spätere Zeiten gebe ich Dir recht, aber in der langen Übergangszeit und noch kann man nicht genau sagen, wann der Prozess begann, befand sich Ackerbau und Seßhaftigkeit noch in einer Experimentierphase und mußte möglicherweise viele Rückschläge einstecken.
In der Frühzeit wurde noch mit dem vorgefundenen Wildgetreide ohne Bewässerung usw. versucht dem Sammelgeschick sozusagen nachzuhelfen, die Wege zu verkürzen und die Ernährung sicherer zu machen. Parallel begann man Schafe und Ziegen zu halten. Ich könnte mir vorstellen, dass manche Gruppen mit der Viehzucht mehr Erfolg hatten und andere mehr mit Ackerbau, in Abhängigkeit von der Umwelt.
Die Wirtschaftsform der Hirtennomaden paßt sich perfekt an trockene Steppenlandschaften an, die ertragreichen Ackerbau kaum zulassen, nicht wegen der Bodengüte sondern wegen fehlender Niederschläge.
Andererseits haben die Steppenvölker, die Indoeuropäer waren ja nicht die einzigen, die Landwirtschaft der umliegenden/alteingesessenen Völker für sich genutzt durch Tauschhandel oder Ausbeutung, wenn sie denn kriegstechnisch überlegen waren.

Was ich schwierig an der Renfrew-Theorie finde, ist die
Sprache und die Zeit.
@Beornas Überlegung habe ich so verstanden, dass die bandkeramischen Gruppen, wenn Sie eine Vorform des Indoeuropäischen sprachen, nur bis zum Rhein vordrangen und das Überleben der baskischen Sprache ein Argument für diese These sein könnte. Später wanderten weitere indoeu. Gruppen u.a. westwärts, Schnurkeramiker, Kelten, Germanen, Slawen. Kann man dann sagen, dass wir diese deshalb als indoeur. Sprachen indentifizieren können, weil die Abstände viel kürzer waren im Vergleich zur bandkeramischen Wanderung und hat das was mit nostratisch zu tun?
 
Diese Unterschiede sind letztlich richtig. Ich denke man muß sich dennoch fragen, sind diese patriarchalisch/matriarchalischen Gegensätze ursprünglich oder entwickelten sie sich durch die unterschiedlichen Lebensformen? Welche Gesellschaftsform besaßen die mesolithischen oder paläolitischen Völker?

Die gesellschaftlichen Unterschiede zwischen neolithischen Bauern und indoeuropäischen Viehzüchtern und Hirten rühren sicherlich von ihrer Lebensweise her.

Nomadische Steppenvölker haben stets patriarchalische Gesellschaftsformen, während man bei den frühen Ackerbauern davon ausgeht, dass zunächst Frauen den Ackerbau betrieben, die ihn vermutlich als Sammlerinnen auch erfunden haben. Zunächst wurde - so diese Hypothese - ein Ackerbau lediglich in kleinem Maßstab betrieben, während daneben noch die Jagd und das Sammeln im Vordergrund stand. Allmählich verschob sich das Gewicht immer stärker zum von Frauen betriebenen Anbau hin, was dazu führte, dass Frauen an der Sicherung der Existenzgrundlage wesentlich beteiligt waren und somit erhöhte Achtung und Wertschätzung genossen.

Eine Unmenge ergrabener Frauenstatuetten aus frühneolithische Kulturen (v.a. Sesklo, Vinca und Starcevo) drücken diese Situation aus. Sie sind vermutlich auch der Anschauung geschuldet, dass man die Fruchtbarkeit des Bodens einer mütterlichen Gottheit zuschrieb, die das Korn wachsen und gedeihen ließ; das Ergebnis waren u.a. die in historischer Zeit überall bezeugten Fruchtbarkeitsgöttinnen, bzw. die "Magna Mater".

Dieser Vorsprung der Frauen bei der Existenzsicherung endete erst, als man vom schlichten Grabstock zum (Haken)pflug überging, später auch zu Ochsengespannen, und die Bodenbearbeitung aufgrund des Kraftaufwands an Männer überging.

Es ist zu betonen, dass diese Hypothese zwar vielfach vertreten wird, aber natürlich nicht ohne Widerspruch geblieben ist. Mir persönlich will sie gut einleuchten.

Dies gilt aber doch nur, weil die gängige Lehrmeinung die griechisch-westanatolischen Kulturen ihnen nicht zugewiesen hat. Eine Verbindung dieser Kulturen mit den vordringenden Ackerbauern ist doch unzweifelhaft.

Da man in Vorderasien weder schnurkeramische noch Streitaxtkulturen fand, zudem auch kein einziges indoeuropäisches Idiom vor Ankunft der Hethiter fassbar ist, ist es überaus wahrscheinlich, dass dort auch kein indoeuropäisches "Urvolk" zu suchen ist. Natürlich kann man das postulieren, doch scheint es mir weniger begründet zu sein als der osteuropäische und südrussische Raum als Ursprung von Proto-Indoeuriopäern, wo siich immerhin eine entsprechende Sachkultur findet.

Da sind wir völlig einer Meinung. Doch warum gelangen die Indogermanen auch lange Zeit nicht über die Ausdehnung dieser Bandkeramiker hinaus, waren sie doch den Bauernvölkern militärisch überlegen?

Man könnte z.B. sagen, dass jede Ausbreitung oder Invasionswelle irgendwann auch nachlässt und verebbt. Im übrigen greift bereits die Urnenfelderkultur auch auf Frankreich und sogar Nordwestspanien über.

Hier stelle ich mitr halt die Frage, wie groß war(en) diese Invasionswelle/n. Alle späteren Völker endeten meist in der ungarischen Tiefebene und im Donautiefland. warum erreichten die Indogermanen das gesamte Mitteleuropa einschließlich des Balkans? Was belegt eindeutig, daß die Bandkeramiker in kleinen oder kleinsten bäuerlichen Gemeinschaften der Invasion nicht standhalten konnten?

Hier ist eines mit großer Deutlichkeit zu sagen, das die Argumentation wesentlich beeinflusst:

Es wird leicht übersehen, dass kolonisierende Bauern aus Kleinasien nur am Anfang der Entwicklung standen. Das weitere Vordringen des Ackerbaus über den Balkan nach Mitteleuropa erfolgte mit großer Wahrscheinlichkeit zunehmend durch Weitergabe des bäuerlichen Wissens an die mesolithische europäische Urbevölkerung. Der Vorgang der Neolithisierung wurde also zunehmend zu einer Kulturtrift, an der Bauern aus Kleinasien längst nicht mehr - oder nur unwesentlich - beteiligt waren. Diese Ansicht habe ich im Lauf der letzten Jahre in zahlreichen Publikationen gelesen und sie scheint mir überaus stichhaltig zu sein.

Man kann also davon ausgehen, dass die noch kleinasiatisch bestimmte "Sesklo-Sprache" in Thessalien/Griechenland (um einmal bei diesen anonymen Völkern nur die Kulturschicht zu nennen) verschwand, je stärker autochthone mesolithische Populationen die Kenntnis des Ackerbaus übernahmen und wiederum weitergaben. Die "bandkeramische Sprache" wird also vermutlich eine mesolithische Sprache der autochthonen Mitteleuropäer gewesen sein und kein vorderasiatisches bzw. anatolisches Idiom (und natürlich auch kein indoeuropäisches!).

Dieser letzte Abschnitt meines Posts bezieht vermutlich auch Stellung zu einigen Überlegungen von rena8.
 
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Entschuldige @Timo und @beorna, ich muss auch korrigieren. Die Ukraine als Kornkammer existiert solange noch nicht, eigentlich erst seit Potemkin. Der sommertrockene Boden erfordert dort bestimmte Techniken wie Tiefpflügen mit Schollenwenden. Vorher war Getreide dort allenfalls grundwassernah in Flussnähe anbaubar. Mit dem hölzernen Hakenpflug ist da nichts zu machen. Die Bandkeramiker siedelten auf Löss in Flussnähe, nicht auf Hochflächen. Sie bearbeiteten den Boden kleinflächig von Hand, der Pflug war unbekannt. Später kam der Hakenpflug auf, man wich auf relativ ärmere, aber leichter zu bearbeitende Böden, ja sogar auf Sand aus. Das lässt sich an einer belegten Umstellung auf den anspruchslosen Roggen nachvollziehen, wie er bei den Germanen später dominierte.
Natürlich darf man sich die Ukraine nicht als riesiges Weizenmeer denken. Schon die Skythen produzierten in großem Maße Korn und vertrieben es sogar an die Griechen. Ich kenne jetzt nicht die Verbreitung des Ackerbaus vor den Skythen, eins muß aber klar sein, produktiv war das Nordschwarzmeergebiet.
Der Vergleich mit den Sioux ist nicht ganz kongruent. Diese hatten immerhin Reiter als Vorbilder vor Augen und mussten nicht erst das Wildpferd domestizieren.
Ein 1:1-Vergleich verbietet sich, klar. Aber während die Indogermanen Jahrhunderte, folgt man Renfrew Jahrtausende Zeit hatten, veränderte sich die Kultur der Sioux in 1-2 Generationen.
 
Die gesellschaftlichen Unterschiede zwischen neolithischen Bauern und indoeuropäischen Viehzüchtern und Hirten rühren sicherlich von ihrer Lebensweise her.
Bleibt halt die Frage, ist es möglich, daß sich beide aus einer gemeinsamen Wurzel, wie auch immer patr./matr., gebildet haben oder nicht. Sollte Renfrew Recht haben, wären doch frühneolithische, wahrscheinlich nur sehr bedingt matriarch. Gruppen, wenn Mesolithiker patriarchalisch wären, vielleicht auch noch bedingt patr. Gruppen ausgewandert. Die sich der Landwirtschaft zuneigenden Gruppen hätten sich in eine matriarch. Gesellschaft gewandelt, die später versteppten Hirten zu patr. Gesellschaften. Rein von der Theorie her könnte man das nur schlecht widerlegen.

Es ist zu betonen, dass diese Hypothese zwar vielfach vertreten wird, aber natürlich nicht ohne Widerspruch geblieben ist. Mir persönlich will sie gut einleuchten.
Das würde ich auch so sehen


Da man in Vorderasien weder schnurkeramische noch Streitaxtkulturen fand, zudem auch kein einziges indoeuropäisches Idiom vor Ankunft der Hethiter fassbar ist, ist es überaus wahrscheinlich, dass dort auch kein indoeuropäisches "Urvolk" zu suchen ist. Natürlich kann man das postulieren, doch scheint es mir weniger begründet zu sein als der osteuropäische und südrussische Raum als Ursprung von Proto-Indoeuriopäern, wo siich immerhin eine entsprechende Sachkultur findet.
Wenn sich Schurkeramiker und Streitaxtkulturen erst in der Steppe gebildet haben, dann darf man sie natürlich nicht in Kleinasien erwarten. Kleinasien strotzt nur so von indogermanischern Idiomen, Luwisch, Nasili, Lykisch, Lydisch, Karisch etc. Diese Völker werden aber erst Mitte des 2.Jtsds historisch. Man könnte also durchaus argumentieren, daß, selbst wenn man einen Hethitereinbruch um 2000 vertritt, Kleinasien schon indogermanisch war.

Man könnte z.B. sagen, dass jede Ausbreitung oder Invasionswelle irgendwann auch nachlässt und verebbt. Im übrigen greift bereits die Urnenfelderkultur auch auf Frankreich und sogar Nordwestspanien über.
Aber doch eher gering.


Es wird leicht übersehen, dass kolonisierende Bauern aus Kleinasien nur am Anfang der Entwicklung standen. Das weitere Vordringen des Ackerbaus über den Balkan nach Mitteleuropa erfolgte mit großer Wahrscheinlichkeit zunehmend durch Weitergabe des bäuerlichen Wissens an die mesolithische europäische Urbevölkerung. Der Vorgang der Neolithisierung wurde also zunehmend zu einer Kulturtrift, an der Bauern aus Kleinasien längst nicht mehr - oder nur unwesentlich - beteiligt waren. Diese Ansicht habe ich im Lauf der letzten Jahre in zahlreichen Publikationen gelesen und sie scheint mir überaus stichhaltig zu sein.
Darüber streitet man wie gesagt noch. Kulturdrift oder Migration? Schwer zu beurteilen, wahrscheinlich beides. Doch auf der anderen Seite, könnte man dies für die Streitaxt-/Schnurkeramikerausbreitung genauso annehmen!
 
Um das Thema mal ein wenig weiter zu fassen. Die Interpretation von Befunden in der Vorgeschichte war in der Vergangenheit nie ganz frei von nationalen Befindlichkeiten. Ich erinnere mich, dass noch zu Sowjetzeiten ein (natürlich russischer) Professor behauptete, die Linear-B-Hieroglyphen von Kreta seien eine Urform des Slawischen. Hier im Forum erleben wir solche Anwürfe von Teilnehmern mit, nun sagen wir mal Migrationshintergrund, in schöner Regelmäßigkeit. Und natürlich waren es polnische Wissenschaftler die die Lausitzer Kultur zu Urslawen postulierten (das diente in den 20er Jahren sogar als politisches Argument, um Gebietsansprüche zu begründen). Wobei die deutsche Seite keinen Deut besser war, wurde doch die Herkunft der Indogermanen (Arier) natürlich in den südlichen Ostseeraum verlegt. Es soll indische Maharadschas gegeben haben, die in den 30er Jahren Pommern als ihre "Urheimat" besuchten.

Diese Indogermanenthese ist längst vom Tisch, sie hat sich im Grunde mit den Nazis verabschiedet. Was ich damit sagen will?

Nun, die Frühgeschichte aus schriftloser Zeit kann sich lediglich auf Grabungsbefunde stützen. Kaum eine andere Disziplin unterliegt in ähnlichen Maße einem Interpretationsspielraum. Die vergleichende Linguistik ist deshalb ein wertvolles Werkzeug, um diese ergrabenen Fakten einer plausiblen Erklärung zuzuführen. Dennoch können wir natürlich nie wissen, in welcher Sprache der Mann aus dem Häuptlingsgrab XY wirklich redete. Da sind dann auch der Phantasie Tür und Tor geöffnet, das prädestiniert geradezu zum "Professorenstreit" und alle paar Jahre wird eine neue Sau durchs Dorf getrieben, sprich eine neue Theorie aus dem Zylinder gezaubert. Neu heißt aber nicht unbedingt automatisch besser oder richtiger. Soviel nur mal als Allgemeinsatz zum Thema. Mein Statement zur konkreten Thematik "Indogermanenherkunft" dürfte inzwischen bekannt sein.
 
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... das prädestiniert geradezu zum "Professorenstreit" und alle paar Jahre wird eine neue Sau durchs Dorf getrieben, sprich eine neue Theorie aus dem Zylinder gezaubert. Neu heißt aber nicht unbedingt automatisch besser oder richtiger.

Das kann man nur mehrmals unterstreichen, bb!

Es kommt letztlich auf die Qualität der Hypothesen an und da kann eine Argumentation von 2008 einer von 1970 durchaus unterlegen sein. Vor allem wenn man bedenkt, dass ja keine neuen archäologischen Erkenntnisse auf den Tisch kommen, sondern das seit etwa 50-70 Jahren bekannte nur erneut unter anderen Blickwinkeln betrachtet wird. Die müssen aber 2008 nicht zwangsläufig qualitätvoller sein, als die von 1970.

Ich möchte hier kurz noch eine ganz andere Hypothese vorstellen, nämlich die "Alteuropa-Theorie". Sie geht davon aus, dass sich der Bevölkerungsgrundstock vor allem Mitteleuropas seit dem Mesolithikum nicht oder nur geringfügig verändert hat. Das hätte zur Folge, dass - wie oben von mir geschildert - die neolithischen Bandkeramiker eine einheimische Population waren, die den Ackerbau lediglich im Rahmen einer Kulturtrift aus dem Balkan übernommen hätte.

Daraus folgt ferner, dass das indoeuropäische "Urvolk" aus der einheimischen mesolithischen Bevölkerung entstanden ist und sich folglich auch die indogermanische "Ursprache" hier im Zentrum Europas entwickelt hat.

Diese Hypothese wird heutzutage seltener vertreten, ist aber nicht gänzlich vom Tisch.
 
@Dieter, zu der von dir genannten "Alteuropa-Hypothese" möchte ich folgende Anmerkungen machen. Die Landwirtschaft ist nicht aufgekommen, weil plötzlich bei den Wildbeutern (so will ich die Jäger und Sammler mal nennen) jemand diese Lebensweise toll fand. Sie entstand unter dem Druck des Überlebens. Die Großtierherden des Spätpleistozäns gab es nicht mehr, warum auch immer. In Vorderasien spezialisierten sich die Wildbeuter dann auf Gazellenjagd. Irgend wann waren auch hier die großen Herden verschwunden, auch hier warum auch immer.

Allein die "Erfindung" der Landwirtschaft, somit quasi ein Zwang, ermöglichte die Weiterexistenz und bot sogar die Möglichkeit zu einer raschen Bevölkerungszunahme. So mussten die Bauern expandieren, um satt zu werden. Erkauft wurde dies zu einem hohen Preis. Die Gesundheit von neolithischen Bauern war verglichen mit mesolithischen Jägern eine Katastrophe, das kann man an den Skeletten erkennen. Die mittlere Körpergröße ging deutlich zurück, Karies und Seuchen hielten Einzug. Aber, wie Diamond so schön schreibt, 10 schlecht genährte Bauern werden immer noch mit einem kräftigen Jäger fertig.

Eibl-Eibesfeldt erwähnt, dass Wildbeuter, selbst die San in der Kalahari, nur 4-5 Stunden täglich benötigen, um ihre Nahrung zu beschaffen. Von solchen "Arbeitszeiten" träumen wir doch alle! Es gibt genug Beispiele aus der Kolonialzeit, wo die "faulen Wilden" selbst unter Zwang nicht zu bewegen waren, ihre Lebensart aufzugeben. Warum auch?

Deshalb denke ich nicht, dass die mesolithische Bevölkerung Europas ihren bisherigen Nahrungserwerb so einfach freiwillig aufgab und Landwirtschaft betrieb. Natürlich wurden sie nicht gezwungen, vertrieben oder gar vernichtet. Aber da immer mehr "Unruhe" in ihr Leben und das ihrer Beute kam (Brandrodungen etc. durch die eingewanderten Bauern), blieb ihnen auch nur diese Alternative. Die Ausbreitung der Landwirtschaft über Europa war alles andere als ein rascher Siegeszug, es dauerte Jahrtausende.
 
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@balticbirdy: Die Großtierherden des Spätpleistozäns gab es nicht mehr, warum auch immer. In Vorderasien spezialisierten sich die Wildbeuter dann auf Gazellenjagd.

An den Küsten Mitteleuropas hatten die Neolithiker die Alternative Fischfang/Muschelsuche, wodurch ebenso Seßhaftigkeit eingeleitet worden sein mag.
Die einwandernden Bandkeramiker oder eher die Ausbreitung der Idee der alternativen Nahrungsbeschaffung durch produzierende Landwirtschaft fand dagegen an den Flußläufen im Inneren Europas statt.
Die großen Flüsse Donau, Elbe, Rhein könnten als Handels- und Informationsaustauschwege fungiert haben.
Die Ertebölle-Kultur z.B. an den Nordseeküsten existierte ungefähr zur gleichen Zeit als sich die "Neolithische Revolution" langsam über das Inland ausbreitete und übernahm später die Ackerbau-Idee, sehe ich das richtig.
Die Veränderungen am Ende der Eiszeit sind doch in Mitteleuropa gravierender gewesen als in Vorderasien, wo nur die Großwildherden ausstarben. In Mitteleuropa konnten vielleicht seit langem bewährte Jagdmethoden, wie die Treibjagd auf Mammuts wegen der zunehmenden Bewaldung nicht mehr die Ernährung sichern. Das muß zu Krisen geführt haben, die Auswirkungen auf die Gesellschaftsstrukur und Religion hatten, wie @Dieter in Beitrag 71 sehr plausibel erklärt hat.
@beorna:Bleibt halt die Frage, ist es möglich, daß sich beide aus einer gemeinsamen Wurzel, wie auch immer patr./matr., gebildet haben oder nicht. Sollte Renfrew Recht haben, wären doch frühneolithische, wahrscheinlich nur sehr bedingt matriarch. Gruppen, wenn Mesolithiker patriarchalisch wären, vielleicht auch noch bedingt patr. Gruppen ausgewandert. Die sich der Landwirtschaft zuneigenden Gruppen hätten sich in eine matriarch. Gesellschaft gewandelt, die später versteppten Hirten zu patr. Gesellschaften. Rein von der Theorie her könnte man das nur schlecht widerlegen.

Vielleicht führt unser heutiges Religions- und Weltbild zu einer dogmatischen Sicht auf den scheinbaren Gegensatz patriarchalische Herrschaftsstruktur im Gegensatz zum Fruchtbarkeitskult in eher egalitären Gruppen. Beide haben eine Antwort auf das Problem Überleben + Vermehrung in veränderter Umwelt gefunden.

@balticbirdy:Mit dem hölzernen Hakenpflug ist da nichts zu machen. Die Bandkeramiker siedelten auf Löss in Flussnähe, nicht auf Hochflächen. Sie bearbeiteten den Boden kleinflächig von Hand, der Pflug war unbekannt. Später kam der Hakenpflug auf, man wich auf relativ ärmere, aber leichter zu bearbeitende Böden, ja sogar auf Sand aus. Das lässt sich an einer belegten Umstellung auf den anspruchslosen Roggen nachvollziehen, wie er bei den Germanen später dominierte.

In einigen tropischen Gebieten Westafrikas wurde bis in die Neuzeit mit dem Grabstock erfolgreich Ackerbau betrieben und zwar meist von den Frauen, folgerichtig gab oder gibt es teilweise noch heute eine matrilineare Vererbung, d.h. die Töchter blieben mit ihren Kindern am Ort und bewirtschafteten die Felder der Mutter weiter und die Kinder der Schwestern waren nicht Cousinen, wie bei uns, sondern enger verwandt, wie Geschwister, weil sie als solche aufwuchsen. Die Männer lebten nicht unbedingt ständig mit den Frauen zusammen, hatten vielleicht sogar mehrere, was aber nicht störte, da der Familienverband über die mütterliche Seite definiert wurde.
Trotzdem würde ich das nicht als Matriarchat bezeichnen, denn es gab Dorfälteste, Häuptlinge usw. die Männer hatten bes. vor der Kolonisierung andere Aufgaben und Lebenswelten.
 
@rena8:An den Küsten Mitteleuropas hatten die Neolithiker die Alternative Fischfang/Muschelsuche, wodurch ebenso Seßhaftigkeit eingeleitet worden sein mag.
Das ist richtig, aber nur an wenigen Küstenplätzen mit erreichbaren Muschelbänken möglich (Dänemark, Portugal). Diese Ressourcen ermöglichten gleichfalls eine Sesshaftigkeit, noch heute zeugen regional meterhohe Muschelabfallhaufen (Kjökkenmöddinger) von diesen Menschen. Auf den Japanischen Inseln existierte zeitgleichl die Jomon-Kultur, von dort gibt es die allerfrühesten Belege für Keramik. Die japanischen Ureinwohner (Ainu) gelten als Nachfahren dieser Menschen.

Was du zur Verwendung des Grabstocks in tropischen Gebieten sagst ist gleichfalls richtig, aber das ist mehr eine Technik für die dortigen Knollenfrüchte (Taro, Maniok, Bataten, aber auch auch für Mais). Für "normales Getreide" ist diese Methode nicht geeignet.
 
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Wenn ich so das OP lese.... Was war doch gleich das Thema?
C. Renfrew veröffentlicht seit über 20 Jahren in angesehenen Zeitschriften (auch ScientificAmerican/SdW) seine Thesen, die sehr gut zum "Zeitgeist" passen. Ich kenne das erwähnte Buch nicht, aber viele seiner Artikel.
Soweit ich es verstehe ist sein Hauptgedanke, die frühe Verbreitung von Sprachfamilien mit der Ausbreitung der neolithischen Lebensweise in Verbindung zu bringen. Er (und andere) identifizierten dabei mehrere Ackerbauzentren, von denen sich in besagten langsamen Wanderbewegungen nicht nur die Technologie (Ackerbau, Keramik, Metallurgie), sondern eben auch die Sprache ausbreitet:
3 im nahen Osten
- Indogermanen
- Afroasiaten
- Elamo-Draviden
In Afrika, einige tausend Jahre später:
- Niger-Kongo
In Ost-Asien
- Chinesisch
- Austronesisch
Das ist nicht vollständig; ich schreiben aus der Erinnerung...
Es ist auch nicht doktrinär; manche heute überlebenden Sprachfamilien (mit einer riesigen Anzahl von Sprachen) mit Ackerbau haben keine erkennbare Expansion erfahren (Austro-Asiatisch, Neuguinea-Sprachkomplex,..). Renfrew sagt dazu, dass es sie noch gibt, weil sie als generische Ackerbaukulturen einfach "umgangen" wurden. Sie konnten sich behaupten, weil sie genau so gut waren wie die vorbeiziehenden "Fremden".

Bei den amerikanischen Sprachen ist das schwieriger zu sehen: zwei Ackerbauzentren (Peru, Mexiko) aber alles eine große (Sprach-) Familie.

Was die Indogermanen angeht so streitet Renfrew m.W. nicht ab, dass es zu späteren (ab 2000) kleineren Völkerbewegungen und Sprachverdrängungen IM RAHMEN des Indogermanischen gekommen ist. Im Rahmen einer Sprachfamilie ohne schriftliche Zeugnisse erfordert "Pro und Contra" aber trickreiche Argumentationen.

Beispiel: Die Dorer überlagern um 1200 die griechische Frühbevölkerung im Süden und Westen. Latein überlagert die keltischen Sprachen in Frankreich/Spanien.

M.W. gibt es keine klaren Vorstellungen darüber, WIE VIELE Römer oder Dorer denn überhaupt in diese Gebiete "einfielen"...

Dies sind "andere" Bewegungen ("Machteliten"), die NACH der neolithischen Expansion erfolgten (China nach der Han-Zeit, Altai-Sprachen (Mongolen, Türken,..). So etwas kann für einen späteren Historiker zu schwer zu verstehenden Effekten führen (Beispiel: Karibik)

Für mich waren/sind Renfrews Ansichten auf jeden Fall erhellend :)
 
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@deSilva Für mich waren/sind Renfrews Ansichten auf jeden Fall erhellend :)

im ersten Teil hast du die Renfrew-Thesen zusammengefaßt und im 2. Teil Renfrews Antworten auf Gegenargumente wiedergegeben, so weit so gut.

In den vorangehenden Beiträgen haben alle dazu beigetragen, die Renfrew-Theorie im Vergleich mit anderen Theorien "mit Leben zu füllen", sie für historisch interessierte Laien auf "Plausibilität abgeklopft" und eigene Überlegungen dazu dargestellt. Das dabei manchmal die Eingangsfrage nicht mehr im Vordergrund stand, fand ich persönlich besonders reizvoll, da nicht so trocken.

Daher fände ich es interessant, deine Überlegungen etwas detaillierter zu erfahren
 
Ah, ich bin kein studierter Historiker (sondern studierter Mathematiker) und kann deswegen kaum DETAILS beitragen. Ich wollte nur auf zwei Dinge besonders hinweisen:
(1) Es geht hier um GRUNDSÄTZLCHE weltweite Muster; Indo-Europäer sind nur ein Beispiel. Auch wenn es fast nichts ist, so wissen wir über die Indo-Europäer immer noch bedeutend mehr als über die Lage bei anderern neolithischer Wanderbewegungen... Renfrew muss sich also mit Recht gefallen lassen, dass man ihn mit unbestreitbaren (wenn es sowas in der Geschichtswissenschaft überhaupt gibt) DETAILS entgegentritt...

(2) Allerdings wird immer gerne vergessen, dass durch die zeitliche Rückverlagerung um 3000 Jahre eine andere Argumentationslage entstanden ist. Mag es die Kurgankrieger mit oder ohne Pferd gegeben haben oder auch nicht, wir sind hier eine "Schicht dadrunter". Archäologisch kann es sich nur um die frühen Bandkeramiker handeln. Also scheint die These zu sein, dass eben dies die Menschen waren, die - sehr früh - ein indo-europäisches Substrat nach Europa gebracht haben. So etwas ist nun allerdings kaum falsifizierbar :)

Es spielen in solchen Diskussionen auch gerne ideologische Standpunkte eine Rolle (Matriarchat/Patriarchat) oder:
- Ackerbäuerlicher Expansion (wie etwa die nordamerikanische Besiedlung im 19. Jh.)
und
- Kriegerischer Invasion (Seldschuken/Osmanen in Kleinasien)
Beides führte zu einer recht gleichartigen SPRACHLICHEN Lage, und wahrscheinlich tragen genauso viele Nordamerikaner Indianergene wie Türkeibewohner türkische... Und der Einsatz von Gewalt war wahrscheinlich in beiden Fällen auch recht ähnlich...

Was mir an Renfrews "neolithischer Ausbreitung" gefällt ist, dass ich mir das besser "vorstellen" kann. Europa war von wirklich undurchdringlichen Wäldern bewachsen, und eine Gruppe von fleißigen Brandrodern, die mit ihren Ochsen stetig nach Nordwesten ziehen, gibt für mich weit mehr Sinn als Kriegsbeil schwingende Steppenreiter...
 
@deSilva: Was mir an Renfrews "neolithischer Ausbreitung" gefällt ist, dass ich mir das besser "vorstellen" kann. Europa war von wirklich undurchdringlichen Wäldern bewachsen, und eine Gruppe von fleißigen Brandrodern, die mit ihren Ochsen stetig nach Nordwesten ziehen, gibt für mich weit mehr Sinn als Kriegsbeil schwingende Steppenreiter...

Tja, aber nach Sympathiepunkten geht es leider nicht.
 
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