DNA-Untersuchungen an blutigen Stofffragment von Hitlers Sofa

Übertreibst du nicht?
Mal abgesehen davon, dass man die Persönlichkeit eines Diktators durchaus isoliert betrachten kann (denn Sozialisierung und Persönlichkeitsformung fanden in aller Regel vor dem Aufstieg zur Macht statt), kannst Du Deinen Mitmenschen schon etwas mehr kritisches Denken zutrauen.
Natürlich kann man den Diktator und seine Sozialisation betrachten, dagegen ist überhaupt nichts einzuwenden.

Ich bin nicht zu 100 % mit Pardela cenicientas Antwort einverstanden, aber sie entspricht etwa zu 95 % dem, wie ich geantwortet hätte:
Es gibt in der deutschen Nachkriegsgesellschaft eine Lesart, Hitler als psychisch krank und gestört zu betrachten.
Diese Lesart ist den meisten in Fleisch und Blut übergegangen. Denn sie ist bequem und entbindet von der Beantwortung der Frage:

Wie konnte ein normaler oder normal wirkender Mensch seine normalen Mitmenschen und Mitbürger zu wissenden und freudigen, aktiv planenden Mittätern machen?

Die nationalsozialistischen Verbrechen wurden immer wieder gerne auf H.s Psyche, eine SS voller sadistischer Triebtäter und einen mehr oder weniger weit gefassten Kreis von Nazi-Größen reduziert.

Aber weder war H. psychisch krank, noch in der SS auffallend viele sadistische Triebtäter. Nicht einmal alle am Holocaust beteiligten Täter waren überzeugte Antisemiten und/oder Nazis. Manche haben "nur" funktioniert, andere wollten die Kameraden nicht mit der "Drecksarbeit" alleine lassen.
 
Aber weder war H. psychisch krank, noch in der SS auffallend viele sadistische Triebtäter. Nicht einmal alle am Holocaust beteiligten Täter waren überzeugte Antisemiten und/oder Nazis. Manche haben "nur" funktioniert, andere wollten die Kameraden nicht mit der "Drecksarbeit" alleine lassen.
Ist mir bekannt.
Was ich hingegen nicht verstehe, das sind die Befürchtungen bzw. Kritikpunkte, die Du zweimal in diesem Faden geäußert hast, dass sich damit eigene Schuld ausblenden oder Nazi-Verbrechen trivialisieren ließen. Und offenbar soll dieser Ansatz auch noch sehr verbreitet gewesen sein.
Die nationalsozialistischen Verbrechen wurden immer wieder gerne auf H.s Psyche, eine SS voller sadistischer Triebtäter und einen mehr oder weniger weit gefassten Kreis von Nazi-Größen reduziert.
Werden sie das?

Tun wir—des Arguments halber—einfach mal so, als gäbe es für Hitler eine einwandfreie Diagnose paranoider Schizophrenie.

Was ändert sich dadurch?

Wie entlastet das jene, die taten, was Hitler ihnen befahl?

Würde es ihrer Moral nicht sogar ein noch schlechteres Zeugnis ausstellen, dass sie einem Irren gefolgt sind?

Nun könnte man zwar die Frage, ob Hitler psychisch krank war, als Versuch interpretieren, ihn von seiner eigenen Verantwortung zu entlasten. Aber auch dieser Gedankengang überzeugt mich nicht.

Denn erstens gilt schon seit über 120 Jahren der (medizinisch wohlbegründete) strafprozessuale Grundsatz, dass die Diagnose einer psychischen Krankheit allein noch keine Schuldunfähigkeit herbeiführt. Stattdessen muss nachgewiesen werden, dass der Angeklagte im Augenblick des Handelns das Unrecht seiner Tat aufgrund seiner Krankheit nicht einsehen konnte. Selbst wenn Hitler psychisch gestört gewesen wäre, würde ihn das also nicht automatisch von Schuld freisprechen.

Und zweitens: Was für Leute hätten denn überhaupt ein Interesse daran, Hitler von persönlicher Schuld freizusprechen? Neben Hitler-Anhängern doch eigentlich nur Formalisten in der Psychologie, etwa solche, die sowieso nicht an den freien Willen glauben. Und Hitler-Fans werden eher nicht dazu neigen, aus dem Objekt ihrer Verehrung einen psychisch Kranken zu machen, der in die Gummizelle gehört hätte.

Deswegen kann ich solche Kommentare …
Diese ganze Diskussion blendet wieder zwölf bzw. dreiundzwanzig Jahre deutscher Geschichte aus und millionenfache Mitläufer- und -täterschaft. Wie leicht das geht....
Aber hier muss man sehr vorsichtig sein, auch weil eine Pathologisierung Hitlers dazu benutzt werden könnte, ihn wenigstens zum Teil von seiner Verantwortung zu entbinden. Hier ist also größte Vorsicht und Sorgfalt angebracht.
Der Begriff Reductio ad Hitlerum bedeutet zwar etwas anderes (nämlich bezogen Argumentationen wie Vegetarier und Nichtraucher neigten zur Radikalität, siehe den Vegetarier und Nichtraucher Hitler), aber auch dies hier würde ich - in einem anderen Sinne - als Reductio ad HItlerum bezeichnen. Die Beschäftigung mit Hitlers vermeintlichen Krankheiten entschuldigt nicht nur nicht seine Verbrechen, wie Emma Turi richtig feststellt, sie erklärt nicht, warum ein Großteil dem Führer folgte. Warum zig Millionen seine Komplizen und willfährigen Instrumente wurden.
… einfach absolut nicht nachvollziehen, weder logisch noch emotional.
 
Die nationalsozialistischen Verbrechen wurden immer wieder gerne auf H.s Psyche, eine SS voller sadistischer Triebtäter und einen mehr oder weniger weit gefassten Kreis von Nazi-Größen reduziert.

Grammatik ist wichtig.

Tun wir—des Arguments halber—einfach mal so, als gäbe es für Hitler eine einwandfreie Diagnose paranoider Schizophrenie.

Was ändert sich dadurch?

Wie entlastet das jene, die taten, was Hitler ihnen befahl?
Es ändert sich nix. Es entlastet niemanden, aber es ist - bewusst oder unbewusst - eine Strategie. (Ja, ich weiß, dass eine "unbewusste Strategie" wie ein Widerspruch in sich wirken muss.) Hitlers vermeintliche Erkrankungen werden zum Strohmann.

Und Hitler-Fans werden eher nicht dazu neigen, aus dem Objekt ihrer Verehrung einen psychisch Kranken zu machen, der in die Gummizelle gehört hätte.
Ja, die sagen Hitler, hätte von nix was gewusst, wollen aber trotzdem am liebsten den Holocaust zu Ende führen. (Naja gut, das ist nicht ganz fair, es gibt solche und solche.)
 
Ich kann immer noch nicht nachvollziehen, wieso Hitlers angebliche oder echte psychischen oder physischen Defizite ihn oder gar seine Anhänger exkulpieren sollten. Ich habe das auch nie so verstanden.

Einerseits geht es wohl ums Lächerlichmachen. Das ist gerade bei Hitler ja nichts Neues, man denke nur an den Filmklassiker "Der große Diktator".

Andererseits geht es wohl ums Begreiflichmachen: Wie konnte ein eigentlich ziemlich durchschnittlicher Typ zu einem solchen Verbrecher werden?
Hitler wurde nicht in seine Position hineingeboren (etwa als Spross einer Diktatorendynastie), er wurde nicht zum Massenmörder sozialisiert, er war vor seinem Gang in die Politik auch kein Verbrecher, etwa Serienmörder oder Vergewaltiger. Wäre er nie Politiker geworden, wäre er vermutlich nie negativ aufgefallen. Also was lief mit ihm schief und warum?
Dabei schwingt wohl auch die Frage mit: Wenn er das wurde, könnte das nicht auch mit jedem anderen ziemlich durchschnittlichen Typen passieren? Steckt in jedem von uns ein potentieller Hitler? Wären auch andere zu seinen Verbrechen fähig, wenn sie in eine Position kommen würden, in der sie die Gelegenheit hätten, sie zu begehen? Indem man Hitler mit irgendwelchen psychischen oder physischen Defiziten "erklärt", kann man diese Frage leichter verneinen und zum Ergebnis kommen, Hitler sei ein Ausnahmefall gewesen.
 
Hitler war der typische Kleinbürger des Wilhelminischen Zeitalters mit allen Macken plus fragwürdiger Sozialisation. Ein sozialdarwinistisch-obrigkeitsstaatlich sozialisierter, gewaltaffiner Mensch, der die Kriegsniederlage von 1918 nicht verdaut hatte, nichts von bürgerlicher Moral hielt und an Sozialkomplexen litt. Das war damals nichts Besonderes. Ich würde sagen, dass Hitler bis 1923 auch politisch betrachtet keine allzu auffällige Person war. Ein Politabenteuerer.
 
Nur zur weiteren Information von der BBC (Link ist auf Englisch): Should Hitler's DNA have been studied?
Was ich merkwürdig und etwas erklärungsbedürftig finde, ist, dass die DNA eine hohe Prädisposition sowohl zu Autismus als auch zu Schizophrenie und dann noch zu bipolarer Störung aufweist. Ist das jetzt ein besonderer Zufall oder gibt es Zusammenhänge zwischen den Erscheinungsformen?
 
Ich kann immer noch nicht nachvollziehen, wieso Hitlers angebliche oder echte psychischen oder physischen Defizite ihn oder gar seine Anhänger exkulpieren sollten. Ich habe das auch nie so verstanden.

Einerseits geht es wohl ums Lächerlichmachen. Das ist gerade bei Hitler ja nichts Neues, man denke nur an den Filmklassiker "Der große Diktator".

Andererseits geht es wohl ums Begreiflichmachen: Wie konnte ein eigentlich ziemlich durchschnittlicher Typ zu einem solchen Verbrecher werden?
Hitler wurde nicht in seine Position hineingeboren (etwa als Spross einer Diktatorendynastie), er wurde nicht zum Massenmörder sozialisiert, er war vor seinem Gang in die Politik auch kein Verbrecher, etwa Serienmörder oder Vergewaltiger. Wäre er nie Politiker geworden, wäre er vermutlich nie negativ aufgefallen. Also was lief mit ihm schief und warum?
Dabei schwingt wohl auch die Frage mit: Wenn er das wurde, könnte das nicht auch mit jedem anderen ziemlich durchschnittlichen Typen passieren? Steckt in jedem von uns ein potentieller Hitler? Wären auch andere zu seinen Verbrechen fähig, wenn sie in eine Position kommen würden, in der sie die Gelegenheit hätten, sie zu begehen? Indem man Hitler mit irgendwelchen psychischen oder physischen Defiziten "erklärt", kann man diese Frage leichter verneinen und zum Ergebnis kommen, Hitler sei ein Ausnahmefall gewesen.
nimmt man andere Krankheiten bei Führungspersonen:

z.B. Frank D. Roosevelt hatte vermutlich Kinderlähmung
John F. Kennedy hatte wohl eine Vielzahl an Krankheiten

Beide wurden nicht zu Massenmördern.
 
Hitler war der typische Kleinbürger
Als "Kleinbürger" würde ich Hitler nicht bezeichnen. Er war ein Schulabbrecher mit Schwierigkeiten, sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren, und anscheinend ausbaufähiger Arbeitsmoral und Zielstrebigkeit. So etwas wie Halt fand er erst in der Armee.
 
Als "Kleinbürger" würde ich Hitler nicht bezeichnen. Er war ein Schulabbrecher mit Schwierigkeiten, sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren, und anscheinend ausbaufähiger Arbeitsmoral und Zielstrebigkeit. So etwas wie Halt fand er erst in der Armee.
wie würdest Du Kleinbürger definieren?
 
Angehörige des unteren Mittelstandes, z.B. Kleingewerbetreibende, kaufmännische Angestellte, kleine Beamte
 
Vielleicht wäre es besser, die Probe, das untersuchte Material und die Ergebnisse der DNA-Untersuchung zu vernichten. Wer weiß, was irgendwelche kranken Hirne noch damit anstellen könnten. Vielleicht denke ich damit in die falsche Richtung, aber dieses Material könnte schon Mißbrauchspotential bergen, was meint ihr dazu?
 
Was für ein "Missbrauchspotential" denn? Stellst Du Dir vor, dass jemand Hitler klonen könnte, oder wie?
 
Sagen wir es einmal so: nach allem, was bekannt ist, haben 1970 KGB-Offiziere Hitlers sterbliche Überreste in der DDR verbrannt und die Asche im Fluss Biederitz verstreut. Der Unterkiefer und Schädel blieben erhalten und wurden nach Moskau gebracht. Dort sollen sich Teile des Unterkiefers und ein Schädelfragment noch immer befinden. Der russische Geheimdienst FSB hat jedenfalls im März und Juli 2017 erstmals seit 1946 Wissenschaftlern erlaubt, Hitlers (mutmaßliche) Knochen zu untersuchen. Ein französisches Forscherteam um den Gerichtsmediziner Phillipe Charlier durfte ein Schädelfragment und die verbliebenen Zähne Hitlers analysieren, und erklärte, daß diese Hitler zugeordnet werden könnten. Die bis dato bekannten letzten Überreste Hitlers befinden sich also im Besitz des FSB, das ist zumindest der Stand, der mir bekannt ist. Auf diese Weise gibt es kein Grab, keine letzte Ruhestätte, zu der etwaige Anhänger Hitlers und des Nationalsozialismus pilgern können. Und ich fand (und finde) diesen Zustand sehr gut so. Jetzt gibt es diesen Stoffetzen, der angeblich Hitlers Blut enthält, und damit potentiell einen Gegenstand, der zu einer Art Reliquie werden könnte. Wie gesagt, vielleicht denke ich da zu weit, oder in eine falsche Richtung. Aber bei einem Gegenstand, der möglicherweise Adolf Hitlers Blut enthält, sollte man sehr vorsichtig sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die bis dato bekannten letzten Überreste Hitlers befinden sich also im Besitz des FSB, das ist zumindest der Stand, der mir bekannt ist. Auf diese Weise gibt es kein Grab, keine letzte Ruhestätte, zu der etwaige Anhänger Hitlers und des Nationalsozialismus pilgern können.
Warum sollten tatsächlich konsequente Anhänger des NS zu einem Grab Hitlers pilgern wollen?

Jemand der den sozialdarwinistischen Schwachsinn dieser Ideologie ernst nimmt und mit der Vorstellung herumläuft, dass nur in irgendeiner Form genetisch überlegene Menschen eine Art von Existenzrecht hätten, dass auf der Auslöschung aller anderen beruht, müsste ja eigentlich zu dem Schluss kommen, dass ein toter Hitler, zu dieser überlegenen Gruppe wohl nicht unmittelbar dazugehörte, denn sonst wäre er nicht besiegt worden.

Warum sollte jemand, der diese Ideologie konsequent zu Ende denkt interesse an irgendeinem Totenkult haben, ganz egal um wen es sich handelt?


Personen, hingegen, die sich einfach nur daneben benehmen und öffentlich provozieren wollen, können sich genau so auch andere Anziehungspunkte suchen, man bedenke etwa die Querelen um das Geburtshaus Hitlers in Braunau, dass solche (mit Verlaub) Vollpfosten immer wieder angezogen hat.
Genau so ließe sich auch jede andere potentielle Wirkungsstätte Hitlers für solchen Unfug umfunktionieren.
 
Mussolinis Grab ist auch eine Pilgerstätte für seine Anhänger, trotz der eher bescheidenen Bilanz des Duce.
Naja, Mussolini hat auch im Gegensatz zu Hitler Gruppen, die er für unterlegen hielt nicht unbedingt das physische Existenzrecht abgesprochen und den Sozialdarwinismus bis hin zu industriellen Mordprogrammen auf die Spitze getrieben.

In dieser Hinsicht hat Hitler ja mit jeder zuvor mal bestehenden Konvention gebrochen. Mussolini hat sich demgegenüber , was seine Herrschaft betrifft in wesentlich stärkerem Maße auf konservative bis nationalistische Elemente gestützt und seine Herrschaft so gestaltet, dass es für deren Wertesystem und den Katholizismus der italienischen Bevölkerung irgendwo anschlussfähig war.

Das politische Anhänger, die mit einem zum Kulturchauvinismus pervertierten Katholizismus durch die Gegend laufen auf die Idee kommen, aus einem Grab eine Pilgerstätte zu machen wundert nicht, weil es eine Adaption von mit dem System kompatiblen religiösen Formen darstellt.

Aber der Nationalsozialismus, ist in Sachen Kompatibilität mit christlich-konservativen Formen, nach allem, was sich abgespielt hat, doch eine andere Nummer.
 
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