Als "Mitverursacher" dieses Thema ist es vielleicht lohnend, den bisherigen beachtlichen Wortmeldungen noch etwas hinzuzufügen, und zwar unter folgenden Aspekten:
(I) Wie hat sich die soldatische Eidesleistung nach 1919 entwickelt?
(II) Welches sind die Gravamina dabei?
(III) Wie sind jene Eidesleistungen historisch zu bewerten und wie denkt man heute darüber?
Ich bitte um Verzeihung für Redundanzen; diese sollen der Lesbarkeit zugute kommen.
I. Vereidigungsformeln 1919-1934
1. Entwicklung in der Weimarer Republik
Die Weimarer Verfassung (WRV) ordnete an (Art. 176 S. 1 = RBGl. S. 1417):
"Alle öffentlichen Beamten und Angehörigen der Wehrmacht sind auf diese Verfassung zu vereidigen."
Das Nähere bestimmte die Verordnung (VO) des Reichspräsidenten vom 14.8.1919 (S. 1419):
[Reichsbeamte:] "Ich schwöre Treue der Verfassung, Gehorsam den Gesetzen und gewissenhafte Erfüllung meiner Amtspflichten."
[Soldaten:] "Ich schwöre Treue der Reichsverfassung, und gelobe, dass ich als tapferer Soldat das Reich und seine gesetzmäßigen Einrichtungen jederzeit schützen, dem Reichspräsidenten und meinen Vorgesetzten Gehorsam leisten will."
Die religiöse Komponente fehlte wegen Art. 136 Abs. 4 WRV (RBGl. 1408 f.):
"Niemand darf ...zur Benutzung einer religiösen Eidesform gezwungen werden."
Weil schon bald - vor allem 1920 - die Frage nach der Loyalität der Eidesleistenden zur Republik auftauchte, wurde durch das Gesetz über die Pflichten der Beamten zum Schutz der Republik vom 21.7.1922 (RGBl. S. 590) klargestellt:
[Art. I, u. a. Einfügung eines § 10a ins Reichsbeamtengesetz:] "Der Reichsbeamte ist verpflichtet, in seiner amtlichen Tätigkeit für die verfassungsmäßige republikanische Staatsgewalt einzutreten."
Das gleiche Gesetz stellte in Art. II klar, dass die Bestimmungen des § 10a "sinngemäß auch für Soldaten" galten.
Von einer 1924 eingetretenen, hier aber nicht wichtigen Änderung des Vereidigungstextes der Beamten abgesehen, blieb es bei dieser Rechtslage bis 1933.
2. Änderung im Dezember 1933
[Zitat:]Während noch nach der Verordnung des Reichspräsidenten vom 2.12.1933 der Diensteid von Beamten und Soldaten auf die Verfassung zu leisten war...
Hierbei sind zwei Änderungen zu verzeichnen:
Das Gesetz über die Vereidigung der Beamten und der Soldaten der Wehrmacht vom 1.12.1933 (RBGl. S. 1016) hatte vorbereitenden Charakter:
"Die öffentlichen Beamten und die Soldaten der Wehrmacht haben bei Eintritt in den Dienst einen Diensteid zu leisten. Das Nähere wird durch Verordnung des Reichspräsidenten bestimmt."
Die angekündigte VO vom 2.12.1933 (RGBl. S. 1017) lautete:
[Beamte:] "Ich schwöre: Ich werde Volk und Vaterland Treue halten, Verfassung und Gesetze beachten und meine Amtspflichten gewissenhaft erfüllen, so wahr mir Gott helfe."
[Soldaten:] "Ich schwöre bei Gott diesen heiligen Eid, daß ich Volk und Vaterland allzeit treu und redlich dienen und als tapferer und gehorsamer Soldat bereit sein will, jederzeit für diesen Eid mein Leben einzusetzen."
Gleichzeitig wurde die VO von 1919 außer Kraft gesetzt.
3. Änderungen im August 1934
Durch das Gesetz über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reichs vom 1.8.1934 (RGBl. S. 747) wurde "das Amt des Reichspräsidenten [...] mit dem des Reichskanzlers vereinigt".
An die Stelle der bisherigen Vereidigungsregelungen trat das Gesetz vom 20.8.1934 (RBGl. S. 785):
[Beamte] "Ich schwöre: Ich werde dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes Adolf Hitler treu und gehorsam sein, die Gesetze beachten und meine Amtspflichten gewissenhaft erfülllen, so wahr mir Gott helfe."
[Soldaten:] "Ich schwöre bei Gott diesen heiligen Eid, daß ich dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes Adolf Hitler, dem Oberbefehlshaber der Wehrmacht, unbedingten Gehorsam leisten und als tapferer Soldat bereit sein will, jederzeit für diesen Eid mein Leben einzusetzen."
II. Gravamina bei den Änderungen 1933/1934 für die Soldaten
Nach meiner - sicher ergänzungsfähigen - Einschätzung sind drei Punkte besonderer Beachtung wert:
- Der Eid auf die Verfassung wird ersetzt durch den Eid auf die Person des Staatsoberhaupts.
- Der beeidete Schutz der "gesetzmäßigen Einrichtungen" wird ersetzt durch den "unbedingten Gehorsam" gegenüber jener Person.
- An die Stelle des säkularen Schwörens und Gelobens tritt der "bei Gott" geschworene "heilige Eid".
Zu jedem dieser Punkte gibt es einiges zu sagen. Vorab nur der Hinweis, dass die zitierte Aussage, 1933 wäre der Soldateneid noch auf die Verfassung zu leisten gewesen, nicht zutrifft; an deren Stelle waren bereits "Volk und Vaterland" getreten.