Ethnogenese und frühe Geschichte der Goten

An Dieter

Dieter
Glaubst Du wirklich, ich würde Dir hier einen Nachhilfekurs in Ethnologie und Ethnomethodologie geben,
meinst Du nicht, dass das unsere Mitleser langweilen könnte?
Die einschlägige Literatur musst Du schon selber lesen; Fang mal an mit "R.Wenskus Stammesbildung und Verfassung", dann können wir vielleicht wieder miteinander reden.
Alles Gute dabei
BoioriX
 
Glaubst Du wirklich, ich würde Dir hier einen Nachhilfekurs in Ethnologie und Ethnomethodologie geben,


Zunächst: "Nachhilfekurse" benötigt hir keiner und von dir!

Ich fürchte eher, dass du Probleme mit einer eigenständigen Meinung hast, und nur unzureichnd in der Lage bist, deine Theorien angemessen und folgerichtig zu erläutern. - Dabei will ich es einstweilen auch belassen!
 
Dieter
Niemand braucht einen Nachhilfekurs von mir ?
Ich habe ja auch keinen Nachhilfekurs angeboten.
Und was die verlangte knappe beschreibung der Ethnogenese angeht, so habe ich gerade ein Beispiel gegeben, das Du blos weiterdenken brauchst, auch wenn es nicht allen Aspekten der Ethnogenese gerecht wird. Ansonst ist es leicht komisch, dass Du mir mangelhafte eigene Gedanken vorwirfst, wenn die ganze Diskussion hier entstanden ist, weil ich zu heterodoxe Ideen, meine eigenen, aufs Tapet brachte.
Weniger Aufregen, Dieter, weniger aufregen...
ruuuuhig
Boiorix
 
Und was die verlangte knappe beschreibung der Ethnogenese angeht, so habe ich gerade ein Beispiel gegeben, das Du blos weiterdenken brauchst, auch wenn es nicht allen Aspekten der Ethnogenese gerecht wird.


Dann sage mir doch bitte unumwunden und in klaren Worten, was dir an meiner Interpretation der gotischen Ethnogenese nicht plausibel oder einsichtig erscheint. Sie sei hier noch einmal wiederholt:

"Mehrheitlich favorisiert wird auch heute noch mit guten Gründen die Aussage, dass die Goten wohl ursprünglich in Südschweden saßen und vermutlich im späteren 1. Jh. v. Chr. auch Wohnsitze im Gebiet der Weichselmündung nahmen. Im Kampf mit den Rugiern und Wandalen dehnten sie dann ihr Gebiet nach Osten (Ostpreußen) aus und begannen nach 150 in kleineren Gruppen ihre Wanderung zur Nordküste des Schwarzen Meers. Teilstämme wie die Gepiden blieben dabei zurück.

Den Raum des Schwarzen Meers erreichten sie im 2.-3.Jh. als ein sich polyethnisch entwickelnder Stammesverband zusammen mit anderen Stämmen wie z.B. den Herulern. Zweifellos wurde nun die gotische Kampfesweise mit einer erhöhten Bedeutung der Reiterkrieger sowie auch das gotische Kunsthandwerk mit seinen typischen Metallfibeln stark von der neuen Umwelt geprägt.

Diese Einflüsse stammen vorwiegend von benachbarten und später tributären Völkern wie z.B. den Alanen, Sarmaten, Roxolanen usw. Allesamt also iranische Völker, die als Reiternomaden mit Pferdezucht bekannt und gefürchtet waren und die im Kunsthandwerk einen sehr typischen Tierstil prägten, den zuvor schon die Skythen zu großer Vollendung gebracht hatten.

Ab Anfang des 3. Jh. gerieten diese iranischen Stämme unter gotische Herrschaft, und man kann vermuten, dass sie sich in unbekannter Zahl den Goten anschlossen, als diese nach Einbruch der Hunnen ihre Sitze verließen. Da auf der Krim noch im 16. Jh. Reste der gotischen Sprache nachweisbar waren, kann man sicher davon ausgehen, dass die Goten ihren Stammes- und Traditionskern bewahrt hatten, was ja auch in ihren endgültigen Sitzen in Italien und Spanien sichtbar wird.

Nach meiner Ansicht ist also die Ethnogenese der Goten in Südschweden und an der gegenüberliegenden Ostseeküste erfolgt, auch wenn sich später andere Volksgruppen diesem dominant bleibenden Stammes- und Traditionskern anschlossen und assimilierten."
 
Zu Deinem ersten Absatz : Ich habe nicht nach einer Jahreszahl gefragt, sondern die Frage gestellt, ob Mediaetas schliesslich zwei oder nur den neuen Sinn habe. Du weist's nicht und vermutlich weiss es niemand, weil die Frage niemand interessierte. Na also! Aber warum beantwortest Du nicht gestellte Fragen?


In diesem Fall schlicht und einfach, weil ich Dich mißverstanden hatte. Ich dachte, Du wolltest darauf hinaus, ab wann der Doppelsinn eintrat, da habe ich eine Ecke zu weit gedacht. Der alte Sinn "Mitte" ist sicher nicht verloren gegangen, denn daß der Begriff von "medius" abgeleitet ist, sticht ja jedem Lateiner sofort ins Auge, auch wenn er die klassische Literatur nicht kennen sollte.

In vielen Fällen ist der Sinn ja auch deckungsgleich - ob ich "in der Mitte der Strecke" oder "auf halber Strecke" sage, bleibt sich ja nun wirklich gleich.
 
Also der Reihe nach:

Sheik
Vorweg: Jordanes war Schreiber (notarius) eines gothisch-alanischen Fürsten und später Mônch oder Weltprister, aber nie in der römischen Verwaltung. Von Cassiodor kannte er zweifellos nur die GothengeSchichte, die er einmal drei Tage lang ausleihen konnte.
Was Du über die Entwicklung der grossen Germanenstämme schreibst, das unterschreibe ich sofort.Ich habe hier schon einmal festgestellt, dass ich gar nicht so weit weg bin von Wolfram und Co, nur konsequenter, radikaler. Wenn Wolfram von einer gothischen Ethnogenese in der Ukraine spricht, dann haben die vermutlichen Einwanderer von Norden nur einen minoritâren Beitrag geleistet, eben die Wandersage;

als notarius stand er zu 99% in römischen Staatsdienst ob das nun unter einem Römer oder einen Gotenfürsten war ist relativ egal. Dazu ist der der Rang eines notarius nicht grade zu unterschätzen.

Und die Aussage das er Cassiodors Gotengescichte nur 3 Tage hatte, ist für mich wie viele andere Aussagen Jordanes' pure Effekthascherei und Vertuscherei dass er nur abgeschrieben hat. Mir scheint manchmal, wobei ich mich auch irren kann, du glaubst alles wortwörtlich wie Jordanes es schreibt, dabei ist das Gesamtwerk der Getica durchaus ein politischer Beitrag und muss in diesen Rahmen bewertet werden.
 
An Sheik

Sheik
Als Jordanes die Getica schrieb, gehörte er der Kirche an, nicht mehr dem Fürsten Gunthigis. Gleichgültig welche Qualität er in der Hierarchie hatte, er war nicht im Staatsdienst.
Alles Andere was Du schreibst mag richtig sein, aber ist unbeweisbar, pure Vermutung.
Wenn ich Jordanes zu analysieren versuche, so bin ich da in ausgedehnter Gesellschaft.
Andererseits wurde Jordanes gelegentlich auch schon restlos als litterarisches Machwerk ohne historischen Wert bezeichnet, was ich hier schon erwähnt habe.
Mir scheint, Du platzt einfach hier herein, liest zwei oder drei der letzten Beitrâge und Dein Urteil ist fertig.
Der Punkt der Zuverlässigkeit oder Nicht-Zuverlässigkeit der Getica wurde wenigstens schon zwei mal berührt.
Du kommst zu spät
Boiorix
 
Sheik
Als Jordanes die Getica schrieb, gehörte er der Kirche an, nicht mehr dem Fürsten Gunthigis. Gleichgültig welche Qualität er in der Hierarchie hatte, er war nicht im Staatsdienst.


Wenn ich die Diskussion richtig mitbekommen habe, ging es doch um die Aussage, Jordanes sei nie im Staatsdienst gewesen, und nicht um die Frage, ob er zum Zeitpunkt der Abfassung der Getica im Staatsdienst war.
 
Karriere des Jordanes

Hyokkose
Also, soweit wir wissen war es so;
Paria war der Grossvater des Jordanes und war notarius des Alanenfürsten Candac, während Jordanes die gleiche Funktion bei dessen Neffen Gunthigis hatte. Dieser Haudegen war zwar Magister Militium, aber es ist klar, dass Jordanes kein römischer Funktionär war, sondern zur persônlichen Gefolgschaft des Barbaren gehörte.
Allerdings war das "vor seiner (Jord.)Conversion" und wir wissen nicht was das bedeutet.Mehrheitsansicht: Eintritt ins Kloster oder sonstigen Kirchendienst. (Bei dieser Gelegenheit deklariert er sich "agramatus")
Gunthigis wurde 538 Belisar zu Hilfe nach Italien geschickt und Norbert Wagner setzt in seiner Habilitationsschrift "Getica" die Abfassung der Jordanes-Schrift mit guten Gründen 10 Jahre später an.
Er hat Cassiodors Werk nur drei Tage von dessen Verwalter geliehen bekommen, scheint sie aber schon frûher einmal gelesen zu haben (...libros ipsos antehac relegi.)
Dem Adressaten seines Opuskels, "frater Castalius", schreibt er: " ....si quid parum dictum est et tu, ut vicinus genti, commemoras, adde...."
Bei so einer Persönlichkeit, 'agramatus" aus dem Hinterwald, der den Posten als "Notarius" bei einem Barbarenfûrsten aufgab (aufgeben musste?) und nun auf allerhand Schreibarbeit angewiesen ist ("Romana" unterbrochen), oder in einem kloster untergekrochen, und der den Adressaten auffordert, nach eigenem Gutdünken hinzuzufügen, weil der "ut vicinus genti" (Goten?) sei, anzunehmen, er habe bewusst eine politische Schrift verfasst, das ist geeignet für einen historischen Roman. Der Adressat ist völlig unbekannt, eine Auftragsarbeit hâtte eine andere Widmung.
"Römischer Staatsdienst" sieht anders aus.
Boiorix
 
An Dieter a propos #86

Dieter
Ich antworte auf deinen Beitrag 86 nicht, wie Du von mir erwartest; Warum, das findest Du in einer persönlichen Botschaft,-falls Du sie noch nicht entdeckt hast
Boiorix
 
ein letzes mal zum politischen Charakter der Getica und Karriere des Jordanes( da es eigentlich offtopic ist):

Jordanes war notarius, was an sich schon zu mindest ein gehobener Posten in der Amtshierachie der Spätantike war, des magister militum per Thraciae, der immerhin auch damals noch den Befehl über die comitatensischen Heeresteile seines Aufgabenbereichs hatte.
Dieser bei dir durch und durch gotische "Haudegen" hatte also keinerlei Bezug zum oströmischen Reich geschweige denn Korrespondenz mit dem römische Kaiserhof in Konstantinopel. Somit ist Jordanes also ein ungebildeter Hinterwälder der sich um diese Korrespondenz kümmern darf?

Nachdem er allso diesen römischen Posten (allein von der Namensbezeichnung her muss es sich schon um einen Staatsposten gehandelt haben) aufgegeben hat, tritt er nun in die katholische Kirche ein. Dort beginnt er, der ungebildete Gote, eine römische Geschichte für den Bischof Vigilius zu schreiben. Dieses Werk unterbricht er dann um eine Gotengeschichte zu schreiben, die mit der Geburt eines Kindes endet, das sowohl dem Amalergeschlecht als auch dem der Aniciier entstammt.

Für mich ist Jordanes eine romanisierter Gote, der gute Kontakte zu Römern und der oströmischen Senatorenschicht hatte. Anders lassen sich das Amt des Notarius und der Kontakt zu Vigilius nicht erklären.
Er schreibt dann an einer römischen Geschichte, wozu?, wenn er doch keine wichtige Person ist oder nur ein einfacher Mönch, die er unterbricht um die Gotengeschichte des Cassiodor(ebenfalls ein den Goten wohlgesonnener Mensch) in einem Werk zusammen zu fassen.Diese Geschichte endet dann sogar noch in der Hochzeit der Amalerprinzessin mit dem Anicier Germanus und einem gemeinsamen Kind. Das Ganze passiert just in der Zeit in der die letzen Reste der Ostgoten in Italien geschlagen werden.
Ich erkenne in der Geschichte die Absicht einer gemeinsamen langen Tradition beider Völker und das man freundlich miteinander Umzugehen habe, sich sogar gegenseitig respektieren sollte.
 
Der Notarius

SheikDu hast ganz Recht, das Thema it off topic.In gewissem Sinne bewundere ich sogar Deine Konstruktion, aber ich vermisse den Unterbau.
Die "notitia dignitatum", die man auf 430 datiert, gibt dem Mag.Mil. per Thracias ein " Büro" wie folgt:
<Habet autem dignitates infrascriptas:
Principem,/ Numerarios duos./ Commentariensem./ Primiscrinios, qui numerarii fiunt./ Scriniarios./ Exceptores et cetera apparitores.>
Das ist natürlich ein rundes Jahrhundert vor Jordanes, aber ich glaube nicht, dass man annehmen kann, der "Notarius" sei in dieser Zeit erfunden worden.
Angesichts der drei Generationen, die Jordanes erwähnt, sehe ich in ihm einen persönlichen "Angestellten" des Gunthagis, der ihn begleitete und "Notae notierte", ohne Rang in der Imperialen Hierarchie. Ein "ererbtes Factotum", sozusagen.
Alles andere scheint mir Interpretation, deren Richtigkeit Glaubensfrage ist. Auch ein armer Teufel kann mit einem unbestellt verfassten Werklein anlässlich der Anicier-Amaler-Hochzeit hoffen, einen Platz an der Futterkrippe zu finden
Nichts für Ungut
Boiorix
 
Zuletzt bearbeitet:
"Gotische Wandersage" Fortsetzung

Kehren wir zur Wandersage zurück (und zu unserer Diskussion #49-60)
„ Da brach jedoch, nachdem schon die Hälfte die Brücke überschritten hatte, welche über den Fluss führte, diese zusammen und man konnte sie nicht wiederherstellen; so konnte niemand mehr hinüber oder herüber“.(Übers. Dr. Wilhelm Martens Phaidon-Verlag)
Auffallend ist hier folgendes : der oben unterstrichene Satz lautet „ ...unde amnem traiecerat...“, und „amnis“ bedeutet „Fluss, Strömung, Gewässer,“, kurz gesagt, die Wassermassen des Flusses.
Sonst wird „amnis“ von Jordanes nur fûr grosse Flüsse gebraucht, fûr Donau, Don, Weichsel, Dnjepr und den fernen Araxes in Armenien. Alle anderen Flûsse sind „flumen = Flusslâufe“.
Wolfram nimmt an, dass die eingestürzte Brücke über den Dnjepr führte; gibt aber zu bedenken, dass auch der kein unübrwindliches Hindernis gewesen sein kann.
Aber sehen wir weiter: „Diese Gegend ist, wie erzählt wird, von einem Abgrund mit unsicherem Moor umgeben, und die Natur hat sie so auf doppelte Art unwegsam gemacht.“
Anschliessend erzählt Jordanes noch zu seiner Zeit hätten glaubwûrdige Zeugen dort Rindergebrüll und Zeichen menschlicher Siedlung bemerkt.
Norbert Wagner,der darüber selbst nüchtern und sachlich schreibt, aber eigentlich nur zumScluuss kommt, dass es eine Sage sei , zitiert A;Stender- Petersen (S.231) “..Volksüberlieferung...(weil) der Durchzug .durch die Pripjet-Sümpfe ...grosse Opfer an Menschen und Zugtieren gekostet habe...als Leute und Vieh versanken, ohne dass man helfen konnte“ (Slav.-germ. Lehnwortkunde)
Niemand hat sich gewundert, was das fûr ein merkwürdiger Abgrund war, der, von unsicheren Sümpfen umgeben, nicht voll Wasser läuft und ein See wird, oder aber ein so bedeutender See, dass die Goten, die angeblich zwei Generationen vorher die Ostseee überquert haten, nun an ihm scheiterten. ( Es ist halt eine Sage, nicht wahr?)
Jordanes(Cassiodor?) sagt „tremulis paludibus Voragine circumiecta“, also „ein Abgrund umgeben von schwnkenden Sümpfen“, aber es ist hier von einer „vorago“ die Rede, (vorare =verschlingen), also genau genommen von einem „Schlund“, also weder von einem „gurges“(Abgrund) noch von einem „praecipitium“ in das man hineinstürzen (praecipitare) kann.
Der anschliessende Satz eerzählt dann „haec ergo pars Gothorum, quae apud Filemer dicitur in terras Oium emenso amne transposita, optatum potiti solum....“
Martens: „Der Teil der Goten also, der unter Filimer über den Fluss setzte und nach Oium kam, bemächtigte sich des ersehnten Bodens.“. Das stimmt so ungefähr. Die englische Übersetzung von Charles Mierow (im Internet) ist genauer:
„This part of the Goths, which is said to have crossed the river (amne transposita) and entered with Filimer into the country of Oium, came into posession of the desired land“.
„Oium“, das sind, nach Wolfram, die fruchtbaren Ländereien am Ufer des schwarzen Meeres.Aber sie sind von der Einmündung des Pripjet in den Dnjepr mindestens 500 Km entfernt – Luftlinie!
Während der Text die „oium“ einfach ans erreichte Ufer plaziert. ( Sicher wieder eine Entstellung durch die Überlieferung!)


Ich unterbreche hier, um zwei Fragen aufzuwerfen:
  1. Was ist das für ein „verschlingender Schlund“, der inmitten von Sümpfen doch nicht voll Wasser lâuft?Und wo kann er sein?
  2. Die Goten ûberquerten keinen „flumen“ sondern „amnis“ Wassermassen (Strom, Fluss, Sturzbach, Strömung, Wasser, Gewässer), und scheinen dann unmittelbar in den „Oium“ zu
    sein? Oder was heisst „..in terras Oium emenso...(„emetiri“ = durchmessen, pp.“emensus“).
    Und was ist „amne transposita...“? Haben die Goten nun „ über das Wasser übergesetzt“, oder haben sie „das Wasser übergesetzt“ (über was.? ) So wie sie auch „medietate transposita“ haben ?
    (Ich halte übrigens „Oium“ nicht wie Wolfram für ein Plural, sonern für ein Neutrum Singular,
    „Übersetzung“ eines germanischen „ Das Oy, Ey, Eiland“.)

  3. Fortsetzung demnächst
    Boiorix
 
1. Was ist das für ein „verschlingender Schlund“, der inmitten von Sümpfen doch nicht voll Wasser lâuft?Und wo kann er sein?
Wie wäre es mit dem Sumpf selbst? Der Strudel der alles verschlingt? Oder einfach das Unheil (auch eine Übersetzung für vorago) das man im Sumpf erwarten kann?
 
An Witege

Witege
"Der Sumf selbst" der "von schwankenden Sûmpfen umgeben" ist... Das ist doch nicht Dein Ernst?
Und ein Strudel in den Sümpfen, wohin fliesst der denn ab?

"Das Unheil von schwanken Sümpfen umgeben" zu sein.... Ja, das wohl, aber so heisst's eben nicht.
Und ich habe im ganzen Getica-Text nicht eine, eigene, Metapher des Jordanes gefunden.
Stammt also die unglückliche Formulierung von dem gebildeten Cassiodor?
(Oder ist da wieder ein Mangel auf die Rechnung der Abschreiber zu setzen?)

Und wie steht's mit "amne transposita" ?

Auf Wiederlesen
Boiorix
 
Zuletzt bearbeitet:
Ave Boiorix, könntest Du einmal den ganzen Satz (oder vielleicht auch drei bis vier Sätze, aus denen der Gesamtzusammenhang hervorgeht) hier zitieren? So recht kann ich Deinen Ausführungen hier nicht folgen.
 
An Dietef Beitrag #80

Dieter,
Beim Wiederlesen des Threads fällt mir auf, dass ich Deinen Beitrag 80 noch nichi beantwortet habe. Entschuldige bitte.
Doch zur Sache:
Zunächst: Die Bastarnen mit der Jasdorf-Kultur verbinden wollen, das ist kühn, sehr Kühn. Meines Wissens beginnt die um 700 v; Chr. an der mittleren und unteren Elbe und dehnt sich, soviel ich weiss nach Jütland und vor Allem links der Elbe aus.
Mag sein, dass ich da mangelhaft unterrichtet bin, dann w¨re ich für eine Richtigstellung dankbar.
Aber mein Haupteinwand geht gegen die unglûckliche Verknüpfung von Archäologischer Fundgruppe und Ethnie; Das ist ja nun heutzutage endgültig abgelegt.
Im Übrigen, wenn Du's gar nicht lassen kannst, dann lass mich doch wissen, welche der von Strabo genannten Stämme denn von der Mittelelbe oder Jütland kamen.

Doch zu den Quellen:
Wolfram (Kap.II,3 über die Donaugrenze im 3. Jh.)
" Stets hatte es Schwierigkeiten mit Iraniern gegeben.. hauptsächlich freie Daker oder Carpen...auch Kostoboken und Roxolanen. ...(Zudem) ...zählt das bastarnische Element seit Jahrhunderten zum ethnischen Mosaik des Raumes...nach der Donauinsel Peuke...die germanisch-keltischen Bastarnen auch Peukiner genannt."
Aber Du wirst ja schon gemerkt haben, dass ich Sekundärlitteratur-Zitate nicht besonders schâtze.

Daher für ca a.d.350 Jordanes 91:
" Ostrogotha...nahm auch 3000 Carpen . er fügte zu Ihnen Goten und Peukinen-von der Insel Peuke...und setzte an ihre Spitze zwei der edelsten seines Volkes, Argait und Guntherich."

Aber gehen wir weiter zurück, zu Strabo VIi,3,17:
" In the interior dwell, first, those Bastarnians whose country borders on that of the Tyregetans and Germans — they also being, one might say, of Germanic stock; and they are divided up into several tribes, for a part of them are called Atmoni and Sidoni, while those who took possession of Peuce, the island in the Ister, are called "Peucini," whereas the "Roxolani" (the most northerly of them all) roam the plains between the Tanaïs and the Borysthenes. In fact, the whole country towards the north from Germany as far as the Caspian Sea is, so far as we know it, a plain, but whether any people dwell beyond the Roxolani we do not know. Now the Roxolani, under the leadership of Tasius, carried on war even with the generals of Mithridates Eupator they came for the purpose of assisting Palacus, the son of Scilurus,"
(Lacus Curtius im Internet)
( die "Sidoni" sind wohl die "Sithonen" des Herodot, und "Sitonen" des Tacitus, vermutlich ursprünglich Thraker/Geten, aber dann germanisch/keltisch gemischt. So eben entstehen neue Sprachen.)
Strabo zählt also die eindeutig iranischen Roxolanen zu den Basrarnen, was bestätigt, dass das ein Sammelname ist, von spätlat. Basterna =Tragsattel, Karren; Basternarius= Karrentreiber.
Diese Bastarnen leben also, wenigstens in der Überzahl in Karren, sie sind, wie die Griechen die Skythen nannten "Hamaxoebioi".
Ich will hier nicht eine Diskussion anleiern, seit wann die Gothen nun in dieser Gegend existierten, aber das Zusammenleben dûrfte lang und eng genug gewesen sein, sodass man am Ende die einen Karrenbewohner nicht mehr von den Anderen unterscheiden konnte.
Die Bastarnen, die Kaiser Probus am Ende des 3.Jh in Thrakien ansiedelte waren sicher nur eine Minderheit.
Zum Namen ist vielleicht noch interessant:
Der vielzitierte R. Much ("Völkernamen" im Reallexicon der Germanischen Altertumskunde 1918) verweist auf "Bastard" , bei ihm gut deutsch "Blendlinge", gleich "Mischlinge" .
Aber die älteste Nennung für das Wort ist französisch (1190)und bedeutete schon damals ein aussereheliches und daher sozial niederer stehendes Kind (deutsch: Bankert), und keine "Mischung". (Sapienti sat)
Man wundert sich, dass die R-E Pauli-Wissowa von den Bastarnen (auch um diese Zeit) zu schreiben wagte "zweifellos ein deutsches Volk" (nicht "ein
germanisches")
Wie sagtest Du doch, Dieter ?
"Es gibt also an keiner Stelle eine zeitliche oder räumliche Deckungsgleichheit mit den Goten - eine ethnische schon gar nicht - sodass man die Vermutung, sie hätten "proto-gotisch" gesprochen, in das Reich der Fabel verweisen muss."

Alles Gute
Boiorix
 
Zuletzt bearbeitet:
An Hyokkose

Hyokkose
Mit Vergnügen, für Dich tu ich was ich kann, (denn es amüiert mich auf's Höchste, mit welchem Geschick Du die Diskussion immer wieder auf Touren bringst.)

Also:Jordanes:
(27) ...pervenit ad Scythiae terras, quae lingua eorum Oium vocabantur: ubi delectatus magna ubertate regionum et exercitus mediaetate transposita pons dicitur, unde amnem traiecerat, inreparabiliter corruisse, nec ulterius iam cuidam licuit ire aut redire. nam is locus, ut fertur, tremulis paludibus voragine circumiecta concluditur,quem utraque confusione natura reddidit impervium. verumtamen hodieque illic et voces
armentorum audiri et indicia hominum depraehendi commeantium attestationem,
(28) quamvis a longe audientum, credere licet, haec ergo pars Gothorum, quae apud Filemer dicitur in terras Oium emenso amne transposita, optatum potiti solum. nec mora illico ad gentem Spalorum adveniunt consertoque proelio victoriam adipiscunt, exindoque iam velut victores ad extremam Scythiae partem, que Ponto mari vicina est, properant... "
Genug? Die zwei Unterstreichungen sind allerdings von mir.
Alles Gute
Boio
 
Boiorix schrieb:
Ich habe nie etwas Anderes behauptet. Du bestätigst mich. Der einzige Unterschied ist die Frage, wer kulturell und politisch dominierte.
Boiorix schrieb:
Ich behaupte nicht, ganz bestimmt nicht, dass die Goten keine Germanen waren, sondern blos, daß ihre prägende, entscheidende Schicht, wenn Du willst, der ethnogenetische Kern, nicht von der Ostsee kam und daß ihre Ethnogenese ganz anders verlaufen ist, als man bisher annahm.
Boiorix schrieb:
Nach allen Angaben waren sie [Bastarnen] unverhâltnismässig zahlreicher als die anspruchvollsten Zahlen einer gotischen Einwanderung je hätten sein können; und sie dürften die größte Gruppe bei der "gotischen Ethnogenese am Schwarzen Meer" (Wolfram) gewesen sein.
Dieter schrieb:
Gegen Ende des 3. Jh. n. Chr. wurden sie [Bastarnen] von den abziehenden Goten jedoch aus ihren Wohnsitzen vertrieben und erhielten von Kaiser Probus Siedlungsland in Thrakien.
Boiorix schrieb:
Wenn Wolfram von einer gotischen Ethnogenese in der Ukraine spricht, dann haben die vermutlichen Einwanderer von Norden nur einen minoritären Beitrag geleistet, ...
Um die Mitte des vierten Jahrhunderts beherrschte jedenfalls der Ostgotenkönig Ermanarich ein Großreich im Norden des Schwarzen Meeres, das im Jahr 375 von den Alanen und Hunnen unterworfen wurde. Ermanarich war der erste belegte König aus dem Geschlecht der Amaler (Brockhaus).

Boiorix schrieb:
Und da beginnst Du an der Weichsel, und ich nehme wohl zu Recht an, weil sich darüber alle Welt einig ist; außer mir. Denn woher weiß man das, weißt Du das? Ich erwarte da aber keinen Hinweis auf diesen oder jenen Autor, sondern auf literarische oder archölogische Belege dafür. Denn ich behaupte, es gibt gar keine.
Die Archäologie konnte zeigen, daß die Sachkultur, die den frühen Goten zugerechnet wird (Wielbark-Kultur), ohne nennenswerte Zuwanderung östlich der Weichsel entstanden ist und sich von dort aus seit dem ersten Jahrhundert langsam nach Südosten verschob, bis sie um 200 n.d.Z. in der heutigen Ukraine ankam, während an der Weichselmündung einige Siedlungen noch bis ins vierte Jahrhundert fortbestanden. Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Goten#_ref-2

Boiorix schrieb:
Die Existenz und Erwähnung der Gutonen bestreite ich ja gar nicht, nur daß sie Goten waren.
Guionen oder Gutonen werden bei Plinius genannt, der die Guionen als an der Ostsee lebende Gutonen - also als Gauten oder Goten - mißverstanden haben könnte. Quelle: http://user.cs.tu-berlin.de/~ohherde/Pytheas.htm#f76

Boiorix schrieb:
Natürlich gab es Gotonen, irgendwo im Norden, in Polen oder Pommern oder Ostpreussen, ...
Nördlich der Lugier leben die Gotonen (Tacitus).

Cherusker schrieb:
Die meisten Funde mit typisch gotischen Stilmerkmalen wurden aus Västergötland zwischen den Seen Vänern und Vättern geborgen.
Es ist anzunehmen, daß Gauten und Goten einen gemeinsamen Ursprung haben. Nach Jordanes kamen die Goten von der Insel Skandza = Schonen in Südschweden. Das kann aber auch aus der Namensähnlichkeit von Gauten und Goten erschlossen sein. Man nimmt daher gewöhnlich an, daß die Vorfahren der Weichsel-Goten auf der Insel Gotland gewohnt hatten. Nach neueren Forschungen kamen die Gotländer nicht aus Skandinavien, sondern aus Jütland, vielleicht auch die Gauten. Quelle: http://www.heinrich-tischner.de/22-sp/8namen/5volk/goten.htm

Boiorix schrieb:
Ich sage nichts Anderes, ich bin nur konsequent und glaube nicht an das Asterix-Elixier, das zwei Boote voll Skandinavier befähigt, nicht nur die Gotonen zu gründen, sondern dann noch in der Steppe zu vollbringen, was Wolfram da skizziert.
Nach der von Jordanes überlieferten Stammeslegende stammten die Goten vom sagenhaften Stammesgründer Gapt auf der Insel Scandza (Skandinavien) ab. Von dort seien sie unter König Berig mit drei Schiffen in Gothiscandza (baltische Küste) gelandet und hätten sich nach fünf Geschlechterfolgen unter Filimer auf den Weg Richtung Süden gemacht. Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Goten

Boiorix schrieb:
Die heute vertretene Meinung ist doch, die Wielbark-Kultur den Goten/Gotonen zuzuschreiben.
Die Goten haben in ihrer Geschichte mehrere Stammesbildungen durchgemacht und sich dadurch ständig verändert, was auch in wechselnden Namen zum Ausdruck kommt.

Boiorix schrieb:
Wenn es eine "Ethnogenese der Goten am Schwarzen Meer" gab, dann gab es eben vorher keine Goten.
Am Schwarzen Meer kam es zu einer Stammesbildung der Goten, die andere germanische Stammesteile und einheimische Völkerschaften umfaßte. Faßbar wird diese erneute Stammesbildung in den Funden der Tschernjachowkultur. vgl. auch: http://listserv.linguistlist.org/cgi-bin/wa?A2=ind0104&L=gothic-l&P=8205

Boiorix schrieb:
Wo sassen die Gepiden wirklich? An der Viscla, neben den schroffen Bergen? Wo ist das?
Die Gepiden wohnten bis zur Mitte des dritten Jahrhunderts im Weichselmündungsgebiet und wanderten dann ins nördliche Karpartenbecken (Oberlauf von Theiß und Szamos), von wo sie versuchten sich in Dakien festzusetzen (Brockhaus).

Nebenbei:
Boiorix schrieb:
Die Welfen kamen mit Heinrich dem Löwen und seinem Anhang aus Bayern nach Niedersachsen und daraus wurde schließlich das Königreich Hannover.
vgl. eine andere Sicht:
http://www.genealogie-mittelalter.d...ewe_herzog_von_bayern_und_sachsen_+_1195.html
http://www.genealogie-mittelalter.de/welfen/welfen_juengere_saechsische_linie/welfen.html

Boiorix schrieb:
Bis 1871 gab es wohl eine "Deutsche Sprachgemeinschaft" aber keine Ethnie "Die Deutschen"
Vor dem Deutschen Reich von 1871 gab es schon das Heilige Römische Reich Deutscher Nation.
 
An Horst

Horst
Ich wriss nicht recht was ich sagen soll, denn zu einer ganzen Reihe Deiner Feststellungen habe ich schon Stellung genommen. Du musst darûber hinweggelesen haben;
Aber meinetwegen:
1. Ich bestreite doch Ermanarich und sein Reich gar nicht? Was soll der Absatz also?

2. Zur Wielbark-Kultur und der sich daraus entwickelnden Tchernjacov-Sintana da mures-Kultur habe ich mich im Beitag #26 geäussert. Auch die nachfolgende Diskussion mit Witege über die Slaven unter Ermanarich gehört eigentlich dazu.

3. Die Existenz der Gotonen/Gutonen bestreite ich ja gar nicht. Aber der Name hat nicht automatisch was mit den Goten zu tun. Der Suffix "-onen, "anen, -ianen" ist verbreitet und in vielen Fällen mit Ortsnamen kombiniert.
Reine Ähnlichkeit besagt nichts: siehe die gallischen Senonen und die germanischen Semnonen. Willst Du beide mit den finnischen Samen verbinden? Oder sind die gallischen Pictonen an der Garonne aus Schottland von den Picti gekommen? Oder umgekehrt?
Selbst völliger Gleichklang sagt nichts: Es gab Iberier in Spanien und im Kaukasus.

.4. Was Du da vom Stammesgründer Gaut auf der Insel Skandza schreibst, das steht zwar in Wikipedia, ist aber falsch. Gaut steht nur am Anfang der Amaler-Genealogie (also angeblicher Ahne Ermanarichs) und dass die Amaler aus Skandza gekommen seien steht da kein Wort. Gaut ist also nicht der "Stammes-Ahn" sodern höchstens der einer Sippe.
Ebenso falsch ist, dass Filimer "fünf Geschlechterfolgen " nach König Berig sich auf den Weg machte. Er tut das "...iam pene quinto rege regnante post Berig...", also "als kaum der fünfte König nach Berig herrschte". Und wenn ich die, halbwegs sicheren, Regierungszeiten von 9 westgotischen (ab Alarich I) und 22 langobardischen Königen (ab Wacho) anschaue, dann ist die Regierungsdauer im Durchschnitt 11-12 Jahre.
Filimer macht sich also nicht fünf Generationen (ca 160 Jahre) nach Berig auf, sondern etwa 50 Jahre. Nebensache? Gewiss, aber ein Zeichen für die Zuverlässigkeit der "Quelle" Wikipedia.

5. Du schreibst, die südrussischen Gotenvölker hätten verschieden Namen getragen. Na Und?

6. Zu den "Gepiden im Weichseldelta" habe ich schon Ostrogotha gegenüber meine Zweifel angemeldet, siehe #48 und #64. Die Angabe ist abhângig von der Wandersage, und bei der sind wir ja eigentlich jetzt;

Vielen Dank übrigens fûr die Angaben zu den Welfen, obwohl ich eigentlich nicht einsehe, was das mit meiner kleinen illustrativen Bemerkung zu tun hat. Aber den Text zu haben freut mich. Dankeschön!

Also, Horst, begleit uns weiter, uns und den Filimer, und wir werden sehen, was die gotische Wandersage wirklich sagt.
byebye
Boiorix
 
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