Okay, in der Summe ist es natürlich so, das es an sehr vielen Punkten haperte. Beispielsweise gab es, ohne jetzt nachgeschlagen zu haben, nur eine einzige Bahnlinie nach Serbien. Und wo du Galizien sagst, für die dortige Festung Prezemysl waren auch dringend Arbeiten an der Ausstattung, Stichwort beispielsweise die Kanonen, nötig. Conrad musste sich entscheiden und Schwerpunkte setzten und Italien wäre vor dem Hintergrund des Mai 1915 nicht die schlechteste Wahl gewesen. Klar so eine Festung ist richtig teuer; da geht schnell 1 oder 2 Millionen drauf. Und dann die Zeit von der Genehmigung bis zur Fertigstellung vergehen auch schon mal 5 Jahre.
Natürlich musste Conrad mit begrenzten Mitteln Prioritäten setzen.
Aber, um ehrlich zu sein, um so weniger verstehe ich ausgerechnet diese Wahl. Südtirol im Allgemeinen, das Trentino im Speziellen sind damals weder Territorien gewesen, die für einen wirklich verherenden Angriff auf die Monarchie prädestiniert gewesen wären, wegen der Unzugänglichkeit des Terrains und weil es in dieser Gegend zwar ideologisch aufgeladene (wenn man den "Irredentismo" in Rechnung stellt), aber nicht militärisch oder wirtschaftlich hochsensible Ziele gab.
Für eine Offensive gegen Italien selbst eignete sich die Gegend auch nicht wirklich. Aktionen nach Süden hin, wären durch den Gardasee als geographisches Hindernis extrem erschwert worden, nach Osten und Westen hin durch noch immer recht massive Gebirgszüge.
Wirklich leistungsfähige Bahnen, auf denen man im großen Stil einen aufmarsch für eine großoffensive hätte vollziehen oder dafür genügend Naschschub heranbringen konnte, waren ebenfalls nicht vorhanden.
Selbst wenn man auf einen Bewegungskrieg rechnete, musste eigentlich jedem vernünftigen Menschen klar sein, dass das Gelände hier so schwierig war, dass sich eine Großoffensive industrieller Massenheere hier kaum verwirklichen ließ und sich eine potentielle militärische Auseinandersetzung zwischen Österreich-Ungarn und dem Königreich Italien eigentlich in der Zone um den Isonzo herum entscheiden musste, dergestalt, dass es entweder den Italienern gelingen würde sich hier durchzusetzen und Triest und Istrien wegzunehmen, was Österreichs Wirtschaft und seinen militärischen Optionen auf dem adriatischen Meer ganz empfindlich geschadet hätte oder aber es den Österreichern gelingen würde ins Veneto vorzustoßen, die Alpen südlich zu umgehen und mit der Po-Ebene das industrielle Herz Italiens zu bedrohen.
Wenn man es so betrachtet, sind Fortifikationen in Südtirol, einer Gegend ohne wirklich strategisch bedeutende Ziele, die ohnehin durch natürliche Hindernisse gut gesichert war, maximaler Mumpitz.
Entweder strebte man an einen Krieg gegen Italien offensiv zu führen, dann hätte man die Mittel sinnvoller Weise in den Geschützpark und in Bahnen investieren müssen oder aber man geruhte eine Auseinandersetzung mit Italien defensiv zu führen, dann wäre es sinnvoll gewesen die strategisch wirklich bedeutsamen Ziele zu schützen und den Italienern das potentielle Einfallstor nach Österreich zu verlegen.
Das wiederrum war, wie die Dinge lagen, aber eindeutig der Isonzo, nicht Südtirol.
Man mag sich fragen, ob sich die Italiener von der Entente derart hätten kaufen lassen, wäre die Gegend um den Isonzo, entsprechend befestigt gewesen und zu erwarten gewesen wäre, dass man hier einen entsprechenden Blutzoll würde entrichten müssen.
Bei aller berechtigten Skepsis gegenüber Italien in Conrads konzeptionen werfen die Investitionen in Befestigungen in Südtirol noch eine ganz andere Frage auf und dass ist diejenige, ob Conrad eigentlich auch sinnvoll über die zu ziehenden Konsequenzen eines potentiellen Waffengangs mit Italien nachdachte.
Denn wenn man Italien weitgehend als unversöhnlichen Gegner betrachtete, welches Sinn hätte es gemacht einen Krieg zu führen ohne im Anschluss Annexionen anzustreben, die die eigene strategische Lage dauerhaft besserten und eine Garantie für künftiges italienisches Wohlverhalten bieten würden.
Das wiederrum konnte nur auf die Annexion von Gebieten südlich der Alpen, idealer Weise mit Zugang zur Po-Ebene, von denen aus man Italien jederzeit zügig matt würde setzen können, hinauslaufen.
Das musste, wenn es etwas bringen sollte, auf die Annexion entweder des Veneto oder der östlichen Lombardei hinauslaufen, denn was würde man ohne Annexion erreicht haben?
Ohne dem und zusätzliche Sicherheiten würde man vielleicht einen potentiellen Feind für 5 oder 10 Jahre ausgeschaltet, aber kein außenpolitisches Problem gelöst haben.
Wenn man aber Annexionen von Beginn an beabsichtigte, warum dann Gebiete fortifizieren, die während eines potentiellen Krieges keine herausragende Bedeutung haben konnten und nach den durchzuführenden Annexionen ohnehin im Hinterland gelegen hätten?
Soooo rational erscheint mir das, was Conrad da mitunter äußerte und dann da teilweise an Projekten umgesetzt wurde, dann auch nicht, vor allem scheint es mir nicht wirklich zusammen zu passen.
Mir macht das ganze eher den Eindruck, dass hier auf Grund ideologischer Eindrücke und Sentenzen, noch dazu ohne klare, sinnvolle Zielsetzung Mittel, in Teilen ohne Sinn und Verstand verausgabt wurden.
Selbst wenn wir mal Russland, Serbien und Rumänien vollkommen außen vor lassen und uns nur die italienischen Verhältnisse anschauen:
- Die Mittel wären besser verwendet gewesen um dem Artilleriepark mehr Schlagkraft für eine potentielle Entscheidungsschlacht im Veneto zu verschaffen.
- Die Mittel wäre besser verwendet gewesen, um das Bahnsystem, auch in Richtung auf Italien auszubauen und damit den Nachschubdurchsatz zu verbessern.
- Die Mittel wären besser verwendet gewesen, Fortifikationen so anzulegen, dass sie den Italienern den Weg in der Teifebene an der Küste entlag auf Triest zu verlegen mussten.
- Die Mittel wären besser verwendet gewesen, wenn man sie aktiv genutzt hätte un Seestreitkräften der K.u.K.-Monarchie gegenüber Italien ein eindeutiges Übergewicht zu verschaffen um bei bedarf die italienischen Küstenstädte angreifen, einen Vorstoß im Veneto gegebenenfalls maritim unterstützen zu können.
Auch wenn Aerenthal da die italienische Politik möglicherweise massiv verkannnte, besonders sinnvoll war es nicht, sich für die zusätzliche Fortifikation eines schwer zugänglichen, strategisch offensichtlich wenig bedeutenden Gebietes einzusetzen, während an anderer Stelle die Mittel fehlten, zumal angesichts eines Gegners wie Russland der offensichtlich eine wesentlich größere Gefahr darstellte, als ein militärisch eher mäßig beeindruckendes Italien, dass für weitergehende vorstöße bereits durch die Geographie mehr oder minder auf ein vielleicht 30 oder 40 km breites Nadelöhr in der Küstenregion als einzigem Einfallstor faktisch angewiesen war.