Um es einmal klar anzusprechen...
... sind Kenntnisse von Sprachräumen, Dialektgruppen und Dialekten unabdingbar :fs:
Thüringer mögen es überhaupt nicht , als " Sachsen" angesprochen zu werden, nur weil sie in ihrer dialektbegründeten Lautbildung dieser Erzgebirgisch-Vogtländisch-Lausitzischen Sprachgruppe ähneln.
Lautbildungen - die übrigens aus der Nachbarschaft resultieren - haben jedoch nichts mit Dialektgruppen (Sprachgruppe meint entweder Sprachfamilie oder geographisch benachbarte Sprachen, nicht jedoch einzelne Dialekte) zu tun.
Hier die Auflistung der relevanten Dialektgruppen und ihrer Dialekte:
(Ost-)Mitteldeutsch
Lausitzische Dialektgruppe
- Niederlausitzisch: Cottbus, Spreewaldgebiet, Hoyerswerda, Weißwasser
- Oberlausitzisch: Gebiet um Zittau
- Ostlausitzisch: Gebiet um Görlitz
- Westlausitzisch: Bischofswerda, Kamenz
- Neulausitzisch: Bautzen
Thüringisch-Obersächsische Dialektgruppe
- Zentralthüringisch: Erfurt, Gotha, Bad Langensalza, Ilmenau
- Ilmthüringisch: Rudolstadt, Weimar, Jena, Apolda
- Eichsfeldisch (nicht Eichsfelder Platt!): Heiligenstadt, Worbis, Mühlhausen
- Nordthüringisch: Nordhausen, Bad Frankenhausen, Sondershausen, Sangerhausen, Stolberg/Harz
- Westthüringisch: Eisenach, Bad Salzungen, Ruhla
- Nordostthüringisch: Halle/Saale, Merseburg
- Mansfeldisch: Mansfeld, Eisleben
- Ostthüringisch: Altenburg, Zeitz, Naumburg
- Südostthüringisch: Saalfeld, Gera, Greiz, Elsterberg
- Anhaltisch: Dessau, Köthen, Aschersleben
- Osterländisch: Gebiet um Leipzig, Lutherstadt Wittenberg, Bitterfeld, Bad Liebenwerda
- Meißenisch: Döbeln, Riesa (Nord-M.), Großenhain (Nordost-M.), Mittweida, Rochlitz, Borna (West-M.), Frankenberg, Freiberg sowie Osterzgebirge (Süd-M.), Elbtalraum mit Dresden, Meißen, Pirna (Südost-M.)
Oberdeutsch
Ostfränkische Dialektgruppe
- Grabfeldisch: im thüringischen Teil der ehem. Grenzregion Grabfeld
- Hennebergisch: Schmalkalden, Meiningen, Suhl
- Itzgründisch: Gebiet um Sonneberg
- Vogtländisch: Oberes Vogtland (Plauen, Klingenthal)
- Vorvogtländisch: Unteres Vogtland (Reichenbach, Rodewisch)
- Erzgebirgisch (mit Unterdialekten): mittleres und westliches Erzgebirge sowie Erzgebirgisches Becken
Nordbairisch: in Sachsen in der Region um Adorf/V., Bad Brambach, Bad Elster und Markneukirchen)
Anm. 1:
Westthüringisch weist bereits starke Einflüsse des
Osthessischen auf.
Anm. 2: Im
nördlichen Eichsfeld in Thüringen wird eine Variante des
Ostfälischen (niederdeutscher Dialekt) gesprochen.
Anm. 3: Möglicherweise sind
Erzgebirgisch und die vogtländischen Varietäten keine Dialekte der
Ostfränkischen Dialektgruppe, sondern eigenständige oberdeutsche Mundarten.
Da mögen die Thüringer (welche überhaupt?) es nicht mögen, aber Fakten werden Fakten bleiben.
Anm.: Und wie aus der Auflistung ersichtlich wird, haben Erzgebirgler, Vogtländer und selbst Lausitzer da besser nachvollziehbare Gründe, wenn sie diesbezüglich nicht als Sachsen bzw. Obersachsen bezeichnet werden wollen...
:fs:
Zumal Thüringer
sogar untereinander nicht wenig Verständigungsprobleme haben, zb. Südthüringer von südlich des Rennsteigs mit Eichsfeldern
Logisch; vgl. obige Auflistung incl. v.a. der Anmerkungen... :fs:
Insofern ist es für einen Thüringer ähnlich schwierig, lautverkürzende Bayern/Berliner zu verstehen wie schwer "sächselnde" Erzgebirgler.
Noch einmal: Erzgebirgler "sächseln" nicht, sondern "erzgebirgeln" bestenfalls - oder aber "fränkeln".
Daß der Thüringer - aus welcher Region überhaupt? - sie mitunter ähnlich schwer versteht wie Sprecher bairischer, ostfränkischer und alemannischer Dialekte, dürfte aus der obigen Liste gut ersichtlich werden.
Für die Berliner gilt übrigens:
Berlinisch/Berlinerisch wird zwar zu den ostmitteldeutschen Dialekten gerechnet, ist jedoch genaugenommen kein Dialekt, sondern ein
Metrolekt, da sich hier Einflüsse verschiedener Dialekte des Umlandes - hier: Dialekte der
Mark-Brandenburgischen Dialektgruppe aus dem ostniederdeutschen Sprachraum und der
Berlin-Brandenburgischen Dialektgruppe aus dem ostmitteldeutschen Sprachraum - miteinander vermischt haben.
Um zu einer Frage zu kommen , welche die Charakterisierung Ottos anlässlich des Reichstages ? zu Regensburg vertieft :
Welche Hauptdialekte sprachen denn die dort aufeinandertreffenden deutschen Fürsten ? Oder war Otto dort der einzige durch Dialekt Ausgegrenzte ?
Zumindest zur letzten Frage ist zu sagen, daß Otto mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht der einzige Dialektsprecher war, da die Entwicklung der deutschen Standardsprache erst in der Frühen Neuzeit anzusetzen ist. In den Jahrhunderten zuvor bezeichneten Hochdeutsch und Niederdeutsch schlichtweg die Sprachvarietäten - was übrigens bis heute so auch korrekt ist, zumal man deswegen auch vom Standarddeutsch oder vom Standardhochdeutsch bzw. der Schriftsprache sprechen sollte. Wissenschaftlich korrekt meint nämlich Hochdeutsch nach wie vor das hochdeutsche Sprachgebiet in Abgrenzung vom niederdeutschen Sprachgebiet (Stichwort: Zweite Lautverschiebung) - eben mit allen Varietäten durch Dialekte etc.