Feldzüge zwischen 9 n. und 14 n. Chr. ?

Strabon schreibt: "Angefangen hatten den Krieg die Sugambrer, die nahe am Rhein wohnten, unter ihrem Anführer Mailon, und seitdem haben ihn immer wieder andere fortgesetzt [...] Misstrauen ist gegen sie von großem Nutzen: die, denen man vertraute, haben den schwersten Schaden gestiftet, wie die Cherusker und ihre Untertanen, bei denen drei Legionen zusammen mit ihrem Feldherren Quintilius Varus vertragsbrecherisch aus dem Hinterhalt vernichtet wurden. Sie alle haben dafür gebüßt und dem jüngeren Germanicus den glänzendsten Triumphzug bereitet." Wenn man diesen zeitnahen Text (taq 23 n. Chr.) zugrundelegt, dann liest es sich nicht so, als sei zwischen 9 und 15 großartig etwas passiert. Das auffällige Schweigen von Velleius Paterculus wurde schon erwähnt. Hier gibt es nur einen kleinen Einschub von der Reaktion des Tiberius als einem Rachefeldzug, der aber kaum Details verrät. Stattdessen kehrt Velleius zu den Ereignissen im direkten Anschluss an die Varusniederlage zurück.
 
Vielen Dank nochmals!

Nach der Varus-Katastrophe wurden diese Legionen also entlang des Rheins, bis Augsburg etc. verteilt auf Standorte. Ich habe das nur anhand dieser Seite überflogen:
List of Roman legions - Wikipedia, the free encyclopedia

aber das sieht sehr nach "Perlenkette" aus.

Zu den Lagern hätte ich eine Anschlußfrage: in einem Buch zu den frühen römischen Bauten von Vindobona wird vermerkt, dass sich eine Legion rd. 2 Jahre mit dem feldmäßigen Ausbau ihres Standortes beschäftigt habe.

Kann man das hier auch annehmen, also einen Zeitraum der Befestigung? Oder waren das sämtlich gut vorbereitete Standorte mit entsprechenden Ausbauten?
Vindobona ? Wikipedia
Vindobona
 
...dann liest es sich nicht so, als sei zwischen 9 und 15 großartig etwas passiert.
Das kommt, wie immer, drauf an, wie man "großartig" definiert bzw. was der jeweilige Schreiber seinen Lesern und Auftraggebern sagen will. Eine Strategie "der verbrannten Erde" [1], wie Tiberius sie praktizierte, hat halt nichts Spektuläres.

"Sie alle haben dafür gebüßt und dem jüngeren Germanicus den glänzendsten Triumphzug bereitet."
Wie schon gesagt: eine Frage der Perspektive. Tiberius, nunmehr Kaiser, fand das Endergebnis der Germanicus'schen Kriegführung insgesamt wenig erquicklich; der Triumpf, den T. dem G. gewährte (26.05.17), diente mehr zu dessen Gesichtswahrung. [2]


[1] Märtin, aaO, S. 228.
[2] aaO, S. 262 ff. - Aber es gibt sicher auch andere Deutungen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wie schon gesagt: eine Frage der Perspektive. Tiberius, nunmehr Kaiser, fand das Endergebnis der Germanicus'schen Kriegführung insgesamt wenig erquicklich; der Triumpf, den T. dem G. gewährte (26.05.17), diente mehr zu dessen Gesichtswahrung. [2]

[2] aaO, S. 262 ff. - Aber gibt hierzu sicher auch andere Deutungen.

Tacitus wirft Tiberius hier Eifersucht auf die Erfolge Germancius' vor (Tac. ann II, 26, 5): "Germancius zögerte nun nicht weiter, obgleich er merkte, dass dies alles nur vorgetäuscht sei und ihm aus Neid der bereits errungene Ruhm entrissen werde."
Und Strabon kann immerhin eine ganze Reihe prominenter Germanen nennen, die Germancius in seinem Triumphzug vorführte, wenn auch nicht Arminius selbst.
 
Ja, das meine ich. :winke:
...eine ganze Reihe prominenter Germanen nennen, die Germancius in seinem Triumphzug vorführte, wenn auch nicht Arminius selbst.
Frau Thusnelda und Sohn Thumelicus waren kein "echter" Ersatz, aber fotogen (Bild rechts):
Google-Ergebnis für http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/e/e7/Carl_Theodor_von_Piloty_Thusnelda_im_Triumphzug_des_Germanicus.jpg/350px-Carl_Theodor_von_Piloty_Thusnelda_im_Triumphzug_des_Germanicus.jpg
 

OT:
Die Sage und der Dumont behaupten,:cool: dass die "trauernde Germanin" in der Loggia dei Lanzi, Thusnelda darstellen würde.
Fotogen ist sie auf alle Fälle.
 
Tacitus wirft Tiberius hier Eifersucht auf die Erfolge Germancius' vor (Tac. ann II, 26, 5): "Germancius zögerte nun nicht weiter, obgleich er merkte, dass dies alles nur vorgetäuscht sei und ihm aus Neid der bereits errungene Ruhm entrissen werde."
Und Strabon kann immerhin eine ganze Reihe prominenter Germanen nennen, die Germancius in seinem Triumphzug vorführte, wenn auch nicht Arminius selbst.

Das, was Tacitus als Eifersuchtsreaktion interpretiert, könnte auch einfach was mit dem Charakter des Tiberius zu tun gehabt haben. Er war allem Anschein nach "besonnener" als der junge Germanicus, der wohl eher zu recht ungestümem Vorgehen neigt. Selbst Velleius Paterculus, der ein Tiberius-Anbeter war, deutet das an. Für die Jahre zwischen der Varusniederlage und den Germanicuszügen berichtet er, dass Tiberius den Rhein überschritten habe, dass er einige Lager wieder errichten und Wege neu anlegen ließ - und dass er das alles getan habe, ohne des Heer in Gefahr zu bringen. Außerdem schreibt er, es sei stets Tiberius Ziel gewesen, das Heer nicht in Gefahr zu bringen.

Was den Wiederaufbau von befestigten Lagern in Germanien angeht, habe ich irgendwo gelesen, dass sowohl bei Haltern als auch bei Waldgirmes Anzeichen dafür gefunden wurden, dass die Lager zerstört und später kurzzeitig wieder genutzt worden sein könnten (Funde über einer Brandschicht). Ich weiß leider nicht mehr, wo ich das gelesen habe. Es würde aber darauf hindeuten, dass Tiberius unmittelbar nach der Niederlage damit begonnen hat, in Germanien die Lage wieder zu stabilisieren.

MfG
 
Das, was Tacitus als Eifersuchtsreaktion interpretiert, könnte auch einfach was mit dem Charakter des Tiberius zu tun gehabt haben. Er war allem Anschein nach "besonnener" als der junge Germanicus, der wohl eher zu recht ungestümem Vorgehen neigt. Selbst Velleius Paterculus, der ein Tiberius-Anbeter war, deutet das an. Für die Jahre zwischen der Varusniederlage und den Germanicuszügen berichtet er, dass Tiberius den Rhein überschritten habe, dass er einige Lager wieder errichten und Wege neu anlegen ließ - und dass er das alles getan habe, ohne des Heer in Gefahr zu bringen. Außerdem schreibt er, es sei stets Tiberius Ziel gewesen, das Heer nicht in Gefahr zu bringen.

Wir müssen uns natürlich hüten, einfach Paterculus' oder Tacitus' Interpretationen kritiklos zu übernehmen. Deshalb nicht "Tiberius war eifersüchtig auf Germancius" sondern "Tacitus wirft Tiberius hier Eifersucht auf die Erfolge Germancius' vor". Unterschied klar? :winke:
 
Zuletzt bearbeitet:
Wir müssen uns natürlich hüten, einfach Paterculus' oder Tacitus' Interpretationen kritiklos zu übernehmen. Deshalb nicht "Tiberius war eifersüchtig auf Germancius" sondern "Tacitus wirft Tiberius hier Eifersucht auf die Erfolge Germancius' vor". Unterschied klar? :winke:

Jaja, ich bin da ganz Deiner Meinung. Ich glaube sogar, dass Tacitus in gewisser Weise die Wahrheit sagt, wenn er andeutet, dass Tiberius den Germanicus "klein halten" wollte. Germanicus war ein gefährlicher Konkurrent um die Macht in Rom. Hätte er den Germanien-Krieg gewonnen, hätte Tiberius ein ganz schweres Problem am Hals gehabt...

Aber mit meinem Post ging es mir eigentlich nur darum, dass Tiberius und Germanicus völlig unterschiedliche Charaktere waren. Tiberius ist offenbar immer sehr bedacht und vorsichtig (meiner Ansicht nach auch: klüger) vorgegangen. Auch in der Zeit nach der Varusniederlage. Nach den dürren Informationen, die wir über die Zeit haben, hat er planmäßig die Rheinlinie gesichert und angefangen, die römische Position auch rechts des Rheins wieder zu sichern. Dass unter seiner Federführung Aliso (vermutlich Haltern) wieder "in Betrieb genommen" wurde, halte ich für sicher.

Germanicus wollte militärische Siege erringen und den Gegner für die Schmach der Niederlage züchtigen. Tiberius hat kalt-rational erwogen, welches die richtige Strategie ist, mit den bösen Buben nördlich der Reichsgrenzen umzugehen. Unser lieber Tacitus, der im Herzen ein Kriegstreiber war, legt das natürlich als Feigheit und Missgunst aus... Aber darauf wollte ich nicht hinaus. Das ist nur ein "Nebenkriegsschauplatz". Was Tiberius in den Jahren zwischen 9 und 15 gemacht hat, zeigt die Zielrichtung römischer Politik und die "römischen Interessen" deutlicher als der Blutrausch, in den Germanicus offenbar verfallen ist. Deshalb wissen wir über die Tiberius-Aktionen nur wenig. Die waren einfach unspektakulär, eben "politisch".

Tiberius war auf jeden Fall der "bessere Politiker". Ob Germanicus der bessere Soldat und Römer war (wie Tacitus uns weismachen will), ist eine andere Frage. Ich würde mein Geld auch diesbezüglich eher auf Tiberius setzen. ;)

MfG
 
Jaja, ich bin da ganz Deiner Meinung. Ich glaube sogar, dass Tacitus in gewisser Weise die Wahrheit sagt, wenn er andeutet, dass Tiberius den Germanicus "klein halten" wollte. Germanicus war ein gefährlicher Konkurrent um die Macht in Rom. Hätte er den Germanien-Krieg gewonnen, hätte Tiberius ein ganz schweres Problem am Hals gehabt...

Naja, das sind Spekulationen - oder deuten die Quellen etwas in dieser Richtung an? Das Problem hätte nur bestanden, wenn Germanicus vorgehabt hätte, sei es als neuer restitutor res publicae, sei es als neuer princeps, seinen Onkel zu entmachten.

Aber mit meinem Post ging es mir eigentlich nur darum, dass Tiberius und Germanicus völlig unterschiedliche Charaktere waren. Tiberius ist offenbar immer sehr bedacht und vorsichtig (meiner Ansicht nach auch: klüger) vorgegangen. Auch in der Zeit nach der Varusniederlage. Nach den dürren Informationen, die wir über die Zeit haben, hat er planmäßig die Rheinlinie gesichert und angefangen, die römische Position auch rechts des Rheins wieder zu sichern. Dass unter seiner Federführung Aliso (vermutlich Haltern) wieder "in Betrieb genommen" wurde, halte ich für sicher.

Nun ja, wenn Tiberius doch die Rheingrenze gesichert hatte und Aliso wieder hergestellt hatte, dann war es doch nur folgerichtig, dass Germanicus den Germanen zeigte, wo der Hammer hängt und evtl. sogar den status quo ante herzustellen versuchte.


Germanicus wollte militärische Siege erringen und den Gegner für die Schmach der Niederlage züchtigen. Tiberius hat kalt-rational erwogen, welches die richtige Strategie ist, mit den bösen Buben nördlich der Reichsgrenzen umzugehen. Unser lieber Tacitus, der im Herzen ein Kriegstreiber war, legt das natürlich als Feigheit und Missgunst aus... Aber darauf wollte ich nicht hinaus. Das ist nur ein "Nebenkriegsschauplatz". Was Tiberius in den Jahren zwischen 9 und 15 gemacht hat, zeigt die Zielrichtung römischer Politik und die "römischen Interessen" deutlicher als der Blutrausch, in den Germanicus offenbar verfallen ist. Deshalb wissen wir über die Tiberius-Aktionen nur wenig. Die waren einfach unspektakulär, eben "politisch".

Tiberius war auf jeden Fall der "bessere Politiker". Ob Germanicus der bessere Soldat und Römer war (wie Tacitus uns weismachen will), ist eine andere Frage. Ich würde mein Geld auch diesbezüglich eher auf Tiberius setzen. ;)

Ich weiß nicht, ob Tiberius der "bessere Politiker" war. Es ist doch bezeichnend, dass, als Germanicus die Rheinlegionen im Jahr 15 übernahm, er wohl von Tiberius dorthin geschickt wurde, weil die Rheinlegionen gerade
mehr oder minder den Aufstand probten. Sei es aus Langeweile, sei es aus mangelnder Bezahlung. Zum Zerwürfnis zwischen Tiberius und dem Sohn seines geliebten Bruders Drusus scheint also erst in der Folgezeit gekommen zu sein.
 
Naja, das sind Spekulationen - oder deuten die Quellen etwas in dieser Richtung an? Das Problem hätte nur bestanden, wenn Germanicus vorgehabt hätte, sei es als neuer restitutor res publicae, sei es als neuer princeps, seinen Onkel zu entmachten.

Und das scheint gerade nicht der Fall gewesen zu sein. Tacitus zeichnet Germanicus doch immer als einen Modell-Römer, während er Tiberius die Befürchtungen unterschiebt, er müsse vor Germanicus auf der Hut sein.

Allerdings muss man auch beachten, dass der erste Teil der Annalen ja gerade zu von dem Gegensatz Tiberius-Germanicus durchdrungen ist. Wie viel da Wahrheit, wie viel literarische Konstruktion ist, muss wohl offen bleiben.
Wobei man ja auch den Ehreninschriften für Germanicus durchaus ein etwas anderes Bild gewinnen kann, als wie es von Tacitus gezeichnet wird.


Ich weiß nicht, ob Tiberius der "bessere Politiker" war. Es ist doch bezeichnend, dass, als Germanicus die Rheinlegionen im Jahr 15 übernahm, er wohl von Tiberius dorthin geschickt wurde,

Ein Tippfehler? Germanicus übernahm das Kommando noch zu Lebzeiten des Augustus, wohl 13 n. Chr.
Zum Zerwürfnis zwischen Tiberius und dem Sohn seines geliebten Bruders Drusus scheint also erst in der Folgezeit gekommen zu sein.
Wenn überhaupt. Germanicus hätte in der Darstellung des Tacitus aufgrund des 'geklauten' Sieges in Germanien durchaus Anlass zum Ärger über Tiberius gehabt. Nur hätte Tiberius ihn dann kurz darauf einfach so mit großen Vollmachten in den Osten geschickt? (Wenn auch mit dem Aufpasser Piso).
 
Wobei man ja auch den Ehreninschriften für Germanicus durchaus ein etwas anderes Bild gewinnen kann, als wie es von Tacitus gezeichnet wird.

Wie lauteten diese?


Nein, darauf kann ich mich leider nicht berufen.

Wenn überhaupt. Germanicus hätte in der Darstellung des Tacitus aufgrund des 'geklauten' Sieges in Germanien durchaus Anlass zum Ärger über Tiberius gehabt. Nur hätte Tiberius ihn dann kurz darauf einfach so mit großen Vollmachten in den Osten geschickt? (Wenn auch mit dem Aufpasser Piso).

Naja, Tiberius scheint ja recht misstrauisch bis paranoid gewesen zu sein. Er lebte ja nicht von ungefähr auf dem Höhepunkt seiner macht zurückgezogen auf Capri und ließ kaum Leute vor.
 
Naja, das sind Spekulationen - oder deuten die Quellen etwas in dieser Richtung an? Das Problem hätte nur bestanden, wenn Germanicus vorgehabt hätte, sei es als neuer restitutor res publicae, sei es als neuer princeps, seinen Onkel zu entmachten.
Bei Tacitus ist diese Implikation unübersehbar. Allein wie er schildert, dass die meuternden Soldaten ihm angeboten hätten, ihn zum Princeps zu erheben. Selbstverständlich hat der Held das abgelehnt, weil es ihm ja niiieee ganz überhaupt nicht darum ging, als Trimuphator nach Rom zurückzukehern. Er wollte doch bloß eine Schmach sühnen und römische Herrlichkeit wiederherstellen. Jedenfalls bei Tacitus. Aber allein dass Tacitus die beiden Charaktere in dieser Weise gegeneinander stellt, deutet darauf hin, dass hier ein Teil der Motive lag. Sicher wird er den Konflikt überzeichnet haben, aber dass er sich das alles aus den Fingern gesaugt hat, kann ich mir nicht vorstellen. Germanicus hatte ganz sicher auch persönliche Ambitionen. Und ganz sicher fand Tiberius diese Ambitionen gar nicht apart.

Aber wie gesagt, darum ging es mir eigentlich nicht.

Nun ja, wenn Tiberius doch die Rheingrenze gesichert hatte und Aliso wieder hergestellt hatte, dann war es doch nur folgerichtig, dass Germanicus den Germanen zeigte, wo der Hammer hängt und evtl. sogar den status quo ante herzustellen versuchte.
Das Ziel, den status ante quo wiederherzustellen, hatten sicher beide gemeinsam. Schon weil Augustus noch (nach-)existierte und seine Wünsche auch durch seinen Tod nicht sofort obsolet wurden oder revidiert werden konnten. Aber es bleibt die Frage nach den Methoden: Für mich ist in den Quellen zwischen den Zeilen erkennbar, dass Tiberius mit seinen Aktionen eine mittelfristige, vorsichtige Konsolidierung vorbereitet hat, während Germanicus eher die grobe Kelle schwingen wollte. Folgerichtig haben wegen der Art, wie Germanicus den Krieg geführt hat, treue römische Bundesgenossen die Seiten gewechselt (Inguiomer). Die Art, wie Germanicus diesen Krieg geführt hat, hat die Germanen gezwungen, Stellung zu beziehen. Neutral zu bleiben, war in der Phase nicht mehr möglich. So war es Germanicus, der auch die bis dahin Unentschlossenen in den Krieg und ins Lager der Feinde getrieben hat. Er hat die Lage eskaliert. Tiberius dagegen wollte sie beruhigen. Und diese Beruhigung hätte die Chance geboten, aus einer sicheren Position heraus Schritt für Schritt alles zurückzugewinnen.

Zum Zerwürfnis zwischen Tiberius und dem Sohn seines geliebten Bruders Drusus scheint also erst in der Folgezeit gekommen zu sein.
Natürlich. Die Zerwürfnisse resultierten ja auch nicht aus Meinungsverschiedenheiten über das Ziel sondern über die Methoden. Denke ich jedenfalls. Dass Germanicus in Rom "gefährlich beliebt" gewesen wäre, wenn er als Sieger aus Germanien zurückgekehrt wäre, kommt noch hinzu. Entscheidend ist aber ein anderer Punkt: Nachdem Germanicus mit seinen acht Legionen durch Germanien gezogen war wie ein Elefant durch den Porzellanladen, war für vorsichtige Annäherungen einfach kein Raum mehr. Hätten z.B. die Marser den Römern noch vertrauen können, nachdem sie mehrfach Ziel von Angriffen waren, die auf ihre physische Vernichtung ausgerichtet waren? Germanicus hat mit seiner Politik der ungezügelten Gewalt alles zunichte gemacht, was Tiberius mit seiner schrittweisen ruhigen Konsolidierung unmittelbar nach der Varusniederlage in die Wege leiten wollte. Von dem Punkt an blieben nur noch zwei Alternativen: den Gegner endgültig niederkämpfen oder sich zurückziehen und abwarten. Variante eins wäre unzumutbar teuer geworden. Auch das haben die Germanicus-Feldzüge gezeigt.

Nebenbei: Ich kann mir nicht vorstellen, dass Germanicus überrascht war, dass sein Onkelchen mit seinen Aktionen nicht einverstanden war. Er hat sich mit dieser Art der Kriegführung bewusst in Opposition zu Tiberius gestellt. Sicher wollte er das nicht nutzen, um nach seiner Rückkehr den Thron zu erobern. Aber langfristige Ambitionen hatte er bestimmt.

MfG
 
Das dumme beim Germanicus war doch eigentlich, daß er die militärischen Erfolge bzw. Siege nicht entsprechend dauerhaft umsetzen konnte, d.h. es ist ihm nicht gelungen entsprechende Teile Germaniens zu besetzen. Die interessante Frage ist in diesem Zusammenhang auch, warum er nach Beendigung des Feldzuges 16 n.Chr. nicht ein Winterlager an der Weser hat errichten lassen. Dies wäre für Tiberius und Arminius ein sehr deutliches Zeichen gewesen. (Diese Frage gehört allerdings wohl in den Germanicus-Thread)

Ich könnte mir auch durchaus vorstellen, daß die Römer die Zeit zwischen 9 und 14 n.Chr. auch genutzt haben um eine Art Infrastruktur in Germanien neu aufzubauen. Für die gewaltigen Feldzüge mit 8 Legionen plus Hilfstruppen, Pferden etc. war dies absolut notwendig. Das an der Lippe entsprechende Kastelle wieder (oder neu) errichtet wurden, geht aus den Quellen eindeutig hervor, ebenso das zumindest eines davon auch ein Winterlager war.

Vieleicht gab es eine Art zweiteiligen Plan:

1. Stabilisierung der Situation am Rhein
2. Vorbereitung der neuerlichen Feldzüge

Dann kam der Tod des Augustus dazwischen und alles hat ein wenig länger als geplant gedauert.
 
Vieleicht gab es eine Art zweiteiligen Plan:

1. Stabilisierung der Situation am Rhein
2. Vorbereitung der neuerlichen Feldzüge

Dann kam der Tod des Augustus dazwischen und alles hat ein wenig länger als geplant gedauert.

Das Problem der Römer lag darin, dass sie keinen "Verwaltungsapparat" hatten. Um eine Provinz dauerhaft unter Kontrolle zu bringen, waren sie auf die Mitwirkung der örtlichen Stammeseliten angewiesen. Sie haben sich zum Beispiel auch in Gallien der dort existierenden Strukturen bedient. Es wurde lediglich ein römischer Kopf oben drauf gesetzt. In Germanien gab es diese Möglichkeit von vornherein nur eingeschränkt, da die Stämme eher strukturlos waren. Und nachdem Germanicus durch das Land getrampelt war und sämtliche Stämme hochgescheucht hatte, gab es eine Chance auf Mitwirkung der Germanen wohl gar nicht mehr.

Die von Dir angesprochene zweigeteilte Strategie hätte Sinn gehabt, wenn es sich um kleine, gezielte Feldzüge gegen ganz bestimmte Gegner gehandelt hätte. Meiner Ansicht nach ist es genau das, was Tiberius in der ersten Phase getan hat: Wieder feste Positionen einnehmen und von dort aus militärisch das nähere Umfeld "beruhigen".

MfG
 
Und nachdem Germanicus durch das Land getrampelt war und sämtliche Stämme hochgescheucht hatte, gab es eine Chance auf Mitwirkung der Germanen wohl gar nicht mehr.

Das glaube ich nicht. Jedenfalls muss es zwischen 17 und 21 Kontakte zwischen Römern und Germanen gegeben haben, welche die Römer über die innergermanischen Kriege (Arminius und Marbod) informierten. Ein direkter Kontakt bestand zu Teilen der Chatten: Adgandestrius' Angebot Arminius zu vergiften wurde im Senat verlesen und abgelehnt. (Tac. ann II, 88)
 
Das dumme beim Germanicus war doch eigentlich, daß er die militärischen Erfolge bzw. Siege nicht entsprechend dauerhaft umsetzen konnte, d.h. es ist ihm nicht gelungen entsprechende Teile Germaniens zu besetzen. Die interessante Frage ist in diesem Zusammenhang auch, warum er nach Beendigung des Feldzuges 16 n.Chr. nicht ein Winterlager an der Weser hat errichten lassen. Dies wäre für Tiberius und Arminius ein sehr deutliches Zeichen gewesen. (Diese Frage gehört allerdings wohl in den Germanicus-Thread)

Vielleicht waren es auch keine solch große militärische Erfolge? Am Angrivarierwall wurden Germanicus seine Grenzen aufgezeigt. Der "Verbrauch" an Material, Tieren und Menschen war so enorm, daß ein weiterer Feldzug auch an die maroden römischen Kassen geht. Germanicus mußte 14n.Chr. mit seinem eigenen Geld die rebellierenden Rheinlegionen ruhigstellen. Seine Feldzüge haben in den darauffolgenden Jahren weiterhin enorme finanzielle Mittel beansprucht. In ganz Gallien soll es keine weiteren Pferde mehr für sein Heer gegeben haben. (2.Buch (5))
Und Arminius verfügte im Jahre 17 n.Chr. immernoch über ein großes Heer, das sich mit dem markomannischen Heer des Marbod messen konnte. Und dessen Zahlenstärke ist bekannt. Daher sind die germanischen Verluste bei Idistaviso und am Angrivarierwall wohl eher, im Gegensatz zur Verlautbarung der römischen Propaganda, bescheiden gewesen.

Weiterhin wäre die Errichtung eines Winterlagers an der Weser im Jahre 16n.Chr. ein Himmelfahrtskommando gewesen. Im gleichen Jahr benötigte Germanicus sechs Legionen um das belagerte Aliso an der Lippe zu befreien. (2.Buch (7)) Wenn dann 17 n.Chr. ein Winterlager an der Weser belagert worden wäre, wieviele Legionen hätte er dann kurzfristig für eine Befreiung bereitstellen müssen? Sicherlich sein gesamtes Heer.

Es bestehen nur römische Quellen und die geben eine subjektive Betrachtungsweise der Ereignisse wieder. Oder würde man in 2000 Jahren auch die Geschichte des FC Bayern München anhand von Aufzeichnungen von Karl Heinz Rumenigge, Uli Hoeneß und Franz Beckenbauer eins zu eins übernehmen? :winke:
 
Das glaube ich nicht. Jedenfalls muss es zwischen 17 und 21 Kontakte zwischen Römern und Germanen gegeben haben, welche die Römer über die innergermanischen Kriege (Arminius und Marbod) informierten. Ein direkter Kontakt bestand zu Teilen der Chatten: Adgandestrius' Angebot Arminius zu vergiften wurde im Senat verlesen und abgelehnt. (Tac. ann II, 88)

Und Marbod hat sogar um römische Waffenhilfe gebeten. Ich glaube aber kaum, dass damit das Angebot verbunden war, sein Reich im Sinne römischer Interessen als Provinz zu verwalten. Provinzialisierung setzte die tätige Mithilfe der einheimischen Eliten voraus, nicht bloß die Duldung der Anwesenheit römischer Truppen. Und selbst diese Duldung war in Germanien nach den Feldzügen des Germanicus mehr als zweifelhaft geworden. Kontakte gab es natürlich auch weiterhin. Aber nicht auf einer Ebene, die für eine Romanisierung notwendig gewesen wäre.

MfG
 
Zurück
Oben