Was hat die als Feminismus bezeichnete Bewegung in den letzten 40 Jahren bewirkt verbessert, oder verschlechtert?
Läßt man mal die polemischen Aspekte beiseite, dann ergibt sich in der Literatur zur Frauenbewegung bzw. zum Feminismus eine differenzierte Sicht auf das Erreichte in der BRD/Deutschland. Die Situation in der DDR lasse ich für meine Betrachtung mal außen vor (vgl. dazu Köbis und Melchior).
In komparativer Perspektive zur Frauenbewegung in den USA, GB und vor allem zu Skandinavien kommt Ferree zu dem Ergebnis: "Germany`s commitment to gender equality hardly stands out". Und die Ursache sieht sie in der konservaiven Familienideologie der konservativen Parteien in der BRD/Deutschland.
Varieties of Feminism: German Gender Politics in Global Perspective - Myra Ferree - Google Books
Diesem kritischen Urteil zur sozialen bzw. zur wirtschaftlichen Situation der Frauen kontrastiert Lenz die Einschätzung der Frauenbewegung durch Wehler, der zu den Frauenbewegungen in Deutschland feststellt: "haben sie in den letzten vierzig Jahren eine der größten sozialen Revolutionen des 20. Jahrhundert ausgelöst" (vgl. Weltwoche, 2007, Nr. 21).
Diese unterschiedlichen Urteile sind keine Gegensätze, sondern bilanzieren auf der einen Seite das Erreichte und formulieren andererseits die zukünftige Agenda, wie ansatzweise es bereits auch in #20 thesenhaft formuliert wurde.
Für diese Einschätzung ist es relevant, den Ausgangspunkt nach dem WW2 zu rekonstruieren, um das Null-Niveau fü die folgende Entwicklung zu bestimmen.
So formuliert Lenz: "Im Zeichen des Antinazismus und Antikommunismus stützte sich die konservative Familienpolitik nach 1950 auf den Autoritarismus und Neopatrialismus aus dem Kaiserreich im Sinne einer christlichen Familienerziehung."
Die Neue Frauenbewegung in Deutschland: Abschied vom kleinen Unterschied<br> ... - Google Books
So blieb trotz der Gleichheitsklausel von Frau und Mann des GG die Familienpolitik bis zu ihrer Reform durch die Sozialliberale Koalition im Jahr 1976 stark durch die neopatriarchalischen Bestimmungen des BGB aus dem Jahr 1896 geprägt.
Die Neuausrichtung der Gesellschaftspolitik unter dem Kanzler Brandt, die auch eine Reaktion war auf die von der APO formulierte Kritik an den verkrusteten und restaurativen Gesellschaftsstrukturen der Adenauer-Ära, führte unter anderem zu einer Übernahme der Forderungen der Frauenbewegungen im Zuge einer umfassenden Assimilierung in den Parteien und Organisationen.
Die unmittelbare Folge war, eine veränderte politische und gesellschaftliche Bewertung der Rolle der Frauen und führte beispielsweise zu einem erhöhten Anteil von Frauen bei Abgängen mit dem Allgemeinen Hochschulzugang (Abitur) und in der Folge auch zur Erhöhung des Anteils an leitenden Angestellten.
Ein deutlicher Einschnitt erfolgte durch die neu gegründete Grüne / Alternative Partei, die ab 1980 eine 50 % Frauenquote einführte. Gefolgt 1988 von der SPD. Mit der Konsequenz, dass Deutschland mit ca. 30 Prozent an weiblichen Agbeordneten einen der höchsten Anteile von Frauen in westlichen Parlamenten aufweist (allerdings ist die Politik dadurch leider auch nicht besser geworden
)
Vor diesem Hintergrund stellt Lenz fest, dass der soziokulturelle Wandel und die soziale Modernisierung am schnellsten voranschritt. Und damit deutlich die Sichtweise von Wehler unterstützt.
Allerdings ist sie ähnlich wie Ferree skeptisch in Bezug auf die wirtschaftliche Gleichstellung der Frauen und schreibt: "Die Institutionen der Familien-, der Arbeitsmarkt- und der Sozialpolitik scheinen gegenüber dem Wandel im Bewußtsein und den alltäglichen Praktiken durch einen zähen Strukturkonservatismus von Eliten und Verbänden abgeschirmt und abgestützt".
Die Frauenbewegung ist somit seit 1950 erfolgreich gewesen, ihre Ziele in praktische Politik und auch Gesetze umzuwandeln, allerdings stellt sich nach wie vor die große Herausforderung, die eigentlich selbstverständliche, da GG-konform, wirtschaftliche und berufliche Gleichstellung der Frauen durchzusetzen.
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Zur Historie der Frauenbewegung vgl. Gerhard
Frauenbewegung und Feminismus: Eine Geschichte seit 1789 - Ute Gerhard - Google Books
und zur Entwicklung in der Weimarer Republik
Women in the Metropolis: Gender and Modernity in Weimar Culture - Google Books