Frage zu Degen und Trageweise im 18.Jh.

Es wird @Demoiselle freuen, dass mir schließlich doch noch ein Bandit einfiel, der gelegentlich einen Degen trug: Nicol List, der sich häufig als Doktor oder Professor ausgab und sich "Herr von der Mosel" nannte.

Nicol List sorgte 1699 für großes Aufsehen, als er die "Güldene Tafel" in Lüneburg raubte, einen Reliquienschrein der von Heinrich dem Löwen gestiftet wurde.

In einem Signalement glaube ich mich erinnern zu können, dass darauf sogar extra hingewiesen wurde. Allerdings diente der Degen List einzig als Statussymbol, dass er ihn als Waffe eingesetzt hätte, darüber sind mir keine Einzelheiten bekannt.
 
Du hattest mich völlig davon überzeugt, daß ein Degen für Verbrechen nicht ideal ist. Das gilt heute wie damals und der Gedanke freut mich auch für diese Ehrenwerte Waffe.

Einmal möchte der Verbrecher seine Waffe gern verborgen tragen, was mit einem Messer ungleich besser geht, das sich auch weniger auffällig zücken läßt. Zum anderen hattest Du recht, daß ein gute Degen teuer ist und das anschließende Wegwerfen der Tatwaffe daher unwirtschaftlich.

Bei dem Fall, den Du da jetzt schilderst, kommt es darauf an, was es für ein Degen ist: Ein Galanteriedegen erscheint mir recht untauglich für Überfälle, die ja militiärischen Actionen gleichkommen. Ein Militärdegen ist da schon was anderes. Diese Waffe ist nicht zu unterschätzen, denn so ein Haudegen ist immernoch recht schlank und lange nicht so schwer wie ein Schwert, aber Hieb- und Stoßwirkung sind sehr hoch einzuschätzen. - Mein IOD ist nur leicht scharf, man schneidet sich höchstens mit Mühe daran : er haut aber eine capitale Ananas bis unten hin durch, ohne daß ich mit voller Wucht zuhauen muß.

Man muß halt die bürgerlichen Civildegen, die sehr leicht waren, von den deutlich massiveren Militärdegen trennen. Und letztere sind für den Combat absolut hervoragend optimiert.
 
Der in einem anderen Thread bereits erwähnte Bandit Krummfingers Balthasar und einige seiner Leute waren allerdings tatsächlich mit Degen bewaffnet, wie in den Hildburghausener Kriminalakten zu lesen ist.
 
Der in einem anderen Thread bereits erwähnte Bandit Krummfingers Balthasar und einige seiner Leute waren allerdings tatsächlich mit Degen bewaffnet, wie in den Hildburghausener Kriminalakten zu lesen ist.
Ausnahmen bestätigen die Regel. Die Highwaymen in England und Irland usw. zu der Zeit verzichteten auch nicht unbedingt auf Degen. Aber das ist eben nicht der Regelfall.
 
Der in einem anderen Thread bereits erwähnte Bandit Krummfingers Balthasar und einige seiner Leute waren allerdings tatsächlich mit Degen bewaffnet, wie in den Hildburghausener Kriminalakten zu lesen ist.

Wenn ich mich recht entsinne, traten diese Burschen auch sehr offen auf, Stichwort preuß. Werber, oder nicht? Der gemeine Schurke hielt es wohl doch eher mit dem Messer unterm Hemd, denke ich. :)
 
Der Bandit, der sich mit seinen Leuten als Werber tarnte, war ein Zeitgenosse und Kollege von Krummfingers Balthasar namens Hoyum Moses, der mit einem Einbruch in eine Tressenfabrik in Coburg für Furore sorgte.

Vom Krummfingers Balthasar ist überliefert, dass er ein eigenes Wappen führte und an seine Leute fiktive Titel und Adelsbriefe ausgab. Er hatte auch einen eigenen kochemer Gesetzeskodex verfasst, nach dem er über Mitglieder, die andere verraten hatten regelrecht Gericht hielt. Das war wirklich sehr ungewöhnlich, da die meisten Räuberbanden durchaus keinen allmächtigen Anführer hatten, der erst Recht kein Recht über Leben und Tod der anderen hatte. In der Gaunersprache gibt es übrigens nicht einmal einen eigenen Begriff für "Anführer", dafür aber mehr als ein Dutzend Differenzierungen von Diebstahl.
 
Also bis jetzt haben wir an Degenträgern im 18.Jh.:
- Studenten
- Adelige
- Bürgerliche mit Vermögen
Hinzu kämen noch die Handwerker. Diesen war lediglich verboten per Reichsedikt (im HRR) von 1731 innerhalb von Städten Degen zu tragen, durch die Gefahren der Wanderschaft war ihnen aber das Tragen außerorts erlaubt.

Studenten wurde in verschiedenen Gegenden, wie der Krünitz darstellt, das Degentragen gänzlich verboten, Studenten von Adel z.B. in Preußen ausgenommen.

Es gab aber scheinbar in Städten wo Adel und Studenten keinen Einfluss hatten, Ausnahmen, da dort die Handwerker im Stadtregiment eine wichtigere Rolle spielten und eher das Degentragen für Handwerker innerorts gestatteten. Das Problem war wohl, dass die Künstler und Kaufleute z.B. die Rechte der Gebildeten (Professoren und Studenten) auf sich ausgebreitet sehen wollten, wodurch in vielen Gegenden das Degentragen aus Sicht der Obrigkeit Überhand nahm.

Wenn man sich die Edikte zum Verbot des Degentragens in der 1.Hälfte des 18.Jh. anschaut, kann man wohl ahnen, wer es sich insbesondere herausnahm:
Lakaien, Studenten, Handwerksgesellen
 
Kann ich mir denken, daß jene Zustände, welche M E L E T A O N im frühen 18.Jahrhundert beschreibt, später zu Waffenverboten geführt haben. Der Autor schreibt nämlich 1712, daß es gefährlich sei, sich in Studentenkneipen aufzuhalten, weil sich dort oft Degenfetischisten herumtrieben, die nur auf eine Gelegenheit warteten, anzubändeln.

Fraglich ist allerdings, ob Waffenverbote tatsächlich ihren Zweck erfüllten (sie machten ja doch eher die Betroffenen wehrlos) und ob nicht besser wäre, den Waffenmißbrauch schärfer zu bestrafen, bzw. jede Art Unstiftens von Unfrieden.

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P.S.: Übrigens setzt der neue §42a des Waffengesetzes mit dem 1.4.2008 ein echtes historisches Datum: Seitdem ist das Führen von Degen nämlich auch im 21.Jahrhundert verboten. Bis dahin hatte es ein Verbot von Hieb- und Stichwaffen an sich ja nicht gegeben. Für die sogenannten Reenacter bedeutet das einiges an Unsicherheit: Wann und wo darf ich die Waffe führen, an welchem Punct muß ich sie einschließen, um nicht mit dem Gesetz in Conflict zu geraten? Gleiches gilt natürlich auch für Säbel und Schwerter ...
Das nur zur Information - die Bewertung wäre eine politische Frage und gehört nicht hier her.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn niemand Degen tragen durfte, machte er höchstens den Handwerker oder Studenten gegenüber einem Adeligen "wehrlos", dem dieses Recht weiterhin zugebilligt wurde. Fraglich ist auch, ob man diese Verbote vielleicht auch in das Spektrum der Kleiderordnung einordnen kann, denn der Degen ist u.a. ja auch ein modisches Accessoire gewesen und verdeutlichte nun nach den Verbotsedikten die besondere Stellung des Adels in mancher Stadt sehr augenscheinlich.
Leider fehlen mir Statistiken, ob mit dem Verbot nun Totschläge oder gravierende Verwundungen eigentlich zurückgingen oder stattdessen zu Messern (wie auf holländischen Gemälden des 17.Jh. z.B. zu sehen) oder anderen Waffen oder dazu missbrauchten Gegenständen ersatzweise gegriffen wurde.
 
Die Waffen- und Duellverbote wurden allerdings durch den Ehrenkodex der Eliten, vor allem des Offizierskorps eigentlich zu einer Lachnummer. Noch um 1908 engagierten sich Liberale wie Ludwig Quidde gegen Duelle. Noch im Reichsstrafgesetzbuch von ca 1890 wurden Duelle mit Verletzungen und Todesfolgen nur mit Festungshaft bestraft. Alexandre Dumas, Leo Tolstoi, Puschkin, Heinrich Heine, Leon Blum und andere haben sich wiederholt duelliert. Tolstois Onkel war ein gefürchtetes Raubein, der manche Dame zur Witwe machte.

Im Zuge der Dreyfusaffäre kam es zu einer Vielzahl von Duellen. Es duellierten sich unter anderem Oberst Piquart, der Chef der Abwehr, sowie die Politiker Clemencea und Deroulede. Noch im 2. Weltkrieg wollten sich zwei preußische Generale duellieren, was Hitler verbot. Etwas verhohnepiepelt wird der Ehrenkodex in Ludwig Thomas Filserbriefen, wo es beinahe den bayrischen Kriegsminister, den Wehner Toni erwischt hätte, wenn es einen preußischen Baron nicht "derbarmt hätt", so dass er seine Pistolen wieder einpackte.

Tragisch ist der Fall des total kurzsichtigen Regimentsarztes Demant in Joseph Roths "Radetzkymarsch", dem wegen seiner leichtfertigen Frau nach dem Ehrenkodex des Offizierskorps gar nichts anderes übrig bleibt, als von einem Offizier, der ihn anpöbelt "Satisfaktion zu fordern".
 
Die Waffen- und Duellverbote wurden allerdings durch den Ehrenkodex der Eliten, vor allem des Offizierskorps eigentlich zu einer Lachnummer. Noch um 1908 engagierten sich Liberale wie Ludwig Quidde gegen Duelle. Noch im Reichsstrafgesetzbuch von ca 1890 wurden Duelle mit Verletzungen und Todesfolgen nur mit Festungshaft bestraft. Alexandre Dumas, Leo Tolstoi, Puschkin, Heinrich Heine, Leon Blum und andere haben sich wiederholt duelliert. Tolstois Onkel war ein gefürchtetes Raubein, der manche Dame zur Witwe machte.

Im Zuge der Dreyfusaffäre kam es zu einer Vielzahl von Duellen. Es duellierten sich unter anderem Oberst Piquart, der Chef der Abwehr, sowie die Politiker Clemencea und Deroulede. Noch im 2. Weltkrieg wollten sich zwei preußische Generale duellieren, was Hitler verbot. Etwas verhohnepiepelt wird der Ehrenkodex in Ludwig Thomas Filserbriefen, wo es beinahe den bayrischen Kriegsminister, den Wehner Toni erwischt hätte, wenn es einen preußischen Baron nicht "derbarmt hätt", so dass er seine Pistolen wieder einpackte.

Tragisch ist der Fall des total kurzsichtigen Regimentsarztes Demant in Joseph Roths "Radetzkymarsch", dem wegen seiner leichtfertigen Frau nach dem Ehrenkodex des Offizierskorps gar nichts anderes übrig bleibt, als von einem Offizier, der ihn anpöbelt "Satisfaktion zu fordern".
Mach doch bitte zu "Duelle im 19.Jh." ein spezielles Thema (Thread) auf, die von Dir angeführten Beispiele schießen hier über den zeitlichen Rahmen etwas sehr hinaus(!).
 
Das mag sein, dass Regeln für Duelle erst im 19. Jahrhundert schriftlich kodifiziert wurden, und in den meisten von mir aufgezählten Fällen wurden Pistolen als Waffen verwendet.

Doch das Ethos, die Vorstellung, dass ein Mann, der satisfaktionsfähig ist, seine Ehre und die seiner Familie mit Waffengewalt verteidigen darf, nein, muß, ist aber auch im 18. Jahrhundert gültig, wobei damals auch der Prozess der Staatlichkeit noch weit weniger fortgeschritten war. Duelle waren in fast allen Staaten verboten, dennoch waren sie gesellschaftlich akzeptiert, und die Verweigerung, sich einem Duell zu stellen, konnte fatale Folgen haben.

In Preußen hatte, meines Wissens, schon der Soldatenkönig Duelle verboten, und Zieten mußte einmal deswegen Festungshaft verbüßen, dennoch waren Ehrenhändel unter Offizieren weit verbreitet, und da man ohnehin Duelle nicht verhindern konnte, versuchte man wenigstens, sie soweit einzuschränken, dass sich das Offizierskorps gegenseitig dezimierte. Duellforderungen rangniedriger Offiziere an ranghöhere waren daher in den meisten Armeen verboten.
 
@Brissotin: Ich finde eigentlich, daß imrahmenbleibende Ausblicke auf spätere Duellpraxis ganz nützlich sind. Denke auch, daß gerade Scorpio hierfür gewiß den nötigen Instinct aufbringt.

Wer zu Messern und eben auch Knüppeln griff, hatte Scorpio erhellender Weise ja schon ausgeführt :: eben Criminelle. Der Bürger, welcher seinen Degen ja meist zur persönlichen Sicherheit trug, war durch Waffenverbote dadurch wehrloser.

Kleiner Excurs: Wie mein Vater mir über Pfingsten erzählte, geht man in New York derzeit von den bisherigen Waffenrechtsverschärfungen ab, da die Criminalität überbordete.

Es wäre interessant zu erfahren, welche Folgen die Waffenrechtsverschärfungen im ausgehenden 18.Jahrhundert zeitigten und ob auch hier eine Zunahme der Criminalität zu verzeichnen gewesen sei. Es ist ja ein offenes Geheimnis, daß Criminelle immer dort hin wechseln, wo ihnen die wenigsten Hindernisse in den Weg gelegt werden. Im der Praxis mag das so ausgesehen haben, daß Räuberbanden aus Herrschaftsgebieten mit relativ lockeren Waffengesetzen verschwanden, um dort hier Handwerk zu treiben, wo die Menschen nicht optimal Gegenwehr leisten konnten.
 
Doch das Ethos, die Vorstellung, dass ein Mann, der satisfaktionsfähig ist, seine Ehre und die seiner Familie mit Waffengewalt verteidigen darf, nein, muß, ist aber auch im 18. Jahrhundert gültig, wobei damals auch der Prozess der Staatlichkeit noch weit weniger fortgeschritten war. Duelle waren in fast allen Staaten verboten, dennoch waren sie gesellschaftlich akzeptiert, und die Verweigerung, sich einem Duell zu stellen, konnte fatale Folgen haben.

In Preußen hatte, meines Wissens, schon der Soldatenkönig Duelle verboten, und Zieten mußte einmal deswegen Festungshaft verbüßen, dennoch waren Ehrenhändel unter Offizieren weit verbreitet, und da man ohnehin Duelle nicht verhindern konnte, versuchte man wenigstens, sie soweit einzuschränken, dass sich das Offizierskorps gegenseitig dezimierte. Duellforderungen rangniedriger Offiziere an ranghöhere waren daher in den meisten Armeen verboten.

Ja in Preußen war das Duellieren schon seit langem verboten. Die gewöhnliche Strafe für das Zuwiderhandeln des Verbots war scheinbar die Haft, die gnädig ausfallen konnte, wenn der Verhaftete seine Gründe schilderte und nicht außer Landes flüchtete. Denn die Flucht außer Landes war gängige Praxis, die Höfe waren scheinbar voll von solchen Flüchtlingen und entsprechend verfolgte auch die Rache durch die preußische Obrigkeit diejenigen, welche sozusagen und teilweise in der Tat, wenn es Offiziere waren, fahnenflüchtig wurden.
Thièbault bringt das Beispiel eines hervorragenden Schützen Herrn von Marschall, der tatsächlich nach kurzer Festungshaft durch die Unterstützung des französischen Gesandten am preußischen Hof recht frei wieder freikam, da dieser dem besagten Duellisten die schlimmen Folgen einer geplanten Flucht auseinander gesetzt hatte und den besagten Duellisten davon überzeugen konnte zu bleiben. Man muss wohl auch sagen, dass der Schütze seinen Gegner tötlich traf, wenngleich eigentlich der Schuss ins Bein beabsichtigt war.

In Frankreich waren die Duellverbote ja auch schon sehr alt, was den Gemahl der berühmten Mme. de Sévigné, die im 18.Jh. viel von der Oberschicht zum Vorbild genommen wurde, nicht davon abhielt, sich im Duell abstechen zu lassen.
 
Aus vielen zeitgenössischen Quellen scheint sich herauszukristallisieren, dass Waffenverbote schon damals nicht viel genützt haben, und dass es durchaus eine ganze Menge braver Bürger gab, die zum persönlichen Schutz ihre geliebten Waffen trotz der Verbote behielten. Erstaunlich gut bewaffnet waren interessanterweise oft Pastoren, von denen manche recht gut mit Pulver und Blei umgehen konnten.

Ein flämischer Pastor ließ sich auf eine Schießerei mit Räubern der Großen Niederländischen Bande ein.

"Tu fais feu, mai tu ne echapperas pas de notre mains" riefen sie ihm zu.
Der Mut des Pastors imponierte dem Anführer Jan Bosbeck, der verhinderte, dass er misshandelt wurde. "Est il permis, de traiter mois a` ce maniere?", beschwerte sich der Pastor, worauf Bosbeck antwortete, "non, ce ne pas permis" und dem Räuber, der den Pastor misshandelt hatte, einen Tritt versetzte. Auch berühmte Räuber holten sich manchmal blutige Köpfe oder wurden von Pleiten, Pech und Pannen heimgesucht.

Kriminalisten betonten in ihren "Actenmäßigen Berichten" die große Gefährlichkeit der Banditen, und oft schreckten sie selbst vor grotesken Übertreibungen nicht zurück. Tatsächlich waren meist Knüppel, statt Degen und Pistolen die Waffen bei vielen Überfällen, und dass manche Banditen 10, 15 Jahre oder noch länger aktiv sein konnten, verdankten sie meist weniger der eigenen Kühnheit, als dem chaotischen und schlecht ausgebildeten Verfolgungspersonal.

So gelang es dem Räuber Johann Adam Grasmann auf dem Transport zu fliehen. Als die Verfolger ihre Flinten auf den Flüchtigen abgeschossen hatten, setzte sein Patensohn Johannn Adam Heusner noch einen drauf und schlug sich ebenfalls seitwärts in die Büsche.

Bei einem Überfall des Hölzerlips und seiner Kollegen konnte auch nach 24 Stunden immer noch keine Streife organisiert werden, da nur ein alter Gendarm mit einem alten Klepper zur Verfügung standen.
 
Ich denke Waffen auf Reisen sind was recht spezielles. Erstaunlicherweise fielen Degen dann im Zuge des Modewandels scheinbar auch bei Reisenden in den 1780ern weg.
Bezeichnenderweise wurde ausdrücklich das Degentragen von Handwerkern außerhalb von Städten weiterhin erlaubt. Also die Waffenverbote richteten sich weitesgehend nicht gegen die Möglichkeiten der Selbstverteidigung. Während in den Städten und in größeren Gemeinden die Polizei durchaus vertreten war und für Recht und Ordnung sorgen sollte und sich wohl auch keinen bewaffneten Zivilisten gegenüber sehen sollte, war die Sicherheit auf den Straßen im 18.Jh. noch sehr im Argen, was scheinbar zu der Erlaubnis des Waffentragens für die Reise führte.

Wurde der besagte Pastor während einer Reise oder aber daheim angegriffen?
 
Das war in seinem eigenen Haus. Pastoren, Gastwirte und mittlere Beamte waren besonders gefährdet, während der Angriff auf ein Kloster oder einen Adelssitz sehr riskant war und eine bestimmte Anzahl gut bewaffneter, erfahrener Banditen voraussetzte.
 
In Russland verbreitete sich der Brauch der Duelle durch die Ausländer. In Moskau, aber auch im jungen Petersburg gab es eine ziemlich hohe Kriminalitätsrate, weshalb Peter I. das Tragen von langen russischen Messern, Duelle und überhaupt jeden Waffenbesitz, selbst zur Selbstverteidigung, verbot.

Offenbar war Petersburg für Ausländer nicht ganz ungefährlich. Ausländer, besonders Deutsche waren bei vielen Russen unbeliebt, und ein Österreicher, der nachts angeheitert heimritt, wurde von einem Russen angepöbelt und attackiert, worauf er ihn mit einem Pistolenschuß mehr erschreckte, als verwundete. Obwohl er sich nur verteidigt hatte, bot er dem Russen ein Bestechungsgeld, doch die Sache sickerte durch, und der Österreicher sollte zur Knutenstrafe verurteilt werden, vor dem ihn aber die Fürsprache des kaiserlichen Gesandten bewahrte.
 
Wer trug einen Degen?

Wer trug einen Degen?
Nun, beim Adel wird es wohl die Regel gewesen sein. Doch wie weit ging dieses Standesbewusstsein nach unten? Wer grenzte sich durch das tragen des Degens ab.

Aus dem Artikel Degen-tragen der Oeconomischen Encyclopädie Band 9 ca. 1776-1793* von Johann Georg Krünitz:
[...]Daher wurde diesen beyden Sorten der Leute, nämlich dem Adel wegen des Krieges, und den Gelehrten zum Zeichen ihrer Freyheit, das Degentragen, ja jenen das Recht verstattet, nach gewisser gesetzlichen Ordnung ihre Rechte durch Kampf und Duelle auszumachen. Der hohe und niedere Adel hielt daher auf das Degentragen, aller jezt gedachten Veränderung ungeachtet, sehr viel. Die Könige, Fürsten, Grafen und Herren, ließen sich ihre Degen öffentlich vortragen, und bezeigeten damit ihre Macht, Leib= und Lebensstrafen zu verhängen, und öffentliche Kriege zu führen. Auf ihren Münzen, und in ihren Wappen, muste sich der Degen immer präsentiren und in die Höhe gerücket werden, ob es gleich gegen alle Regeln der Zeichnungskunst lief. Der geringere Geschlechtsadel hielt sich an das Degengefäß, und der Gelehrte trug ihn unter dem Mantel, zum Zeichen, daß sie gelehrt und geehrt wären. Die Adelichen Knaben wurden durch das Degen=Anhängen für mündig und wehrhaft erkläret. Ja, als endlich unter den übrigen bürgerlichen Professionen, außer den gemeinen Handwerks=Leuten, auch solche Stände entstanden, die wegen besonderer Geschicklichkeit und Kunst vor andern hochgeachtet und geehrt, insonderheit aber durch den Ehren=Stand der Gelehrten ehrsüchtig gemachet wurden, z. E. Kaufleute und Künstler, der Reichthum auch unter diesen Leuten zunahm: so maßten sich auch diese, aus gleichem Grunde, wie die Gelehrten, das Degentragen an, weil dieses Zeichen sie von dem Stande gemeiner Handwerker und Bürger unterschied, und sie als besonders edle Bürger vorstellete.[...]
Hier nun als Beispiel für einen Künstler Mozart.
W.A. Mozart in Hofkleidung auf einem Ölgemälde von 1763**:
Wolfgang-amadeus-mozart_2.jpg


Einen Degen zu tragen war ein Privileg und der einfachen Bevölkerung verboten. Natürlich deutet ein Verbot immer auf Zuwiderhandlung hin. Rene Chartrand zur Theorie in Frankreich in Louis the XV's Army 2
[...] the sword was only allowed to be worn by gentlemen, nobles, royal officials and the military.

Soldat des Rgt. La Sarre 1757-60***

"Das brüchige Leben. Verführung und Aufruhr im Paris des 18. Jahrhunderts" von Arlette Farge zur Praxis[FONT=&quot]: [/FONT]
[...] der Traum [frz. Garde] von Francois Berton ist so bezeichnend, daß man ihn erzählen muß: vom Knopfmachermeister Letesne entlassen, zieht Francois durch die Straßen, um ihn schlechtzumachen und darüber zu sprechen, wie er sich rächen werde: >>Dazu werde er sich bei der französischen Garde verpflichten, um das Recht zu haben, einen Degen zu tragen, den er ihm dann durch den Leib bohren werde. [...] Das Recht, den Degen zu tragen war eine gängige Forderung; 1764 hatte der Polizeiinspektor Damotte eine Auseinandersetzung mit Hutmachergesellen, die sich an der porte de Chaillot versammelt hatten und lauthals erklärten, dass sie mit der Satzung ihrer Zunft nicht einverstanden seien die ihnen bei 20 livres Strafe verbot, einen Degen oder ein Jagdmesser zu tragen. [...] Einen Degen zu tragen war ein Zeichen der Distinktion, sein Fehlen am Gürtel untergrub die Würde, zeugte von knechtischer Abhängigkeit. Um diese Rechte zu fordern, hatten sich die Hutmacher übrigens >> in betresste Gewänder von drei bis vierhundert livres und Spitzenärmel zu drei bis 4 Louisdor gekleidet<<. [...] die Gesellen versuchten vor allem, durch ihren äußeren Aufzug zu zeigen, dass nichts sie in die Nähe der vulgären und unterdrückten Körperschaft des Gesindes**** rücken sollte.*****[...]
Der Wert als Statussymbol war also bedeutend und ermöglichte dem "Gesinde" einen kleinen sozialen Aufstieg. Chartrand bestätigt dies: der Kavaliersdegen sei militärisch nutzlos gewesen und wurde am 20. März 1764 für einfache Soldaten abgeschafft. Er durfte nur noch ab dem Rang eines Corporals getragen werden.
Gesellen forderten dieses Statussymbol und dürften die Verbote auch sicher umgangen haben. Inwiefern konnte z.B. bei einem Gebrauchtkleiderhändler kontrolliert werden, dass der Käufer den entsprechenden Rang hatte, bzw. inwiefern hatte ein Verkäufer überhaupt ein Interesse daran seine Ware nicht zu verkaufen.

Gebrauchtkleiderhändler mit zwei Degen, um 1700******




Hoffe auf einen regen Austausch von Quellen. Damalige Preise von Degen im Vergleich mit anderen Waren wären auch interessant. :winke:

*Aufnahme der Arbeit - Tod von Krünitz, der bis dahin 72 Bände geschrieben hatte
**Bild von Wikipedia, Original im Mozarteum Salzburg
***Musée de l'Armée, Paris; bei der grünen und der roten Uniform handelt es sich um Fantasiegebilde
**** in "Huren, Henker, Hugenotten. Das Leben in London um 1700" von Maureen Waller finden sich ähnliche Primärquellen in denen betont wird wie schrecklich es sei, dass die Zofe kaum von der Herrin zu unterscheiden sei
*****S. 145, romanhaft geschrieben, dafür viele Primärquellen
****** British Museum

Quellen:
-Krünitz: Oeconomische Encyclopädie oder allgemeines System der Land-, Haus- und Staats-Wirthschaft : in alphabetischer Ordnung. Bd. 9. Berlin: Pauli, 1773-1858.
http://www.kruenitz1.uni-trier.de/

-Chartrand/Leliepvre: Louis XV's Army (2) French Infantry. London: Osprey, 1996

- Waller: Huren, Henker, Hugenotten. Leben in London um 1700. Köln: Komet, 2004 (besser als der Titel vermuten lässt^^)

- Farge: Das brüchige Leben. Verführung und Aufruhr im Paris des 18. Jahrhunderts. Berlin: Wagenbach, 1989
 
Zuletzt bearbeitet:
Dein Threadtitel ist konkreter, AnDro, aber dennoch erlaube ich mir mal auf den bereits existierenden Thread hinzuweisen. http://www.geschichtsforum.de/f76/frage-zu-degen-und-trageweise-im-18-jh-13911/
Demoiselle führt darin Quellen zum Degentragen aus dem frühen 18.Jh. auf, wobei Du Dich da durch viele Wortberge wühlen musst.

Für mich stellt auch derzeit der Krünitz die beste Quelle in der Hinsicht dar.
Ich glaube in Swifts "Anweisungen für Dienstboten" geht auch einmal einer der Diener mit Degen.
Außerdem fand ich es beachtlich, dass der Bräker von seinem Herren u.a. einen Palasch bekam, womit er wohl auch eher einen Degen genannt haben dürfte. Trugen denn Zivilisten zu der Zeit Palasche? Ist mir noch nicht untergekommen.

Ansonsten war es von Stadt zu Stadt oder Staat zu Staat unterschiedlich, wer Degen tragen durfte. Manchmal war es selbst Ratsmitgliedern untersagt.
Jedenfalls verdeutlicht ja schon der Krünitz, was ich am Interessantesten fand, dass das ausschließliche Vorrecht des Adels Degen zu tragen eine unsinnige Mär ist, die dennoch nicht ausstirbt.
 
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