Wer trug einen Degen?
Wer trug einen Degen?
Nun, beim Adel wird es wohl die Regel gewesen sein. Doch wie weit ging dieses Standesbewusstsein nach unten? Wer grenzte sich durch das tragen des Degens ab.
Aus dem Artikel Degen-tragen der Oeconomischen Encyclopädie Band 9 ca. 1776-1793* von Johann Georg Krünitz:
[...]Daher wurde diesen beyden Sorten der Leute, nämlich dem Adel wegen des Krieges, und den Gelehrten zum Zeichen ihrer Freyheit, das Degentragen, ja jenen das Recht verstattet, nach gewisser gesetzlichen Ordnung ihre Rechte durch Kampf und Duelle auszumachen. Der hohe und niedere Adel hielt daher auf das Degentragen, aller jezt gedachten Veränderung ungeachtet, sehr viel. Die Könige, Fürsten, Grafen und Herren, ließen sich ihre Degen öffentlich vortragen, und bezeigeten damit ihre Macht, Leib= und Lebensstrafen zu verhängen, und öffentliche Kriege zu führen. Auf ihren Münzen, und in ihren Wappen, muste sich der Degen immer präsentiren und in die Höhe gerücket werden, ob es gleich gegen alle Regeln der Zeichnungskunst lief. Der geringere Geschlechtsadel hielt sich an das Degengefäß, und der Gelehrte trug ihn unter dem Mantel, zum Zeichen, daß sie gelehrt und geehrt wären. Die Adelichen Knaben wurden durch das Degen=Anhängen für mündig und wehrhaft erkläret. Ja, als endlich unter den übrigen bürgerlichen Professionen, außer den gemeinen Handwerks=Leuten, auch solche Stände entstanden, die wegen besonderer Geschicklichkeit und Kunst vor andern hochgeachtet und geehrt, insonderheit aber durch den Ehren=Stand der Gelehrten ehrsüchtig gemachet wurden, z. E. Kaufleute und Künstler, der Reichthum auch unter diesen Leuten zunahm: so maßten sich auch diese, aus gleichem Grunde, wie die Gelehrten, das Degentragen an, weil dieses Zeichen sie von dem Stande gemeiner Handwerker und Bürger unterschied, und sie als besonders edle Bürger vorstellete.[...]
Hier nun als Beispiel für einen Künstler Mozart.
W.A. Mozart in Hofkleidung auf einem Ölgemälde von 1763**:
Einen Degen zu tragen war ein Privileg und der einfachen Bevölkerung verboten. Natürlich deutet ein Verbot immer auf Zuwiderhandlung hin. Rene Chartrand zur Theorie in Frankreich in Louis the XV's Army 2
[...] the sword was only allowed to be worn by gentlemen, nobles, royal officials and the military.
Soldat des Rgt. La Sarre 1757-60***
"Das brüchige Leben. Verführung und Aufruhr im Paris des 18. Jahrhunderts" von Arlette Farge zur Praxis[FONT="]: [/FONT]
[...] der Traum [frz. Garde] von Francois Berton ist so bezeichnend, daß man ihn erzählen muß: vom Knopfmachermeister Letesne entlassen, zieht Francois durch die Straßen, um ihn schlechtzumachen und darüber zu sprechen, wie er sich rächen werde: >>Dazu werde er sich bei der französischen Garde verpflichten, um das Recht zu haben, einen Degen zu tragen, den er ihm dann durch den Leib bohren werde. [...] Das Recht, den Degen zu tragen war eine gängige Forderung; 1764 hatte der Polizeiinspektor Damotte eine Auseinandersetzung mit Hutmachergesellen, die sich an der porte de Chaillot versammelt hatten und lauthals erklärten, dass sie mit der Satzung ihrer Zunft nicht einverstanden seien die ihnen bei 20 livres Strafe verbot, einen Degen oder ein Jagdmesser zu tragen. [...] Einen Degen zu tragen war ein Zeichen der Distinktion, sein Fehlen am Gürtel untergrub die Würde, zeugte von knechtischer Abhängigkeit. Um diese Rechte zu fordern, hatten sich die Hutmacher übrigens >> in betresste Gewänder von drei bis vierhundert livres und Spitzenärmel zu drei bis 4 Louisdor gekleidet<<. [...] die Gesellen versuchten vor allem, durch ihren äußeren Aufzug zu zeigen, dass nichts sie in die Nähe der vulgären und unterdrückten Körperschaft des Gesindes**** rücken sollte.*****[...]
Der Wert als Statussymbol war also bedeutend und ermöglichte dem "Gesinde" einen kleinen sozialen Aufstieg. Chartrand bestätigt dies: der Kavaliersdegen sei militärisch nutzlos gewesen und wurde am 20. März 1764 für einfache Soldaten abgeschafft. Er durfte nur noch ab dem Rang eines Corporals getragen werden.
Gesellen forderten dieses Statussymbol und dürften die Verbote auch sicher umgangen haben. Inwiefern konnte z.B. bei einem Gebrauchtkleiderhändler kontrolliert werden, dass der Käufer den entsprechenden Rang hatte, bzw. inwiefern hatte ein Verkäufer überhaupt ein Interesse daran seine Ware nicht zu verkaufen.
Gebrauchtkleiderhändler mit zwei Degen, um 1700******
Hoffe auf einen regen Austausch von Quellen. Damalige Preise von Degen im Vergleich mit anderen Waren wären auch interessant. :winke:
*Aufnahme der Arbeit - Tod von Krünitz, der bis dahin 72 Bände geschrieben hatte
**Bild von Wikipedia, Original im Mozarteum Salzburg
***Musée de l'Armée, Paris; bei der grünen und der roten Uniform handelt es sich um Fantasiegebilde
**** in "Huren, Henker, Hugenotten. Das Leben in London um 1700" von Maureen Waller finden sich ähnliche Primärquellen in denen betont wird wie schrecklich es sei, dass die Zofe kaum von der Herrin zu unterscheiden sei
*****S. 145, romanhaft geschrieben, dafür viele Primärquellen
****** British Museum
Quellen:
-Krünitz: Oeconomische Encyclopädie oder allgemeines System der Land-, Haus- und Staats-Wirthschaft : in alphabetischer Ordnung. Bd. 9. Berlin: Pauli, 1773-1858.
http://www.kruenitz1.uni-trier.de/
-Chartrand/Leliepvre: Louis XV's Army (2) French Infantry. London: Osprey, 1996
- Waller: Huren, Henker, Hugenotten. Leben in London um 1700. Köln: Komet, 2004 (besser als der Titel vermuten lässt^^)
- Farge: Das brüchige Leben. Verführung und Aufruhr im Paris des 18. Jahrhunderts. Berlin: Wagenbach, 1989