Frage zu Degen und Trageweise im 18.Jh.

An "Vermögen" wird das Degentragen sicher nicht gekoppelt gewesen sein.

Deine Wort bewegte ich in meinem Herzen. Wer trug damals eine lange Blankwaffe? Wer verzichtete darauf, oder durfte dies nicht tun?
Also in England war das Tragen von Waffen bspw. in der Bill of Rights von 1689 verkoppelt. Beschränkt war dieses Recht allerdings auf protestantische Untertanen und war aufgrund des dortigen Milizsystems nötig.
In einigen Staaten des HRR existierte, soweit mir bekannt, auch noch ein Milizsystem. So sind mir aus der Markgrafschaft Baden-Durlach aus dem 18.Jh. Wehren bekannt, deren militärischer Wert aufgrund ihrer mangelhaften Ausrüstung aber wohl angezweifelt werden kann.
 
Also in England war das Tragen von Waffen bspw. in der Bill of Rights von 1689 verkoppelt. Beschränkt war dieses Recht allerdings auf protestantische Untertanen und war aufgrund des dortigen Milizsystems nötig.
In einigen Staaten des HRR existierte, soweit mir bekannt, auch noch ein Milizsystem. So sind mir aus der Markgrafschaft Baden-Durlach aus dem 18.Jh. Wehren bekannt, deren militärischer Wert aufgrund ihrer mangelhaften Ausrüstung aber wohl angezweifelt werden kann.
Engelland kenne ich nur aus der Zeitung (in den 2.Jahren wo ich eine historische hielt). Es gab Bestrebungen, die offenbar zum Teil von Frankreich ausgingen, in England einen Sturz zugunsten der alten catholischen Thronlinie herbei zu führen. Auf jeden Fall wittert man ständig diese Gefahr. Und so leuchtet mir Dein Bericht, von der Beschränkung des Degentragens auf Protestanten, ein.
Milizen waren weit verbreitet. Und jeder Fürst hatte durchaus ein Interesse daran, daß seine Untertanen fechten konnten, wo militärische Schlagkraft ja sehr hoch eingestuft wurde. - Anno 1570 argumentierte Joachim Meyer exact in diese Richtung und so preist er sein Fechtbuch ja auch an : daß es eben auch um die Verteidigung der Teutschen Heimat ginge. Daher war mit Sicherheit im öffentlichen Interesse, daß Fechtmeister ihre Dienste anboten.

Daß - gerade bei Milizen - viele Waffen wenig taugten, glaube ich gerne. Oder meinst Du mit "Wehren" (frühneuzeitlicher Ausdruck für Waffen) nicht Waffen?
 
Es gehört ja zu den Lieblingsthesen der Allgemeinheit, das Degentragen wäre Vorrecht der oberen Stände gewesen (ähnlich wie die früher-hat-man-sich-nicht-gewaschen-These).

Für das hl. Römische Reich muß ich nochmal betonen, daß mir kein Fall einer Einschränkung bekannt ist. Gut, ich deutelte neulich über private Bedienstete herum - aber das fällt ja unters private Hausrecht.
Was das öffentliche Degentragen angeht, so gibt es heute nach wie vor keine Einschränkung (solange man volljährig ist). Und diese Schrankenlosigkeit ist Jahrhunderte alt. Kann mir schwer vorstellen, daß das moderne Waffenrecht hier großzügiger ist als vor 200/300 Jahren. Nein, wir haben die alte Freiheit schlicht beibehalten (vielleicht, weil's eh aus der Mode gekommen ist).

Zu dem Raubes=Volck: Hier bedient man sich gern des Allgemeinplatzes, das wären ganz ungehobelte Klötze gewesen, die eh nicht richtig fechten konnten und daher mit einem Hausäbel besser dran gewesen wären. - Das ist ein übles Vorurteil. Berührung mit Militärdrill haben damals viele gehabt und da trug im frühen 18.Jahrhundert auch der Gemeine einen Degen. Criminelle Laufbahnen ergriffen nicht selten z.B. Deserteure. Nach Beendigung eines Krieges streunten immer wieder heimatlose Soldatenhorden herum, die ihren Krieg einfach weiter führten - als Räuber-Haufen. Daß dererlei Banden nicht allein tactisch geschult vorgehen, sondern auch im Umgang mit Waffen bestens geschult sind, braucht nicht erwähnt zu werden.

Scorpio erwähnt einen Studenten, welcher nach einem Tötungsdelict (Duell) fliehen muß. Auch solche Leute rutschten leicht in criminelle Laufbahnen hinein. Und wo er wahrscheinlich als Student fleißig den Fechtboden frequentiert hat, wird er als Raubs-Person hinreichend geschickt mit dem Degen sein.

Wir sollten uns von den ach-so-schicken Lieblingsthesen verabschieden. Sie schmeichelten gewiß meinem Degen. Aber ich fürchte, daß selbst mit meinem geliebten Officiersdegen* so mancher Räuber seinem Handwerk nachgegangen sein wird ...


* Welcher übrigens vorletztes Wochenende eine Ananas vollständig durchtrennt hat (sie mundete recht wohl). Und dies obwohl ich - unbequem aus der Hocke - gar nicht mal allzu fest zugeschlagen hatte. Ich meine immer noch, daß es auch für einen Räuber kein besseres Instrument gab.
 
Zuletzt bearbeitet:
Meistens kam es bei den nächtlichen Aktionen solcher Herrschaften kaum auf klassisches Fechten an. Der hesse darmstädtische Kriminalist schrieb um 1811, dass der Bandit Philipp Lang, alias Hölzerlips und seine Gefährten Manne Friedrichs, Veit Krämer und Wuttwuttwutt. Mannshohe Buchenknüppel benutzten, die sie mit Blei ausgossen. Waffen bei Überfällen waren eher Knüppel als Degen und Pistolen. Es gab tatsächlich viele ehemalige Soldaten unter den Räubern. solche Banditen wurden sozusagen auf Staatskosten ausgebildet. Dennoch trugen auch die selten ständig Waffen mit sich herum, denn das wäre sehr gefäherlich gewesen. Irgendwann gerieten sie ja auch mal wieder in eine Streife oder wurden auf der Landstraße angehalten. Ein Vagant, der einen Degen oder eine Pistole bei sich trug machte sich sofort verdächtig und wurde erst mal festgenommen. Das hätte den Tod am Galgen bedeuten können.

Ein erfolgreicher Räuber konnte sich aber erfolgreich als sonst harmloser Vagant tarnen und ganz unauffällig im Heer der Betteljuden und Vaganten untertauchen.

Gut bewaffnete Banditen waren eher selten. Noch um 1860 schrieb der Lübecker Kriminalist Ave´- Lallement, dass er bei Gaunern nur billige Terzerole und Taschenmesser gesehen habe, obwohl es damals schon brauchbare und auch erschwingliche Revolver gab.

Ein erfolgreicher Coup, einen Masematten handeln, hieß das im Rotwelsch, wurde oft monatelang akribisch geplant. Die Waffen deponierte man bei einem Schlupfwinkel, einem "kochemer Bayes". Erst unmittelbar davor wurden sie ausgegeben. Ein Degen war recht unhandlich und bedeutend teurer, als ein Knüppel, den man sich jederzeit wieder schneiden konnte und den man vor allem auch leicht entsorgen konnte.

Viele prominente Räuber hatten mehr Talent zur Verschwendung, als zum Sparen, außerdem wurden sie für Schlupfwinkel kräftig zur Kasse gebeten. Teure Waffen, Kleidungsstücke, Schmuck wurde bei schlechter Konjunkturlage verkauft oder auch im nächsten Bordell gegen Dienstleistungen getauscht. Die Räuber, auch die erfolgreichsten ihrer Zunft waren eher "arme Schweine", die sich nicht reich gestohlen haben. Was hätte ein Bandit auch mit einem Degen anfangen sollen, der ihn bei Reisen mehr behinderte und wegen dem man ihm nur lästige Fragen gestellt hätte.
 
Hatte schon registriert, daß Du Dich mit dem Raubes=Volck intensiv befaßt hast. Deine Einwände klingen sehr wirklichkeitsnah und lassen sozusagen in den historischen Alltag eintauchen.

Brissotins Frage ist damit etwas eingegrenzt: Man brauchte wohl mindestens eine nachweisbar bürgerliche Identität, um nicht von vorn herein als verdächtiges "Gesindel" angesehen zu werden. Die Grenze innerhalb derer man das Tragen von Degen hinnahm, mag sich tatsächlich im Breich Bürgerrecht, Zunftmitgliedschaft, Universitätszugehörigkeit ect. befunden haben. Ob etwa ein wandernder Geselle Degen und Pistole mitführen konnte (ohne wär mir bei den Verhältnissen da nicht wohl!), wo er immerhin ja Zunftpapiere vorweisen kann?

Das Gaunervolk legte sich zuweilen eine andere Identität zu. Einer Fahndungsliste von 1733 entnehme ich, wie sich einer gar als "abgedanckten Cammer=Diener/ zuzeiten aber ein Laqueien" ausgibt. Das war Fahndern offensichtlich erfahrungsmäßig bewußt und so werden sie recht genau auf Papiere gesehen haben. Was jene Wirte und Bauern, die außerhalb der Stadt logieren, angeht, so fällt in der Liste auf, daß diese bevorzugt Unterschlupf gewähren und obendrein noch Diebesgut aufkaufen. Schon diese Leute scheinen grundsätzlich verdächig zu sein. Unwiderlegt bleibt aber auch diese Überlegung nicht ganz: Abraham Dieprams (1622-1670) "Die Zecher" zeigt im Vordergrund einen barhäuptig hemdsärmligen Mann mit erhobenem Glase. Der Hut hängt an einem Dreibeinhocker. Direct daneben steht ein recht prachtvoller Degen. Dieser offenbar schon Angetrunkene "Zecher" macht auf mich einen durchaus bäuerlichen Eindruck. So wird denn auch über Diepram "Bauern- und Genremaler" vermerkt. Absolute Aussagen werden allzuleicht von derartigen Bildern widerlegt.

Daß ein Degen sonderlich behinderte, kann ich nicht nachempfinden - obschon ich alles andere als kraftstrotzend bin. Der IOD drückt recht unangenehm auf den Beckenknochen, aber am Schultergurt stört er mich über Stunden nicht. Im Laufschritt muß man ihn freilich ruhig halten, aber so kann man sogar einwandfrei sprinten. Ein Galanteriedegen ist kinderleicht aber mit dem Spielding eine Post=Chaise überfallen zu wollen, kommt mir nicht 'fachgerecht' vor.

Es könnte aber wohl doch sein, daß Waffentragen damals in einigen Aspecten eingeschränkter war als heute.

Was ich mit Gewißheit sagen kann, reicht wiederum in tanzmeisterliche Alltagsroutine hinein: Nämlich, daß zur Aufmachung eines Cavaliers - neben Justeaucorps, Peruque, Hut ect. - gleichwohl ein Galanteriedegen gehört. Und ein Cavalier wird an "Exterieur" (v.a. Kleidung) und "Qualification" (v.a. Benimm, "guthe Aufführung", Bildung) gemessen. Über Schuster- und Schneider-Menuets hat man gemeinerweise gewitzelt, aber diese Leute suchten auch Anerkennung und frequentierten mit den Tanzboden. Und ich glaube nicht, daß sie dabei ausnahmslos ein schlechtes Bild abgegeben haben. G.Taubert schreibt 1717, mancher Mensch hätte einen repräsentativen Anzug in seiner kargen Wohnstatt hängen - eben um anerkannt zu sein - obschon er ansonten ärmlich lebt. Und so war's ja auch mit der Bildung - solche Leute lasen oft, was sie kriegen konnten.

Ich bin wahrscheinlich letztens über das Ziel hinaus geschossen, zumal mein Erfahrungsbereich bei honorigen Druckergesellen so ziemlich aufhört. Was ich eigentlich nur relativieren wollte, ist die Einengung der Frühneuzeitwelt auf rosarote Hofwelten, was mir zu Zeiten des sogenannten "Barocktanzes" rasch zum Hals raus hing. Bei den Rotwelschen menschelt es wenigstens.
Aber wenn ich obgenannte "Jauner= Und Diebs=Lista" durchblättre, kommt sie mir wie eine Jammer- und Elends-Lista vor. Etliche von den darin Genannten werden anhand von Gebrechen beschrieben. So sieht die Welt jenseits aller Socialprogramme aus. Nach einem IOD kann man da wohl lange Ausschau halten.
Daß der Räuber seinen Arsenalbestand schwer in Ordnung halten kann, ist vielleicht ähnlich wie mit den Obdachlosen von Anno 2008. Man sagt: "Bitte steh hier nicht in der Kälte, sondern geh zum Jobcenter und nimm Dir eine kuschelige Wohnung!" - Wie er's nicht auf die Reihe kriegt, begreife ich nicht. Ich kann nur einsehen, daß er's nicht auf die Reihe kriegt. Genauso wenig kann ich nachfühlen, daß ein Räuber sein 'Handwerkszeug' nicht zusammen halten kann. Aber man kann's sich ja ausmalen: Degen versoffen und fröhlich drauf gepfiffen ... - Aber ich gebe die Hoffnung nicht ganz auf, daß es auch den einen oder anderen Desperado gab, der optimal organisiert und bewaffnet war.

Räuber sind meißt anders als Schneider und Schuster, die ihren Arbeitsbereich im Griff haben, um abends noch als galanter Herr über "M. Joh. Andr. Fabricii philosophische Oratorie oder vernünfftige Anleitung zur galanten Beredsamkeit" (1732 zu haben für 8 Groschen!) zu discurrieren. Und eben diese Leute kann ich mir ohne Degen schwer vorstellen.
 
Um meine Mißgefühl mal zu präcisieren:

Ich habe immer Manchetten vor der glamourösen Royal-Liebhaberei: Geld, Klatsch, Amorösitäten ... ect, ect...
Die bewundernden Kleinbürger möchten gerne teilhaben - auch mal Prinzessin sein. Und dann möchte man den Degen nicht in der Hand des Precariats sehen. Genau deshalb stelle ich aber den Bezug um so lieber her.

Ich sagte ja nicht, der Officiersdegen sei Standartwaffe der Räuber gewesen.
 
Rotwelschen menschelt es wenigstens.
Aber wenn ich obgenannte "Jauner= Und Diebs=Lista" durchblättre, kommt sie mir wie eine Jammer- und Elends-Lista vor. Etliche von den darin Genannten werden anhand von Gebrechen beschrieben. So sieht die Welt jenseits aller Socialprogramme aus. Nach einem IOD kann man da wohl lange Ausschau halten.
Daß der Räuber seinen Arsenalbestand schwer in Ordnung halten kann, ist vielleicht ähnlich wie mit den Obdachlosen von Anno 2008. Man sagt: "Bitte steh hier nicht in der Kälte, sondern geh zum Jobcenter und nimm Dir eine kuschelige Wohnung!" - Wie er's nicht auf die Reihe kriegt, begreife ich nicht. Ich kann nur einsehen, daß er's nicht auf die Reihe kriegt. Genauso wenig kann ich nachfühlen, daß ein Räuber sein 'Handwerkszeug' nicht zusammen halten kann. Aber man kann's sich ja ausmalen: Degen versoffen und fröhlich drauf gepfiffen ... - Aber ich gebe die Hoffnung nicht ganz auf, daß es auch den einen oder anderen Desperado gab, der optimal organisiert und bewaffnet war.

Räuber sind meißt anders als Schneider und Schuster, die ihren Arbeitsbereich im Griff haben, um abends noch als galanter Herr über "M. Joh. Andr. Fabricii philosophische Oratorie oder vernünfftige Anleitung zur galanten Beredsamkeit" (1732 zu haben für 8 Groschen!) zu discurrieren. Und eben diese Leute kann ich mir ohne Degen schwer vorstellen.


Bei deinem Beitrag fiel mir ein bekannter Räuber ein, dessen "Handwerkszeug" man heute noch bewundern kann. Es ist allerdings kein Degen, sondern ein sehr aufwändig verzierter Stutzen von hervorragender Qualität, der Mathias Klostermayr, genannt der "Bayrische Hiesl" gehörte. Das ausgesucht schöne Stück liegt heute im Deutschen Jagd- und Fischereimuseum in München. Klostermayr war ein bekannter Wilddieb, und er fand in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts viel Aufmerksamkeit in der Forschung, da er der einzige deutsche Räuber war, der in das Schema von Eric Hobsbawms "Sozialbanditentheorie" passt.
 
Matthias Klostermayr - Wikipedia

Donner ! sie kriegten ihn nur, indem sie heimlich sein Pulver naß machten. Und trotz der Übermacht von 300 Soldaten leisteten er und seine Leute stundenlang Widerstand. Na, da werden wohl auch etliche Blankwaffen eingesetzt worden sein - neben Hirschfängern und Säbeln vielleicht auch ein (irgendwo geraubter) IOD.
:anbetung:
 
Er trug immer einen Hirschfänger mit sich. Gefährlicher noch, als ein Degen war sein Kampfhund, den er besonders gerne auf Jäger oder Streifer hetzte. Der bayrische Hiesl hatte erfahren, dass ein Müller einen großen Hund abgerichtet hatte, um ihn gefangen zu nehmen. Klostermayr machte einen Besuch auf der Mühle, überwältigte den Hund und nahm ihn dann an der Leine einfach mit.
 
Ein Hund allein ist grundsätzlich abwehrbar. Gefährlich ist immer das Cooperativ >Bewaffneter & Hund<. Der Hund kann dem Gegner die Deckung sehr ungemütlich machen und während der Mensch das Annahen des Hundes deckt, kann umgekehrt der Hund die Gegenwehr des Gegners durchkreuzen.

Aber um wieder etwas näher an das Thema heran zu pirschen: MENANTES Roman "Die verliebte und Galante Welt" wird heute gern dahingehend interpretiert, daß MENANTES möglicherweise eigene Erlebnisse verarbeitete : Eifersuchtsdramen - wobei der Contrahent im Roman getötet wird. Nun, MENANTES kam aus dem sächsischen Raume (wo der Roman auch spielt), weilte aber bei Herausgabe des Romans in Hamburg. Möglicherweise ist er dahin geflohen, weil man ihm auf den Fersen war.

Überhaupt ist dieser Roman ein hochinteressantes Abbild seiner Zeit.
 
In letzter Zeit kam ich auf den Gedanken "Psychologie des Waffentragens". Das ging vor allem von der actuellen Änderung des Waffengesetzes aus. Lange Blankwaffen bleiben ja nach wie vor unberührt (habe extra nochmal bei der Waffenbehörde angerufen). Daraufhin fragte ich mich, ob denn etwa für einen jugendlichen Messerstecher eine lange Blankwaffe attractiv sein könnte. Da kam ich auf den Gedanken, daß so ein Mensch seine Waffe wohl lieber verborgen trägt, solange er nicht damit prahlt.

Das offene Degentragen hatte auch vor Jahrhunderten so einen edlen Nimbus des Ritterlichen, ja Rechtschaffenen. Dem möchte ein Straßenräuber wahrscheinlich gar nicht entsprechen. Niedere Stände/Schichte neigten von jeher zur abschätziger Betrachtung Wohlhabender und Gebildeter. Ich weiß das deswegen recht genau, weil die Tanzmeister jener Zeit an diese Schichten kaum herankamen, wo man Höflichkeit und Vernunft (Galanterie) als Quatsch verlachte.

Das wäre ein neuer Aspect : daß nämlich der sogenannte "niedere Stand" den Degen seltener trug, weil er ihn womöglich verachtete und nicht weil man es ihm verwehrte. Aber ein holländisches Gemälde hatte ich ja erwähnt, das hier als Ausnahmegegenbeispiel dienen kann.
 
Das wäre ein neuer Aspect : daß nämlich der sogenannte "niedere Stand" den Degen seltener trug, weil er ihn womöglich verachtete und nicht weil man es ihm verwehrte. Aber ein holländisches Gemälde hatte ich ja erwähnt, das hier als Ausnahmegegenbeispiel dienen kann.
Finde ich wunderlich. Ich denke, dass sich der "niedere Stand" schlichtweg den Degen nicht leisten konnte. Bürgerliche trugen ihn, Adelige trugen ihn, aber warum sollte wer den Degen tragen, dem er nur hinderlich war und der ihn nicht bezahlen konnte bzw. wenn man ihn sich leisten konnte ihn bei nächst möglicher Gelegenheit wieder versetzt hätte. Ich muss mal schauen, wieviel so ein Degen kostete. Leider kenne ich an Degen fast nur aus Museen die handwerklich aufwendigen und verzierten Stücke, aber auch die etwas selteneren Exemplare, welche eher der Selbstverteidigung galten, sind teilweise erhalten und weisen ein hohes Maß an handwerklichem Geschick zur Fertigung auf, was sicherlich neben dem Materialpreis teuer genug war.
Ich würde Dir empfehlen einfach den Artikel zum Degentragen in der Encyclopédie von Krünitz zu lesen, da wird recht schön differenziert.
 
Ein Degen war durchaus ein Statussymbol, und der Gebrauch als Waffe oder Sportgerät setzte auch eine gewisse Muße und Zeit voraus, den Gebrauch zu lernen. Von Voltaire ist bekannt, dass er eigens Fechtunterricht nahm, um einen Adligen zum Duell fordern zu können, der ihn von seinen Dienern hatte vermöbeln lassen.
 
Von Voltaire ist bekannt, dass er eigens Fechtunterricht nahm, um einen Adligen zum Duell fordern zu können, der ihn von seinen Dienern hatte vermöbeln lassen.
Das ist ein interessanter Fall. Ich habe nämlich von einem Bekannten gehört, dass man sich eigentlich nur unter Standesgenossen gleichen Ranges duellieren durfte und auch die Sekundanten, im Falle dass ihre Aussagen wichtig wurden, eigentlich jeweils dem eigenen Stand des Duellisten entsprechen sollten.
Genauso war es ja auch in der Armee, wo sich nur Hauptmänner mit Hauptmännern und Leutnants mit Leutnants schlagen durften.

Natürlich hielt sich nicht ein jeder nach den Duellregeln. Komischerweise stehen selbst in den Fechtlehrbüchern bspw. Kniffe, die eigentlich den Duellregularien widersprachen. So durfte man eigentlich dem Gegner nicht mit der Hand den Degen einfach entreißen, wenngleich dies eine geübte Taktik war.
 
Ein interessantes Duell, bei dem zumindest einer der Akteure peinlich darauf achtete, dass er einen entscheidenden Vorteil hatte, beschreibt Grimmelshausen in seinem "Simplicius Simplicissimus".

Ein Musketier und ein Dragoner verabreden sich zum Duell, wobei der eine seine Muskete, der andere seine Pistolen benutzen soll. Der Musketier schmiert etwas Fett auf seine Pulverpfanne und streut etwas Pulver darauf. Im Duell hält er die Lunte auf das Pulver, dass es aufflammt, worauf der Dragoner annimmt, der Musketier habe eine Fehlzündung. Als er sich arglos so weit nähert, dass ihn der Musketier nicht mehr verfehlen kann, schießt er ihn auf kürzeste Entfernung über den Haufen.
 
Nochmal zu den Damens:
Zwar ein fiktives, aber dennoch zeitgenössisches wehrhaftes Frauenzimmer ist ein dem Roman "Die galanten Abenteuer des Chevalier de Faublas" zu finden (spätestenes 1793 geschrieben, da starb nämlich der Autor).
Sie duelliert sich in Männerkleidern mit ihrem treulosen Liebhaber und zwar zu Pferd! Allerdings mit Pistolen, wesswegen sie hier eigentlich nix zu suchen hat.
Man muss dazu sagen dass, das Buch ziemlich überzogen und etwas satierenhaft ist...
 
Nochmal zu den Damens:
Zwar ein fiktives, aber dennoch zeitgenössisches wehrhaftes Frauenzimmer ist ein dem Roman "Die galanten Abenteuer des Chevalier de Faublas" zu finden (spätestenes 1793 geschrieben, da starb nämlich der Autor).
Wikipedia gibt 1787 bis 1789 als Datum des Romans an. Jean-Baptiste Louvet de Couvray – Wikipedia
Der Autor de Couvray (1760-97) scheint wegen seiner politischen Tätigkeit in der Revolution recht gut erforscht.
U.a. hat sich die Uni Jena scheinbar mit dem Autor beschäftigt und liefert als Zeitpunkt einer ersten deutschen Übersetzung zum Roman "Die galanten Abenteuer des Chevalier de Faublas" 1804. http://zs.thulb.uni-jena.de/servlet...esults&id=1tmwhdle2pahkfesklrpu&numPerPage=10
 
Nochmal zu den Damens:
Zwar ein fiktives, aber dennoch zeitgenössisches wehrhaftes Frauenzimmer ist ein dem Roman "Die galanten Abenteuer des Chevalier de Faublas" zu finden (spätestenes 1793 geschrieben, da starb nämlich der Autor).
Sie duelliert sich in Männerkleidern mit ihrem treulosen Liebhaber und zwar zu Pferd! Allerdings mit Pistolen, wesswegen sie hier eigentlich nix zu suchen hat.
Man muss dazu sagen dass, das Buch ziemlich überzogen und etwas satierenhaft ist...

Solche Fictionen waren ja nicht aus der Luft gegriffen. Aber es waren überaus seltene Einzelfälle und die allermeisten dieser Abweichlerinnen wurden schmählich entlarvt. Ganz wenige Fälle hatten das große Glück, von Königen oder Fürsten geehrt zu werden, um fortan besondere Privilegien und gar Pensionen zu genießen. Aber so ein 'Millionen-Lottogewinn' ist im Leben nunmal äußerst unwahrscheinlich, auch wenn manch eine die sich heimlich zum Militär stahl, davon träumte.

Auch das von Dir genannte Duell wird sich in der Geschichte hin und wieder ereignet haben. Es gab ja vereinzelt Frauen, denen es gelang, lebenslang unentdeckt als Mann zu leben und man muß auch hier wohl noch von einer gewissen Dunkelziffer ausgehen ...

Was aber heute in Schaukämpfen* mitunter gezeigt wird, daß Damen in damenhafter Kleidung den Degen gegeneinander, oder gar gegen Herren führen, ist offen gesagt Phantasterei. Das war damals ungefähr so scandalös, als wollten heutzutage Tanzpaare auf dem Berliner Alexanderplatz splitterfasernackt Tango tanzen.
;)

* Muß mich aus solchen dubiosen Projecten rauswinden, wenn man mich bittet, bei solch grotesquem Unterfangen mitzutun. Meine Welt ist nicht die des Phantasy, sondern jene galante Zeit, die aus unzähligen zeitgenössischen Medien eigentlich ALLES über sich erzählt. Ich sage immer "Quellen, Quellen, nochmals Quellen". Denn wenn solche Quellen Falschinformationen liefern, sind es immerhin historisch authentische Falschinformationen und somit gleichwohl von historischem Interesse! Aber je mehr Originalquellen man consultiert hat, desto eher hört man die Nachtigall trappsen - wird also ein critischer Quellenconsument
 
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Die allerersten Duelle mit Schusswaffen wurden tatsächlich oft zu Pferde durchgeführt. kein Wunder waren Rad- und später Steinschlosspistolen typische Kavalleriewaffen. Dabei wurden nicht selten Degen und Pistolen verwendet.

Noch um 1758 wurden in Irland Duelle zu Pferde ausgetragen so zwischen einem Oberst und einem Mr. Gilbert. Offenbar waren beide keine überragenden Schützen oder das zielen vom Pferd aus zu mühsam, jedenballs schossen beide daneben. Als Gilberts Pferd stolperte, bedrohte sein Gegner ihn sofort mit dem Degen, worauf dieser aufgab und der "Ehrenhandel" bereingt wurde.
 
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