Entwicklung 1715-1774
So, nun will ich einmal die Jahreszahlen mit Leben füllen.
1715 war der französische Staat laut Hartmann quasi zahlungsunfähig. Der Spanische Erbfolgekrieg hatte das Königreich erschöpft.
Wichtige Entscheidungen, die sich dann letztlich auch auf die finanziellen und überhaupt innenpolitischen Spielräume auswirkten wurden allerdings ebenfalls zu der Zeit nach dem Tode des Sonnenkönigs getroffen. Um an die ungeteilte Regentschaft zu gelangen, billigte der Duc d'Orléans dem Parlament von Paris wieder weitgehende Befugnisse zu, welche ehedem unter Louis XIV zurückgedrängt worden waren. Die Parlamente erhielten ein nicht zu unterschätzendes politisches Recht bei der Registrierung der Gesetze. Da sich die Parlamente selber aus Privilegierten zusammensetzten sollte dies zu einem Hemmnis für Reformen werden, welche den Staat entlasten sollten und die Privilegierten an den Steuerlasten beteiligen sollten.
Die Staatsschulden lagen bei der für damalige Verhältnisse gewaltigen Summe von etwa 2.000.000.000 Livres.
Die Regentschaft des Duc d'Orléans wird stark unterschiedlich bewertet. Gerade seine Zugeständnisse an die Parlamente bedeuteten letztlich eine schwere Hypothek für die künftigen Könige des Ancien Régime an der sie zu knabbern und letztlich unterzugehen hatten.
1720 brach das Lawsche Projekt zusammen. Nach einer gewaltigen Inflation wurden die Banknoten wieder abgeschafft und zum alten Münzwesen zurück gekehrt. Andererseits sollen die Staatsschulden im Zuge dieser Ereignisse bedeutend abgebaut worden sein.
Hat jemand dazu brauchbare Zahlen?
1738 erreichte der für seine Sparsamkeit berühmte Generalkontrolleur Orry, der die erstaunlich lange Zeitspanne von 1730-45 im Amt war, als eine Seltenheit im Frankreich des 18.Jh. einen ausgeglichenen Haushalt und dies trotz des Polnischen Thronfolgekrieges, woran sich Frankreich maßgeblich beteiligt hatte. Allerdings ist dazu zu sagen, dass Kardinal Fleury auch eine Politik betrieb, die generell auf Frieden fixiert war, wofür ihm von Kritikern jedoch auch die Vernachlässigung der Marine vorgeworfen wurde.
Im Jahre 1764 hatte sich Frankreichs Schuldenberg auf den enormen Betrag von 2.325,5 Mio. Livres erhöht, was nicht zuletzt dem 1763 beendeten Siebenjährigen Krieg verschuldet war, welcher sich sowohl militärisch, als auch finanziell als Desaster darstellte. Frankreich hatte stark an Prestige gelitten.
Bis zum Jahre 1770 scheiterten die Bemühungen um eine Reformierung, beispielsweise ein franz. Generalkataster (1764), des Staates an der innerhalb der Regierung (Choiseul) und in den Parlamenten vorherrschenden Opposition. So entschied sich Louis XV zu den entscheidenden Schritten, welche bisweilen als Revolution von 1770 bezeichnet werden. Es handelte sich um eine Revolution von oben, welche gegen den Widerstand der privilegierten Opposition gerichtet war, mit welcher der Duc de Choiseul, von Mme. de Pompadour und dann Marie Antoinette protegierter Sekretär des Äußeren und des Krieges, paktierte. Im Dezember 1770 wurde überraschend der Duc de Choiseul entlassen und auf seine Güter nach Chanteloup verbannt. Dies war eine typische Aktion des Königs, wobei er es vorzog den in Ungnade gefallenen Minister in Sicherheit zuvor zu wiegen, dass er nicht rechtzeitig rebellieren konnte.
Der neuen Regierung stand Monsieur Maupeou als Kanzler vor.
Die Vermählungsfeierlichkeiten des Dauphins des Jahres 1770 hatten noch nach Aussage des Generalkontrolleurs der Finanzen Terray 4 bis 5 Millionen Livres gekostet, was immerhin deutlich günstiger als angeblich befürchtete 20 Mio. gekommen war. Interessanterweise erwähnte Terray, dass am Hof nur ein paar hunderttausend Livres statt einiger Millionen zu sparen sei.
Viele Parlamentsmitglieder wurden in die Verbannung geschickt, das ganze System grundlegend reformiert. 2 Parlamente, nämlich die von Rouen und Douais, wurden ganz aufgelöst. Stattdessen wurden die Parlamente in unabhängige Gerichte umgewandelt, wobei die Richter staatlich bezahlt wurden und überwiegend aus fachlichen Gründen ausgewählt wurden. Zeitgenossen erkannten darin einen bedeutenden Umbruch. Kostenintensive aber unnütze Posten bei Hofe wurden abgeschafft.
Am wesentlichsten waren aber die Einschnitte hinsichtlich der Besteuerung. Zum einen wurde erneut das Projekt eines Generalkatasters von Frankreich für eine gerechte Besteuerung anvisiert. Da die Schulden als erstes Anliegen des neuen Kabinetts rasch abgebaut werden sollten, wurde die Vingtième doppelt eingezogen, was heißt, dass es eine 10 prozentige Einkommenssteuer gab, welche auch auf die Pensionen des Adels erhoben wurde und somit die Privilegierten in unbekanntem Maße hart traf und daher auch deren Widerstand hervorrief, was in den üblichen Schmähschriften gipfelte, die allerdings kaum Wirkung im Volk zeigten. Die doppelte Vingtième sollte, so der Plan, 1771 bis 1781 eingezogen werden. Bis 1781 sollte das Defizit abgebaut sein.
Das Hauptziel war eine gerechte Besteuerung, welche durch unabhängige, nur auf den König eingeschworene Beamte, durchgeführt werden sollte. Dies war schlichtweg fiskalisch notwendig.
Bereits 1774 war der Haushalt beinahe im Gleichgewicht, da die Reformen erfolgreich waren.*
1774 trat unerwartet der Tod des Königs ein, der an den Pocken zugrunde ging. Rasch nach dem Tode des Herrschers wurden die im Adel verhassten und geschickten Minister der letzten Jahre von Louis XV entlassen. Die alten Parlamente wurden auf Druck der neuen Kräfte auf den jungen König, Louis XVI wiedereingesetzt. Dies gilt als „die zentrale Weichenstellung für das Ende des Ancien Régime“**. Entscheidend wirkte sich der Einfluss des alten Maurepas auf den König aus.
Turgot wurde Finanzminister. Seine Maßnahmen führten bereits am Anfang zu Kornrevolten und weiteren Unruhen, so dass er rasch wieder entlassen werden musste.
Zwar kam es zu bedeutenden Sparmaßnahmen. Diese betrafen vor allem das Militär. Der Kriegsminister Saint-Germain musste sämtliche Provinregimenter streichen (66), die königl. Grenadiere wurden aufgelöst, ebenso die beiden Kompanien der Musketiere (adelige Eliteeinheiten), die Gendarmarie und die leichte Kavallerie wurden reduziert usw.. Diese Aderlässe beim Militär waren besonders augenfällig, da zur gleichen Zeit die anderen europäischen Staaten ihre Heere indessen aufstockten, v.a. Preußen und Österreich und dann im Zuge des Unabhängigkeitskrieges auch die Briten.
Am Hof wurden, wie Terray schon prophezeit hatte, nur wenig gespart - an der Hundemeute des Königs und in den Stallungen. Insgesamt kam das nur auf wenige hunderttausend Livres.
Letztlich scheiterten allerdings die wirklichen Reformen, welche sich gegen die Privilegierten richten mussten an den wiedererstarkten Parlamenten.
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O. Bernier: „Ludwig XV.“ Benziger, Zürich - Köln, 1986
S. 500
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C.P. Hartmann: „Ludwig XVI.“ in „Die Französischen Könige und Kaiser der Neuzeit“ beck’sche Reihe, München, 2006
S. 289