Es geht nicht darum "Meinungen" zu teilen, sondern um den Versuch Erkenntnis zu gewinnen, und auf deren Quellen zu verweisen.
Dann wiederrum, bitte ich dich mal um einen fachmännischen Rat: Wie genau gewinnt man Quellen, die einem Antworten auf kontrafaktische Überlegungen liefern?
Denn nichts anderes, als ein kontrafaktisches Szenario, ist eine Westverlegung der im Osten stehenden Verbände anno Frühjahr 1918 ja.
Dieses Szenario kann man beliebig so lange hin und herbiegen, wie es einem passt und einer gesicherten Quellengrundlage entzieht es sich vollkommen.
1. Sicherung der Ostgrenze: Was hier passiert wäre hätte man die Truppen heraus gezogen oder wäre man zu einem anderen Friedensschluss gelangt, steht völlig in den Sternen.
2. Machbarkeit der Verlegung der Truppen nach Westen: Wird vom konkreten Aufmarschgebiet und dem angepeilten Zeitrahmen, so wie dem zeitpunkt des Beschlusses abhängen, der wiederrum mit der Friedensfrage Ost korrespondieren würde, die nicht ohne weiteres fassbar ist.
3. Machbarkeit der logistischen Ausstattung der Truppen: Hängt wohl davon ab, ob man bei einem Aufmarsch weiterer truppen versucht hätte die Versorgung mit Kampfmittel und Ausrüstung pro Soldat aufrecht zu erhalten oder ob man der gesteigerten Anzahl an Truppen durch geringere Versorgung des einzelnen Soldaten Rechnung zu tragen, was dann die Logistik entlastet, die Angriffsfähigkeiten des einzelnen Soldaten, seine Munition, seine maximal zumutbare Gefechtszeit/Entfernung von den artilleristischen verbänden, möglicherweise beeinträchtigt hätte.
4. Konkreter militärischer Nutzen: Durchbruchsversuche mit punktueller materieller Überlegenheit hat es seitens der Entente immer wieder gegeben, bekanntlich weitgehend ergebnislos. Woher als außer dem restlichen Kriegsverlauf sollte man hier sinnvolle Einschätzungen zu ableiten können? Die Schlüsse aus dem bisherigen Kriegsverlauf, der gegen einen Erfolg spricht
5. Termin des Angriffs: bei transportbedingten Verzögerungen wären dementsprechend automatisch auch Änderungen auf der anderen Seite der Front angefallen. Wie genau sollte deren Vorwegnehmen in Reaktion auf den Zusammenbruch Russlands und der Erwartung einer deutschen Offensive darstellbar sein?
Da stecken so viele unklare Punkte drinn, dass man in dieser Frage, die mit der der Sinnhaftigkeit der Belassung von Truppen im Osten korrespondiert, abseits von persönlichen Meinungen, zu nichts substanziellem kommen kann.
Was wird hier also erwartet?
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Ich habe zu keiner Zeit den Anspruch erhoben hier über absolute Größen zu reden, sondern dass was ich geschrieben habe, als persönliche Ansicht benannt. Warum man die Benennung einer solchen Meinung dann in abwertender Weise in Anführungszeichen setzen muss, weiß ich nicht.
Auch nicht, was man damit zu bezwecken gedenkt, die Ausführungen anderer als "fehlerhaft" und "irreführend" abzuqualifizieren, dann allerdings nicht zu benennen, was genau man für fehlerhaft und irreführend hält.
Du tust an dieser Stelle so, als gäbe es hier irgendwelche festen Größen, die nicht anfechtbar wären und stellst die Einschätzung abgelaufener Ereignisse durch einzelne Historiker als absolut hin, ohne das näher zu begründen.
Du bringst hier Zitate wie:
in mMn etwas sehr unkritischer Weise.Das bedeutete praktisch die deutsche Annexion der Ukraine und eines Großteils des Baltikums.“ Figes S. 579
Wenn wir hier bei der Causa Ukraine sind, hätte ich z.B. sehr gerne mal gewust, nach exakt welcher völkerrechtlich diskutablen Definition von "Annexion" hier eine solche vorliegt und sollte keine solche Definition vorliegen, was genau mit der Verwendung dieser ziemlich unscharfen, aber Schärfe suggerierenden Einschätzung bezweckt werden soll.
Ferner vergleichst du Constanta mit Kiautschou.
Das heißt, du vergleichst eine durch das offizielle Qing-China in keiner Weise provozierte räuberische Koloniale Landnahme damit einem geschlagenen Rumänien, dass sich selbst nachdem es sich im Bucharester Vertrag von der Entente Gebietsgewinne hatte zusichern lassen, mit agressiven Absichten in den Krieg gestürzt hatte im Friedensvertrag die Aufgabe einiger Rohstoffvorkommen, Konzessionsrechte an Bahnlinien und langjährige Rechte an einem Hafen abzutreten ohne diese freilich endgültig vom rumänischen Staatsgebiet abzutrennen, abzuverlangen.
Ich würde für meinen Teil mal behaupten, jemandem, der einen überfallen und sich dabei verkalkuliert hat, anschließend etwas abzunehmen, um sich damit die entstandenen Unannehmlichkeiten abgelten zu lassen, ist ein kleines Bisschen was anderes, als jemanden von vorn herein aus Habgier aktiv zu überfallen und sich an ihm schadlos zu halten.
Insofern halte ich den von dir gebrachten Vergleich in diesem Sinne für schief. Entsprechend auch meine Einlassung hinsichtlicht einiger Bestimmungen des Versailler Vertrags, zu dem ich da wesentlich eher paralelen sehe, wenn hier von Seiten der Entente in Belange deutscher Souverenität (z.B. erzwungene Internationalisierung der Flusschiffahrt), die Rede ist, als zu einer kolonialen Landnahme.
Analog zu deiner Constanta-Kiautschou-Gleichsetzung hätte ich auf solcher Ebene auch behaupten können, die erzwungene Internationalisierung bisher in deutscher Hoheit befindlicher Gewässer wäre den Verhandlungen über die Internationalisierung und Freiheit des Handels auf dem Kongo, wie anno 1885 in Berlin erörtert vergleichbar und somit merkmal kolonialer Politik.
Das ist selbstredend Schwachsinn auf jedweder Ebene.
Koloniale Landnahme/sauber als solche zu bzeichnende Kolonialpolitik zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass sie von Beginn an geplant vom Kolonisator in aktiver Manier gegen das zu kolonisierende völkerrechtliche Subjekt verfolgt wird.
Das ist in dieser Form weder im Fall Rumäniens, noch im Fall Deutschlands gegeben, sondern beide haben das Heraufbeschwören der Konflikte, die entsprechende Eingriffe zur Folge hatten, bewusst und aktiv betrieben. Da sie es aktiv betrieben und damit willentlich anderen Schaden zufügten, ergibt sich dadurch wohl offensichtlich eine gewisse Berechtigung, diese Akteure anschließend zur Leistung von Reparation dieser Schäden heran zu ziehen.
Insofern und durch die im Krieg entwerteten Währungen konnten sich die Deutschen (Regierungsseitig) kaum moralisch darüber echauffieren, dass sie diverse Gebiete, Rohstoffvorkommen verloren, deutsches Auslandsvermögen beschlagnahmt und in Teilen Repatation in Sachleistungen zu berappen hatten, analog verhält es sich mit Rumänien wo für die Zentralmächte als Ressourcen eben eher das Öl interessant war.
Was aber hatte die Chinesische Regierung noch gleich verbrochen, dass man ihr zumutete Gebiete und Konzessionen abzutreten? Und wenn solche Taten nicht vorliegen, was rechtfertigt dann den Vergleich?
Ich würde an Hand solcher Beispiele mal meinen, was du hier vertrittst, sind auch lediglich Meinungen. Kann man ja alles diskutieren, aber wo sind hier nun die Quellen und Erkenntnisse, die das als absolute Größen festlegen?
Entsprechend fällt es mir gerade schwer dein Echauffieren über meinen Umgang mit dem Thema nachzuvollziehen.
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Um wieder auf die ursprüngliche Frage Westoffensive zurück zu kommen. Was müsste man also wissen um herausfinden zu können, ob anderes Handeln a) möglich gewesen wäre und b) zu irgendwelchen Ergebnissen geführt hätte?
Es müsste zweifelsfrei geklärt werden ob:
- Die Bolschewiki zu anderen Bedingungen zu einem Friedenschluss grundsätzlich bereit gewesen wären.
- Dieser Friedensschluss die Einrichtung von Pufferstaaten und die weitgehende Demobilisation der zaristischen Armee und die Zerstörung des Gros an Kriegsmaterial umfasst hätte um im Osten Sicherheit zu schaffen.
- In welcher Zeit der Frieden auszuhandeln und die Bedingungen so weit umzusetzen gewesen wären, dass ein Abzug ohne Gefahr für die Ostflanke ermöglicht worden wäre.
- Wie lange ein Abzug der Truppen gedauert und ob es zu einem Verzug des Angriffstermis gekommen wäre.
- Ob Ludendorff und Konsorten einen entsprechenden Verzug für hinnehmbar gehalten hätten
- Was in der Zeit dieses Verzugs die Entente unternommen hätte um nach Wegfallen der Front im Osten und der offenbaren Konzentration der deutschen Truppen im Westen als Gegenmaßnahmen ins Auge gefasst hätte.
- Wie der Zusatz an Truppen an der Front verteilt worden und was das für die einzelnen Unterabschnitte an logistischer Mehrbelastung bedeutet hätte.
- Ob diese logistische Mehrbelastung zu stemmen gewesen wäre.
- Ob man bereit gewesen wäre eine größere Menge an Truppen mit geringeren Munitions und Nachschubvorräten zu versehen und damit die Kampfkraft des einzelnen Soldaten zu schwächen, wenn dies nicht der Fall gewesen wäre.
Ich würde, die unterschiedlichen Korrespondenzen dieser Fragen zu einander berücksichtigend behaupten, dass wir nichts davon befriedigend an Hand nicht anfechtbarer Materialien belegen können.
Da wir auch die bolschewiki und Ludendorff und Konsorten, so wie die militärischen und zivilen Köpfe von Zentralmächten und Entente dazu nicht mehr befragen können, stehen wir hier in der Sackgasse.
Wenn wir in der Sackgasse stehen, können wir von vorn herein die Frage als gegenstandslos zumachen oder wir können diskutieren, aber wenn wir diskutieren, ist hierbei klar, dass mehr als Meinungen dabei nicht herauskommen können.
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