Ich finde eine Stelle im 15. Kap. des ersten Buches seiner Kirchengeschichte, in der er das Gegenteil sagt:
Advenerant autem de tribus Germaniae populis fortioribus, id est Saxonibus, Anglis, Iutis. = Sie kamen aber von den drei stärkeren Völkern Germaniens, das heißt den Sachsen, Angeln und Jüten.
Nachtrag: Möglicherweise hat Raedwald eine Stelle missverstanden. Im 9. Kap. des 5. Buches heißt es nämlich:
... quarum in Germania plurimas noverat esse nationes, a quibus Angli vel Saxones, qui nunc Brittaniam incolunt, genus et originem duxisse noscuntur; unde hactenus a vicina gente Brettonum corrupte Garmani nuncupantur.
= ... von denen er von sehr vielen Völkern wusste, dass sie in Germanien sind, von denen die Angeln oder Sachsen, die nun Britannien bewohnen, bekanntlich Geschlecht und Abstammung herleiteten, woher sie bis dahin vom benachbarten Volk der Briten fälschlich "Garmanen" genannt werden.
(Das "fälschlich" bezieht sich also darauf, dass die Briten das Wort "Germanen" falsch sprachen, nicht dass die Angeln und Sachsen keine Germanen seien.)
Ok, bevor ich da jetzt antworte, muss ich nochmal fragen. Wenn also der Begriff "Germanen" Ein Konstrukt der Römer gewesen ist und ich jetzt mal davon ausgehe, dass die Stämme wie Cherusker, Semnonen usw. sich nicht als Germanen bezeichnet haben, ist es dann korrekt auch darauf zu schließen, dass sich diese Stämme nicht auf irgendeiner Ebene zusammengehörig gefühlt haben?
Laut dem 2. Kap. von Tacitus' "Germania" hatten sie zumindest einen gemeinsamen Abstammungsmythos. An dieser Stelle (am Ende des Kapitels) behauptet zumindest Tacitus, dass die Germanen nicht nur von anderen so genannt würden, sondern mittlerweile sich auch selbst so nennen würden.