Wenn Weststimmen unbedingt eingefordert werden, dann will ich auch mal.
Als die Mauer fiel, war ich zwölf. Also noch kein unbedingt politisch denkender Mensch. Ich war zwei Mal in der DDR, das erste Mal einen Monat vor der Wende, das zweite Mal einige Monate danach. Seitdem bin ich zwar mehrfach übers WE in Ostdeutschland gewesen, aber da war die DDR eben schon Geschichte. Mein erster DDR-Besuch, Oktober '89 war ein eher verhinderter DDR-Besuch, aber der zählt wegen des Grenzübergangs. Wir waren auf dem Weg nach Berlin. Der Zollbeamte bekam unsere Pässe (bzw. meinen Kinderausweis) und blickte prüfend ins Auto. Dann die Frage: "Drei Personen?" Klein-Quijote: "Sehn' Sie doch!" Dann Weiterfahrt zum Zweiten Posten. Für die Jüngeren unter uns: am ersten DDR-Grenzhäuschen gab man den Pass ab, der wurde dann auf ein Fließband neben der Fahrspur gelegt und 300 m weiter, beim zweiten Grenzhäuschen bekam man ihn wieder ausgehändigt. Auf diesen dreihundert Metern bekam Klein-Quijote von seinen Eltern was zu hören, DDR-Grenzbeamte solle man nicht verärgern, die ließen einen nämlich u.U. nicht durchreisen etc. Meine Eltern lästerten aber auch über die Illusion, welche die DDR-Grenzer vermittelten, dass sie die Papiere super genau prüfen würden (wozu sonst das Fließband).Sie meinten, in Wirklichkeit sei das nur Einschüchterung, wer wolle denn jeden Reisenden überprüfen und vor allem: die Archivierungsarbeit. Allerdings berichtete mir vor wenigen Wochen ein älterer Herr, dass er für die katholische Kirche mehrfach in die DDR gereist ist, mit verschiedenen Pässen, unter verschiedenen Namen. Er habe dann von einem befreundeten Mitarbeiter der "Birthlerbehörde" Einblick in seine Stasi-Akte erhalten: die Stasi wusste alles über ihn. Nicht nur seine Aktivitäten in der DDR, sondern auch seinen echten Namen und wie er Im Westen lebte etc. Insofern stelle ich mir vor, dass die Fließbänder und Passkontrolle vielleicht doch mehr als nur Einschüchterungsillusionen waren.
Als wir dann auf einem der Parkplätze an der Transitstrecke hielten, hielt 20 m hinter uns ein unauffälliger weißer Lada mit zwei Männern drin. Die aßen nichts, gingen nicht aufs Klo, wechselten nicht den Fahrer...
Einige Tage später wollten wir von Berlin nach Berlin. Mein erster Aufenthalt an der Friedrichstraße. Meiner Erinnerung nach genau der vierzigste Jahrestag der DDR, was aber nicht stimmen kann, da die Herbstferien 1989 erst einige Tage später anfingen (ein typisches Zeitzeugenproblem). Wir waren nicht die einzigen, die rüber wollten, aber im Bahnhof Friedrichstraße war jede Menge Grenzpolizei - hier muss man wissen, der Bahnhof Friedrichstraße war Ostberliner Gebiet, wurde aber von der West-S-Bahn angefahren, man stieg aus und konnte dann hier durch die Grenzkontrollen. Hier erlebte ich dann tatsächlich die Willkür der Grenzbeamten. Die winkten immer drei Kleingruppen (Paare, Familien, Einzelpersonen) durch und drei Kleingruppen ließen sie nicht durch die Grenzübergangsstelle. Wir gehörten zu denen, die nicht weiter in die DDR vorstoßen durften. Wir beobachteten das noch eine Weile, aber meine Mutter wollte sich nicht noch mal in der Schlange anstellen und so fuhren wir zurück über die Spree. Weniger als einen Monat später war die strenge Grenzkontrolle Geschichte!